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Analyse: Nowoczesna als wichtigste Oppositionspartei? | bpb.de

Analyse: Nowoczesna als wichtigste Oppositionspartei?

Marta Gałązka

/ 14 Minuten zu lesen

Obwohl Die Moderne (Nowoczesna) von Ryszard Petru bei den Parlamentswahlen im Oktober 2015 nur den vierten Platz belegte, wurde sie rasch die wichtigste Oppositionspartei. Dies wurde durch die Unzufriedenheit mit der von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) gestellten Regierung und Parlamentsmehrheit und durch die Schwächung der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) begünstigt.

Der Vorsitzende der Partei "Die Moderne" (Nowoczesna) Ryszard Petru (rechts) bei einem Meeting.

Die ersten Wochen der neuen Legislaturperiode des Sejm erwiesen sich als äußerst günstig für Die Moderne (Nowoczesna). Die Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) hatte nach den Parlamentswahlen im Oktober 2015 zwar angekündigt, dass sie die Rolle der starken und konstruktiven Opposition übernehmen werde, allerdings machte sie auf Schritt und Tritt Fehler und befasst sich voraussehbar in der nächsten Zukunft vor allem mit ihren internen Angelegenheiten, beispielsweise den angekündigten, sich über mehrere Monate hinziehenden parteiinternen Wahlen. Kukiz ‘15 verhielt sich wiederholt bei Parlamentsabstimmungen wie ein Koalitionspartner von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS). In dieser Situation hat Die Moderne die Aufgaben des Oppositionsführers übernommen. So leicht es auch ist, in den Umfragen erfolgreich zu erscheinen, so ist es doch deutlich schwieriger, diesen Erfolg auch aufrechtzuerhalten. Woher kommt Die Moderne und wie kam sie zu ihrem Erfolg?

Lange vor dem offiziellen Beginn des Wahlkampfs wurde es laut um die neue Initiative Modernes Polen (Nowoczesna Polska) des Wirtschaftswissenschaftlers Ryszard Petru. Als wichtigste Werte betrachtete die Organisation oder vielmehr die neue politische Bewegung Modernität, Freiheit, Entwicklung, Engagement und Verantwortung. In der Initiative wäre nichts Schlechtes zu sehen, wenn es nicht seit dem Jahr 2001 die Stiftung Modernes Polen (Fundacja Nowoczesna Polska) gäbe, die Instrumente für den Zugang zu kulturellen Gütern bereitstellt, Programme für Medienbildung entwickelt sowie für das Recht auf Teilhabe an Kultur kämpft. Sie stellt eine kostenlose digitale Bibliothek bereit, die zirka 4,5 Millionen Nutzer hat, sie betreibt das Portal edukacjamedialna.edu und hilft, das Urheberrecht und die Prinzipien der Anwendung freier Lizenzen zu verstehen. Die Empörung und der Protest der Stiftung gegen die Verwendung ihres Namens für politische Ziele sind daher nicht verwunderlich. Problematisch war, dass die politische Initiative von Ryszard Petru vielfach mit der unabhängigen Stiftung verwechselt wurde. Dies hatte eine negative Wirkung auf die Wahrnehmung der Stiftung. Auf dem Facebook-Profil der Stiftung tauchten negative Kommentare zum angeblichen Engagement der Organisation in politischen Fragen auf, auch gingen unfreundliche Anrufe ein.

Der Gründungskongress der neuen politischen Initiative fand am 31. Mai 2015 im Nationalstadion in Warschau statt. Er stand unter dem Motto "Modernes PL" (Nowoczesna PL), allerdings machten viele Akteure aus diesem Namen Nowoczesna Polska, was aber seit Jahren der Name der Stiftung und ihr eingetragenes Markenzeichen ist. In einer vergleichbaren Situation hatte sich die Stiftung schon im Jahr 2010 befunden, als der Politiker und Unternehmer Janusz Palikot eine neue Initiative unter dem Namen Bewegung zur Unterstützung von Palikot – Modernes Polen (Ruch Poparcia Palikota – Nowoczesna Polska) ausgerufen hatte. Der Stiftung war es dann gelungen, Palikot zu einer Namensänderung zu bewegen. Dieser gab bekannt, dass er nicht im Konflikt mit Nichtregierungsorganisationen stehen wolle und änderte den Namen seiner Initiative in Ruch Palikota. Auch Ryszard Petru präsentierte schließlich ein neues Logo und so wurde seine Initiative künftig unter Nowoczesna beworben und im August 2015 registriert.

Die öffentliche Präsentation der neuen politischen Bewegung begann unmittelbar nach dem Gründungskongress. Unter dem Stichwort "gesellschaftliche Konsultationen" begannen Treffen mit den Wählern im ganzen Land, bei denen die Akteure der politischen Bewegung die Bürger nach notwendigen Veränderungen im Land fragten. Gleichzeitig wurden Mittel für die Durchführung des Wahlkampfs gesammelt. Der Wahlkampf begann offiziell am 22. Juli 2015. Die Moderne war noch nicht als Partei registriert worden, die finanziellen Mittel zur Unterstützung der politischen Initiative konnten bei der Stiftung Die Moderne RP (Fundacja Nowoczesna RP) eingezahlt werden. Die Durchführung des Wahlkampfs von nicht berechtigten Rechtssubjekten ist in Polen verboten. Mehr noch, die Sammlung des Geldes begann vor dem formalen Beginn des Wahlkampfs.

Wer ist der Gründer der Partei?

Ryszard Petru ist Wirtschaftswissenschaftler, Gründer und Vorsitzender der Partei Die Moderne. Schon während seines Studiums hatte er sich politisch betätigt. Damals war er Assistent von Władysław Frasyniuk, einem bekannten Abgeordneten der Demokratischen Union (Unia Demokratyczna – UD) und früheren Solidarność-Führer gewesen. Des Weiteren war er enger Mitarbeiter von Leszek Balcerowicz, zunächst als sein Assistent, dann als Berater, und als Berater im Büro des Regierungsbeauftragten für die Rentenreform tätig. Er wurde Mitglied der Freiheitsunion (Unia Wolności – UW) und bewarb sich bei den Parlamentswahlen 2001 erfolglos um ein Abgeordnetenmandat. Außerdem war er Dozent an der renommierten Handelshochschule (Szkoła Główna Handlowa – SGH) in Warschau und arbeitete später als Ökonom im Bereich Polen und Ungarn bei der Weltbank, wo seine Schwerpunkte auf der Reform der öffentlichen Finanzen und der Regionalpolitik lagen. Weiter hatte er Tätigkeiten in verschiedenen Banken und privaten Firmen inne. Anschließend übernahm er die Funktion des Vorsitzenden der Polnischen Ökonomischen Gesellschaft (TEP). Zusammen mit Łukasz Lipiński verfasste er das Buch Koniec wolnego rynku? Geneza kryzysu (Das Ende des freien Marktes? Die Genese einer Krise). Ryszard Petru verfügt also über umfassende Erfahrungen im Bereich der Wirtschaft sowie im Management komplexer Strukturen.

Wachsende Unterstützung

Die Moderne von Ryszard Petru erhielt in den Parlamentswahlen knapp 8 Prozent der Wählerstimmen. Obwohl sie nur die viertgrößte Partei im Sejm ist, wurde sie bald zur stärksten Oppositionspartei.

Die Bürgerplattform kündigte nach den verlorenen Parlamentswahlen an, dass sie eine starke und konstruktive Oppositionspartei sein werde. Wiederholt zeigte sie jedoch, dass sie sehr geschwächt und nicht in der Lage ist, eine Alternative anzubieten. Während der Parlamentssitzung, in der es um die Änderungen beim Verfassungstribunal ging, verließen die Bürgerplattform und die Polnische Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL) ostentativ den Saal. Statt sich bei einer solchen Gelegenheit an der Debatte über für den Staat wichtige Fragen zu beteiligen, empörte sich die PO darüber, dass bei einem der Auftritte von Ministerpräsidentin Beata Szydło im Hintergrund nur weiß-rote Fahnen hingen und die Fahne der Europäischen Union fehlte. Die Pflichten des Oppositionsführers übernahm also Die Moderne. Die Partei von Ryszard Petru versuchte zu zeigen, dass sie die wirkliche Alternative ist, auch wenn ihr bewusst war, dass sie als kleine Gruppe nicht in der Lage ist, die Ergebnisse einzelner Abstimmungen bedeutend zu beeinflussen. Ihre Fraktionsmitglieder gingen in der Debatte über das Verfassungstribunal der Reihe nach ans Rednerpult und stellten Fragen oder meldeten formale Anträge an.

Bei den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen im Sejm hat die Opposition nicht viele Instrumente, um konstruktiv zu handeln. Wenn sie allerdings effektiv und glaubwürdig sein will, sollte sie alle zur Verfügung stehenden Methoden nutzen, um ihre Unzufriedenheit über die Aktivitäten der Regierenden zum Ausdruck zu bringen und ihre eigenen Forderungen zu präsentieren.

Die Unzufriedenheit eines beträchtlichen Teils der Gesellschaft über die Entscheidungen der regierenden PiS hatte zur Folge, dass sich das Komitee zur Verteidigung der Demokratie (Komitet Obrony Demokracji – KOD) gründete. Dies ist eine gesellschaftliche Initiative, die eine Gruppe von Bürgern vereint, die mit der Regierung von PiS unzufrieden und über die Veränderungen beunruhigt ist, die nach ihrem Verständnis die Demokratie in Polen bedrohen. Zunächst war KOD nur in den sozialen Medien aktiv, doch sehr schnell wurde mit der Organisation von Aktionen auf der Straße begonnen. Die ersten Demonstrationen wurden im Zusammenhang mit den kontroversen Änderungen zum Verfassungstribunal organisiert. Auf der Internetseite von KOD hieß es: "Was ist die Lähmung des Verfassungstribunals, einer Säule und eines Wächters der Demokratie in jedem demokratischen Land, anderes, als eine Beschädigung oder geradezu Demontage der Demokratie? Wie soll es sonst bezeichnet werden, wenn die Entscheidungen des Verfassungstribunals nicht umgesetzt, sondern in Frage gestellt werden? Wenn Gesetze, die allgemein von Verfassungsrechtlern und juristischen Organisationen als verfassungswidrig beurteilt werden, nachts (häufig um vier Uhr morgens!) durch das Parlament gedrückt werden?"

Das Komitee organisierte Demonstrationen im ganzen Land. Die erste Protestkundgebung fand am 3. Dezember 2015 statt. Sie wurde organisiert, um die Unterstützung für die Rolle des Verfassungstribunals als Kontrollorgan für die Verfassungskonformität von Gesetzen zu bekunden. Eine der ersten größeren Demonstrationen wurde am 12. Dezember 2015 in Warschau organisiert. Nach Schätzungen des Hauptstadtbüros für Sicherheit und Krisenmanagement nahmen zirka 50.000 Personen an ihr teil, nach Angaben des Hauptstadtpolizeipräsidiums dagegen 17–20.000 Personen. Gleichzeitig fanden kleinere Protestkundgebungen in anderen Städten im Land statt. Weitere Demonstrationen, unter anderem Proteste gegen die Änderungen im Mediengesetz, fanden fast wöchentlich in ganz Polen statt. An diesen Ereignissen nahmen auch Politiker der PO, der PSL, der Modernen und der Vereinigten Linken (Zjednoczona Lewica) teil. Wiederholt gingen die führenden Köpfe dieser Parteien an der Spitze des Demonstrationszugs und hielten Reden. Den größten politischen Nutzen verzeichnete dabei Die Moderne. Ihr gelang es, sich als der stärkste Gegner von PiS zu präsentieren. Unlängst kündigte Ryszard Petru an, dass er Proteste organisieren wolle, die eine Alternative zu KOD darstellen. Dabei soll es darum gehen, dass nicht nur gegen die Aktivitäten von PiS protestiert, sondern auch eine realistische politische Alternative vorgeschlagen werden solle.

Aufstieg und Fallhöhe

Infolge des großen Interesses der Bevölkerung und der Journalisten an der Partei Die Moderne begann Ryszard Petru in den Medien aufzutauchen – schließlich so oft, dass Witze kursierten, er würde in den Zentralen mancher Fernsehsender wohnen. Im Internet wurden viele Meme (Bild, Ton- oder Videodatei) verbreitet, die zeigten, dass Petru sogar im Kühlschrank zu finden ist oder beim Kaffeetrinken auftauchen könnte. Petru hat jedoch mehrfach bewiesen, dass er große Distanz zu sich selbst hat und sich um solche Witze nicht kümmert.

Die Moderne kommt sehr gut mit den sozialen Medien zurecht. Es gelingt ihr, eine kohärente und lesbare Botschaft zu konstruieren, vor allem mit Hilfe der von ihr gemachten Meme, die einen hohen Wiedererkennungswert haben (ein blauer Rahmen, häufig mit dem Bild von Ryszard Petru). Mit Hilfe der Meme kommentiert sie schnell und auf interessante Weise die aktuellen politischen Ereignisse. Wichtig ist außerdem, dass sie sehr schnell auf die Kommentare von Facebook- und Twitter-Nutzern reagiert. Auch Kritik greift sie rasch auf. Anfang Januar wurde die Partei dafür kritisiert, dass sie noch kein Gesetzesprojekt eingereicht habe, während die PSL und Kukiz ‘15 jeweils drei Gesetzesentwürfe, die PO einen und die regierende PiS 35 Projekte eingereicht hatten. Auch wenn die Strategie der Kritik an PiS in den ersten Wochen im Parlament für Die Moderne eine gute Strategie war, könnte sich diese doch auf längere Sicht für die Partei als verhängnisvoll erweisen, denn ein Teil der Sympathisanten von Die Moderne unterstützt sie nicht nur als Gegenpol zu PiS, sondern vielmehr aus fachlichen Gründen. Einige Tage später reichte Die Moderne drei Gesetzesprojekte im Sejm ein, eines zur Aufhebung der Privilegien der Gewerkschaften, eines zur Aufhebung der Wahlruhe und eines zur Änderung der Parteienfinanzierung. Die Moderne meint, dass die ausgeprägten Privilegien der Gewerkschaftszentralen zu einem geringeren Engagement für die Arbeitnehmer und einem größeren zugunsten der Führungskräfte der Gewerkschaften führen. Die Partei schlägt deshalb unter anderem vor, dass die Gewerkschaften ihren Repräsentanten selbst das Gehalt zahlen und nicht wie bisher der Arbeitgeber. Nach dem Gesetzesentwurf soll der Arbeitgeber die Pflicht haben, Räumlichkeiten, falls vorhanden, nur für Treffen zur Besprechung von Angelegenheiten der Gewerkschaftsmitglieder oder der Allgemeinheit der Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Aktuell muss der Arbeitgeber den Gewerkschaftern permanent kostenlos Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, auch wenn er keine entsprechenden Möglichkeiten hat.

Zur Wahlruhe argumentiert Die Moderne, dass diese Institution im Zeitalter der elektronischen Medien längst nicht mehr zeitgemäß sei. Ihr Vorschlag geht dahin, das Wahlkampfverbot ab dem letzten Tag vor den Wahlen bzw. Referenden sowie an den Tagen der Abstimmungen selbst aufzuheben und auch noch einen Tag vor den Wahlen und Volksentscheiden Umfragen zum Wahlverhalten zu veröffentlichen.

Nach Einschätzung der Modernen zur Parteienfinanzierung erhalten die Parteien zu viele Mittel aus dem öffentlichen Haushalt. Diese Gelder seien vor allem für Repräsentation und Marketing, aber nicht für die fachliche Arbeit bestimmt. Hier schlägt Die Moderne nicht nur die Reduzierung der Unterstützung aus öffentlichen Geldern vor, sondern auch, diese Zahlungen davon abhängig zu machen, wie erfolgreich private Mittel eingeworben wurden. Weiter fordert sie, Anreize zur Finanzierung von Analysen, Gesetzen, Expertisen, gesellschaftlichen Konsultationen und anderen inhaltlichen Tätigkeiten der Parteien zu schaffen.

Diese Vorhaben betreffen nicht die wirklich wesentlichen Probleme, wofür die Partei heftig kritisiert wurde. Es hieß, wenn die Partei als Oppositionsführer wahrgenommen werden wolle, dann müsse sie sich in den ersten Wochen ihrer Tätigkeit besser präsentieren, das heißt fachlich versierter. Einige Tage später wurde ein Korrekturplan für Polen vorgestellt. Es handelt sich hierbei um einen Wirtschaftsplan, der unter anderem die Stabilisierung der öffentlichen Finanzen vorsieht. Dazu gehören das Gesetz über einen ausgeglichenen Haushalt, ein Vier-Jahres-Finanzplan für den Staat und die Unabhängigkeitsgarantie für die Polnische Nationalbank. Gefordert wird auch, dass die Neuausgaben von den aktuellen und nicht den prognostizierten Einnahmen gedeckt sein sollen, sowie die Notwendigkeit, die Kosten der debattierten Gesetze zu schätzen. Die Moderne hat auch begonnen, einen Expertenpool aufzubauen. Das virtuelle Netz "Besseres Polen" soll Initiativen von Experten und Praktikern an der Basis zusammenführen, die von der Überzeugung geleitet werden, dass Polen vernünftig und rechtsstaatlich geführt werden kann und Veränderungen vorgenommen werden können, die deutlich besser sind als die, die gegenwärtig stattfinden. Dieser Initiative kann man sich anschließen, indem man einen Fragebogen auf der Webseite der Partei ausfüllt.

Die wachsende Popularität von Ryszard Petru hatte zur Folge, dass er sich sehr sicher fühlte. Legendär wurde die auf YouTube ausgestrahlte "Neujahrsansprache" von Ryszard Petru, in der er seinen Landsleuten vor einem Weihnachtsbaum und der polnischen sowie der europäischen Fahne alles Gute zum neuen Jahr wünschte. Bis zu dem Zeitpunkt war kein Oppositionspolitiker in Polen auf die Idee gekommen, den amtierenden Präsidenten nachzuahmen. Darüber hinaus will sich Ryszard Petru auch als großer Kenner der Geschichte darstellen. Es stellte sich jedoch heraus, dass es ihm auf diesem Feld an elementarem Wissen mangelt. Während einer Debatte im Sejm versuchte er PiS anzugreifen, indem er auf den Stummen Sejm von 1717 anspielte. Doch war es wohl nicht möglich gewesen, diesen Begriff fest genug im führenden Kopf der Modernen zu verankern, denn statt vom Stummen Sejm sprach er in seinen Ausführungen vom "Tauben Sejm". Ein anderes Mal, als er die Idee der Auflösung der Mittelschulen kritisierte, zog er das schnelle Tempo der Änderungen in Zweifel und äußerte dabei die Befürchtung, dass PiS es nicht schaffen werde, diese bis Jahresende durchzuführen, denn nach den Weihnachtsfeiertagen gebe es noch den "Feiertag der Heiligen sechs Könige" – der Feiertag heißt jedoch "Heilige Drei Könige". An dergleichen Versprechern wäre nichts Schlimmes, wenn sie nicht so häufig vorkämen. Unlängst machte Kamila Gasiuk-Pihowicz, eine der bekanntesten Abgeordneten von Die Moderne, einen schweren Fehler. Während eines Gesprächs im Radio zum Thema Wirtschaft wusste sie nicht, wie hoch der Steuerfreibetrag ist. Dies ist insofern kompromittierend, als Die Moderne versucht, als Partei zu gelten, für die wirtschaftliche Fragen am wichtigsten sind.

Viele Kontroversen weckte auch der Brief von Ryszard Petru an Ministerpräsidentin Beata Szydło bezüglich Informationen zu den Prioritäten der polnischen Außenpolitik und zur Haltung der Regierung in Anbetracht der Einleitung der ersten Etappe des Rechtsstaatsverfahrens durch die Europäische Kommission – all dies vor dem Besuch Petrus in den Niederlanden und dem Treffen mit dem Staatssekretär für Immigration im Justizministerium, dem Parteichef der Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) sowie dem Ministerpräsidenten der Niederlande. Ein großer Teil der Bevölkerung hat dies nicht positiv aufgenommen. Vielmehr hieß es, dass Petru eine zu hohe Meinung von sich habe und versuche, sich als Person mit großem Einfluss und Fähigkeiten zu inszenieren. Viele Stimmen kamen auf, dass er sich lächerlich gemacht habe und ein Narziss sei.

Der Aufbau von Strukturen

Trotz einiger Fehler schaffte es Ryszard Petru in kurzer Zeit, eine gewichtige Gruppierung aufzubauen, die seit längerem in den Meinungsumfragen den zweiten Platz gleich nach der regierenden PiS belegt. Vor dem Parteichef steht nun nicht nur die Aufgabe, das hohe Niveau der Unterstützung vonseiten der Gesellschaft zu halten, sondern auch, Strukturen aufzubauen. Zurzeit zählt die Partei über 2.000 Mitglieder. In einigen Woiwodschaften wurden Vorstände berufen und werden organisatorische Einheiten aufgebaut. Der Modernen, die auf einer Welle der Popularität reitet, treten immer mehr Menschen bei. Die Partei hat sich zum Ziel gesetzt, bis zu den nächsten Wahlen auf der Selbstverwaltungsebene in drei Jahren im ganzen Land starke Strukturen aufzubauen. Der Aufbau von Parteistrukturen ist eines der wichtigsten Elemente bei der Institutionalisierung einer Partei. Unter manchen Politikern der PO, die von den niedrigen Werten in den Umfragen frustriert sind, tauchen Stimmen auf, dass eine Allianz aus Bürgerplattform und der Modernen PiS aus der Regierungsverantwortung drängen könnte. Für diese Lösung spricht sich unter anderen Stefan Niesiołowski aus. Ein anderer PO-Abgeordneter, Andrzej Halicki, ist ebenfalls der Auffassung, dass die Zusammenarbeit notwendig sei, auch wenn sich beide Gruppierungen voneinander unterscheiden. Der Vorsitzende der Moderne vertritt – zumindest offiziell – die Meinung, dass eine solche Koalition nicht möglich sei. Auf der Webseite der Partei ist zu lesen. "Die Moderne ist entstanden, um die gegenwärtige politische Apathie zu überwinden, und nicht, um sie weitere Jahre zu konservieren. Möglich ist allerdings die Zusammenarbeit bei der Verabschiedung von Gesetzen, die mit dem Programm der Modernen übereinstimmen."

Eine Verbindung von Bürgerplattform und der Modernen würde sicherlich spürbar Einfluss auf den Aufbau von lokalen Strukturen haben, sich aber gleichzeitig negativ auf die Glaubwürdigkeit der Partei auswirken, die von Anfang an mit der Zuschreibung kämpft, eine "zweite Bürgerplattform" zu sein. Eine so weitreichende Zusammenarbeit würde eher zum Rückgang der Unterstützung für Die Moderne beitragen, vor allem deshalb, weil in den vergangenen Parlamentswahlen viele Wähler für sie gestimmt hatten, die von der Bürgerplattform nicht mehr überzeugt waren.

Ryszard Petru erklärt, dass seine Partei dann mit der Regierung zusammenarbeiten sollte, wenn es das Interesse des Staates erfordert bzw. wenn programmatische Übereinstimmungen bestehen. Sie sollte auf Fehler und Unterlassungen der Regierungspartei aufmerksam machen und eigene, alternative Gesetze und Lösungen vorschlagen. Als Oppositionspartei beabsichtigt Die Moderne auch, gesellschaftliche Diskussionen zu provozieren.

Auf dem Weg des Aufbaus starker Parteistrukturen taucht bereits ein Problem auf. Letztens kamen Gerüchte auf, dass zirka 200 Akteure aus Bromberg (Bydgoszcz), Oppeln (Opole), Lublin und Posen (Poznań) austreten und eine eigene Partei gründen wollen. Ein Grund sei, dass Die Moderne eine Partei sein sollte, die von der Basis kommt, aber manche den Eindruck gewonnen hätten, dass sie "von Warschau aus gesteuert" sei. Ein Teil der Unzufriedenen kritisiert auch die Art und Weise, wie die lokalen Vorstände bestimmt wurden. Bis auf weiteres spiegelt dieser Protest eher eine Stimmung wieder und es ist schwer zu beurteilen, ob ein Teil der Mitglieder tatsächlich austreten wird.

Zusammenfassung

Ryszard Petru ist es gelungen, innerhalb eines halben Jahres ein Gruppierung aufzubauen, die nach wie vor den zweiten Platz in den Meinungsumfragen belegt. Sie ist die einzige Oppositionspartei, die in der Lage ist, rational zu handeln und die Regierungspartei konstruktiv zu kritisieren. Ein sehr wichtiger Trumpf ist ihre Fähigkeit, schnell zu reagieren. Wenige Tage nach negativen Meinungsäußerungen bemühte sich die Partei, ihre Fehler zu korrigieren. Die Moderne ist eine Partei, die versucht, die gesellschaftlichen Stimmungen zu erspüren und zu nutzen. Eine große Herausforderung ist jedoch der Aufbau starker Parteistrukturen, die helfen würden, eine größere Unterstützung in den kommenden Wahlen zu erhalten. Wesentliche Bedeutung hat auch, wie Die Moderne sich zu den Andeutungen mancher PO-Politiker verhält, beide Parteien zusammenzuführen oder eine engere Zusammenarbeit ins Auge zu fassen. Des Weiteren wird es nicht möglich sein, eine konstruktive und fachlich versierte Oppositionspartei zu sein, wenn die führenden Köpfe samt dem Vorsitzenden große Fehler und Wissenslücken im Bereich Geschichte oder Wirtschaft erkennen lassen. Die wachsende Unzufriedenheit mit PiS und die Schwäche der PO schaffen sehr gute Bedingungen für die weitere Entwicklung der Modernen. Wenn sie aber die große Unterstützung aufrechterhalten will, darf sie nicht nur die Regierung kritisieren, sondern muss zunehmend auch eine Alternative anbieten. Die Vorlage erster Gesetzesentwürfe und die Bildung eines Expertenteams sind Schritte in diese Richtung.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Fussnoten

Marta Gałązka, Politologin, ist Doktorandin am Institut für Politikwissenschaft der Stefan Kardinal Wyszyński-Universität (Uniwersytet Kardynała Stefana Wyszyńskiego) und Stipendiatin des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych) in Warschau. Sie führt einen Blog zu Parteien, Wahlen und Politik unter www.partiewybory.pl