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Editorial  | Parteispendenaffäre | bpb.de

Parteispendenaffäre Editorial  Vom Unheil und Segen einer Affäre Durchsichtige Taschen oder schwarze Koffer? Parteienfinanzierung in der Bewährung Parteispenden in der Krise? Strukturprobleme des Parteienstaates

Editorial 

Ludwig Watzal

/ 2 Minuten zu lesen

Der Spendenskandal der CDU erschütterte die Republik. Diese Beilage beschäftigt sich mit der Affäre um schwarze Konten und falschen Rechenschaftsberichten.

Einleitung

Ein "Ergebnis" der von Helmut Kohl 1982 angekündigten "geistig-moralischen Wende" tritt nach 16 Jahren für alle Bürger offen zutage: Immer wieder haben der CDU-Parteivorsitzende und Bundeskanzler Kohl, sein Schatzmeister Walther Leisler Kiep und einmal auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble große Spenden in bar entgegengenommen. Die Spenden wurden nicht ordnungsgemäß verbucht oder sogar verschwiegen. Darüber hinaus gab es ein System von Unter-, Sonder- und Schwarzen Konten. Die dem Bundestagspräsidenten vorgelegten jährlichen Rechenschaftsberichte der CDU waren also fehlerhaft.

Die hessische CDU unterhielt unter ihrem langjährigen Vorsitzenden, Bundesinnenminister Manfred Kanther, geheime Konten in der Schweiz und in Liechtenstein. Auf diesen Konten lagerten Millionenbeträge, die vor der Neuregelung des Parteiengesetzes einer Offenlegung entzogen werden sollten. Sie wurden im Laufe der letzten Jahre wieder in den legalen Geldkreislauf der hessischen CDU eingespeist. Der amtierende hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte "brutalstmögliche" Aufklärung versprochen. Im Dezember 1999 jedoch unterschrieb er wissentlich einen fehlerhaften Rechenschaftsbericht. Dieses Täuschungsmanöver bezeichnete er später als "Dummheit", blieb aber im Amt.

Das Verhalten von Helmut Kohl, die Namen seiner anonymen Spender nicht zu nennen, offenbart ein merkwürdiges Rechtsverständnis. Sein "Ehrenwort" scheint einen höheren Stellenwert zu besitzen als Recht, Gesetz und Verfassung - ein Staatsverständnis, das für den Parteienrechtler Martin Morlok nicht nachvollziehbar ist. Seiner Ansicht nach verletzt das Verhalten von Funktionsträgern der CDU in zahlreichen Punkten "das Grundgesetz und die dieses konkretisierenden Bestimmungen des Parteiengesetzes". Darüber hinaus habe die Geheimhaltung großer Vermögensmassen durch die hessische CDU zu einer "weit reichenden Gefährdung der innerparteilichen Demokratie geführt".

Karl-Heinz Naßmacher geht der Frage nach, ob sich das deutsche Parteiengesetz im Lichte der zutage getretenen Probleme bewährt habe oder ob zentrale Elemente auf den Prüfstand gehörten. Nach ihm bedarf es nur vereinzelter "kleiner Schönheitsoperationen". Das Parteiengesetz sei das Produkt eines 45-jährigen Prozesses von "Versuch und Irrtum"; ein "Regelwerk mit Augenmaß", wie es der Autor nennt. Andrea Römmele stellt die Geschichte der Parteispendenpraxis und die qualitativen Veränderungen im Laufe der Zeit dar. Sie verweist auch auf die Praxis in anderen Ländern. Bei diesem Ländervergleich schneidet Deutschland nicht schlecht ab. Nicht der Großspender ist die Regel, sondern das Gros besteht aus Kleinspenden: "Kleinspenden sind wieder Trumpf."

Für Hans Herbert von Arnim spiegelt der Finanzskandal der CDU dagegen eine allgemeine Demokratiekrise wider. Das politische System befinde sich in einem systembedingten Reformstau. Seine Vorschläge zielen auf eine generelle Überprüfung formaler, institutioneller Prozesse ab. Er sieht in direkter Bürgerpartizipation und der Einführung direktdemokratischer Elemente einen Weg der generellen Erneuerung unseres politisch-gesellschaftlichen Systems.

Alle Autoren betonen das Skandalöse dieser Vorgänge. Sie warnen aber auch vor überzogenen Reaktionen. So kritisiert Kurt Sontheimer die Hypermoralisierung durch die Öffentlichkeit, die aus dem Skandal ein "unerbittliches und radikales Verdammungsurteil" von Politik gemacht habe. Er plädiert für eine Korrektur durch eine abwägende politische Vernunft.