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Essay: Immigranten – Chance oder Problem? | bpb.de

Essay: Immigranten – Chance oder Problem?

Zbigniew Bujak

/ 11 Minuten zu lesen

Während viele Polen abwartend bis ablehnend gegenüber der Flüchtlingskrise eingestellt sind, plädiert Zbigniew Bujak in seinem Essay für eine Aufnahme dieser Flüchtlinge. Einerseits, damit sie die Kunst öffentlichen Verwaltens mit in ihre Heimatländer nehmen können und Reformen hin zu Demokratien anstoßen können, aber auch, da Polen sie als Arbeitskräfte dringend benötige.

"[Immigranten] sind mutige, aktive, unternehmerische und entschlossene Menschen. Sie haben alle Eigenschaften, um Wissen und Fähigkeiten eines modernen öffentlichen Verwaltens zu erlangen, die für ihre Länder so notwendig ist. Werden sie wieder zurückgehen, um ihrem Land zu dienen? Ich denke, ja" (im Foto: Die Universität Warschau) (© Public Domain)

Der massenhafte Zustrom von Menschen aus islamischen Ländern und aus den Ländern Afrikas ist eine große Chance für Europa. Er verweist nämlich auf eine fundamentale Eigenschaft der Länder des "Alten Europa": Es sind gut geführte Länder. Folglich werden sich in diese Länder sowie in einige andere euroatlantische Kulturen (USA, Kanada, Australien, Neuseeland) Intellektuelle und Ärzte, Ingenieure und Wissenschaftler aus den übrigen Ländern der Welt aufmachen. Auch gewöhnliche Bürger, die ein sicheres Leben für ihre Familien suchen, werden diese ansteuern. In ihrem Verständnis enthalten die Werte der islamischen Kultur einen wesentlichen Mangel – so das Signal des Exodus an die Eliten der islamischen Länder. Dieser Mangel hat zur Folge, dass in den Ländern Europas mit seiner europäischen Kultur auch Moslems die Chance auf ein normales Leben suchen.

Dieser Exodus ist gleichzeitig ein Signal an die europäischen Eliten. Erstens, dass es "Europa" in jenen Regionen der Welt bereits gab und dass das, was nach jenem "Europa" übrig blieb, nicht ausreichte, um sowohl effektive Staaten als auch effektive öffentliche Dienste aufzubauen. Zweitens schafft es "Europa" auch gegenwärtig nicht, den Eliten anderer zivilisatorischer Gebiete sein Know-how des Regierens und Verwaltens zu vermitteln. Zu den Eliten von Tunesien, Ägypten, Libyen, Syrien, Irak usw. gehören viele Personen, die an den europäischen und amerikanischen Universitäten ausgebildet wurden. Baschar al-Assad ist hier ein ausgezeichnetes Beispiel. Bevor er ein blutiger Diktator Syriens wurde, war er ein englischer Gentleman. Man kann also eine europäische Universität absolvieren, man kann in Europa Dutzende Jahre leben und arbeiten und blind und taub dafür bleiben, was in Europa das Wesentliche der Regierungs- und Verwaltungskunst ist. Die Leistungsfähigkeit, die Höflichkeit und damit auch das erfolgreiche Handeln der öffentlichen Dienste der Länder des (alten) Europa fassen wir als etwas Selbstverständliches auf. Indessen lässt sich gerade hieran festmachen, was die einzigartige zivilisatorische Tugend Europas ist. Ich habe in Ägypten, Tunesien, Syrien, Libyen usw. niemanden getroffen, der gefragt hätte, woher diese Effektivität und Höflichkeit der europäischen Beamten kommt. Auch in unseren postkommunistischen Ländern schlägt dieser kulturelle Habitus nur mit größter Mühe auf das Bewusstsein der Regierenden durch.

Die Revolutionen in Nordafrika mit ihrem dramatischen Ende sollten eine Schlüsselerfahrung für die Eliten dieser Länder und auch für die Eliten des "Alten Europa" sein. Jahrzehntelang überzeugten die politischen und religiösen Führer dieser Region die Europäer und Amerikaner, dass wir die islamische Kultur nicht verstehen, dass diese auf anderen Werten gründet, dass es nicht erlaubt ist, ihr die Rechtsprechung und die Institutionen der euroatlantischen Kultur aufzudrängen. Plötzlich zeigt sich, dass sich eine Welle von Emigranten in Bewegung setzt, wenn sich nur ein Grund oder sei es auch nur ein Vorwand und damit auch eine Chance auf politisches Asyl in den euroatlantischen Ländern auftut. Suchen sie nur Sicherheit, Arbeit, bessere Einkünfte? Wer so denkt, baut eine mentale Barriere auf, über die hinaus er nicht in der Lage ist, tiefere Gründe und damit auch die große Chance, die die Emigranten sein können, zu sehen.

Die großen Hoffnungen, die eine erfolgreiche Revolution sehr schnell in den Bürgern weckt, verwandeln sich einige Monate später in eine noch größere Wut auf die neue Elite. Ich selbst war Teilnehmer, Zeuge und Beobachter dieses Phänomens in Polen, der Ukraine, Belarus, Tunesien, Ägypten, Afghanistan und im Irak. Ich verstehe die Enttäuschung über die zunichte gemachten Hoffnungen. Hier liegt ein ganz einfaches Phänomen zugrunde. Für die siegreiche Elite, für die neuen Machthaber ist der institutionelle Umbau des Landes wichtig. Sie beginnen daher die Arbeiten an einer neuen Verfassung, der Reformierung des Parlaments, sie bauen ein Parteien- und ein Wahlsystem auf, strukturieren die Ministerien und andere staatliche Organe um. Dieser Prozess dauert viele Jahre. Für die Bürger ist in dieser Zeit etwas ganz anderes wichtig. Am wichtigsten ist, wie die öffentliche Verwaltung an dem Ort, wo er, der Bürger, seine Angelegenheiten regelt, arbeitet. Er will ein Unternehmen gründen, ein Haus bauen oder umbauen, sein Auto anmelden, seine Kinder im Kindergarten oder in der Schule anmelden, er fürchtet um die Sicherheit seiner Familie oder seines Besitzes. Auf dieser Ebene beobachtet und bewertet der Bürger, ob sich die erwartete "revolutionäre Veränderung" vollzieht oder nicht. Leider vergehen wieder Monate, wenn nicht gar Jahre und wir sehen, dass sich die Arbeitskultur der öffentlichen Verwaltung nicht verändert, obwohl das hätte sein sollen. Das sollte doch "unser Staat" sein! Wir sollten frei sein! Unterdessen verfolgen uns die Polizei, das Finanzamt, die Zollbehörde und andere Aufsichtsbehörden mit Kontrollen wie früher. Häufig gibt es sogar noch mehr als früher. Es sollte Gerechtigkeit herrschen – aber die Angelegenheiten in den Gerichten dauern noch länger, die Prozesse ziehen sich über Jahre. Wir wollten Würde, aber wir fühlen uns immer noch in jeder Behörde wie "Menschen zweiter Klasse". Wir sind immer noch Objekte, die verschiedenen Kontrollen und Aufsichten unterliegen, aber wir sollten doch als vertrauenswürdige Bürger behandelt werden – von den Behörden und Diensten UNSERES Landes. Hat die neue Elite also betrogen? Nein!

  • Allein das Regieren in einem Staat freier Bürger ist eine Kunst, die die Eliten über Jahrzehnte lernen.

  • Einen demokratischen Staat mithilfe öffentlicher Dienste zu verwalten, ist eine Fähigkeit, die das Gegenteil der bisherigen autoritären Methoden ist.

  • Das Leiten von Kontroll- und Aufsichtsbehörden erfordert in einem demokratischen Staat mit freier Marktwirtschaft eine vollkommen andere Beziehung zum Bürger, eine andere Behandlung des Bürgers und seiner Aktivitäten.

Worauf beruht das? Es lässt sich gut anhand der euroatlantischen Länder beobachten. Das Bedürfnis des Bürgers nach Freiheit, Gerechtigkeit und Würde wird hier über den Grundsatz des Vertrauens, die Rolle der öffentlichen Verwaltung als Dienstleister, den Grundsatz der Subsidiarität befriedigt. Deshalb finden Emigranten in den Ländern des "Alten Europa", in Neuseeland, Australien, Kanada und den USA einen freundlichen Ort zum Leben. Sogar wenn sie dort Demütigungen erleben, ziehen sie diese Länder ihren eigenen Ländern vor. Kann man dieses Problem lösen? Kann man den sich reformierenden Ländern und ihren postrevolutionären Eliten helfen, so dass die Bürger im Land bleiben wollen und die Hoffnung auf ein freies, gerechtes und würdiges Leben mit ihrem eigenen Land verbinden? Selbstverständlich! Europa verfügt ja über einen enormen Fundus an Wissen und Fertigkeiten, mit Sklaverei und Feudalismus, mit den Totalitarismen jeglicher Couleur und Gewalt zurechtzukommen.

Wir haben zum Glück einen Schlüssel und Erfahrungen, die uns erlauben, die Prozesse der Systemveränderung in den Ländern wirksam zu unterstützen, die sich aus Diktatur und einer rückständigen Wirtschaft befreien. Wie schon erwähnt, stürmen die Flüchtlinge, die einen Ort für ein würdiges Leben suchen, die Grenzen der Staaten der alten Demokratie. Was ist an diesen Ländern so anziehend? Meiner Meinung nach ist es die Kultur des öffentlichen Lebens, die Arbeitskultur der Verwaltung, die Arbeitsprinzipien der Sicherheitsorgane, die Kultur, Rechtstreitigkeiten zu prüfen und zu beurteilen, die Kultur der freien Marktwirtschaft. Und schließlich, was für die wirtschaftliche Entwicklung Schlüsselbedeutung hat, die Arbeitskultur der Steuer- und Zollbehörden. Auch die Freiheit der Wissenschaft, der Künste und des Wortes. Ich verwende den Begriff "Kultur", weil er ausreichend weit ist und am besten die zivilisatorische Distanz wiedergibt, die die Länder, die sich aus ihrem autoritären oder gar totalitären Erbe herausarbeiten, von den Ländern der Demokratie und freien Marktwirtschaft trennt. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass eine neue Verfassung und freie Wahlen nicht ausreichen, um sagen zu können, dass eine Systemveränderung stattgefunden hat. Eben aus diesem Grund bewerte ich das europäische Beratungsprogramm für EU-Beitrittskandidaten als sehr positiv. In dessen Rahmen konnte jeder Ministerpräsident, Minister und Behördenleiter um die Zuweisung eines Beraters ersuchen, der half, die Rolle und die Arbeitsgrundsätze der betreffenden Behörde unter Berücksichtigung der besten Praktiken und Erfahrungen der Länder der "alten EU" zu gestalten. Das Ziel war eines: den freien und aktiven Bürgern freundliche Handlungsbedingungen zu schaffen.

Hier sehe ich die bedeutende Rolle der Länder der "alten EU". Die Institution und Erfahrung der "Vorbeitritts-Beratung" ist ein hervorragendes Beispiel für effektive Hilfe bei dieser immens schwierigen Aufgabe. Daher sollten wir gar nicht überlegen, wie viele Immigranten für Praktika in der Finanz-, der Zollbehörde, bei der Polizei und in den örtlichen Selbstverwaltungsorganen aufgenommen werden sollten. Jeder Interessierte sollte an dem Ort Praxiserfahrungen sammeln, wo er später seine Aufgabe bei der Modernisierung seines Heimatlandes sieht.

Geben die polnischen Transformationserfahrungen noch genauere Hinweise, worauf man sich konzentrieren muss? Ich denke, ja. In erster Linie müssen die Finanzbehörden umgestaltet werden, denn ihre Arbeitskultur hat Einfluss auf alle Handlungsbereiche des Bürgers, auf die Handlungsbedingungen aller Institutionen des kulturellen und wissenschaftlichen Lebens, auf das Schulwesen, das Gesundheitswesen und selbstverständlich auf die Bedingungen, eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Hier bin ich der Meinung, dass diejenigen Länder, in denen die Arbeitskultur und die Erfahrungen der Finanzbehörden auf höchstem Niveau sind, die Aufgabe übernehmen sollten, Schulungen und Praktika für Emigranten durchzuführen, mit denen vertragsmäßig vereinbart wird, dass sie nach Beendigung des Konflikts in ihrem Land dorthin zurückkehren werden. An erster Stelle denke ich hier an Großbritannien, die Bundesrepublik und die skandinavischen Länder.

Das gleiche gilt für den Zoll. Den genannten Ländern würde ich Frankreich hinzufügen, denn es hat gute Erfahrungen bei der Reformierung des Zolls und bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität.

Die Veränderung der Arbeitskultur und -ziele betrifft auch die Polizei. Ich denke, hier ist Großbritannien unersetzlich. Gleichzeitig erfordert die Konzipierung einer Politik der inneren Sicherheit tiefgehende Veränderungen. In postautoritären Ländern herrscht die Überzeugung, dass dies die Aufgabe der Polizei sei. Das Bewusstsein, das dies die Aufgabe der Zivilbehörden auf unterschiedlichen Stufen ist, dringt nur mit Mühe in das Bewusstsein der Bürger, der intellektuellen Eliten und der Angehörigen des Staatsapparats durch. Die Anleitung zu einem angemessenen Denken über die innere Sicherheit, die Vermittlung von organisatorischen und koordinierenden Fertigkeiten in diesem Bereich sind sehr schwierige Aufgaben. Ich denke, dass die Stadtverwaltungen verschiedener europäischer Länder hier die idealen Orte sind, um diese Fertigkeiten zu üben.

Die Organe der territorialen Selbstverwaltung sind ebenfalls ein sehr guter Ort, um die Rolle und die Prinzipien der Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Behörden und Nichtregierungsorganisationen kennenzulernen. Hier lässt sich auch demonstrieren, wie in der Praxis der Grundsatz der Subsidiarität umgesetzt wird. Auch wenn das Prinzip einfach und verständlich zu sein scheint, stößt seine Umsetzung in die Regierungs- und Verwaltungspraxis postautoritärer Länder auf ernstzunehmende mentale Barrieren. Hier macht sich die Abneigung, Macht abzugeben, bemerkbar. Dieses Syndrom betrifft alle, wenn sie Macht innehaben, auch hochgebildete und reflektierte Bürger bleiben davon nicht verschont.

Eine Schlüsselrolle bei der Modernisierung nehmen Behörden des Typs eines Obersten Rechnungshofes ein. In dieser Behörde sollte die Auseinandersetzung mit systemeigenen Fehlern beim Regieren des Staates und der Verwaltung seiner Organe entwickelt werden. Hier gilt es in erster Linie, die Kontrollmethoden aufzuheben und qualitative Aufsichtsmetoden (Audit) einzuführen. Der autoritäre Grundsatz, dass wir Fehler suchen, um die Schuldigen zu fassen und zu bestrafen, muss durch das zivilisierte Prinzip ersetzt werden, dass wir Fehler und Irrtümer suchen, um sie zu korrigieren. Die Reformierung der Prinzipien der Tätigkeit einer obersten Kontrollbehörde ist für die Durchführung effektiver Reformen in allen Bereichen der Systemtransformation unerlässlich. Hier sind die europäischen Erfahrungen von unschätzbarem Wert.

Als größtes Hindernis bei der Modernisierung eines Landes und seiner Administration können sich die Medien erweisen. Hier beurteilen Journalisten das Handeln der Verantwortlichen auf allen Ebenen. Ihre Bezugspunkte sind leider nicht die Lösungen, die aus den Ländern der entwickelten Demokratie und der freien Marktwirtschaft bekannt sind, sondern vielmehr die Vorstellungen davon, wie es sein sollte. Allerdings sind gute Lösungen meistens anders als intuitive Überzeugungen. Die Intuition führt uns fast immer in Richtung autoritärer Lösungen und Methoden. Zu unterscheiden ist diese Intuition von einer Intuition, die auf fundiertem Wissen aufbaut, gestützt von guten Praktiken, und die uns erlaubt, in neuen Situationen und gegenüber neuen Phänomenen angemessen zu reagieren. Ich bin daher der Auffassung, dass das "Praxisprogramm" in den administrativen Behörden der demokratischen Länder für Immigranten besondere Aufmerksamkeit auf die zukünftigen Journalisten und Repräsentanten anderer Institutionen der öffentlichen Meinung verwenden sollte. Letztere sind vor allem Vertreter des Bereichs der Wissenschaft, das heißt der Universitäten. An den Universitäten sollten kontinuierlich Untersuchungen zu den Dilemmata der Modernisierung stattfinden. Dort sollten vergleichende Studien zu unterschiedlichen Handlungsbereichen der Behörden und Institutionen derjenigen Länder durchgeführt werden, deren Grenzen mit Entschlossenheit von Bürgern gestürmt werden, die einen Ort für ein würdiges Leben suchen. Die Unterstützungsprogramme für die vergleichenden Studien sollten Priorität in der Politik der Länder mit entwickelter Demokratie und freier Marktwirtschaft haben.

Zusammenfassung

Freiheit, Gerechtigkeit und Würde – das war das Motto, das der Solidarność zehn Millionen Mitglieder beschert hatte. Das Bedürfnis nach Freiheit, Gerechtigkeit und Würde führt Menschen auf allen Kontinenten unabhängig von Kultur, Religion und Wohlstand auf die "Plätze der Freiheit". Ich habe diese Losungen auf dem Tiananmen, dem ukrainischen Maidan, dem ägyptischen Tahrir gesehen. Vor dem polnischen Hintergrund weiß ich auch, dass ihre Umsetzung tiefgehende Veränderungen in der Arbeitskultur der öffentlichen Verwaltung und staatlichen Behörden auf der untersten Stufe erfordert, das heißt dort, wo der Bürger seine für ihn wichtige Angelegenheiten erledigen will. Jedes Land, das eine grundsätzliche Transformation durchführt, braucht tausende Beamte und Funktionsträger mit entsprechendem Wissen und Können, um die moderne Dienstleistungsfunktion der öffentlichen Verwaltung einzuführen. Haben wir in der Europäischen Union und den Ländern des euroatlantischen Raums die Möglichkeiten, solche Kader vorzubereiten? Ich denke, ja. Wir schauen dann anders auf die Immigranten. Es sind mutige, aktive, unternehmerische und entschlossene Menschen. Sie haben alle Eigenschaften, um Wissen und Fähigkeiten eines modernen öffentlichen Verwaltens zu erlangen, die für ihre Länder so notwendig ist. Werden sie wieder zurückgehen, um ihrem Land zu dienen? Ich denke, ja. Ein Land, das effektive Reformen durchführt, ist gleichzeitig ein Land mit den größten Möglichkeiten. Diese Chance erfassen am besten die Emigranten. Sehr wichtig und geschätzt sind aber auch die, die bleiben. Gerade sie helfen bei der Entwicklung der Wirtschaft durch Handel, kulturelle und wissenschaftliche Kontakte und die Entwicklung des Tourismus.

Notwendig ist das Wissen über die Quellen der zivilisatorischen Entwicklung und eine entsprechende Sensibilität, um das Problem wahrzunehmen und zu verstehen. Notwendig ist eine starke europäische politische Führung, mit Mut, Phantasie und Entschlossenheit, um zu zeigen, dass die Immigranten nicht ein Problem sein müssen, sondern eine große Chance für einen zivilisatorischen Sprung ihrer Heimatländer sein können, aber auch der Länder, von denen sie in der Not aufgenommen wurden. Man muss ihnen nur erlauben, Wissen und Praxiserfahrungen des täglichen Lebens und der Verwaltung in verschiedenen Bereichen der Administration der Länder unserer guten "alten EU" und anderer demokratischer, marktwirtschaftlich orientierter Länder aufzunehmen.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Fussnoten

Zbigniew Bujak arbeitete in den 1970er Jahren in Warschau in einem Betrieb des Kombinats "Ursus". Ab 1979 war er Mitarbeiter des oppositionellen KSS "KOR" (Komitee zur Gesellschaftlichen Selbstverteidigung "Komitee zur Verteidigung der Arbeiter"/Komitet Samoobrony Społecznej "Komitet Obrony Robotników"). Im Juli 1980 organisierte er das Streikkomitee in seinem Betrieb. Nach den "Danziger Vereinbarungen" vom August 1980 war er Mitbegründer der Unabhängigen Selbstverwalteten Gewerkschaft Solidarność (NSZZ Solidarność) und deren Vorsitzender in der Woiwodschaft Warschau. Er entging der Inhaftierung nach der Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 und lebte viereinhalb Jahre im Untergrund. 1986 für 100 Tage inhaftiert, wurde er infolge einer Amnestie freigelassen Er war Teilnehmer der Gespräche am Runden Tisch. Von 1991–93 und 1993–97 Sejm-Abgeordneter. 1999–2001 Vorsitzender des Zollhauptamtes und verantwortlich für die Anpassung der Behörde an die EU-Standards. Zbigniew Bujak ist seit zwei Jahrzehnten Beobachter von Revolutionen und Reformen in verschiedenen Ländern der Welt, ihrer Bedingungen und Dynamik.