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Analyse: Die russische soft power in Polen

Łukasz Wenerski

/ 16 Minuten zu lesen

In seiner Analyse führt Łukasz Wenerski an, dass die stärksten politischen Milieus in Polen und die dazugehörigen Medien den Einflüssen der russischen soft power nicht unterliegen würden. Dennoch stellt die unbewusste Übernahme des russischen Narrativs, so der Autor, kein Einzelfall dar.

(© picture-alliance/dpa)

Zusammenfassung

Seit der Annexion der Krim und dem Beginn des Krieges im Donbass gehören die polnischen Politiker zu den schärfsten Kritikern der Außenpolitik des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Daraus ergeben sich zwei Schlussfolgerungen. Erstens: Polen müsste sich eigentlich unter ständigem Beschuss durch die russische Desinformationsmaschinerie befinden, deren Ziel die Veränderung der öffentlichen Meinung über Russland ist. Zweitens scheint die polnische Öffentlichkeit den tatsächlichen Aktivitäten der russischen soft power besser als viele andere Länder Mittel- oder Westeuropas zu widerstehen. Abseits vom Mainstream bestehen allerdings zahlreiche Zirkel, die das Narrativ des Kreml in Polen verbreiten. Ein Teil von ihnen erhält dafür Geld, aber die Mehrheit der Personen macht hier kein finanzielles Interesse geltend, sondern folgt den eigenen ideologischen Beweggründen. Sie finden sich sowohl im Lager der extremen Rechten als auch der extremen Linken, doch es dominiert hier das rechte Lager.

Jeder, der die Einflüsse der russischen soft power auf die Medien, die Politik oder die Wirtschaft in Polen verfolgt, wird mit Sicherheit bestätigen, dass dies ein herausforderndes und gleichzeitig außergewöhnlich interessantes Thema ist. Seit der Annexion der Krim und dem Beginn des Krieges im Donbass gehören die polnischen Politiker zu den schärfsten Kritikern der Außenpolitik des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Versuch Russlands, sein Imperium mit der Methode "teile und herrsche" zu restaurieren, rief auf polnischer Seite eine negative Reaktion hervor. Die daraufhin ergriffenen Maßnahmen, wie beispielsweise die Stationierung zusätzlicher NATO-Truppen in Polen, zeigen, dass die Politik des Kreml als potentielle Bedrohung für die Sicherheit Polens angesehen wird. Gleichzeitig bleibt auch die polnische Gesellschaft kritisch gegenüber den Aktivitäten der russischen Machthaber eingestellt. Die Polen geben dem Kreml die Schuld für den Krieg in der Ukraine, unterstützen die Aufrechterhaltung der Sanktionen gegenüber Russland und betrachten Russland als Gefahr für die Sicherheit Polens.

Daraus ergeben sich zwei Schlussfolgerungen. Erstens: Polen müsste sich eigentlich unter ständigem Beschuss durch die russische Desinformationsmaschinerie befinden, deren Ziel die Veränderung der öffentlichen Meinung über Russland ist. Zweitens scheint die polnische Gesellschaft den Aktivitäten der russischen soft power besser als viele andere Länder Mittel- oder Westeuropas zu widerstehen. Wie immer, ist die Situation jedoch komplizierter. Die Propaganda und die Mechanismen des russischen Einflusses führten in Polen zu spezifischen Verbindungen von Personen und Institutionen. Manche Namen tauchen häufig und im Kontext mehrerer Organisationen auf, andere scheinen einsame Reiter zu sein. Manche stehen dem Mainstream näher, andere werden als Vertreter politischer Randgruppen oder Randmedien wahrgenommen. Ein Teil der Personen und Organisationen, die sich mit ihren Aktivitäten in das russische Narrativ einschreiben, werden wohl aus russischen Mitteln finanziert, aber viele tun dies auch aus ideologischen Beweggründen, als Hobby und ohne Bezahlung.

Die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass das russische Narrativ in Polen keinen großen Einfluss auf die Medien des Mainstreams, die Politiker und die polnische Gesellschaft im Allgemeinen zugunsten einer Erwärmung für die Außen- oder Innenpolitik Wladimir Putins oder zumindest deren Rechtfertigung hat. Dem Kreml gelang es nicht, die Allgemeinheit der Polen davon zu überzeugen, dass nicht Russland, sondern ein anderer Schuld am Konflikt in der Ukraine sei. Anders sieht die Situation außerhalb des Mainstreams aus. Die russische Propaganda ist in Polen bei vielen extremistischen Kräften sowohl im rechten als auch im linken politischen Spektrum heimisch geworden. Die extreme Rechte und Linke zeigen großes Verständnis für das russische Narrativ und manchmal scheint es, als würden sie gemeinsam daran arbeiten, das für den Kreml wichtige Ziel zu erreichen, dass der "russische Standpunkt" der am häufigsten in Polen gehörte sei.

Vor dem Hintergrund, dass die russische Propaganda in Polen kein großes Manövrierfeld hat, um das Bild Russlands in Polen zu verbessern, die Popularität der Politik Putins zu vergrößern oder die Schuld für den Konflikt im Donbass auf die Ukraine zu schieben, stehen Propagandaaktivitäten auch nicht ganz weit oben auf der Liste der Propagandaziele des Kreml in Polen. Deutlich wichtiger ist, Themen in Umlauf zu bringen und auszunutzen, die auf den ersten Blick nichts mit Russland zu tun zu haben scheinen, aber langfristig dem strategischen Ziel des Kreml dienen, die Position Russlands in der Region zu stärken. Der Umsetzung dieses Ziels hilft die Schwächung der Position Polens, indem Spannungen innerhalb der polnischen Gesellschaft provoziert werden und "Unterstützung" dabei geleistet wird, Spannungen zwischen Polen und seinen Nachbarländern zu erzeugen.

Die Hauptthemen der russischen Propaganda

Die polnisch-ukrainischen Beziehungen

Das Thema Nummer eins, das die russische soft power am häufigsten ausnutzt, sind die polnisch-ukrainischen Beziehungen. Obgleich diese sehr kompliziert und vielschichtig sind, versucht die Propaganda des Kreml, sie ausschließlich auf primitive Diskussionen über die historische Schuld zu reduzieren. Bereits im Jahr 2015 stellte die Agentur für Innere Sicherheit (Agencja Bezpieczeństwa Wewnętrznego – ABW) Polens in einem offiziell veröffentlichten Bericht fest, dass das Ziel der russischen Propaganda die Schaffung von Missverständnissen zwischen Polen und der Ukraine über historische Themen sei. Das Thema, das hier am stärksten ausgenutzt wird, ist die Frage des sogenannten Massakers von Wolhynien.

Das "Massaker von Wolhynien" ist ein historischer Begriff. Er bezieht sich auf den Massenmord an Polen in Wolhynien und Ostgalizien während des Zweiten Weltkrieges, der von Mitgliedern der Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA) verübt wurde. Im Bewusstsein vieler Ukrainer und Polen herrscht eine unterschiedliche Wahrnehmung des "Massakers von Wolhynien". Während viele Polen die Ereignisse in Wolhynien als Völkermord betrachten, überwiegt in der Ukraine die Tendenz, die Tragödie von Wolhynien – ohne sich zur Schuld zu bekennen – in den größeren Kontext der schwierigen polnisch-ukrainischen Beziehungen vor 1939 und während des Zweiten Weltkrieges einzuordnen. Hinzu kommt, dass die UPA in der Ukraine vor allem im Zusammenhang mit ihrem Engagement im Kampf um die Unabhängigkeit von den Sowjets gesehen wird. Die schwarzen Karten der Geschichte eines Teils der Mitglieder dieser Organisation und ihre Schuld gegenüber den Polen sind in der Ukraine weniger bekannt.

Die Propaganda des Kreml versucht, negative Emotionen zwischen Polen und Ukrainern zu wecken. Vor allem soll mit Hilfe von Medien und Politikern folgende Botschaft verbreitet werden: Nicht nur, dass die Ukrainer nicht um Entschuldigung dafür gebeten hätten, was sie in Wolhynien angerichtet hatten, sie seien auch noch stolz darauf. Sie würden die Mörder würdigen, indem sie Straßen in der Ukraine nach ihnen benennen und ihnen Denkmäler errichten. Dies sei eine Schande für Polen und zeige, wie stark die antipolnischen Ressentiments in der Ukraine vertreten seien, die in jedem Moment hervortreten und zu tragischen Folgen führen könnten. Diese Ansichten sind besonders stark in den Medien und unter den Politikern der extremen Rechten vertreten, aber sie gelangen auch zunehmend in den Mainstream.

Um negative Emotionen mit Blick auf die schwierige Geschichte zu entfachen, versucht die Propaganda gleichzeitig, weitere Beschuldigungen anzubringen, u. a. über den Faschismus, der sich in der Ukraine entwickele und sich auch gegen Polen richte, wobei er vom Präsidenten und vom Parlament legitimiert werde. Außerdem wird bei den Polen die Angst vor einer Welle von Wirtschaftsmigranten aus der Ukraine geweckt, die den Polen die Arbeitsplätze wegnehme und zu einer Stagnation des Lohnniveaus führe.

Der Krieg im Donbass

Wie bereits erwähnt, ist die Propaganda über den Krieg im Donbass in Polen weniger wirkungsvoll. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie nicht auftritt. Die Debatten, die auf den Internetseiten extremer Gruppierungen stattfinden, aber auch Kommentare in Internetforen sind darauf ausgerichtet, einerseits die Polen und die Ukrainer zu repräsentieren, die auf derselben Seite der Front stehen, während sich andererseits auf der gegnerischen Seite die "faschistische Ukraine" befindet.

Ein anderes Argument, das von dem das prorussische Narrativ vertretenden Milieu eingesetzt wird, lautet, dass es nicht im polnischen Interesse liege, die Ukraine zu unterstützen, da die Ukraine langfristig nicht ihre Unabhängigkeit aufrechterhalten werde. Polen solle sich daher darauf konzentrieren, freundschaftliche Beziehungen zu dem echten Souverän im Osten, das heißt zu Russland, zu entwickeln.

Die NATO

Die extreme Rechte und die extreme Linke in Polen verbindet ein starker Antiliberalismus und die Tatsache, dass beide die geopolitische Positionierung Polens nach 1989 in Frage stellen. Antiamerikanismus und Abneigung gegenüber der NATO sind häufige Erscheinungen im extremistischen Milieu. Das russische Narrativ passt sich gut in die Haltung dieses Milieus ein und nutzt sie gekonnt aus. Das Ziel der Propaganda ist, die USA als Opportunisten und Heuchler darzustellen, die vor nichts zurückschrecken, um ihre dominierende Position in der Welt auszubauen, den Sturz von Regierungen anderer Länder inbegriffen. Im Gegensatz zu den USA werden die Regierenden Russlands als vernünftige Politiker dargestellt, deren Ziel der Schutz des eigenen Landes ist. Die Hauptbotschaft der Propaganda ist: Die amerikanische Version der Demokratie ist für die Welt gefährlicher als die russische Version der Aufrechterhaltung des Status quo.

Die Propaganda versucht, kritische, wenn nicht gar hysterische Emotionen gegenüber der NATO zu erzeugen. Demnach würden die Polen einen fatalen Fehler begehen, wenn sie ihre Beziehungen zum Bündnis intensivieren, indem sie NATO-Kampftruppen nach Polen holen. Dies könne katastrophale Folgen für die Sicherheit Polens haben. Russland wolle keinen Krieg, aber Polen und andere Länder provozierten dahin gehend. Hier ist wichtig festzustellen, dass die antiamerikanische und die Anti-NATO Propaganda in Polen nicht darauf ausgerichtet ist, die Polen davon zu überzeugen, den einen Verbündeten – die USA – gegen den anderen – Russland – auszutauschen. Dies scheint unrealistisch zu sein. Das Ziel ist, die Gesellschaft zu spalten und zu suggerieren, dass keine Richtung der Zusammenarbeit gut für Polen ist, sowie bei den Polen Angst zu säen, dass es jeden Moment zu einem Krieg kommen könne, wenn die NATO nicht aufhöre, Russland zu "provozieren", – und Polen würde dann ein Teil dieses Krieges sein.

Der westliche Liberalismus

In den Ländern des Westens wird die russische Propaganda häufig mit Aktivitäten identifiziert, die die Bürger der USA und der Europäischen Union davon überzeugen sollen, dass die westliche Zivilisation ihrem Niedergang zustrebt und dass die liberale Demokratie Schuld an diesem Zustand ist. Im Gegensatz zum westlichen Liberalismus präsentiert das Narrativ des Kreml Russland als Alternative, als einen Ort, wo die traditionellen Werte wie Familie, Nation und Religion sich größerer Achtung erfreuen als anderswo. Während das Argument des guten, konservativen Russlands und des schlechten liberalen Westens in vielen Ländern ein geneigtes Publikum findet, hat es in Polen einen viel geringeren Erfolg. Die polnische Gesellschaft ist katholisch-konservativ, weshalb Versuche, die auf dem orthodoxen Christentum gründen, kaum Gehör finden. So scheinen viele Polen zu meinen, dass die russische Rückkehr zum Konservatismus eher rein politische Gründe hat und ausschließlich dazu dient, konkrete Propagandaziele zu erreichen.

Polen mag gegenüber der aktuellen Version des russischen Konservatismus immun sein, es ist jedoch ein fruchtbarer Boden für Propaganda in Sachen Flüchtlingsproblematik. Die polnische Gesellschaft ist in ihren Ansichten zur Aufnahme von Flüchtlingen in Polen tief gespalten; aktuell ist die Mehrheit dagegen. Die russische Propaganda nutzt die Angst und Abneigung gegenüber Flüchtlingen aus und fördert sie, indem sie die Polen zu überzeugen versucht, dass die Aufnahme von Flüchtlingen in Polen eine Bedrohung für die traditionellen polnischen Werte darstelle und die Gefahr terroristischer Anschläge erhöhe. Allerdings spielt die Propaganda hier nur eine Hilfsrolle bei der Entwicklung eines negativen Bildes der Flüchtlinge, denn ähnliche Meinungen sind im Mainstream der Politik und der Medien in Polen ohnehin aktuell.

Wer steht hinter dem Ganzen?

Die Beobachtung der russischen soft power in Polen zeigt, dass im Internet eine Reihe von Portalen sowie Profilen sozialer Medien zugänglich sind, deren Publikationen sich in die "kommunikative Strategie" des Kreml integrieren. Im Folgenden werden einige Beispiel für Medien aufgeführt, die politische Ereignisse mit Bezug zur Ukraine, der NATO oder den USA aktuell so interpretieren, wie oben dargestellt.

Die sichtbarste Internetseite im Kontext des russischen Narrativs ist das Internetportal "Kresy". Die Webseite entstand im Jahr 2008 vor allem, um die Erinnerung an die infolge des Zweiten Weltkrieges verlorenen polnischen Ostgebiete wachzuhalten. Populär wurde sie, als sie live die Ereignisse des Euromajdan, die Annexion der Krim und den Beginn des Krieges im Donbass kommentierte. Zurzeit ist die Seite für ihre antiukrainischen Kommentare bekannt, die häufig auf historischen Ressentiments gründen. Die Ukraine und die ukrainische Regierung werden auf "Kresy" fast ausschließlich kritisiert oder verspottet. Informationen über das russische Engagement im Krieg gegen die Ukraine tauchen selten auf.

Eine deutlich prorussische Haltung präsentiert das Portal "Xportal". Es ist antiukrainisch, stellt sich gegen das Engagement Polens in der NATO, kritisiert vehement die USA und stellt die Grundlagen der liberalen Demokratie infrage. Chefredakteur ist Bartosz Bekier, der außerdem der extremistischen Organisation Falanga vorsteht.

Die Webseiten "Novorossija Today" und "Tragedia Donbasu" sowie das Facebook-Profil "Noworosja Walczy" sind Medienformate, die mit russischer Propaganda gefüllt sind. Der Redakteur ist Dawid Hudziec, ein Pole, der in den von prorussischen Separatisten besetzten Donbass ging. Er arbeitet dort als Journalist und stellt den Kampf im Donbass durch das Prisma des russischen Narrativs dar.

Weitere Beispiele für Internetportale wären "Konserwatyzm" – vor allem dafür, dass hier Artikel von Personen wie Konrad Rękas veröffentlicht werden, der der Vize-Vorsitzende der prorussischen Partei Zmiana (Die Veränderung) ist, sowie "Obserwator polityczny", eine Seite, die eine große Menge Propagandamaterial produziert. "Obserwator polityczny" arbeitet mit der Stiftung "Russkij Mir" zusammen. Das Facebook-Profil "Ukrainiec nie jest moim bratem" (deutsch: Der Ukrainer ist nicht mein Bruder) zeigt bereits im Namen an, dass dort stark antiukrainische Inhalte verbreitet werden.

Prorussische Politiker und Organisationen in Polen

Mateusz Piskorski und die Partei Zmiana

In der polnischen Politik ist das prorussische Narrativ vor allem außerhalb des Mainstreams präsent, das heißt außerhalb des polnischen Parlaments. Das signifikanteste Beispiel für das russische Narrativ in der polnischen Politik ist Zmiana, eine Partei, die nicht offiziell registriert ist. Die "erste nichtamerikanische" Partei – so die Internetseite – wurde von Mateusz Piskorski gegründet, einem ehemaligen Politiker der Partei Samoobrona (Selbstverteidigung). Piskorski rühmte sich im Jahr 2014 seiner antiukrainischen Aussprüche, die sich ideal in die Inhalte der russischen Propaganda integrierten. Die Ukraine "ist ein bankrotter Staat. Als der Westen, darunter auch Polen, die Anhänger Banderas in der Ukraine unterstützte, versank das Land im Chaos […] Die Bürger der Krim hatten seit langem prorussische Ansichten. Sie haben Angst vor einem Banderastan. Auch wir sollten uns fürchten."

Im Mai 2016 wurde Piskorski unter dem Vorwurf der Spionage für Russland und China festgenommen. Bis dahin war er wahrscheinlich der populärste polnische Kommentator zum Thema Ukraine in den russischen Medien. Er präsentierte eine ungewöhnlich kritische Haltung gegenüber der ukrainischen Regierung und verglich sie mit Neonazis.

Journalisten der überregionalen linksliberalen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" zufolge, die sich auf Informationen aus dem unmittelbaren Umfeld des Prozesses gegen Piskorski stützen, hat die Agentur für Innere Sicherheit Beweise dafür gesammelt, dass "Zmiana und mit ihr verbundene Organisationen von russischen Sonderdiensten finanziert und kontrolliert und für operative Ziele eingesetzt werden". Piskorski und Zmiana seien rekrutiert worden, um die polnische öffentliche Meinung zu manipulieren und antiukrainische Ressentiments in der polnischen Bevölkerung zu wecken.

Janusz Korwin-Mikke

Ein interessantes Beispiel ist Janusz Korwin-Mikke, Abgeordneter des Europäischen Parlaments und Vorsitzender der Partei Freiheit (Wolność). Bei den letzten Parlamentswahlen (2015) erhielt seine Partei 4,76 Prozent der Stimmen und war nur 0,24 Prozentpunkte vom Einzug ins Parlament entfernt. Korwin-Mikke ist ein extremer Wirtschaftsliberaler und zeigt eine starke Antihaltung gegenüber der EU. Er bekennt offen, dass es seine Mission als Abgeordneter des Europäischen Parlaments sei, die Europäische Union zu zerstören. Seine Meinungen über den russisch-ukrainischen Krieg sind recht eindeutig – er hat Verständnis für den Entschluss Russlands zur Annexion der Krim. Seiner Meinung nach stellt die Ukraine eine Bedrohung für Polen dar, und solange Russland der Feind unseres Feindes (der Ukraine) sei, sei es unser natürlicher Verbündeter. Korwin-Mikke äußert sich positiv über Putin und meint, dieser wäre auch ein guter Führer in Polen. Ebenso lobt er Ramsan Kadyrow, den Präsidenten der Republik Tschetschenien, eine "vernünftige Person" mit einer wirtschaftsliberalen Haltung zu sein.

Korwin-Mikke hat die Krim und Tschetschenien besucht, wo er sich für eine prorussische Politik aussprach und sich mit den lokalen Obrigkeiten traf. Experten, die die russische Desinformationspolitik in Polen beobachten, sind der Ansicht, dass Korwin-Mikke nicht aus russischen Mitteln finanziert wird, trotz aller Aussagen und Aktivitäten, die sehr gut in das Schema der russischen Propaganda passen.

Die genannten Personen und Parteien sind die deutlicher erkennbaren und stark mit der Politik verbundenen Beispiele. Allerdings ist die Landschaft der Organisationen und Personen, die die russische Narration in Polen fördern, komplizierter. Solche Organisationen operieren auf vielen Kommunikationsebenen mit den Rezipienten. Manche richten sich an Rezipienten, die äußerst anspruchsvolle Inhalte suchen, wie sie zum Beispiel Think Tanks liefern. Andere engagieren Menschen im Rahmen einer gemeinsamen, rechten oder linken, Ideologie. Im Folgenden werden einige dieser Organisationen vorgestellt.

Das Europäische Zentrum für Geopolitische Analysen

Ein Beispiel für Inhalte mit intellektuellem Anstrich ist der Think Tank Europäisches Zentrum für Geopolitische Analysen (Europejskie Centrum Analiz Geopolitycznych – ECAG). Die Tätigkeiten des ECAG konzentrieren sich auf die Beobachtung von gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Prozessen und deren Einflüssen auf die geopolitische Situation. Der Think Tank wurde im Jahr 2007 vom bereits genannten Mateusz Piskorski gegründet. ECAG erreicht seine Rezipienten vor allem mit Hilfe des Portals "geopolityka", wo fortlaufend Artikel zu politischen und historischen Themen publiziert werden. Das größte Aufsehen erregte ECAG damit, dass Personen, die mit dem Think Tank verbunden sind, in der Funktion von Wahlbeobachtern in Länder reisen, die als undemokratisch gelten. Da sie dort an Konferenzen und Wahlveranstaltungen teilnehmen, die von den nichtdemokratischen Machthabern gesponsert werden, werden ihre Aktivitäten als Versuche gewertet, die autoritären Regime für die öffentliche Meinung zu legitimieren.

Das ECAG nahm an Beobachtermissionen in den nicht anerkannten Republiken Abchasien, Ossetien, Transnistrien und Bergkarabach sowie in Belarus und Syrien teil, das heißt in autoritär regierten Ländern. Wenn Piskorski russischen Medien Interviews gab und zu überzeugen versuchte, dass der Euromajdan eine Provokation westlicher Politiker und NGOs gewesen sei, tat er das häufig als Experte des ECAG.

Die Recherche des investigativen Portals "Laundromat", die enthüllte, auf welche Weise über 20 Billionen US-Dollar aus Russland ausgeführt worden waren, deckte bei dieser Gelegenheit auch auf, dass einer der Abnehmer des gewaschenen russischen Geldes der ECAG war. Nach Angaben der Investigationsjournalisten gingen auf das Konto der Organisation zirka 27.000 US-Dollar ein.

Falanga

Ein Beispiel für eine Organisation, die das prorussische Milieu um eine ideologische Botschaft sammelt, ist die rechtsextreme Falanga. Ihr Name stammt von der National-Radikalen Bewegung Falanga (Ruch Narodowo-Radykalny Falanga) aus der Vorkriegszeit, einer faschistischen Organisation, die kurze Zeit in der Zweiten Republik existierte. Das aktuelle Manifest teilt mit, dass die Organisation gegen die Grundsätze der liberalen Demokratie und das kapitalistische Wirtschaftssystem ist. Die Falanga vertritt eine Anti-NATO-Position und protestiert entschieden gegen die Stationierung von NATO-Truppen in Polen. Ein weiteres Markenzeichen ist die feindliche Haltung gegenüber der aktuellen Ukraine. Während des "Marsches der Unabhängigkeit" im Jahr 2016, einer Veranstaltung des rechten politischen Milieus zum Tag der Unabhängigkeit (11. November) in Polen, trugen Vertreter der Falanga Transparente mit der Aufschrift "Stopp der NATO". Der Kopf der Falanga ist Bartosz Bekier, der auch das Internetportal "Xportal" betreibt. Bekier ging im Jahr 2014 in den Donbass, wo er sich als polnischer Journalist ausgab, der die prorussischen Separatisten unterstützt. In Warschau wollen Falanga-Vertreter unter dem Motto "Rettet die Einwohner Neurusslands vor der ukrainischen Armee", begleitet von Flaggen der Volksrepubliken Donezk und Lugansk, vor der Botschaft der Ukraine demonstrieren.

Eine gewisse Aufmerksamkeit erfuhr die Falanga, als ihre Mitglieder im Jahr 2015 "Anti-Bandera-Kontrollgänge" an der Grenze zur Ukraine organisierten. Die Freiwilligen der Falanga waren wie professionelle Soldaten gekleidet und patrouillierten an der Grenze. Dies war besonders für das russische Fernsehen interessant. Die Patrouille wurde vom kremlfreundlichen Fernsehsender "NTW" als Beispiel gebracht, dass sich auch die Polen vor dem ukrainischen Faschismus fürchten.

Das Lager des Großen Polen

Eine andere rechtsextreme Organisation, die das russische Narrativ in Polen aktiv verbreitet, ist das Lager des Großen Polen (Obóz Wielkiej Polski – OWP). Ihr Hauptmerkmal ist ihre stark antiukrainische Einstellung. Dawid Hudziec, ein Pole, der im besetzten Donbass als Reporter für das Portal "Novorussija Today" arbeitet, ist ein Mitarbeiter des OWP. Dawid Berezicki, der Vorsitzende der Organisation, erhielt im Jahr 2015 ein Einreiseverbot für die Ukraine infolge seiner antiukrainischen Aktivitäten. Ein Einreiseverbot droht auch Dawid Hudziec.

Die Kommunistische Jugend Polens

Im Gegensatz zum rechtsextremen Lager des Großen Polen und der Falanga ist die Kommunistische Jugend Polens (Komunistyczna Młodzież Polski) eine linksextreme Organisation. Sie lobt nicht nur den Kommunismus, sondern sogar die Stalinzeit in der Sowjetunion, erhält aber in Polen im Grunde keine Unterstützung und ist kaum sichtbar. Dennoch soll sie hier aus zwei Gründen genannt werden: Erstens gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der Partei Zmiana. Zweitens ging ihre Vorsitzende, Ludmiła Dobrzyniecka, in die Ukraine, um dort in einem Freiwilligentrupp im Donbass auf der Seite der Separatisten zu kämpfen.

Fazit

Es scheint, dass die russische Propaganda in Polen weniger erfolgreich ist als in den anderen Ländern der Visegrád-Gruppe (Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn). Die stärksten politischen Milieus und die Medien des Mainstreams unterliegen eher nicht den Einflüssen der russischen soft power, wenn auch die unbewusste Übernahme des russischen Narrativs kein Einzelfall ist. Abseits vom Mainstream bestehen allerdings zahlreiche Zirkel, die das Narrativ des Kreml in Polen verbreiten. Ein Teil von ihnen erhält dafür Geld, aber die Mehrheit der Personen macht hier kein finanzielles Interesse geltend, sondern folgt den eigenen ideologischen Beweggründen. In Polen findet man Organisationen und Personen, die das russische Narrativ verbreiten, sowohl im Lager der extremen Rechten als auch der extremen Linken, doch es dominiert das rechte Lager.

Die russische Propaganda umfasst eine Reihe von Themen: kritisiert und angegriffen werden die USA und die NATO sowie die EU und einzelne Mitgliedsländer (zum Beispiel Deutschland) und es wird Abneigung gegenüber Flüchtlingen geweckt. Das Thema, das am meisten bedient wird, sind die polnisch-ukrainischen Beziehungen, insbesondere ihre historische Dimension. Versuche, die Verantwortung für die Verbrechen der Vorfahren auf die ukrainischen Zeitgenossen zu übertragen, werden mit dem Vorwurf des wachsenden – angeblich ausgeprägt antipolnischen – Faschismus in der Ukraine verknüpft und mit der Angst vor der ukrainischen Migration nach Polen gespickt, was großen Erfolg bei den extremistischen Gruppen hat, die zumindest in den sozialen Medien vertreten sind. Manchmal gelangen sie auch in den Mainstream, so beispielsweise im Herbst 2016 im Zusammenhang mit Diskussionen über einen polnischen Film über das "Massaker von Wolhynien", der von extremistischen Milieus genutzt wurde, um Polen und Ukrainer gegeneinander aufzubringen.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Fussnoten

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Łukasz Wenerski ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau (Instytut Spraw Publicznych, Warszawa) und dort Projektkoordinator des Europäischen Programms. Seine Forschungsgebiete sind die Ostpolitik der Europäischen Union, Russland, die Östliche Partnerschaft und die polnische Außenund Europapolitik.