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Geschichtsbilder: Zeitdeutung und Zukunftsperspektive

Karl-Ernst Jeismann

/ 28 Minuten zu lesen

"Geschichtsbilder" sind Sinngebungen der historischen Zeit. Sie verknüpfen die Deutung der vergangenen mit den Forderungen an die kommende Geschichte; sie geben Orientierung in der Gegenwart und die Gewissheit einer Generationen übergreifenden Identität.

I. Geschichtsbilder: Begriff und Bedeutung

Der Sondergesandte der USA auf dem Balkan, Richard Holbroke, schrieb, dass nach der Lektüre einer Untersuchung über die Geschichtsvorstellung der Balkanvölker viele Politiker in den USA den Versuch zur Beilegung des Konflikts als aussichtslos betrachteten. Das offizielle Geschichtsdogma einer Einheit der "Süd-Slawen", das nach dem Zweiten Weltkrieg die Herrschaft der Kommunistischen Partei und zugleich die staatliche Einheit zu sichern hatte, war trotz massiver "Vergangenheitspolitik" zerbrochen. Hinter der machtgestützten Geschichtsdoktrin des 20. Jahrhunderts wurden tiefer in die Vergangenheit zurückreichende Geschichtsbilder und damit alte ethnische, kulturelle und religiöse Gegensätze wieder virulent.

Den Streit um die Deutung der Geschichte finden wir immer dort, wo Divergenzen im Selbstverständnis einer Gesellschaft aufbrechen. An die Kontroversen um die Hessischen Rahmenrichtlinien brauche ich hier nur zu erinnern, ebenso an den Historikerstreit in der Bundesrepublik in den achtziger Jahren über das Verhältnis zwischen Nationalsozialismus und Kommunismus. Der Streit um die Rolle der DDR und ihrer führenden Partei hält an. Solche Kontroversen lassen generell nach Art und Bedeutung von "Geschichtsbildern" fragen.

Der Begriff "Geschichtsbilder" ist eine Metapher für gefestigte Vorstellungen und Deutungen der Vergangenheit mit tiefem zeitlichen Horizont, denen eine Gruppe von Menschen Gültigkeit zuschreibt. Politische und kulturelle Gemeinschaften können sich offenbar nur selbst verstehen, ihre Handlungen abwägen und Optionen für die Zukunft begründen, wenn sie in der "Zeit", d.h. zwischen vergangener und kommender Geschichte, zwischen Erfahrung und Erwartung, ihren Ort bestimmen. Solche selbstbezogenen Deutungen stiften im Chaos der unendlichen Vorgänge der Vergangenheit Sinn, bieten Orientierungshilfe und Handlungssicherheit. So werden Gefühl und Bewusstsein der Zusammengehörigkeit, wird kollektive Identität beglaubigt, der Daseinssinn einer Gemeinschaft gestiftet.

Als gedeutete Vergangenheit beeinflussen sie Gegenwartsverständnis und Zukunftserwartung. Sie sind Elemente der "gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit" . Geschichtsbilder sind nicht Abbildungen des Vergangenen, sondern Ein-Bildungen der Vorstellungs- und Urteilskraft. Im Horizont der Weltgeschichte insgesamt sind diese "Bilder", die Stämme, Völker, Nationen oder auch Religions- und Kulturgemeinschaften sich selbst zuschreiben, nur partikularer Natur. Ihren Anhängern aber erscheinen sie als geschichtliche Wahrheit schlechthin. Widersprechende Bilder anderer Gruppen sind für sie falsch oder bösartig und bestenfalls kurios. Solche Geschichtsbilder sind faktenarm, hochselektiv, aber urteilsfreudig und gefühlsstark. Daher ist die Geschichtsforschung mit ihrem kritischen Instrumentarium ein Feind der Geschichtsbilder - mögen Historiker ihrem Bann auch nicht selten erliegen.

Offenbar werden Geschichtsbilder nicht durch argumentativen Diskurs, sondern nur durch den Gang der Geschichte bestätigt oder widerlegt. Zur Bestätigung reichen kleine Siege, zur Widerlegung sind tief greifende Katastrophen notwendig. Geschichtsbilder können zur politischen Agitation benutzt werden, sind aber mehr als die bald verbrauchten historischen Argumentationen, Zwecklegenden, Propagandawaffen - von Fälschungen und Lügen ganz zu schweigen. In archaischen Gesellschaften sind auch die Geschichtsbilder als mentale Selbstverständlichkeiten in Geist und Gefühl eingelagert - einer Wagenburg vergleichbar. In modernen, komplexen Gesellschaften ist es anders: Die Unterschiedlichkeit der Gruppen, Klassen, Parteien, Religionen, Regionen und Generationen, die Vielzahl verschiedener Erfahrungen und die Differenz der Erwartungen bringt verschieden akzentuierte, konkurrierende Geschichtsbilder hervor - eine Begleiterscheinung pluralistischer Verhältnisse. Unsere Geschichtsbilder streiten nicht nur gegen fremde, sondern auch untereinander.

Das betrifft vor allem die sensible Zone des Übergangs selbst erlebter Vergangenheit in überlieferte Geschichte - also in der Regel ein halbes Jahrhundert zurückliegende Ereignisse. Entsteht hier ein Dissens zwischen der Erinnerung der noch Lebenden und dem Urteil der Nachgeborenen, wird der Streit um Geschichtsbilder besonders heftig. Als Beispiel dafür kann die sog. Wehrmachtsausstellung dienen.

Im Folgenden geht es aber um die tiefer liegenden, Selbstverständnis und Zusammengehörigkeit durch Jahrhunderte stiftenden Geschichtsbilder, die - mit den Begriffen Jan Assmanns - jenseits der "kollektiven Erinnerung" im "kulturellen Gedächtnis" eingelagert sind. Sie sind gestiftet und tradiert, wirksam oft über Jahrhunderte. Sie heften sich an Gründungsgeschichten, können bis ins Mythische übergreifen. Am nachhaltigsten wirken die "Geschichtsbilder" der Religionen: Das Kirchenjahr ist das stärkste Beispiel für ein Geschichtsbild in Aktion, das durch Wiederholung von Wort, Lied, Liturgie und symbolischer Handlung in der Gegenwart durch Erinnerung "allem Volke" - der Menschheit - eine Zukunft verheißt.

II. Universale und partikulare Geschichtsbilder

Damit sind wir bei Geschichtsbildern jenseits einzelner Gemeinschaften, die den Verlauf und den Sinn, den Ursprung und das Ziel der Geschichte der gesamten Menschheit mit dem Anspruch auf universale Gültigkeit deuten. Das nationale Geschichtsbild weitet sich zum Weltbild, und umgekehrt wirken solche Weltbilder auf nationale Geschichtsbilder zurück. Hier gewinnen Geschichtsbilder eine ontologische Qualität. Sie verankern sich in der Religion oder der Philosophie und führen damit auch zu Ausschließlichkeit und Selbstgerechtigkeit. Für den Umgang mit Geschichtsbildern und für das Verständnis ihrer Konstruktion und Rezeption ist dieser Zusammenhang zwischen den partikularen und den universalen Vorstellungen von zentraler Bedeutung. Er stiftet die Legitimation partikularer und die Konkretion universaler Geschichtsbilder. Beide beziehen ihre Kraft aus der Glaubwürdigkeit dieses Zusammenhanges; sie werden geschwächt oder obsolet, wenn Widersprüche zwischen partikularen und universalen Geschichtsbildern zu Symptomen politischer Turbulenzen in Zeiten verunsicherter Vergangenheitsdeutung und verstörter Zukunftserwartung werden. Genau dies ist unser Fall an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert.

Immer wieder haben Künstler in solchen Zeiten Vorstellungen und Deutungen von Geschichte in Bildern verdichtet. Sie können, wie Leitfossilien, Wegweiser für die Funktion von "Geschichtsbildern" im metaphorischen Sinne sein. Wir erinnern an ein bekanntes Beispiel: Altdorfers Bild "Die Alexanderschlacht" (1529) ist kein Abbild der Schlacht bei Issos 333 v. Chr., sondern ihre weltgeschichtliche Deutung. Die in den Kostümen des 16. Jahrhunderts kämpfenden Heerscharen versinnbildlichen einen im universalen Geschichtsbild der späten Antike und des Mittelalters zentralen "Drehpunkt" - den Übergang vom zweiten zum dritten Weltzeitalter: Nach der assyrischen und persischen folgt nun die griechische und damit die abendländische Weltmonarchie. Diese Schlacht zwischen zwei Kulturen wird durch eine gewaltige Bewegung des gesamten Kosmos: Sonne und Mond, Erde und Meer, Licht und Finsternis begleitet. Irdisches und kosmisches Geschehen korrespondieren miteinander, als das dritte Weltzeitalter gewaltsam heraufgeführt wird. Dieser griechischen Weltmonarchie wird als vierte und letzte die römische folgen. Wenn einst das Römische Reich zerfällt, wird das Jüngste Gericht die Geschichte der Menschheit beenden.

Im Jahre 1529 stehen die Türken vor Wien. Altdorfers Bild beschwört angesichts der Türkengefahr den Sieg des Abendlandes über das Morgenland. Der auf den Perserkönig zustürmende Alexander trägt die Züge Maximilians I. Das Bild ist ein Appell an Kaiser und Fürsten, das Römische Reich, die letzte Weltmonarchie, die nun die Deutschen tragen, zu retten. Die Erhaltung des Reiches ist die Voraussetzung für das Fortdauern der Geschichte, für das Noch-Fernesein des Jüngsten Gerichts, das man im Volk bereits kommen sah.

Altdorfer hat in seinem Bild eine durch Jahrhunderte überlieferte Deutung des Geschichtsverlaufs den Bedrohungen der Gegenwart als Hoffnung entgegengehalten. Es ist wahrhaft universal: Alles menschliche Dasein eine Bühne, auf der sich die Geschichte der Menschheit, gegliedert in vier Akte zwischen Schöpfung und Jüngstem Gericht, abspielt. Auf diesem theatrum mundi erscheint die Geschichte der Völker und Herrscher als universales Arsenal der Vorbilder rechten Lebens (und der Gegenbilder), als "magistra vitae", als die sie schon Cicero gepriesen hatte.

Die Universalität dieses Geschichtsbildes bot nicht nur Raum, sondern erforderte geradezu die Ausfüllung durch engere, auf bestimmte Völker oder Herrscher bezogene Geschichtsbilder. Die Sachsen leiteten ihre Herkunft und Macht von den Assyrern, die Franken von den Trojanern legitimierend ab. Die klassische Konkretion ist die Deutung des göttlichen Auftrages an die Römer in Vergils Aeneis. Vergangenheit enthält die Zukunft als Aufgabe: "Du bist ein Römer, dies sei Dein Beruf, die Welt regiere, denn Du bist ihr Herr ..." Die deutschen Könige übernahmen als Kaiser des Römischen Reiches Deutung und Anspruch dieses universalen Bildes der Geschichte, das ihnen die Priorität unter den Fürsten der Christenheit verlieh.

Wie verblassen Geschichtsbilder, wie wurden sie relativiert? Im gleichen Jahr, als Altdorfer sein Bild vollendete, wurde Jean Bodin geboren, dessen politische Theorie am Ende des 16. Jahrhunderts am schärfsten die universale Weltreichlehre als Herrschaftsideologie der deutschen Könige und Kaiser verwarf, deren Suprematie bestritt und an ihrer Stelle die Souveränität der Monarchien Europas begründete - ein neuer Deutungsversuch der politischen Ordnung als polyzentrischer Mächtekonstellation. Das Zeitalter der Entdeckungen, die Religionskriege mit der Spaltung der abendländischen Christenheit sowie die Ausbildung des Systems absolutistischer Königsmacht waren die realhistorischen Voraussetzungen, die das alte, universale Geschichtsbild obsolet und zur künftigen Orientierung untauglich machten. Es sank ab zum Element antiquarischer Bildung oder ins Dekor wie andere antike Motive. An seine Stelle traten die partikularen Geschichtsbilder nationaler Monarchien mit ihren je besonderen Legitimationen - ein Mit- und vor allem ein Gegeneinander der "Großen Mächte".

Auch diese parzellierten Geschichtsbilder waren hungrig nach - wenigstens rhetorischer - universaler Beglaubigung. Zunächst bezogen sie diese noch aus dem religiösen Weltbild: Die spanischen Monarchen nannten sich "die Katholischen", der französische König der "allerchristlichste", Cromwells Ironsides fühlten sich alttestamentlich legitimiert, und noch die "Heilige Allianz" bettete ihr Programm der Ordnung Europas in ein religiös-christliches Weltbild ein. Aber dieser Universalitäts-Bezug war ohne realhistorische Entsprechung und Kraft, war - modern gesprochen - Ideologie. Es folgte der Kampf der Monarchien untereinander. Im prekären Konzept von Gleichgewicht oder Hegemonie, im ius publicum Europaeum, entstand ein Bild Europas als eines Bezirks politischer Ordnung mit gleichartigen Formen und Konventionen, der sich vom Rest der Welt deutlich absetzte.

III. Das Konzept der "Moderne" - Geschichte als Fortschritt

Keineswegs das einzige, wohl aber das dominante Geschichtsbild - das Grundmuster, zu dem sich fortan partikulare Geschichtsbilder ins Verhältnis setzen mussten - ist die Vorstellung der Geschichte als eines immanenten Fortschritts zum Besseren: ein Geschichtsbild europäischer Herkunft, das universelle Geltung beansprucht. Es bestimmt seit dem Ende des 18. Jahrhunderts Vergangenheitsdeutung und Zukunftserwartung.

An seinem Beginn stand die Erfahrung der Perfektibilität menschlicher Erkenntnisse und Verhältnisse. Der Aufstieg der Naturwissenschaften im 17. Jahrhundert, ihre Lösung von den antiken Dogmen, aber auch die Verbesserung der Umstände des Lebens und schließlich die Rationalisierung von Verwaltung und Recht, von Finanz- und Kriegswesen führten zu der Vermutung oder Gewissheit, dass Geschichte nicht immergleiche Wiederholung von Aufstieg und Fall von Herrschaft sei, sondern dass ihr eine in die Zukunft weisende eigene Energie zur Verbesserung aller menschlichen Verhältnisse innewohne. Geschichte war nicht mehr nur Bühne, sondern Bewegung in der Zeit, deren Ziel Verbesserung der menschlichen Gesellschaft und Entwicklung der menschlichen Natur zu der ihr innewohnenden Vernunft und Humanität sein müsste.

Damit weitete sich das universale Geschichtsbild zum Weltbild. Durch die Geschichte beantwortet sich die zentrale Sinnfrage: Was ist der Mensch? Darauf gibt sie als Prozess der Verwirklichung der Vernunft die Antwort. Kant hat als Erster den Entwurf einer "Universalgeschichte in weltbürgerlicher Absicht" aufgestellt, Schiller sah zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Menschheit schon fast am Ziel der "Universalgeschichte". Und wiederum Kant glaubte die Zeit reif, mit seinem Traktat "Zum ewigen Frieden" das Programm eines Völkerbundes "republikanischer" Staaten nicht mehr als bloße Utopie entwerfen zu können. Dieses universale Bild vom Lauf der Geschichte trug eine ambivalente Spannung in sich und fand von Beginn an Widerspruch und Konkurrenz in anderen Konstruktionen des Weltlaufs. Dennoch blieb dieses "Projekt der Moderne" das am weitesten verbreitete universale Geschichtsbild bis in unsere Tage.

IV. Nationale Geschichtsbilder als Konkretion der Universalgeschichte

Neben und mit diesem "Projekt" formten sich länger angelegte, aber seit den napoleonischen Kriegen virulent werdende nationale Geschichtsbilder. Sie verstanden sich als die Konkretisierungen des universalen Fortschrittspostulats; denn "Menschheit" ist ein Abstraktum, existiert real nur in den zahlreichen Sprach- und Geschichtsgemeinschaften, die sich als Nationen zu konstituieren anschickten. So wurden die National-Geschichten - nicht mehr die der Herrscher - als der eigentliche Gegenstand der Wissenschaft und der Lehre begriffen, entstanden partikulare Geschichtsbilder mit universalem Anspruch. Diese Geschichtsbilder schufen eine nationale Vergangenheit gemäß der neuen Zukunftserwartung von universalem Zuschnitt.

Die großen Nationen - angesichts der industriellen, politischen, demographischen und wissenschaftlichen "Revolutionen" - nahmen für sich in Anspruch, an der Spitze der Bewegung der Geschichte zu marschieren: Frankreich, in Verklärung der Ideen der Revolution, expandierte politisch und militärisch mit der Legitimation, Freiheit und Gleichheit unter den Nachbarn, schließlich auch in den Kolonien zu befördern. Wegen seines egalitären, menschheitlichen Zivilisationsauftrages reklamierte die "Grande Nation" ein Recht, als Zentrum der Freiheits- und Gleichheitsideen zu gelten mit den daraus folgenden Ansprüchen auf Einfluss und politische oder kulturelle Hegemonie. Widerstand dagegen erschien als Reaktion oder als Barbarei.

England - der Feind der revolutionären Republik, der politischen Ideen von 1789 und des französischen Empire - identifizierte seine Nationalgeschichte gleichfalls mit dem Fortschritt der Freiheit in der Welt. John Robert Seeley zeichnete die Entstehung und Ausbreitung des britischen Empire als einen vorherbestimmten teleologischen Prozess, in dem der Sinn der englischen Geschichte als Weltmission der Freiheit und des Fortschritts in einem föderalen Weltreich sich entfalte. Die Welt zu zivilisieren, materiell zu entwickeln, die Freiheit des englischen Rechtssystems und Aufklärung durch Unterricht zu bringen, das erforderte formelle und informelle Herrschaft, brachte eine Schlüsselrolle in der Weltwirtschaft, galt zugleich als Dienst an der Menschheit, als "the white man's burden".

Solchen herrschaftsgestützten Zivilisationsansprüchen selbst ernannter Träger des Fortschritts stand - abgesehen von allen konkreten Verhältnissen - ein Element der universalgeschichtlichen Doktrin selbst im Wege: das der Freiheit und Individualität, der Besonderheit und des politischen wie kulturellen Selbstbestimmungsrechtes jedes Volkes. So ist zu verstehen, dass in der Folge Geschichtsbilder entstanden, die angesichts der Übermacht der Fremden das Recht auf Autonomie der eigenen Nation proklamierten. Nationalgeschichtsbilder des 19. Jahrhunderts bildeten sich hier über den Willen zum Widerstand gegen fremde, universale Ansprüche und damit alsbald über den Katalysator von Feindbildern: Vorstellungen vom Feind, der die eigene Art und Unabhängigkeit unterdrückt, wurden zur schwarzen Folie des Selbstbildes. Das führte zur Entstehung von Geschichtsbildern der "kleinen Nationen" in Europa. Auch das herrschende Geschichtsbild des kleindeutschen Nationalstaats erhielt seine Impulse aus solchem Widerstand.

Die Vorstellung vom universalen Fortschritt der Geschichte hielt das deutsche Geschichtsverständnis gleichwohl fest, freilich mit einem anderen Modell als dem französischen der "Gleichheit" oder dem angelsächsischen der "Mission": dass nicht ein generelles Muster, sondern die Entwicklung vielfältiger "Individualitäten" die Triebkraft des Fortschritts auf "Sonderwegen" sei. Kein einstimmiger Chor, sondern ein Konzert verschiedener Stimmen sei die Weltgeschichte, und jede müsse rein ausgebildet werden, damit das Ganze vollendet klinge. So habe jedes Volk das Recht, gemäß seiner Eigenart und seiner besonderen Situation seine inneren Verhältnisse so zu entwickeln, dass es mit der Ausbildung seiner "Individualität" seinen besonderen Beitrag zum Fortschritt der Menschheit leiste.

Auf dem Höhepunkt nationaler Geschichtsbilder - die immer stärker wurden, je weniger die Realpolitik sich an die Zielsetzungen des universalen "Projekts der Moderne" hielt - findet sich eine Botschaft in einem Bild, das in die Zukunft blickt und zugleich die Vergangenheit beschwört: "Völker, Europas, wahrt Eure heiligsten Güter!" Auf hohem Fels stehen gerüstete, edle Frauengestalten - Allegorien der großen europäischen Nationen - und schauen hinab in eine weite Ebene, die von unendlichen Scharen heranstürmender, mongolenähnlicher Feinde bedeckt ist. Dieses Bild, von Wilhelm II. in Auftrag gegeben, thematisiert die zunächst in den USA beschworene Zukunftsangst vor der "Gelben Gefahr" als Bedrohung einer europäischen Kulturgemeinschaft.

Diese Vision der kommenden Geschichte zeigt, wie weit Geschichtsbilder von der Wirklichkeit entfernt sein können. Nicht die Chinesen bestürmten um die Jahrhundertwende die Festung Europa, sondern die Europäer erweiterten ihre Weltherrschaft mit der Gewalt der Technik, des Geldes und der Waffen, und die europäischen Staaten waren weit davon entfernt, sich als Verteidigungsgemeinschaft "heiligster Güter" zu fühlen; sie standen vielmehr kurz vor dem Ersten Weltkrieg, dem europäischen Bürgerkrieg, der auch ein Krieg der nationalen Geschichtsbilder war. Und dennoch deutet dieses Bild eine zukunftsträchtige Wendung an: eine neue Epoche, in der die Nationen sich als europäische Kulturgemeinschaft gegen eine vermeintliche Bedrohung zusammenfinden, in Verteidigung des einst universalgeschichtlichen Programms, das hier zum europäischen erklärt wird.

V. Das "Zerbrechen der Zeit": Das Schwinden der nationalen Geschichtsbilder und der Gewissheit des Fortschritts

Wir erleben seit einiger Zeit die Umbildung des Primats einst sakrosankter nationaler Geschichtsbilder als sinnstiftender Orientierungen. Das gilt nicht nur für eine hybride Deutung der deutschen Nationalgeschichte, die im sog. "Dritten Reich" real und mental zerbrochen ist; es gilt - weniger dramatisch - auch für die anderen großen europäischen Nationen, deren Selbstverständnis immer weniger auf sich selbst zentriert ist, vielmehr in ein supranationales Geflecht integriert wird. Der ausschließlich nationale Selbstbezug trifft kaum noch unsere Daseinserfahrung und Zukunftserwartung. Die Walhalla, so der die Zeittendenzen vorausnehmende Künstler, wird in einem Bild Anselm Kiefers zur leeren Scheune. Das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald, 1875 im Beisein des Kaisers mit dem Choral "Ein' feste Burg ist unser Gott" eingeweiht, wird zum Gegenstand eines "Events", wenn der Cherusker im Trikot von "Arminia Bielefeld" für die Sponsorfirma "Herforder Pils" wirbt und uns das keineswegs empört, sondern eher belustigt. Die Frage ist, wie wir uns im Angesicht der Vergangenheit als Nation begreifen sollen.

Aber nicht nur die nationalen Geschichtsbilder, auch die Gewissheit vom Fortschritt der Menschheit als Sinn und Ziel der Nationalgeschichten ist ins Wanken geraten. Den demokratisch-liberalen Ordnungsvorstellungen vom nationalen Rechtsstaat traten nach dem Ersten Weltkrieg eine Reihe autoritärer, faschistischer oder kommunistischer Gesellschaftskonzepte entgegen. Von den Denkweisen und Verfahren europäischer Kolonialherrschaft gingen illiberale Rückwirkungen auf die Mutterländer aus, welche die Glaubwürdigkeit des universalen Geschichtsbildes in nationaler Konkretion infrage stellten - am radikalsten in Ideologie und Herrschaftspraxis des Nationalsozialismus, mit sozialdarwinistischen und biologischen Letztbegründungen bis zum Genozid. Dass sich zudem das Projekt der Geschichte als Selbstvollendung der Menschheit in sich spaltete und dem Glauben an individuelle und soziale Perfektibilität das Dogma vom Klassenkampf und der Diktatur des Proletariats als dem eigentlichen Inhalt und Ziel der Geschichte feindlich gegenübertrat, war die fundamentale Herausforderung des "Projekts der Moderne", die aus seinen inneren Widersprüchen selbst entstand.

Können wir nach dem politischen Untergang der faschistisch-rassistischen Ideologie und der Marginalisierung der politischen Bedeutung des "Histomat" dem westlich-liberalen Deutungsmuster der Geschichte noch Realität zusprechen: die Verbindung des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts mit der Erweiterung der Emanzipation, die Realisierung der Menschenrechte überall, gerechte Verteilung der Ressourcen des Globus, Freiheit des Individuums und Autonomie gewachsener Kulturen? Hat das "Konzept der Moderne" noch Glaubwürdigkeit und Kraft angesichts der Widersprüche und Ungewissheiten der selbst produzierten Komplexität und Antinomien der Evolution? Wird es Fortschritt und Freiheit glaubwürdig vorantreiben, sodass die wiederbelebten ethnischen und nationalen Selbstdeutungen der Völker des ehemaligen Sowjetimperiums oder der Kolonialreiche sich in diesem weltgeschichtlichen Programm wiederfinden können? Oder könnte auch das "westliche" universale Geschichtsbild mit dem Postulat menschheitlichen Fortschritts zu Freiheit und Wohlstand zerbrechen, wie es dem marxistisch-kommunistischen Konzept kurz vor dem Ende des Sowjetsystems geschah?

Wieder kann ein Auftragsbild diese Frage an die kommende Geschichte symbolisch vermitteln. Werner Tübkes Panoramabild in Frankenhausen sollte den Beginn der letzten Periode des Klassenkampfes und in der Niederlage der Bauern den künftigen Sieg des Proletariats beschwören. Das Panorama zeigt jedoch eher das Zerbrechen des universalen Geschichtsbildes von der Selbsterlösung des Menschen als dessen kommende Verwirklichung. Mitten im Gemetzel der Schlacht, in einem gegliederten Rund von Menschheitssituationen voller Mord, Laster und Bosheiten, durchwebt von dunklen Symbolen des "apokalyptichen Jahrhunderts", steht Thomas Müntzer. Ratlos und suchend, nicht in trotziger Gewissheit künftigen Sieges, blickt er über das trostlose Weltbild mit seiner Heillosigkeit und Rätselhaftigkeit der Geschichte, deren Herr der Mensch nicht ist. Man hat dieses Panorama als künstlerisch verschlüsselte Vorwegnahme des Scheiterns des sozialistischen Geschichtsbildes gedeutet. Aber betrifft es uns nicht in gleicher Weise? Welches Bild der kommenden Geschichte können wir uns machen?

VI. Perspektiven der "kommenden Geschichte"

Drei universale Perspektiven kommender Geschichte bietet die Diskussion der letzten Jahrzehnte an:

1. "Das Ende der Geschichte": Die ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg brachten eine Zukunftswissenschaft hervor, die einen optimistischen Blick in die Zukunft warf und angesichts der vielen wissenschaftlich-technischen Fortschritte und der zunehmenden internationalen Vereinbarungen und Gremien das Ziel des Fortschritts nahe sah. Wenn auch im Einzelnen skeptisch aufgenommen, traf sie doch im Ganzen eine Grundstimmung. Gegen Ende des Jahrhunderts gewann dann die These vom "Ende der Geschichte" erhöhte Aufmerksamkeit. Nach der Auflösung des Sowjetimperiums schien die Verwirklichung von Frieden greifbar nahe, Wohlfahrt und Menschenrecht überall zu gewährleisten. Damit war das Ziel der Geschichte erreicht, jedenfalls im Prinzip; vorhandene Defizite galten als bald überwindbar. Die vernunftgemäß eingerichtete Gesellschaft der "posthistoire" bedarf wohl der ständigen Regulierung der verschiedenen Subsysteme: der Wirtschaft, der Politik, der Wissenschaft, der Kultur, aber nicht mehr solcher "Bilder", welche die Zukunftserwartung auf die Deutung der Vergangenheit stützen. Geschichte wird ein Magazin von Szenen der Menschenwelt, von Zuständen und Ereignissen, die man anschaut, erstaunt oder erschreckt wahrnimmt - dies aber letztlich unverbindlich und beliebig. Mit der Homogenisierung aller Informations-, Wissens- und Verteilungswege, mit der Möglichkeit globaler Behebung von Not tut sich eine Kluft zur Vergangenheit auf - sie ist für die Orientierung in der Gegenwart nicht mehr tauglich. Das Alte ist nicht mehr das Wahre, Innovation gilt mehr als Erfahrung; die Biotechnik, nicht mehr die Pädagogik begründet die Hoffnung auf den Fortschritt, den der Mensch an sich selbst vollzieht.

Zwar widerspricht die Realität diesem Bild. Aber: Breite Schichten der Bevölkerung in der "Ersten Welt" verhielten sich so, als ob ein solcher Zustand eingetreten sei, als ob wir nicht kommende Geschichte, sondern "vollendete Gegenwart" vor uns hätten - d.h. keine "Zukunft", die etwas anderes und Besseres ist als die Gegenwart. Das "Vergehen der Zukunft" in Vorstellung und Lebensweise eines "Menschenparks" (Sloterdijk) ist abzulesen an jenem Umgang mit Geschichte, mit Überlieferung und Tradition, der ins Unverbindlich-Luxuriös-Kuriose gerät, was Sinngebung und Daseinsdeutung von Gemeinschaften betrifft. In dieser Lage gerät und verkommt zum Stillstand, was das Lebensgesetz demokratischer Verhältnisse ist: die Bewegung hin auf eine bessere, menschlichere Zukunft. In gleichem Maße - als Kehrseite dieses Bildes - schwindet die Überzeugung, es herrsche Rationalität in der geschichtlichen Welt, wird die Kontingenz, die enigmatische Struktur der Geschichte als ihr Wesen wahrgenommen. Damit ist der "Fortschritt" nicht nur stillgestellt, weil er sein Ziel erreicht hat; er kann überhaupt als Irrtum der Geschichtsphilosophie entlarvt werden. Auf verhüllte Weise entspricht die Rede vom "Ende der Geschichte" im dialektischen Umschlag weniger der Wertung gelungener Vollendung als vielmehr des Endes der Vorstellung ihres einsichtigen Vernunftantriebes.

2. Die Geltung des Projekts der "Moderne" als Vision einer besseren Welt: Entschieden widersprechen die Verfechter und Erben des Aufklärungs- und Fortschrittskonzepts dieser Position. Weder habe die Geschichte ihr immanentes Ziel erreicht, noch sei die Deutung ihrer "kinetischen Energie" als Vordringen der Vernunft widerlegt. Die ökonomische und technische Globalisierung kann als ein mit Gefahren verbundener Schritt, aber doch als ein Fortschritt und ein Versprechen erscheinen, das auf die Humanisierung der sozialen Verhältnisse und die politische Emanzipation auf dem Erdball weist. Hier ist das meiste noch zu tun, und das universale Geschichtsbild einer freien, zivilen Gesellschaft sowie der weltweiten institutionellen Sicherung von Frieden und Recht gilt als Zukunftsauftrag und braucht noch Kraft, um überkommene Traditionalismen der Norm allgemeiner Vernunft zu unterwerfen. Weder ist dieser Prozess am Ende, noch ist er als Wille und Vorstellung unserem Handeln entzogen. "Geschichte als Selbstgestaltung und Selbstauslegung der Menschen" entziehe sich nicht "wirklich ihrer Aufklärung ... Blockiert ist nur ... die entschiedene Umsetzung dieses Wissens für das Selbstverständnis des Menschen" . Die Richtung der Geschichte bleibt die auf Perfektibilität gegründete Zielvorstellung, ihr Antrieb der fortdauernde vernünftige Dialog.

3. Der "Kampf der Kulturen": Einer empirisch ansetzenden Deutung des an Konflikten überreichen Zustandes unserer Welt erscheint dieses Konzept eines allgemeinen Fortschritts als Ideologie der "westlichen" Zivilisation, die als universal gültig ausgegeben wird, um globale Dominanz zu legitimieren, tatsächlich aber ein partikulares Geschichtsbild einer Kultur ist. Im Kampf gegen die technisch, militärisch und wissenschaftlich überlegene, nach Sitte, Moral und Recht jedoch als fremd oder verderbt empfundene Zivilisation formieren sich unter Aneignung der wertneutralen wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten des Westens die außereuropäischen Kulturen, suchen und finden in Rückbesinnung auf ihre eigene Geschichte ihre Identität in Abgrenzung vom "Westen". Die kommende Geschichte wird, statt die "eine Welt" zu bringen, die Scheidung der Menschheit in Kulturkreise verschärfen; sie sind zwar vielfältig vernetzt durch alles, was technischer und wissenschaftlicher Fortschritt und ökonomischer Austausch hervorbringen mag, aber deutlich getrennt durch die Werteskala, nach der sich Individuum und Gemeinschaft bilden. Alte Geschichtsbilder werden aktualisiert, sie weisen auf die Unterschiede zwischen den Kulturen hin, auf die früheren Kämpfe und vergangene Überlegenheiten. Ob es schließlich zum "Clash of Civilizations" kommt oder ob sich ein friedlicher Ausgleich ihrer verschiedenen Daseinsweisen und Interessen herstellt, bleibt ungewiss.

Die fanatischen Potenziale in diesem Streit der Kulturen und deren technische Möglichkeiten sind so beschaffen, suchen so neue und gefährliche Wege, dass man die Prävention nicht vernachlässigen darf. Diese Zukunftserwartung drängt auf Stärkung des Zusammenhalts im eigenen Kulturkreis, seiner in der Geschichte gewachsenen Wertvorstellungen und Selbstbehauptungskraft im geistigen, wirtschaftlichen und militärischen Bereich. Der westlich-europäische Kulturkreis ist uns näher als die Welt. Seine Geschichte und seine Zukunft sind unser Teil - daraus folgt die Anerkennung der Besonderheit anderer Kulturen, nicht aber die Vermischung oder gar ihre Einebnung und Integration in das europäische Konzept der Moderne.

Das ist eine Repartikularisierung des universalen Geschichtsbildes vom Fortschritt der Menschheit. Kann es zur besseren Regelung der Konflikte beitragen, wenn die sozialen, politischen und kulturellen Eigenarten der Kulturen nicht einem Leitmodell folgen müssen? Die Normen der Friedenswahrung, des Völkerrechts und der Menschenrechte - bereits in globalen Resolutionen und Institutionen bekräftigt - wären dann als der europäisch-westliche Beitrag zu einer Universalgeschichte zu verstehen, die im Übrigen der Eigenart jeder Kultur ihren Raum lässt. Dieses Konzept erlaubt einerseits, am Bild einer "Universalgeschichte der Menschheit in weltbürgerlicher Absicht" festzuhalten, und andererseits, kulturelle Differenz zu achten. Vielfalt der Kulturen ist anzustreben, die durch wenige, zentrale Universalismen ihr Miteinander regeln. So wird "angstfreies Andersseindürfen für alle ermöglicht ... Universalisierung ist nur als Pluralisierungsermöglichung gerechtfertigt, nur als Buntheitsförderung."

Diese drei Positionen werden jede für sich oder in wechselnden Kombinationen die im Hintergrund der öffentlichen Vermittlung von Geschichte stehenden "Geschichtsbilder" dominieren und verorten lassen. Im Hintergrund der viel berufenen "Geschichtskultur" wartet die Aufgabe theoretischer Klärung, normativer Auseinandersetzung und pragmatischer Umsetzung der Ziele und Verfahrensweisen bei der Präsentation von Geschichte im Hinblick auf die künftige "Zeitperspektive", die wir der Vergangenheitsdeutung geben. Das Ziel methodisch angelegter Bildung des "Geschichtsbewusstseins" wird sich nur bei Reflexion über den Zusammenhang von partikularem und universalem Geschichtsbild verfolgen lassen.

VII. Das Geschichtsbild "Europa" und die deutsche Nationalgeschichte

In Europa ist das "Projekt der Moderne" entstanden. Können wir es nur durch Repartikularisierung für den westlichen Kulturkreis bewahren, und müssen wir damit seinen universalen Anspruch zurücknehmen? Genau betrachtet geht es nicht um seine Repartikularisierung, sondern um eine Reduzierung des Anspruchs auf Gleichförmigkeit des historischen Prozesses und auf den Mustercharakter des westlichen Weges in die Moderne. Dieser Anspruch ist schon ein Widerspruch in der Idee: Denn nicht durch Zwang oder Mission, sondern kraft eigener Anstrengung und auf der Grundlage eigener kultureller Prägungen kann der geschichtliche Prozess einer Selbstverwirklichung der in der Natur angelegten Gaben und Aufgaben des Menschen stattfinden. Pluralisierung heißt anzuerkennen, dass es kulturelle Eigenwege der Völker und Kulturen in diesem Prozess geben muss, wenn er nicht denaturiert werden soll, wie es im Zeitalter des Imperialismus geschah.

Im Durchgang durch die Epoche der Aufklärung, der Zeit der Entstehung oder Vorbereitung des modernen Nationalstaates, entstand das bei allen Differenzen die Nationen Europas verbindende Geschichtsbild - die Nationalgeschichten sind als Elemente des europäischen Geschichtsbildes nicht wegzudenken und auch nicht auf das "weltbürgerliche" Prinzip der Republik zu reduzieren. Das universal gedachte, europäisch realisierte Konzept braucht die Vielfalt wie die Gemeinsamkeit des Partikularen - als abstrakt-unitarische "Staatsnation" wird sich Europa nur in den Vorstellungen politischer Systematiker realisieren. Diese doppelte Offenheit zu den partikular-nationalen und den universalen Geschichtsbildern enthält die Chance der Akzeptanz in einem so differenzierten Geschichtsraum wie Europa.

Die politische Teilung Deutschlands spaltete auch die deutschen Geschichtsbilder: Die machtgeschützte Doktrin des "Histomat" einerseits, die prononcierte "Westorientierung" im Wertungshorizont geschichtlicher Vorgänge andererseits blockierten - ungeachtet eines intensiven und vielfältigen Forschungsbetriebs - zunehmend eine breitere öffentliche Diskussion um eine Deutung oder gar Wertung der deutschen Geschichte. Die zweite Blockade war Folge des unerhörten Traditionsbruchs der NS-Zeit - in Ost und West unterschiedlich auf die Gegenwart bezogen, aber überall als Verdunkelung oder Abriss der historischen Kontinuität unserer Geschichte wahrgenommen. Das Bild der deutschen Geschichte war zerbrochen: Sie wurde entweder marginalisiert - bis hin zum Zweifel an der Existenz ihres Zusammenhangs - oder stigmatisiert als bloße Vorgeschichte der Barberei des Hitler-Regimes.

Die Entstehung eines Geschichtsbildes mit europäischem Horizont hinter bzw. in der Nationalgeschichte löst diese Blockaden. Der Zusammenhang deutscher Geschichte - sieht man ihre Verflechtung in gesamteuropäische Zustände und Bewegungen - wird wieder formulierbar und macht die deutschen Eigenheiten als Varianten und Beiträge zur europäischen Gemeinsamkeit in Kultur und Wissenschaft, Recht, Politik, Technik und Wirtschaft im vergangenen Jahrtausend sichtbar. Die Geschichtswissenschaft hat in heftigen, die Öffentlichkeit bewegenden Kontroversen - wie im "Historikerstreit" der achtziger Jahre - sowie in einer Anzahl breit angelegter Synthesen der deutschen Geschichte die Komplexität ihres Zusammenhangs dargestellt; und die Lehrbücher für den Unterricht, angestoßen durch diese Entwicklung und durch transnationale Diskussionen, folgen - nicht nur in Deutschland - dieser Tendenz zu einem die jeweilige Nationalgeschichte integrierenden europäischen Geschichtsbild.

So gewinnt das Bild der deutschen Geschichte Substanz im Rahmen europäischer Geschichtsdeutung mit ihren universalen Postulaten. Das könnte den verlorenen Zusammenhang zwischen partikularem und universalem Geschichtsbild wiederherstellen und eine Zeitperspektive vermitteln, die das Verständnis der Möglichkeiten und Forderungen der kommenden Geschichte fördert. In dieser Perspektive ist die Variation der Sprechchöre während der "friedlichen Revolution" im November 1989 von dem Demokratie einfordernden Ruf "Wir sind das Volk" zu dem die Einheit der Nation einfordernden Satz "Wir sind ein Volk!" nicht zu diskreditieren als Rückfall in ein nationalistisches Geschichtsbild und als Widerspruch zum "Konzept der Moderne". Sie ist vielmehr als Bekenntnis zu einer Verantwortungsgemeinschaft zu werten, der es aufgegeben ist, sich gemeinsam der Schuld zu stellen, die sie geerbt hat und gemeinsam die Bestände der Geschichte zu prüfen, die diesem Volk einen Platz in einem europäischen Geschichtsbild geben.

VIII. Der Geist der Zeit, die Wahrheit und die Muse der Geschichte - mehr als eine Allegorie

Geschichtsbilder lassen sich nicht verordnen, aber die professionelle Geschichtsvermittlung in der Öffentlichkeit wie in der Schule bleibt blind, wenn sie sich nicht Rechenschaft ablegt über die Perspektiven der kommenden Geschichte, die sie anbieten. Sie muss sich im Spektrum der skizzierten Optionen orientieren, will sie nicht in die "Geschichtsfalle" laufen, Funde aus dem Labyrinth der Vergangenheit in nicht befragter Anordnung vorzeigen oder als Traumtänzer imaginärer Projekte auftreten. Es liegt ein hoher, aber notwendiger Anspruch in dem Appell an die Vermittler historischer Kenntnis und Bildung, an der Auseinandersetzung um die Zeitdeutung und Zukunftsperspektive teilzuhaben, um auf die Frage nach dem Ziel der Lehre von der Geschichte zwar keine einfachen, aber doch begründbare Antworten zu finden.

Goya hat vor zweihundert Jahren das alte Motto von der Geschichte als "lux veritatis" auf eine neue, uns sehr betreffende Weise dargestellt: Der Genius der Zeit zieht, fast stürzend, die zögernde Gestalt der Wahrheit aus der Vergangenheit ins Licht. Vor beiden sitzt Klio, die Muse der Geschichte, klein wie ein Kind. Sie wendet den Blick aus dem Bild heraus auf den Betrachter, als wolle sie ihn fragen: Was soll ich berichten? Welche Vergangenheit braucht deine Zukunft? Klio drängt uns kein Geschichtsbild auf; sie verlangt aber ein Bewusstsein, das Geschichtsbilder zu erkennen und ihre Bedeutung zu verstehen vermag, ohne ihnen zu verfallen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Erweiterter Text eines Vortrags auf dem Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig am 9. Oktober 2001; für die Hilfe bei der Literatur- und Bildrecherche danke ich Frau Annegret Ritter. 1 Vgl. Richard Holbroke, Meine Mission vom Krieg zum Frieden, München 1998, zitiert bei Petra Bock/Edgar Wolfrum (Hrsg.), Umkämpfte Vergangenheit, Göttingen 1999, S. 40.

  2. Vgl. Wolfgang Höpken, Vergangenheitspolitik im sozialistischen Vielvölkerstaat, Jugoslawien 1944-1991, in: ebd., S. 210-246.

  3. Vgl. dazu den Sektionsbericht des 43. Deutschen Historikertages, Aachen 2000, in: Eine Welt - konkurrierende Nationalgeschichten. Kulturgeschichte Ostmitteleuropas im 20. Jahrhundert, S. 316-321; zum Aufleben älterer nationaler Geschichtsdeutungen nach dem Zerfall des Sowjetimperiums vgl. Heiner Timmermann (Hrsg.), Nationalismus in Europa nach 1945, Berlin 2001 (= Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen, Bd. 96).

  4. Vgl. Rainer Eckert/Bernd Faulenbach (Hrsg.), Halbherziger Revisionismus: Zum postkommunistischen Geschichtsbild, München-Landsberg am Lech 1996.

  5. Also nicht Bilder von konkreten historischen Ereignissen, die ihre eigene Symbolkraft haben; vgl. Francis Haskell, Die Geschichte und ihre Bilder. Die Kunst und die Deutung der Vergangenheit, München 1995. Bisweilen werden sie als "Mythen" bezeichnet - so von Yves Bizeul (Hrsg.), Politische Mythen und Rituale in Deutschland, Frankreich und Polen, Berlin 2000.

  6. Vgl. Peter L. Berger/Thomas Luckmann, Gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt/M. 1980.

  7. Ich verweise hier auf einen wenig beachteten Sektor: auf die Geschichtsbilder, die sich Naturwissenschaftler von ihrer Disziplin machen - fern des breiten öffentlichen Interesses, aber von großer Bedeutung für die Orientierung und Entwicklung der Wissenschaften mit ihren gesellschaftlichen Folgen; vgl. Helga Nowotny, Der Paradigmenwechsel des Fortschritts. Zur Dynamik der Wissenschaftsentwicklung heute, in: Evelyn Schulze/Wolfgang Sonne (Hrsg.), Kontinuität und Wandel. Geschichtsbilder in verschiedenen Fächern und Kulturen, Zürich 1999.

  8. Vgl. Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992, S. 48 ff.

  9. Eine Anthologie solcher vielfältiger Geschichtsbilder und ihrer Interpretation liegt jetzt unter der Metapher "Deutsche Erinnerungsorte" mit einer ausführlichen Einleitung vor, die den forschungsspezifischen Hintergrund der Entdeckung der "Geschichtsbilder - Geschichtsorte" im europäischen Kontext skizziert: Etienne François/Hagen Schulze (Hrsg.), Deutsche Erinnerungsorte, Bd. I-III, München 2001 f. Sie wurde angeregt durch das französische Werk von Pierre Nora, Les lieux de memoire, Paris 1992 ff.; vgl. auch das Jahrbuch 2001 der Internationalen Gesellschaft für Geschichtsdidaktik, das sich den "Mythen" der Geschichte widmet, darin vor allem Karl Filser, "Wenn die Vergangenheit sich nicht fügt ..." Nationale Mythen im Geschichtsunterricht, S. 23-45.

  10. Vgl. Günter Dux, Die Logik der Weltbilder. Sinnstrukturen im Wandel der Geschichte, Frankfurt/M. 1982, Kap. II.

  11. Zu diesem Bild existiert eine breite Literatur; vgl. Barbara Eschenburg, Altdorfers "Alexanderschlacht". Ihr Verhältnis zum Historienzyklus Wilhelms IV., in: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunst und Wissenschaft, XXXIII (1970), S. 16-67; Cord Meckseper, Zur Ikonographie von Altdorfers Alexanderschlacht, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, XXII (1961), S. 179-185; Jacqueline Guillaud (Hrsg.), Altdorfer und der fantastische Realismus in der deutschen Kunst, Stuttgart 1985. Zum Bild als Zeugnis einer statischen vormodernen Geschichtssicht vgl. Reinhart Koselleck, Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt/M, 20004. Leider sind hier Reproduktionen der Bilder, auf die ich verweise, nicht möglich - aber sie sind so bekannt, dass dieser Mangel in Kauf genommen werden kann, zumal es nicht um eine kunsthistorische Betrachtung, sondern nur um die inhaltliche Aussage geht.

  12. Vgl. dazu Will-Erich Peuckert, Die große Wende. Das apokalyptische Saeculum und Luther. Geistesgeschichte und Volkskunde, Hamburg 1948.

  13. Die Begründung der inneren Souveränität und der äußeren Unabhängigkeit der Monarchien sind bei Bodin zwei Seiten des gleichen Politikverständnisses. Jean Bodin, Les six livres de la République (1576) - dt.: Sechs Bücher über den Staat, eingel. und hrsg. von Peter C. Meyer-Tasch, München 1981, Buch I, Kap. 9 "Über die Souveränität", S. 249 ff., S. 255, s. auch die Einleitung S. 43 ff.

  14. So ist von der Endzeitbefürchtung der Vier-Reiche-Lehre bei der zweiten Belagerung Wiens 1683 und der türkischen Niederlage keine Rede mehr - wohl aber wirkt die Deutung dieses Ereignisses als Stärkung absoluter Herrschaftsformen und der zentralen Stellung der Höfe; vgl. Matthieu Lepetit, Die Türken vor Wien, in: E. François/H. Schulze (Anm. 9), Bd. I, S. 401 f.

  15. Vgl. R. Koselleck(Anm. 11), S. 17 ff.; ferner ders., Historia Magistra Vitae. Über die Auflösung des Topos im Horizont neuzeitlich bewegter Geschichte, ebd., S. 38-66; zum Hintergrund vgl. den Artikel "Geschichte", in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 593-717; Reinhard Wittram, Die Zukunft in den Fragestellungen der Wissenschaft, in: ders., Zukunft in der Geschichte, Göttingen 1966, S. 5-29.

  16. Vgl. Odo Marquardt, Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie, Aufsätze, Frankfurt/M. 1973, zu Schillers Antrittsvorlesungen in Jena vom Mai 1789.

  17. Vgl. Immanuel Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht; Mutmaßlicher Anfang der Menschheitsgeschichte, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf (1796), Werke, hrsg. von Wilhelm Weischedel, Bd. 9, Darmstadt 1968.

  18. Vgl. Rudolf Vierhaus, Fortschrittsidee, Fortschrittsskepsis, Fortschrittskritik. Das Erbe der Aufklärung, in: Martin Kintzinger (Hrsg.), Das Andere wahrnehmen. Beiträge zu einer europäischen Geschichte. August Nitschke zum 65. Geburtstag gewidmet, Köln - Weimar - Wien 1991, S. 535-545; m. E. am umfassendsten zur Problematik des Bildes vom "Fortschritt" als Deutung der Geschichte: Hans Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit, Frankfurt/M. 19882; in der Perspektive unterschiedlicher Wissenschaften: Rudolf W. Meyer, Das Problem des Fortschritts - heute, Darmstadt 1969.

  19. Der erste umfassende Lehrplan für den Geschichtsunterricht an Gymnasien als eigenständiges Fach versuchte noch eine große Synthese: In der Unterstufe lernte man die individuellen Biografien großer Männer kennen, in der Mittelstufe die Biografien der bedeutendsten Nationen und in der Oberstufe die Universalgeschichte, d. h. die religiösen und kulturellen Schöpfungen der Menschheit. Hier war in der persönlichen, der kollektiven, der universalen Mitte zusammengefügt, was man als "Bildung" des Menschengeschlechts verstand. Vgl. Karl-Ernst Jeismann, Friedrich Kohlrausch (1780-1867), in: Siegfried Quandt (Hrsg.), Deutsche Geschichtsdidaktiker des 19. und 20. Jahrhunderts. Wege, Konzeptionen, Wirkungen, Paderborn u. a. 1978.

  20. Vgl. John Robert Seeley, The Expansion of England (1883) - dt. Ausgabe "Die Ausbreitung Englands", bis zur Gegenwart fortgeführt von Michael Freund, Berlin - Frankfurt/M. 1954. Gegen die Gefühlsmächtigkeit dieses Geschichtsbildes konnten kritische Stimmen im eigenen Land nichts ausrichten, z. B. J. A. Hobson, Imperialism. A Study, London 1902. Imperialismus sei, so der letzte Satz dieser dicht mit ökonomischen Daten belegten Studie, "the besetting sin of an successful state, and its penalty is unalterable in the order of nature" - ein um 1900 nicht zugekräftiges, abseitiges Geschichtsbild.

  21. Vgl. zum deutsch-französischen Fall Michael Jeismann, Das Vaterland der Feinde. Studien zum nationalen Feindbegriff und Selbstverständnis in Deutschland und Frankreich 1792-1918, Stuttgart 1992.

  22. Vgl. Bernd Faulenbach, Ideologie des deutschen Weges: die deutsche Geschichte in der Historiographie zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, München 1980.

  23. Die Kontroverse um den "deutschen Sonderweg" - der Ausdruck ist zum politischen Schlagwort verkommen - hat hervorgehoben, dass die Realgeschichte keine vorbildliche Norm, sondern nur "Sonderwege" der westlichen Nationen kennt. Die Metapher gehört, zunächst positiv besetzt, in ein professorales deutsches Geschichtsbild, das nach 1918 zugleich eine Verengung und eine pejorative Konnotation im Hinblick auf die Verfassung und den Entwurf alter Eliten im Kaiserreich erhielt. Erst als das universalistische "Projekt der Moderne" unter der NS-Herrschaft gekündigt und ein biologisch-rassistisches Konzept der Weltgeschichte verkündet (und praktiziert) wurde, gewann die Metapher den Sinn eines "Irrweges". Auf die Besonderheiten der Auseinandersetzung der slawischen Welt und den Anspruch des Westens, Modell des Fortschritts zu sein, kann ich hier nicht eingehen.

  24. Vgl. Helmut Gollwitzer, Die Gelbe Gefahr. Geschichte eines Schlagwortes. Studien zum imperialistischen Denken, Göttingen 1962.

  25. Vgl. Hannah Arendt, Ursprünge und Elemente totalitärer Herrschaft, Frankfurt/M. 1955.

  26. Vgl. Günter Meißner, Das theatrum mundi einer Utopie. Frühbürgerliche Revolution in Deutschland, Dresden 1989, S. 153; Karl Max Kober (Hrsg.), Reformation - Revolution. Panorama Frankenhausen. Monumentalbild von Werner Tübke, Dresden 1988 (Einleitungstext); Brigitte Tübke-Schellenberger/Martin Mosebach (Hrsg.), Werner Tübke - das malerische Werk. Verzeichnis der Gemälde 1976 bis 1999, Dresden 1999.

  27. Vgl. Pierre-André, L‘effacement de l‘avenir, Paris 2000; ferner das Fragenspektrum in: Martin Seel (Hrsg.), Zukunft denken. Nach den Utopien, Stuttgart 2001 (= Sonderheft Merkur 629/630), 55 (2001) 9/10.

  28. Zur Komplexität dieser These vgl. O. Marquardt (Anm.'16).

  29. G. Dux (Anm. 10), S. 25.

  30. Vgl. Samuel P. Huntington, Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Welt im 21. Jahrhundert, Berlin 1998 (Originaltitel: The Clash of Civilizations, New York 1996).

  31. O. Marquardt (Anm. 16), S. 14.

  32. Erich Kosthorst hat das Thema schon 1975 dargestellt (Zeitgeschichte und Zeitperspektive. Mit einer Einleitung hrsg. von Karl-Ernst Jeismann, Paderborn 1976, S. 11-21). Es wurde aber trotz der Herausforderung, die durch die "emanzipatorische Didaktik" gegeben war, nicht grundsätzlich aufgegriffen.

  33. Nähere Überlegungen zu dieser hier nur genannten Thematik bei Karl-Ernst Jeismann, Geschichtsbewusstsein als zentrale Kategorie der Didaktik des Geschichtsunterrichts, in: ders., Geschichte und Bildung, hrsg. von Wolfgang Jacobmeyer/Bernd Schönemann, Paderborn u. a. 2000, S. 46-72.

  34. Zur Auseinandersetzung mit dieser Frage vgl. Joana Breidenbach/Ina Zukrigl, Tanz der Kulturen. Kulturelle Identität in einer globalisierten Welt, München 1998, mit weiterführender Literatur.

  35. Vgl. die skeptische Beurteilung der zivilisatorischen Expansion der westlichen Kultur bei S. P. Huntington (Anm. 30), S. 291 ff.; ferner das Sonderheft zu Huntingtons Thesen: Konvergenz oder Konfrontation? Transformationen kultureller Identität in den Rechtssystemen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, in: Rechtstheorie, 29 (1998) 3/4.

  36. Vgl. den Beitrag von Dieter Oberndörfer, Deutschland ein Mythos? Von der nationalen zur postnationalen Republik, in: Y. Bizeul (Anm. 5). Dagegen Monika Flacke (Hrsg.), Mythen der Nationen. Ein europäisches Panorama. Begleitband zur Ausstellung des Deutschen Historischen Museums Berlin, Berlin 1998.

  37. Welcher Anspruch damit verbunden und welche geschichtswissenschaftliche Anstrengung verlangt ist, wenn ein solches Geschichtsbild in Öffentlichkeit und Schule vertreten oder gebildet werden soll, dazu Jörn Rüsen, Zerbrechende Zeit. Über den Sinn der Geschichte, Köln - Weimar - Wien 2001.

  38. Vgl. Alfonso E. Pérez SÄnchez, Goya and the spirit of enlightenment, Boston u. a. 1989.

Dr. phil., geb. 1925; Professor (em.) für neuere und neueste Geschichte und Didaktik der Geschichte an der Universität Münster.

Anschrift: Institut für Didaktik der Geschichte,
Pferdegasse 1, 48143 Münster.

Veröffentlichungen u.a.: Geschichte und Bildung. Beiträge zur Geschichtsdidaktik und zur Historischen Bildungsforschung, Paderborn 2000.