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Analyse: Polen, ein Immigrationsland | bpb.de

Analyse: Polen, ein Immigrationsland

Justyna Segeš Frelak

/ 15 Minuten zu lesen

Polen ist nicht mehr länger nur Emigrationsland, sondern zunehmend auch ein bevorzugtes Ziel für eine steigende Anzahl von Migranten. Wer kommt warum nach Polen? Und wie verläuft der Migrationsdiskurs innerhalb von Gesellschaft und Politik?

Ein polnischer Rechtsextremist demonstriert in Warschau gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. (© picture-alliance, Pacific Press )

Zusammenfassung

Polen wurde von jeher vor allem als Emigrationsland wahrgenommen. Dennoch ist es zu einem wichtigen Zielland für eine steigende Anzahl von Migranten, vor allem aus der Ukraine, geworden und sieht sich mit der Notwendigkeit konfrontiert, die Migration zu regulieren. Hierfür sprechen vielerlei Gründen, u. a. die wachsende Nachfrage nach Arbeitskräften, die geografische und kulturelle Nähe und die relativ liberale Migrationspolitik im Vergleich zu anderen Ländern Ostmitteleuropas. Gleichzeitig unterscheidet sich die Einstellung der polnischen Gesellschaft zur Migration, insbesondere zu Flüchtlingen, grundlegend von der Einstellung vieler westeuropäischer Länder. Da das Wissen zum Thema Immigration begrenzt ist und Stereotype weit verbreitet sind, hatte die Flüchtlingskrise den Anstieg negativer Einstellungen gegenüber Flüchtlingen zur Folge, auch wenn Flüchtlinge, die in Südeuropa angelandet waren, nie nach Polen gekommen waren. Gleichzeitig begann im Jahr 2015 in Polen eine heiße Diskussion über das Thema Migration, die seitdem ein fester Bestandteil der öffentlichen Debatte ist. Dieser Artikel stellt die aktuellen Entwicklungen der Migration in Polen, die in den vergangenen Jahren eingetretenen Veränderungen in der Migrationspolitik und die Einstellungen der Gesellschaft gegenüber Flüchtlingen und Migranten vor. Die Analyse endet mit Perspektiven des Migrationsdiskurses und weiteren Veränderungen im Bereich der Migrationspolitik.

Wer kommt warum nach Polen?

Nach den Daten der Ausländerbehörde (Urząd do spraw Cudzoziemców) lebten im Januar 2018 insgesamt 325.217 Ausländer mit gültigen Aufenthaltsdokumenten auf polnischem Territorium. Die Ukrainer stellen mit 145.252 Personen unverändert die größte Immigrantengruppe in Polen und ihre Anzahl steigt stetig. Gründe dafür sind u. a. die schlechte politische und wirtschaftliche Lage in der Ukraine und der leichte Zugang zum polnischen Arbeitsmarkt. An nächster Stelle befinden sich Deutsche (22.157), Belarussen (15.339), Vietnamesen (11.718) und Russen (11.415). Die Daten zeigen, dass Polen bisher nicht vom Phänomen der Massenimmigration betroffen ist. In der letzten Zeit ist allerdings zu beobachten, dass die Anzahl der Personen, die ihren Aufenthalt rechtlich anerkennen lassen, sehr dynamisch ansteigt. Außerdem vergrößert sich das Ausmaß der Niederlassungsmigration. Die meisten Ausländer leben in den Woiwodschaften Masowien (województwo mazowieckie), Kleinpolen (woj. małopolskie) und Niederschlesien (woj. dolnośląskie). Die Mehrheit der Migranten kommt zu Erwerbszwecken nach Polen. Nach Daten des Ministeriums für Familie, Arbeit und Sozialpolitik (Ministerstwo Rodziny, Pracy i Polityki Społecznej) wurden im Jahr 2017 mehr als 235.000 Arbeitserlaubnisse erteilt. Die Mehrheit ging an Ukrainer (192.547), Belarussen (10.518) und Nepalesen (7.075).

Die kurzzeitige und saisonbedingte Erwerbsmigration ist eindeutig die häufigste Art der Migration nach Polen. Eine Arbeit im Rahmen der sogenannten vereinfachten Prozedur aufzunehmen, d. h. auf der Grundlage einer Beschäftigungserklärung des Arbeitgebers, einen Ausländer einzustellen, wird immer populärer. Die Anzahl der registrierten Beschäftigungserklärungen stieg von knapp 400.000 im Jahr 2014 auf 1.824.464 Erklärungen im Jahr 2017 (Interner Link: Tabelle 1, S. 7). Die Bürger der Ukraine stellen über 94 Prozent der befristeten Arbeitnehmer.

Die meisten Beschäftigungserklärungen über die Anstellung eines ausländischen Arbeitnehmers wurden im Jahr 2017 in den Woiwodschaften Masowien, Niederschlesien und Großpolen (woj. wielkopolskie) ausgestellt. Über 55 Prozent betrafen einfache Tätigkeiten in der Landwirtschaft, im Baugewerbe oder der Industriefertigung. Allerdings sind genaue Daten zur Saisonarbeit nicht bekannt, u. a. aufgrund der Schwierigkeiten, dieses Phänomen zu erfassen.

Auch geben die offiziellen Statistiken nicht das tatsächliche Ausmaß der Immigration und der Beschäftigung von Ausländern in Polen wider. Einerseits hält sich ein Teil der Migranten illegal im Land auf und andererseits umfassen die zugänglichen Statistiken nicht die Ausländer, die eine Arbeit unter den gleichen Bedingungen aufnehmen können wie die polnischen Arbeitnehmer (zum Beispiel Personen mit Flüchtlingsstatus, Absolventen polnischer Hochschulen, EU-Bürger).

Hinzu kommt, dass das Interesse an Polen als Studienort steigt. Beispielsweise studierten nach Angaben des Statistischen Hauptamts (Główny Urząd Statystyczny – GUS) im Jahr 2016 65.793 Ausländer in Polen gegenüber 4.300 im Jahr 1990/91. Aktuell stellen sie 1,5 Prozent der Studenten an polnischen Hochschulen. Im Falle der Bildungsmigration wird ebenfalls die Dominanz der ukrainischen Bürger sichtbar: Sie stellen über 53 Prozent der Gesamtheit der ausländischen Studenten. Ein Studium in Polen ist auch bei Personen polnischer Herkunft u. a. aus der Ukraine, Belarus oder Litauen populär.

Einen geringen Anteil unter den Migranten in Polen stellen auch diejenigen, die in Polen internationalen Schutz suchen, das heißt Flüchtlinge. Im Jahr 2017 bemühten sich 5.078 Personen um Schutz, traditionell kamen die meisten der potentiellen Flüchtlinge aus Russland (70 Prozent). Die zweitstärkste Gruppe waren Ukrainer (15 Prozent), gefolgt von Tadschiken (154 Personen). Von der Anzahl der gestellten Anträge auf Anerkennung des Flüchtlingsstatus ist allerdings die Anzahl der positiven Entscheidungen zu unterscheiden. Beispielsweise wurde im Jahr 2017 150 Ausländern der Flüchtlingsstatus zuerkannt, bei 2.747 Personen wurde das Verfahren eingestellt.

Gleichzeitig lebten nach Schätzungen des Statistischen Hauptamts im Jahr 2016 über 2,5 Millionen Polen im Ausland, was ein Anstieg um 4,7 Prozent im Vergleich zum Jahr 2015 ist. Die wichtigsten Zielländer für die Emigration aus Polen sind seit Jahren die EU-Mitgliedsstaaten – Großbritannien: 788.000 Personen, Deutschland: 687.000 Personen, Niederlande: 116.000 Personen und Irland: 112.000 Personen.

Die Migrationspolitik: Den Bedarf des Arbeitsmarktes decken

Polen hat viele Jahre den Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt für Ausländer begrenzt. Aktivitäten zum erleichterten Zugang zum polnischen Arbeitsmarkt wurden erst einige Jahre nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union (2004) aufgenommen. Eine Begründung für die Aufnahme dieser Tätigkeiten waren u. a. das Problem des sinkenden Arbeitskräfteangebots infolge der demografischen Entwicklung und der Emigration von Polen nach dem EU-Beitritt. Diese Faktoren führten dazu, dass das Interesse der Arbeitgeber wuchs, Arbeitnehmer im Ausland zu suchen. Eine der liberaleren Lösungen ist die bereits genannte Möglichkeit, Immigranten auf der Grundlage einer Erklärung des Arbeitgebers gegenüber dem Kreisarbeitsamt einzustellen, was vor allem für Saisonarbeiten in Anspruch genommen wurde. Der Rahmen für eine offenere Herangehensweise an diese Frage wurden in dem Dokument des Innenministeriums "Die Migrationspolitik Polens – der aktuelle Stand und geforderte Aktivitäten" (Polityka migracyjna Polski – stan obecny i postulowane działania) aus dem Jahr 2012 formuliert.

Die teilweise Öffnung des polnischen Arbeitsmarktes basiert auf drei Hauptinstrumenten. Erstens: Um das Problem des Arbeitskräftemangels mancher Branchen zu lösen, erhielten Bürger Armeniens, Georgiens, der Republik Moldau, der Ukraine, Russlands und Belarus’ die Möglichkeit, für eine Zeit von maximal sechs Monaten beschäftigt zu werden, ohne dass eine Arbeitserlaubnis notwendig ist. Diese Lösung veränderte den Zugang zum polnischen Arbeitsmarkt grundlegend. Die dazu berechtigten ausländischen Arbeitnehmer erhielten im Vergleich zu anderen Nicht-EU-Ausländern einen stark vereinfachten Zugang zum polnischen Arbeitsmarkt. Im Jahr 2018 wurde das System infolge des Inkrafttretens der europäischen Saisonarbeiterrichtlinie modifiziert.

Das zweite Instrument betrifft die Kategorie der Studenten und Hochschulabsolventen; diese erhielten den Zugang zum Arbeitsmarkt unter denselben Voraussetzungen und Bedingungen wie die Polen. Gleichzeitig ermöglicht die Polen-Charta (Karta Polaka) Menschen polnischer Herkunft, ein langfristiges Visum zu bekommen, das den wiederholten Grenzübertritt erlaubt, und eine legale Anstellung, ohne dass eine Arbeitserlaubnis notwendig ist, sowie auch den Zugang zum polnischen Bildungssystem.

Es ist allerdings hervorzuheben, dass in der Migrationspolitik drittens die Priorität der Saisonarbeit aufrechterhalten wird. Polen hat keine konkreten Maßnahmen eingeführt, die dazu animieren, hochqualifizierte Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern zu beschäftigen. Zudem ist die Blaue Karte der Europäischen Union, die die Immigration qualifizierter Arbeitnehmer erleichtern soll, in Polen im Grunde ein totes Recht geblieben. Die geltenden Vorschriften werden dafür kritisiert, dass sie noch restriktiver seien als die Standardprozeduren für Nicht-EU-Bürger. Gleichzeitig treffen qualifizierte Migranten aus Nicht-EU-Ländern auf zahlreiche Herausforderungen bei der Anerkennung von Bildungsabschlüssen und Qualifikationen, die sie außerhalb der EU erworben haben.

In der letzten Zeit riefen die sich vergrößernden Probleme am Arbeitsmarkt, die u. a. mit der großen Nachfrage nach Arbeit in vielen Bereichen der Wirtschaft verbunden sind, eine Veränderung in der Herangehensweise an die Migrationspolitik hervor. Zusammen mit dem Rückgang der Anzahl der heimischen Arbeitnehmer begannen Migranten den Arbeitskräftemangel auszugleichen, insbesondere was die physische Arbeit betraf. Die gute Konjunktur, die alternde Gesellschaft und die anhaltend hohen Emigrationszahlen bedeuten, dass der Mangel an Arbeitskräften in immer mehr Wirtschaftsbereichen immer größer wird. Während Migranten bisher gewöhnlich in der Landwirtschaft, im Bauwesen und im Haushalt beschäftigt wurden, sind sie jetzt zunehmend auch in anderen Wirtschaftsbereichen präsent und üben Tätigkeiten aus, die bestimmte Qualifikationen erfordern.

Nach dem "Berufebarometer" (Barometr zawodów) des Ministeriums für Familie, Arbeit und Sozialpolitik betrifft der Arbeitskräftemangel immer mehr Berufe, insbesondere in den Branchen des Baugewerbes und der Industrie, der Gastronomie, des Transportwesens, aber auch des Gesundheitswesens. Das Problem der Stellenbesetzung betrifft Arbeitsplätze sowohl für qualifizierte Arbeitnehmer als auch für Spezialisten. Zunehmend melden Arbeitgeber auch Probleme, Kandidaten für einfache Arbeiten zu finden. Längerfristig wird sich die Notwendigkeit ergeben, Personen mit unterschiedlichen Qualifikationen nach Polen zu holen. Eine effektive Einwanderungspolitik ist gegenwärtig sowohl eine Herausforderung als auch eine Priorität für Polen, um das Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten.

Die Schaffung von Anreizen, um Migranten nach Polen zu holen und emigrierte Polen zur Rückkehr zu bewegen, ist eine wichtige Priorität der aktuellen Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS), die in dem Dokument "Sozialwirtschaftliche Prioritäten der Migrationspolitik" (Priorytety społeczno-gospodarcze polityki migracyjnej), verabschiedet durch den Ministerrat am 29. März 2018, vorgestellt wird. Demnach muss die Migrationspolitik Polens "u. a. an die Prioritäten des Arbeitsmarktes angepasst sein, sich auf Vervollständigung konzentrieren sowie zur Rückkehr nach Polen und zur Gründung oder Verlagerung einer wirtschaftlichen Tätigkeit animieren." Die geplanten Aktivitäten umfassen u. a. " die Erarbeitung von Instrumenten, die helfen, ein monitoring der Migration und eine sozialwirtschaftliche Bedarfsdiagnose für Polen durchzuführen sowie Arbeitnehmer und Unternehmer aus dem Ausland anzuwerben. Die polnischen Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen sollen sich zielgerichtet mehr für Ausländer öffnen."

Im Zusammenhang mit der steigenden Anzahl ausländischer Arbeitnehmer ist auf die Beschäftigungsbedingungen hinzuweisen, insbesondere im Falle von Tätigkeiten, die keine Qualifizierung erfordern. Die Anstellungspraxis von Ausländern in der Landwirtschaft, aber auch im Baugewerbe und im Haushalt zeigen, dass die ausländischen Arbeitskräfte trotz der Möglichkeit der legalen Beschäftigung immer noch überwiegend illegal beschäftigt werden. Häufig auftretende Probleme sind fehlende schriftliche Arbeitsverträge, ein niedrigeres Einkommen, gar kein Einkommen, schwerere Arbeitsbedingungen und eine instabile Anstellung. Die Daten der Staatlichen Arbeitsaufsicht (Państwowa Inspekcja Pracy – PIP) zeigen, dass im vergangenen Jahr die Anzahl der Beschwerden, die von in Polen beschäftigten Ukrainern an die PIP gerichtet wurden, um 300 Prozent gestiegen ist. Das am häufigsten gemeldete Problem ist, dass kein Lohn ausgezahlt wird.

Die Integrationspolitik ist keine Priorität

Aufgrund der relativ geringen Anzahl von Migranten und ihres zeitlich begrenzten Aufenthalts wurden viele Jahre lang keine systematischen Aktivitäten zur Integration unternommen; die einzigen Maßnahmen zur Förderung der Integration von Ausländern sind die Individuellen Integrationsprogramme (Indywidualne Programy Integracji – IPI), die denen zugänglich sind, die internationalem Schutz unterstehen (Personen mit Flüchtlingsstatus oder subsidiärem Schutzstatus).

Bestimmte Personengruppen, zum Beispiel EU-Bürger, haben natürlich das gleiche Recht auf die Leistungen des Sozialsystems wie die Polen. Ausländer aber, die nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung haben, haben keinerlei Möglichkeiten, Hilfe zu bekommen, und diese Gruppe stellt den größten Teil der in Polen lebenden Ausländer dar.

Viele Flüchtlinge verlassen Polen wieder, entweder während sie auf die Anerkennung ihres Status warten oder nachdem sie ihn erhalten haben. Dafür gibt es viele Gründe. Vor allem geht es jedoch um die unzureichende Unterstützung bei der Integration. Die einzigen direkten Maßnahmen, die vom Staat ausgehen, sind die genannten Individuellen Integrationsprogramme. Wenngleich positiv zu bewerten ist, dass solche Programme durchgeführt werden, werden sie doch seit vielen Jahren wegen ihrer begrenzten Wirksamkeit kritisiert: Nach ihrer Beendigung finden nur wenige Menschen eine dauerhafte Anstellung oder Wohnung und sprechen nur wenige Polnisch. Ein Problem bleibt auch, dass es keine Prä-Integrationspolitik gibt, die sich an diejenigen richtet, die in Flüchtlingseinrichtungen leben. Das erschwert diesen, ein selbständiges Leben in Polen zu beginnen, wenn sie eine positive Entscheidung ihres Asylverfahrens erhalten haben. Mit anderen Worten: Die fehlende dauerhafte Arbeit oder eine Arbeit unter den Qualifikationen der betreffenden Person, aber auch Wohnungsprobleme zwingen Asylbewerber dazu, Polen zu verlassen. Untersuchungen des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych – ISP) zeigen, dass viele Flüchtlinge Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt oder sogar Obdachlosigkeit erfahren.

Auf die Notwendigkeit, ganzheitliche Lösungen umzusetzen, auch mit Blick auf die Integration von Wirtschaftsmigranten, weisen die Ergebnisse von Untersuchungen hin, die unter Ausländern in Polen durchgeführt wurden. Die Befragten heben hervor, dass sie auf viele Hindernisse am Arbeitsmarkt treffen, u. a. wegen fehlender Kenntnisse der polnischen Sprache und der Rechtsvorschriften und wegen Ungleichbehandlungen vonseiten der Arbeitgeber. Im Ranking des Migrant Integration Policy Index (MIPEX) des Jahres 2015, der die Integrationspolitiken in 38 Staaten vergleicht, rangierte Polen auf Platz 32, u. a. vor Lettland, Zypern, der Slowakei und Malta.

Es ist darauf hinzuweisen, dass auch die Vorgängerregierung aus Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) und Polnischer Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL) sich der Notwendigkeit bewusst war, Grundlagen der Integrationspolitik zu erarbeiten. Im Jahr 2013 wurde unter der Schirmherrschaft des Ministeriums für Arbeit und Sozialpolitik (Ministerstwo Pracy i Polityki Społecznej) das Projekt "Die polnische Integrationspolitik – Grundlagen und Richtlinien" (Polska polityka integracyjna – założenia i wytyczne) vorbereitet, das im Ergebnis breit angelegter Konsultationen zwischen Experten- und Nichtregierungsorganisationen ausgearbeitet worden war, doch schließlich nicht angenommen wurde. Entsprechend dem Dokument "Sozialwirtschaftliche Prioritäten der Migrationspolitik", das von der aktuellen Regierung verabschiedet wurde, ist ein System von Lösungen geplant, die die Integration von Ausländern erleichtern, darunter auch Personen polnischer Herkunft. Bisher sind keine genaueren Pläne zum Inkrafttreten dieser Prioritäten bekannt.

Migranten kennen wir immer noch wenig

Die aktuellen Herausforderungen, die vor Polen im Bereich der Erwerbsmigration stehen, verstärken die relativ uneindeutigen Einstellungen gegenüber Migranten. Die kurze Geschichte Polens als Zielland und der fehlende Kontakt zu Ausländern haben Einfluss auf eine bestimmte Haltung der Gesellschaft gegenüber Migranten und Flüchtlingen. Aus Untersuchungen der öffentlichen Meinung ergibt sich vor allem, dass die Polen ein begrenztes Wissen über die Themen Migration und Flucht haben.

Aus einer repräsentativen Studie, durchgeführt im Jahr 2016 von dem Marktforschungsunternehmen Ipsos im Auftrag der International Organization for Migration (IOM), haben die Polen eine übertriebene Vorstellung von der Anzahl der in Polen lebenden Ausländer. Jeder vierte Pole meint, dass Ausländer über zehn Prozent der Bevölkerung Polens ausmachen. Tatsächlich handelt es sich jedoch um knapp ein Prozent. Gleichzeitig hatten nur 28 Prozent der Befragten im vorangegangenen Jahr Kontakt zu Ausländern, und zwar vor allem zu Ukrainern, Deutschen und Vietnamesen.

Nach derselben Studie haben zirka zwei Drittel der Befragten gewisse Ängste verbunden mit dem Zuzug von Ausländern. Mit Blick auf den Einfluss von Ausländern auf den Arbeitsmarkt sagten 45 Prozent der Befragten, dass der Einfluss negativ sei, und 25 Prozent beurteilten ihn positiv (Grafik 1, S. 7). Nur die Hälfte der Befragten sagte, dass sich ihr Wissen über in Polen lebende Ausländer aus eigenen Beobachtungen und Erfahrungen speist, während 44 Prozent ihre Meinungen auf die Medienberichterstattung stützen. Diese Gruppe äußert auch die größten Ängste vor dem Zuzug von Ausländern.

Gleichzeitig zeigt die Untersuchung "Die Arbeit von Ausländern in Polen" (Praca obcokrajowców w Polsce) des polnischen Meinungsforschungsinstituts CBOS, dass die Mehrheit der Polen (85 Prozent) akzeptiert, dass Ausländer in Polen eine Arbeit aufnehmen (jede Art von Arbeit – 55 Prozent). Die Polen sind gegenwärtig auch gegenüber ausländischen Arbeitnehmern aus dem Osten positiver eingestellt als im vergangenen Jahrzehnt.

Interessante Ergebnisse zeigen auch die im Jahr 2017 veröffentlichten Untersuchungen, die das ISP und die Bertelsmann Stiftung unter jungen Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren in Polen, Deutschland, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Österreich durchgeführt haben. Demnach ist die Jugend der Visegrád-Staaten (Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn) skeptischer gegenüber Migranten eingestellt als die Österreicher und insbesondere die Deutschen. Beispielsweise stimmen 42 Prozent der Deutschen im Vergleich zu 26 Prozent der Polen der Meinung zu, dass Immigranten einen Beitrag zum Wirtschaftswachstum in ihrem Land leisten (Grafik 2, S. 8). Gleichzeitig stimmen die Polen, die Kontakt zu Ausländern hatten, zwei Mal häufiger dieser Meinung zu. Die jungen Menschen der Visegrád-Staaten sind auch davon überzeugt, dass die Immigranten eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen (Grafik 3, S. 8). Die negativsten Meinungen zu diesem Thema haben die Ungarn (70 Prozent) und die Slowaken (68 Prozent), gefolgt von den Polen und den Tschechen (jeweils 60 Prozent). Gleichzeitig nimmt die Mehrheit der Deutschen (58 Prozent) keine solche Gefahr wahr. Die befragten Polen, die Kontakt zu Immigranten hatten, nehmen eine solche Gefahr seltener wahr (51 gegenüber 77 Prozent).

Flüchtlinge akzeptieren wir nicht

Aus den regelmäßig durchgeführten Meinungsumfragen geht hervor, dass nicht nur Politiker eine kritische Haltung gegenüber Flüchtlingen einnehmen; auch ein deutlicher Teil der polnischen Gesellschaft widersetzt sich der Aufnahme von Personen, die sich um internationalen Schutz bemühen. In den früheren Stadien der europäischen Flüchtlingskrise waren die Polen weniger skeptisch als die Bürger der anderen Länder der Region: 21 Prozent sprachen sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus und 58 Prozent waren dafür, ihnen einen befristeten Schutz zu gewähren. Im Verlaufe eines Jahres seit Beginn der Migrationskrise verwandelten sich die Polen von vorsichtigen Befürwortern in eindeutige Gegner der Aufnahme von Flüchtlingen.

Nach der Ende des Jahres 2017 von CBOS durchgeführten Untersuchung "Die Einstellung zur Aufnahme von Flüchtlingen" (Stosunek do przyjmowania uchodźców) über die Aufnahme von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten durch Polen sprachen sich fast zwei Drittel der Befragten (63 Prozent) dagegen aus. Positiv äußerte sich dagegen ein Drittel (33 Prozent), wobei die deutliche Mehrheit dieser Gruppe der Ansicht ist, dass Polen ihnen nur solange Schutz gewähren sollte, bis sie wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren können. Negative Einstellungen gegenüber einer eventuellen Aufnahme von Flüchtlingen dominieren unter jungen Menschen (18 bis 34 Jahre), in der Landbevölkerung, unter Menschen mit Grund- und Mittelschulausbildung und Menschen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen.

Ähnliche Ergebnisse zeigt die bereits genannte Untersuchung des ISP und der Bertelsmann Stiftung. Demnach sind die jungen Einwohner der Visegrád-Staaten eindeutig gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten oder von Opfern politischer Verfolgung (Grafik 5, S. 9). Die größte Abneigung zeigen hier die Slowaken (75 Prozent) und die Polen (73 Prozent). In Deutschland und in Österreich ist es umgekehrt: Die Mehrheit der Befragten spricht sich für die Aufnahme von Flüchtlingen aus (73 bzw. 61 Prozent).

Die Ursachen für diese Meinungsänderung sind u. a. auf das Klima zurückzuführen, in dem die öffentliche Debatte stattfindet, und die Herangehensweise der Medien an die Problematik. Hinzu kommt die Tatsache, dass es sehr einfach ist, Einfluss auf die Einstellungen zur Migration zu nehmen, in einer Situation, in der die Mehrheit der Gesellschaft nicht im Stande ist, die Glaubwürdigkeit häufig fremdenfeindlicher Botschaften zu bestimmen. Ein sichtbarer Trend in der Debatte ist, dass Fragen der Sicherheit im Zusammenhang mit Migration auch die Wahrnehmung von Flüchtlingen beeinflussen, und zwar, dass Flüchtlinge als Herausforderung für die innere Sicherheit betrachtet werden. Obwohl in Polen wenige Menschen aus arabischen Ländern leben und Polen nie das Opfer eines terroristischen Anschlags war, zeigt eine Untersuchung des britischen Think Tank Demos, dass der islamistische Terrorismus als das größte Problem in Polen betrachtet wird.

Aus der oben genannten Befragung durch CBOS (2017) geht aber auch hervor, dass die Einstellung zur Aufnahme von Menschen aus der Ostukraine, die aus den Gebieten des militärischen Konfliktes emigriert sind, im Allgemeinen positiv ist. 61 Prozent sprechen sich dafür aus, ihnen in Polen Asyl zu gewähren. Interessant ist hier die Haltung der Befragten, die überhaupt nicht akzeptieren, dass Polen Flüchtlinge aufnimmt, und auch nicht zustimmen, dass Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika Asyl gewährt wird. Fast die Hälfte von ihnen meint gleichzeitig, dass Polen Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen sollte.

Perspektiven

Es stellt sich die Frage, was zu tun sei, um das Potential derer zu nutzen, die nach Polen gekommen sind. Zwar verlässt im Falle der Flüchtlinge ein Teil von ihnen Polen ohnehin und begreift es eher als Transitland in die reicheren EU-Staaten. Eine Herausforderung bleibt jedoch, wie den Menschen die Integration erleichtert werden kann, die beabsichtigten, sich in Polen niederzulassen, und die vor allem die schlechte materielle Situation zwingt, weiterzuziehen. Die Schlüsselfrage scheint allerdings nicht nur zu sein, wie Migranten mit den gesuchten Qualifikationen nach Polen geholt werden können, sondern auch der Beschluss und die Umsetzung einer komplexen Integrationspolitik, die sich an alle Migranten richtet.

Die Analyse der Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zeigt, dass sich sowohl die Debatte in den Medien als auch die Ausnutzung der Flüchtlingsproblematik von manchen politischen Kräften für ihre eigenen Ziele in den Einstellungen der Polen zu diesem Thema widerspiegeln. Notwendig ist daher eine redliche Diskussion über das Thema Flüchtlinge und weiter gefasst Immigration nach Polen sowie verstärkte Aktivitäten, um die Gesellschaft aufzuklären. Andernfalls können die geplanten Vorhaben im Bereich der Erwerbsmigration auf eine negative Einstellung in der Gesellschaft treffen.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Fussnoten

Justyna Segeš Frelak (M.A.) ist Expertin für Migrationspolitik am International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) in Wien. Von 2004 bis 2017 war sie am Institut für Öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych – ISP) in Warschau tätig und leitete dort ab 2010 das Programm "Migrationspolitik", das sie wissenschaftlich begleitete. Ihre Forschungsgebiete sind die Migrationspolitik, die Emigration von Polen in andere EU-Staaten und die Integration von Immigranten und Flüchtlingen. Dazu erschienen von ihr zahlreiche Publikationen in Polen und im Ausland.