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Afrika Editorial Die Staaten Afrikas zwischen demokratischer Konsolidierung und Staatszerfall Afrika - ein chancenloser Kontinent? Die regionale Integration und Kooperation in Afrika südlich der Sahara Die EU als internationaler Akteur in Afrika Gender und ländliche Entwicklung in Afrika

Afrika - ein chancenloser Kontinent? Ein Memorandum erregt Aufsehen

Manfred Öhm Heribert Weiland Heribert Manfred / Weiland Öhm

/ 21 Minuten zu lesen

Die zentrale Aussage des Afrika-Memorandums ist wenig schmeichelhaft: Für die meisten afrikanischen Staaten südlich der Sahara zeichnen sich in den nächsten 30 bis 50 Jahren kaum Entwicklungschancen ab.

I. Provokante Thesen zur Afrikapolitik

Im Oktober 2000 haben sechs deutsche Afrikawissenschaftler ein Memorandum zur deutschen Afrikapolitik veröffentlicht. Der 20 Seiten umfassende, weitverbreitete Text sollte nach ihren eigenen Worten "zur Diskussion über die deutsche Afrikapolitik anregen". Das Memorandum geht von fünf Thesen aus: 1. Afrika südlich der Sahara habe sich in den letzten 40 Jahren politisch, ökonomisch und sozial erheblich ausdifferenziert. 2. Für eine wachsende Zahl von Staaten werde "Entwicklung" im Sinne nachhaltiger Entwicklung und Armutsminderung über einen sehr langen Zeitraum unmöglich bleiben. 3. Die Herausforderungen Afrikas können von der Entwicklungspolitik nicht allein und vor allem nicht von Deutschland im nationalen Alleingang gelöst werden. Von daher wird als Konsequenz aus diesen drei Thesen 4. die kohärente Politisierung und konsequente Europäisierung einer neuen deutschen Afrikapolitik gefordert. 5. Diese solle sich dem Ziel der strukturellen Stabilität verschreiben.

Die Reaktionen auf das Memorandum waren sehr zahlreich. In den gängigen entwicklungspolitischen Zeitschriften wurden nahezu alle Aspekte des Textes aufgegriffen. Afrikawissenschaftler fühlten sich mehrheitlich zu grundsätzlichen Stellungnahmen herausgefordert. Sie konzentrierten ihre Kritik auf den methodischen Ansatz, die nicht unumstrittene Klassifizierung der afrikanischen Länder und auf die vermeintlich fragwürdigen Konnotationen von Begriffen wie "Entwicklung" und "strukturelle Stabilität". Die Entwicklungspraktiker nahmen in erster Linie zu den Folgerungen und Empfehlungen Stellung, die ihnen aus ihrer unmittelbaren entwicklungspolitischen Erfahrung richtig oder falsch erschienen. Die beiden direkt betroffenen Ministerien - Auswärtiges Amt (AA) und Entwicklungshilfeministerium (BMZ) hielten sich mit Stellungnahmen zurück, antworteten jedoch "indirekt" mit eigenen, wenig später publizierten Afrikakonzepten.

Die Debatte wurde insgesamt qualifiziert, partiell aber auch höchst emotional geführt. Kontrovers, aber konstruktiv wurde auf einer Tagung von Afrikawissenschaftlern im Freiburger Arnold-Bergstraesser-Institut (April 2001) diskutiert, auf der vor allem auf den wissenschaftlichen Analysewert des Memorandums eingegangen wurde. Das BMZ lud zusammen mit dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) und der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung (DSE) zu einer Fachtagung (Mai 2001) ein, auf der über Ansätze für eine strategische Entwicklungspolitik in Subsahara-Afrika beraten werden sollte. Auf dieser hochrangig besuchten Konferenz wurde vor allem aus der Praxis heraus debattiert, wobei den kritischen Forderungen des Memorandums erfolgreiche Projekterfahrungen und Alternativkonzepte gegenübergestellt wurden.

II. Kritik am Afrikabild der Autoren

Die zweite These des Memorandums hat wohl am meisten Widerspruch hervorgerufen. Die Verfasser des Memorandums behaupten, dass drei Viertel aller afrikanischen Staaten nicht das Potenzial zu einer nachhaltigen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung hätten und daher in den nächsten 30 bis 50 Jahren Entwicklung im Sinne einer nachhaltigen Armutsreduzierung nicht möglich sein werde. Begründet wird diese Aussage mit einer Analyse, in der die Staaten Subsahara-Afrikas nach ökonomischen und politischen Entwicklungskriterien klassifiziert werden, d. h. nach einer Rangordnung, die aufgrund von wirtschaftlichen und politischen Indikatorenmodellen vorgenommen wird. Die Gesamtheit der afrikanischen Länder wird in fünf vornehmlich ökonomisch definierte Kategorien eingeteilt. Nur zwei Staaten, die Seychellen und Mauritius, werden als "Emerging African Economies" klassifiziert, weitere acht als "potenzielle Reformländer" . Alle anderen Staaten Afrikas gelten als "verharrende Niedrigeinkommensländer", die entweder nur geringe oder gar keine längerfristigen Entwicklungschancen haben, einigen werden nicht einmal Entwicklungsperspektiven im Sinne einer nachhaltigen Armutsreduzierung zugebilligt.

Daraus ergibt sich für die Autoren die logische Folgerung nach einer differenzierteren deutschen Afrikapolitik: Die wenigen reformfähigen Länder (insgesamt acht) sollten mit einer "gezielten makroökonomischen Strukturpolitik" gestützt werden. Die Länder mit "geringen Entwicklungschancen" (insgesamt zwölf) werden nur unter Einschränkungen als sinnvolle Partner der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) verstanden. Für die restlichen Staaten, d. h. für mehr als die Hälfte aller Länder Afrikas, bliebe im klassischen Verständnis nur die Not- und Katastrophenhilfe.

III. Soziale Verelendung, jedoch politische Fortschritte

Die Beurteilung der politischen Entwicklung Afrikas fällt positiver aus als die der wirtschaftlichen. So wird betont, dass viele afrikanische Staaten eine "Ausweitung von politischer Partizipation" erfahren hätten und dass sich die Menschenrechtslage "insgesamt deutlich verbessert" hätte. Zudem gäbe es mehr Medienpluralität, sodass "unter den Bedingungen einer hinreichend erfolgreichen Demokratisierung mancherorts eine Rekonfiguration der im Kern neopatrimonialen Staaten Afrikas möglich" gewesen sei. Dieser positiven Einschätzung wird jedoch die wachsende Zahl der so genannten Pseudo- oder Fassadendemokratien gegenübergestellt. Zunehmend drohe Staatszerfall, Krieg und das Aufkommen neuer Gewaltakteure und -märkte.

Den sozialen Wandlungsprozessen in Afrika wird im Vergleich zu Ökonomie und Politik weniger Raum gewidmet. Sie werden auch nicht genauer analysiert oder gar kategorisiert. Hier ist nur generell von Urbanisierung und Verjüngung afrikanischer Gesellschaften die Rede, von Deagrarisierungs- und Verarmungsprozessen ländlicher Regionen bei gleichzeitiger Verländlichung städtischer Lebenswelten. Vor allem die schnelle Verbreitung der Pandemie HIV/Aids führe zu alarmierenden sozialen Degradationserscheinungen. Unübersehbar sei auch die zunehmende Retraditionalisierung, die neue Attraktivität religiöser Bewegungen sowie die Rückbesinnung auf Ethnizität als kollektive Identitäts- und Überlebensstrategien. Für den Gesundheits- und Bildungsbereich werden zumindest reale Verbesserungen, allerdings immer noch auf einem extrem niedrigen Niveau, konstatiert.

Das Memorandum kommt in seiner Analyse zu dem Ergebnis, dass die "Fähigkeit afrikanischer Gesellschaften eher ab- als zugenommen habe, die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen". Nach den Erfahrungen der Vergangenheit sei es unwahrscheinlich, dass die herkömmliche Entwicklungszusammenarbeit daran etwas ändern könne. Der zweite Teil des Memorandums schlägt daher eine primär politische Strategie als potenziellen Ausweg aus der Misere vor.

IV. Die Reaktionen der Fachöffentlichkeit

Die grundlegende Intention der Autoren, einen Anstoß für eine intensivere Politikdiskussion zu geben, stieß insgesamt auf große Zustimmung. Von vielen Lesern wurde der Mut der Autoren gelobt, die zentralen Probleme des Kontinents offen anzusprechen, statt in "politisch korrekter Rhetorik" zu verharren. Unterstützung fand vor allem die in dem Memorandum indirekt geäußerte Kritik an den großenteils unrealistischen strategischen Prognosen deutscher Regierungsstellen und internationaler Organisationen - so z. B. bei den Aktionsprogrammen "Halbierung der Armut bis 2015" oder "Cities without Slums bis 2020" -, die sich bei genauerer Analyse, zumindest auf Afrika bezogen, nur als politische Schönfärberei bezeichnen lassen.

Andererseits wurde der Tenor des gesamten Memorandums massiv kritisiert. Auch wenn es Zustimmung für Einzelaspekte der Analyse gab, so stellten doch viele die Aussage, dass weite Teile Afrikas nicht den Hauch einer Chance auf "herkömmliche Entwicklung" hätten, in Frage. Mehr noch: Den Autoren wird eine demotivierende, afrikapessimistische Haltung oder gar Zynismus unterstellt, da die Schrift auf einer "eindimensionalen" Wahrnehmung beruhe, "grotesk vereinfacht" argumentiere und eine "paternalistisch-patriarchalische" Sichtweise erkennen lasse.

Ernst zu nehmende Kritik wurde am methodischen Vorgehen der Autoren geäußert. Gemeint ist die politische und insbesondere die ökonomische Rangordnung (Ranking) statistisch ermittelter Indikatoren, die die Grundlage der Analyse des Memorandums bilden. Die fundiertesten Einwände stammen von Jürgen H. Wolff, der auf die problematische Indexbildung eingeht und die Indikatoren als teilweise zirkulär und redundant bewertet. Wenn man darüber hinaus noch die statistischen Erhebungsprobleme in Afrika berücksichtigt, die Unwägbarkeiten von HIV/Aids einbezieht und mit erheblichen Schwankungen aufgrund unvorhergesehener Ereignisse rechnet, wie sie in der Geschichte immer wieder vorgekommen sind, so dürften Langzeitprognosen über das künftige wirtschaftliche Entwicklungspotenzial Afrikas tatsächlich als sehr problematisch angesehen werden. Bei aller Skepsis gegenüber der angewandten Methodik und dem Streit um möglichst realistische Prognosen lässt sich aus heutiger Sicht aufgrund von Erfahrung feststellen, dass sich die Wirtschaftssituation der meisten afrikanischen Länder auf absehbare Zeit nicht durchschlagend verbessern wird.

Von grundsätzlicher Bedeutung ist auch die von Kritikern aufgeworfene Frage nach dem Entwicklungsbegriff, der dem Memorandum zugrunde liegt. Der Rückgriff auf Indikatoren wie Pro-Kopf-Einkommen, Output pro Arbeiter oder Gini-Index lasse erkennen, dass die Autoren von einem ökonomistisch geprägten Entwicklungsbegriff ausgingen, der eher einem der Modernisierungstheorie entsprechenden technokratischen Effizienzdenken entspringe. In der Analyse werde der für die afrikanischen Ökonomien so entscheidende informelle Sektor und die große Relevanz der Subsistenzökonomien weitgehend vernachlässigt. Sollte man statt auf Industrialisierung nicht vielmehr auf Selbsthilfekräfte setzen?

Derartige Einwände werden von den Autoren als mögliche Korrekturen ihrer Analyse durchaus akzeptiert. Ob jedoch Selbsthilfebewegungen, Frauenorganisationen oder andere bürgergesellschaftliche Gruppen angesichts der politökonomischen Gesamtkonstellation in den meisten afrikanischen Staaten auf Dauer zu Wachstum und Umverteilung beitragen können, wird nicht nur von den Autoren des Memorandums bezweifelt. Denn der im Memorandum diagnostizierte neopatrimoniale Staat wird mit seinen entwicklungsfeindlichen Auswirkungen auch von den Kritikern kaum in Frage gestellt. Das Konzept des neopatrimonialen Staates wird für Afrika weitgehend akzeptiert, obwohl in der wissenschaftlichen Diskussion mit den Begriffen "Pfründenkapitalismus" und "neopatrimoniale Herrschaft" unterschiedliche Erklärungsansätze für afrikatypische Herrschaftssysteme benutzt werden.

Schließlich sei als wesentlicher Kritikpunkt der Analyse noch angeführt, dass die für die heutige Marginalisierung Afrikas so wichtigen internationalen Ursachen im Memorandum weitgehend unberücksichtigt geblieben sind. Es geht um die geringe, äußerst selektive Einbindung Afrikas in die Weltwirtschaft. Hauck verweist besonders auf die multinationalen Konzerne, deren Dominanz eine eigenständige kapitalistische Entwicklung afrikanischer Märkte kaum zuließe. Der fehlende Nettowertzufluss durch das Weltwirtschaftssystem sei das eigentliche Entwicklungshindernis. Gegenwärtig gebe es einen "Reichtumstransfer" von Süd nach Nord, der durch Gewinntransfers der multinationalen Konzerne sowie durch die Zoll- und Subventionspolitik der USA, der EU und Japans entstanden sei. Die für Afrika ungünstigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen würden durch die ambivalenten Auswirkungen der Entwicklungszusammenarbeit partiell sogar verschärft.

Die in Afrika stattfindende Internationalisierung einerseits und der gleichzeitige Staatszerfall auf dem Kontinent andererseits machen den Nationalstaat als Analyseeinheit letztlich zweifelhaft. Auch wenn wider Erwarten die postkolonialen Grenzen in Afrika äußerst stabil geblieben sind, so muss das weitere Bestehen des Status quo fragwürdig bleiben. Dass die Autoren des Memorandums in dieser Frage selbst unsicher sind, zeigt ihre vorsichtige Argumentation bei der Formulierung von Regionalkonzepten, beispielsweise bezüglich des Riesenstaates Demokratische Republik Kongo (Kinshasa), an dessen Fortbestand sie angesichts des "regionenübergreifenden Großkonflikts" offensichtlich nicht glauben. Solche Unsicherheiten verdeutlichen wiederum die grundsätzliche Schwierigkeit, langfristige Prognosen auf der Basis derartiger staatlicher Einheiten zu formulieren.

Die hier wiedergegebene Auswahl von kritischen Stellungnahmen lässt die Spannweite der Diskussion erkennen, die sich aus den provozierenden Thesen des Memorandums ergeben hat. Der kontroverse Charakter der Debatte hat allerdings auch das analytische Fundament, auf dem die Autoren ihre handlungsorientierten Folgerungen für eine "neubegründete Afrikapolitik" stützen, zumindest teilweise erschüttert. Zwar besteht Einigkeit über die geringe Entwicklungsfähigkeit Afrikas mit seinen niedrigen Wachstumsraten, stockenden Demokratisierungsprozessen und sozialen Degradierungserscheinungen, doch solange über die adäquate Ursachenanalyse und die Problemdiagnose gestritten wird, wird es auch Meinungsverschiedenheiten über die erforderlichen Handlungskonzepte geben.

V. Strukturelle Stabilität als neues Paradigma - Handlungsempfeh- lungen des Memorandums

"Realistische Afrikapolitik benötigt realistische Analysen" - so heißt es in der Vorbemerkung des Memorandums. Die ungeschminkte Analyse, die ausdrücklich nicht pessimistisch sein soll, führt die Autoren zu einer Afrikapolitik, die nicht mit den überkommenen Vorstellungen übereinstimmt. Angesichts der geringen Entwicklungsaussichten der meisten afrikanischen Staaten wird das politische Konzept der "strukturellen Stabilität" vorgeschlagen. Kerngedanke ist, "bislang fragile und instabile, soziale und politische Institutionen" nachhaltig zu stärken, um den anstehenden Modernisierungsdruck "ohne Rückgriff auf organisierte Gewalt bewältigen zu können".

Das neue Paradigma "strukturelle Stabilität" ergibt sich zum einen aus der Analyse der unterschiedlichen Entwicklungschancen afrikanischer Länder, zum anderen aber auch aus der Verpflichtung zu einer globalen Verantwortung gegenüber dem Armutskontinent Afrika. Die Autoren leiten folglich die Neubegründung der Afrikapolitik aus zwei Motiven ab: aus den deutschen Interessen an Afrika und aus der Werteorientierung eines demokratischen Staates wie der Bundesrepublik.

Die deutschen Interessen werden sehr klar dargelegt: weder strategisch oder außenpolitisch noch wirtschaftlich sei Afrika südlich der Sahara für Deutschland "von übergeordneter Bedeutung". Gewisse mittelbare sicherheitspolitische Interessen seien jedoch vorhanden: "Afrika könnte zum weltweiten Katalysator von Staatszerfall, Kriminalität und Chaos oder zum Kristallisationspunkt der wachsenden Schar der Globalisierungsgegner werden. Schließlich können auch die Forderungen der USA und europäischer Bündnispartner nach einer faireren Lastenverteilung dazu führen, dass Deutschland in der Region mehr, auch militärische Verantwortung übernehmen muss." Letzteres hat durch den Einsatz der Bundesmarine vor Somalia eine unerwartete Aktualität erfahren.

Die geringen wirtschaftlichen und strategischen Interessen Deutschlands fordern eine ethisch-politische Verantwortung jedoch geradezu heraus. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung der Autoren nach "struktureller Stabilität" zu verstehen, die den afrikanischen Ländern zu einer demokratischen Neuordnung und konstruktiven Bewältigung ihrer Probleme helfen soll. Im Sinne dieser neu begründeten Zielorientierung werden konkrete Weichenstellungen in der Praxis ("Eckpfeiler deutscher Afrikapolitik") gefordert: eine verstärkte Politisierung deutscher Afrikapolitik, womit einerseits Reformen für mehr Kohärenz und Abstimmung in Hinblick auf das bestehende (entwicklungspolitische) Instrumentarium verlangt wird, andererseits ein radikales Überdenken der bestehenden afrikapolitischen Konzeption ("Gestaltung statt Verwaltung"). Weiterhin müsse als Antwort auf die Globalisierung und die enorme Dimension des Problems eine konsequente Europäisierung und darüber hinaus Multilateralisierung deutscher Afrikapolitik erfolgen. Schließlich sei dies, so die dritte Forderung, nicht ohne eine Ausdifferenzierung in Regionalkonzepte möglich, mit deren Hilfe leichter angepasste afrikapolitische Antworten gefunden werden könnten als mit einem auf den gesamten Kontinent bezogenen Globalansatz.

Es war zu erwarten, dass sich die Kritik am Memorandum in besonderer Weise auf das Konzept der strukturellen Stabilität konzentrieren würde. Der Begriff sei nicht eindeutig definiert und das Konzept nicht ausreichend operationalisiert, um für die außen- und entwicklungspolitische Praxis tauglich zu sein. Die Einwände werden von den Autoren partiell akzeptiert, doch halten sie daran fest, weil sie meinen, dass auf lange Zeit hin eine primär politische Zusammenarbeit die adäquate Antwort auf den weitgehend ökonomisch definierten Zustand der Unterentwicklung sein kann. Wichtig ist ihnen, dass strukturelle Stabilität nicht mit politischer Stabilität im Sinne von Bewahrung bestehender Machtverhältnisse gleichgesetzt wird, sondern dass damit ein Stabilitätszustand gemeint ist, "der dynamische Transformationsprozesse nicht verhindert, sondern sie fördert und positiv beeinflusst". Nicht unproblematisch ist dabei die Rolle des Staates und anderer politischer Organisationsformen. Das Konzept erscheint zumindest sehr etatistisch zu sein, denn ein gesichertes Gewaltmonopol und eine ausreichende Legitimation des Staates sowie ein konstruktiver Gestaltungswille und eine wirksame Gestaltungsmacht staatlicher Institutionen werden als wichtige Voraussetzungen für strukturelle Stabilität genannt. Den zivilgesellschaftlichen Akteuren, auf die andernorts so große Hoffnungen gesetzt werden, wird dabei kein sonderlicher Stellenwert zugeordnet, ja es wird sogar vor überzogenen Erwartungen gewarnt, weil auch die Zivilgesellschaft oft in das neopatrimoniale System eingebunden würde.

Als Ziel deutscher Außenpolitik - so die Kritiker - fehle dem Konzept der strukturellen Stabilität die konkrete inhaltliche Ausgestaltung. Für Melber, Hauck und Kößler geht es kaum über "den üblichen Good-Governance-Katalog hinaus" , und Hofmeier vermisst "konkrete praktische Empfehlungen" zum Erreichen der angestrebten strukturellen Stabilität. Für diesen Zweck müsse ein entwicklungspolitisches Leitbild mit den tatsächlich vorhandenen gesellschaftspolitischen Gegebenheiten verknüpft werden. Sonst könnte der Verdacht aufkommen, dass die Mehrzahl der afrikanischen Staaten sich selbst überlassen bliebe. Entsprechend warnt Hofmeier, das Konzept könnte als "Versuch zur Ruhigstellung - im Sinne der Vermeidung von Gewalt, jedoch ohne andere weiterführende Perspektiven" missverstanden werden. Schließlich bleibt Erklärungsbedarf, wie die Idee der strukturellen Stabilität mit der Forderung in Einklang zu bringen ist, über die Hälfte aller Länder Afrikas allein der Not- und Krisenhilfe zu überantworten. Zwar erklärt Mair, dass "eine sinnvoll betriebene Not- und Krisenhilfe mehr als Nahrungsmittellieferungen und der Bau von Flüchtlingslagern sein muss" , doch ist in den Handlungsempfehlungen des Memorandums von Entwicklungszusammenarbeit und nicht von Nothilfe die Rede.

Die Politikempfehlungen des Memorandums sind von einem hohen Anspruch geleitet: "Basierend auf einem analytischen Verständnis von der Funktionsweise des in der Regel neopatrimonialen, d. h. rentenökonomischen Staates in Afrika bedarf es einer klaren und offensiv vermittelten Vision darüber, wie Staat, Gesellschaft und Wirtschaft in Afrika in Zukunft funktionieren und wie weitere Interventionen mit dem zur Verfügung stehenden Instrumentarium auf diesen Zustand hin konzipiert werden sollen."

Die im Anschluss daran diskutierten Forderungen - kohärente Politisierung, konsequente Europäisierung und Orientierungen an Regionalkonzepten - werden jenseits ihres deklamatorischen Charakters, Eckpfeiler deutscher Afrikapolitik zu sein, diesem Anspruch jedoch kaum gerecht. Es handelt sich bei den Anregungen der Autoren nicht um einen systematischen Forderungskatalog, sondern um eine Anhäufung von Vorstellungen und Ideen, die als Bestandteile einer mit struktureller Stabilität neu begründeten Afrikapolitik berücksichtigt werden sollten. In allen drei Bereichen werden Empfehlungen vorgebracht, die schon seit geraumer Zeit im afrika- oder entwicklungspolitischen Diskurs eine Rolle spielen: strukturelle und konzeptionelle Reformen der EZ-Organisationen, stärkere Konzentration auf den Governance-Bereich, mehr Krisenprävention, stärkere Politikabstimmung auf internationaler (europäischer) Ebene, mehr Selektivität bei der Auswahl der geförderten Länder und Erarbeitung von detaillierten Regionalkonzepten - um nur einige Aspekte zu nennen. Es sind wohl auch weniger die Detailreformen an sich, auf die es den Autoren ankommt, sondern die Forderung nach mehr Kohärenz, Politisierung und Differenzierung, die sie im Sinne einer "realistischen Afrikapolitik" verwirklicht sehen wollen.

Doch gerade hier zeigen sich die Grenzen in der Aussagekraft und Wirkung des Memorandums. Seine Wirkung liegt vor allem im ersten Teil, in den Ergebnissen der Analyse, die in der schonungslosen Prognose gipfeln und in der Forderung nach dem neuen Konzept der strukturellen Stabilität. Je konkreter die Umsetzungsvorstellungen diskutiert werden, um so weniger Neues haben die Autoren zu sagen. An dieser Stelle haken erwartungsgemäß die Stimmen der Praktiker aus den Ministerien und Durchführungsorganisationen ein, die sich mit den Grundaussagen tendenziell gar nicht befassen wollen und in Detailfragen ohnehin besser bewandert sind.

VI. Armutsbekämpfung oder strukturelle Stabilität? Reaktionen der Ministerien

Aus den genannten Gründen wundert es nicht, dass die direkt involvierten Ministerien, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und das Auswärtige Amt (AA), in ihren Reaktionen verhalten blieben. Man zog es vor, eigene Grundsatzpapiere vorzulegen und ging einer direkten Auseinandersetzung mit dem Memorandum aus dem Wege. Einschlägige Vorträge auf der Fachtagung des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) am 3. Mai 2001 und die ausführliche Diskussion in den Fachzeitschriften zeigen jedoch deutlich die Positionen der beiden Institutionen gegenüber den Thesen des Memorandums.

Die programmatische Stellungnahme der Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul vom Mai 2001 bietet in erster Linie einen Überblick über die große Spannbreite der Entwicklungszusammenarbeit. Wie in einem Rechenschaftsbericht werden die entwicklungspolitischen Antworten auf die konstatierten afrikanischen Krisen aufgelistet. Grundtenor und strategische Orientierung weichen jedoch stark von den Zentralaussagen des Memorandums ab. Die Politikerin versäumt es nicht, auf Afrikas Chancen im Sinne positiver Entwicklungen hinzuweisen. Die von ihr vertretene Politik wird trotz der schwierigen Ausgangssituation mit optimistischen Erfolgsaussichten belegt: Ausweitung politischer Partizipation in vielen Ländern, wachsender Konsens über Entwicklungsziele und Reorientierung der Internationalen Entwicklungszusammenarbeit, regionale Ansätze und eine zunehmende Öffnung der Märkte der EU. Die skeptische Prognose des Memorandums wird ignoriert, und stattdessen - Business as usual - werden die bekannten, wenig realistischen Projektionen wie das "Halbierungsziel der Armut 2015" aufrechterhalten. Aber es gibt auch deutliche Übereinstimmungen: Die Ministerin betont die Notwendigkeit einer werteorientierten Entwicklungspolitik: "Deutsche Entwicklungspolitik ist der grenzüberschreitenden Förderung jener Werte verpflichtet, welche die normative Basis eines demokratischen Staates bilden, d. h. Schutz der Menschenrechte, der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte; Gerechtigkeit und Grundbedürfnisbefriedigung; Frieden und Sicherheit."

Hinsichtlich der strategischen Handlungsoptionen von Entwicklungspolitik zeigen sich jedoch klare Unterschiede: Die Auftragsstudie des DIE, des think tank des BMZ, "Herausforderungen und Ansätze für eine strategische Entwicklungspolitik in Subsahara-Afrika" setzt einen deutlich anderen Akzent als das Memorandum. In der Studie werden die Entwicklungspotenziale Afrikas angeführt und auf erhebliche weltwirtschaftliche Chancen verwiesen, sofern "die afrikanischen Länder ihre wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen reformieren und ihre strukturellen Defizite abbauen". Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit lägen in "agrarbasiertem Wachstum, Exportorientierung mit schrittweiser Außenöffnung und Gewinnung technologischer Kompetenz", wenn Afrika auf "selbst-verantworteten politischen und gesellschaftlichen Strukturwandel" und auf "regionale Integration" setze.

Die DIE-Studie spricht den Ländern Afrikas also sehr wohl Entwicklungspotenziale zu, nennt auch mit agrarbasiertem Wachstum eine aus DIE-Sicht Erfolg versprechende Strategie. Bezogen auf die EZ heißt es: "Die Länder Afrikas sind keine Sozialfälle, die treuhänderisch-patriarchalisch durch die internationale Gemeinschaft verwaltet werden müssen, sondern Länder, die eine partnerschaftliche Förderung verdienen." Der Text lässt deutlich die Nähe zur entwicklungspolitischen Praxis erkennen, während sich das Memorandum gerade davon nicht abhängig machen will. Die Autoren des Memorandums bezweifeln zumindest, dass eine agrarbasierte Strategie in absehbarer Zeit zu spürbarem Wachstum und Veränderungen der weltwirtschaftlichen Situation Afrikas führen wird.

Auch das AA hat wenige Monate nach Erscheinen des Memorandums ein Konzept "Außenpolitische Strategien gegenüber Subsahara-Afrika" vorgelegt. Das Papier umfasst zugleich einen regionalen Strategieteil Südliches Afrika und entspricht somit einer der Forderungen des Memorandums. Die Politisierung der deutschen Afrikapolitik, ebenfalls vom Memorandum dringlich eingefordert, ist in dem Strategiepapier des AA durchaus zu finden, allerdings mit einem anderen Akzent. Das AA betont die Schaffung und Wahrung politischer und sozialer Stabilität als wesentliche Voraussetzung für wachsenden Wohlstand in Subsahara-Afrika. Es bleibt jedoch unklar, inwieweit diese Zielsetzung mit der im Memorandum geforderten strukturellen Stabilität übereinstimmt. Während im Memorandum die Idee einer politischen Strategie formuliert ist, verbleiben "gesellschaftliche und politische Stabilität" im Konzept des AA Zielvorgaben, eingebettet in die Ziele der Armutsbekämpfung und Sicherung der Ernährungsgrundlage, als "Voraussetzung für wachsenden Wohlstand" . Somit ist auch die Afrikapolitik des Auswärtigen Amtes sehr deutlich entwicklungspolitisch geprägt.

Auffällig ist schließlich, dass in beiden Strategiepapieren ein Aspekt sehr viel deutlicher angesprochen wird als im Memorandum: die Eigenverantwortung afrikanischer Staaten, sich selbst aus der Krise zu befreien. In der DIE-Studie geht es um das Vertrauen in die eigenen Kräfte, um Selbsthilfefähigkeiten und um mehr ownership. In der außenpolitischen Strategie des AA wird vor allem auf die politische Bereitschaft Afrikas zur Wahrnehmung von Eigenverantwortung hingewiesen, wie sich besonders an den wieder auflebenden panafrikanischen, aber auch regionalen Kooperationsbestrebungen zeigt (African Renaissance, Millenium Partnership for the African Recovery Programme u. a.). Um dafür in Afrika die geeigneten, "gleichberechtigten Partner" zu finden (AA: Politik "auf gleicher Augenhöhe"), muss vielleicht doch ein Beitrag zur "strukturellen Stabilität" geleistet werden. Hier treffen sich die Überlegungen der verschiedenen Afrikapapiere, liegen aber doch in der Einschätzung der gegenwärtigen Situation und der zukünftigen Entwicklung auseinander. Die BMZ/DIE- und AA-Verlautbarungen sind als politische Papiere zuversichtlicher, optimistischer, das Memorandum skeptischer oder realistischer.

VII. Schlussfolgerungen

Die Diskussion um das Afrika-Memorandum ist noch nicht abgeschlossen. Sowohl unter Wissenschaftlern wie in der außen- und entwicklungspolitischen Praxis wird noch lange über die z. T. provokativen Thesen debattiert werden. Abschließend sollen einige Schlussfolgerungen sowie offene Fragen der komplexen Diskussion skizziert werden:

- Mit dem Memorandum wurde eine sehr kontroverse Diskussion über den ökonomischen und politischen Stellenwert Afrikas in Gang gesetzt. Die Zukunft des Kontinents, die bisher politisch eher unzureichend thematisiert wurde, wird heute aufgrund der vorgelegten ökonomischen und politischen Prognosen realistischer diskutiert. Auch wenn die im Memorandum vorgenommenen Prognosen in ihrer Zielgenauigkeit angezweifelt werden können, ändert dies an den Grundaussagen über die geringen Entwicklungschancen Afrikas wenig.

- Der im Memorandum aufgezeigte Weg zur Bewältigung der diagnostizierten Probleme Afrikas ist primär politisch: "Deutsche Afrikapolitik muss politischer werden." Die Autoren sehen den Beitrag zu mehr "struktureller Stabilität" als die zentrale Lösungsstrategie der afrikanischen Krise an. Diese Aussage steht im Kontrast zu allen traditionellen Konzepten der Entwicklungszusammenarbeit, muss aber gerade vor dem Hintergrund der Diskussion um die Wirksamkeit der EZ selbstkritisch geprüft werden.

- Der Begriff der "strukturellen Stabilität" bedarf weiterer Präzisierung. Das daraus zu entwickelnde Konzept ist noch unklar und für die praktische Politikberatung zu komplex. Für seine politisch-strategische Anwendbarkeit muss detailliert herausgearbeitet werden, wie das Neben- und Miteinander von politischem Dialog (Demokratiehilfe, Krisenprävention), Entwicklungshilfe bzw. Not- und Krisenhilfe aussehen soll.

- In der Diskussion um das Memorandum wurde deutlich, dass die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen als Hindernis für Afrikas Entwicklungsperspektiven nach wie vor berücksichtigt werden müssen. Dies bedeutet, dass die Diskussion über das Verhältnis exogener und endogener Ursachen für die Entwicklungsprobleme Afrikas weitergeführt werden muss.

- Die sich aus zunehmender politischer Partizipation und einer Stärkung der Zivilgesellschaft ergebenden Entwicklungschancen müssen in ihrer Bedeutung für die Entwicklungspolitik stärker diskutiert werden als bisher, um staatszentristische bzw. etatistische Tendenzen abzumildern. Die Bedeutung der Zivilgesellschaft und die Rolle gesellschaftlicher Akteure, wie z. B. die politischen Stiftungen, werden im Memorandum nicht ausreichend gewürdigt. Andererseits geraten die Zivilgesellschaften nur allzu leicht zu Hoffnungsträgern, die nach dem Versagen afrikanischer Regierungen retten sollen, was noch zu retten ist.

- Das Memorandum ist von Wissenschaftlern, nicht von Praktikern erstellt worden. Daraus erklärt sich zum einen die schonungslose Deutlichkeit des analytischen Befundes, zugleich aber auch eine gewisse Naivität hinsichtlich der Schwierigkeiten, tiefgreifende politische Veränderungen in der Praxis durchzusetzen.

- Die Repräsentanten der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik haben die Thesen des Memorandums zurückhaltend aufgenommen. Spürbare Neuorientierungen wird es in der politischen Praxis unmittelbar nicht geben. Die Debatte hat jedoch verdeutlicht, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit, auch wenn viele Fragen immer wieder selbstkritisch aufgegriffen werden, weiterhin einem erhöhten Legitimationsdruck ausgesetzt ist. Dies gilt für alle Bereiche, in denen strategische Entscheidungen getroffen werden müssen, z. B. Armutsbekämpfung und Krisenprävention, aber auch für den politischen Dialog. Es bleibt zu hoffen, dass das Memorandum dazu beigetragen hat, die bestehenden Konzepte kritisch zu überprüfen und sich den neuen Herausforderungen in offenerer Weise zu stellen als bisher.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Ulf Engel/Robert Kappel/Stephan Klingebiel/Stefan Mair/Andreas Mehler/Siegmar Schmidt, Memorandum zur Neubegründung der deutschen Afrikapolitik. Frieden und Entwicklung durch strukturelle Stabilitöt, Berlin, Oktober 2000. Das Memorandum sowie einige wichtige Beiträge zur Debatte finden sich auch im Internet: http://www.epo.de/specials/afrikapolitik/index.html.

  2. Vgl. Heribert Weiland, Afrikadiskussion konstruktiv weiterführen, in: epd Entwicklungspolitik, (2001) 10, S. 32 - 34.

  3. Vgl. Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Herausforderungen und Ansätze für eine strategische Entwicklungspolitik in Subsahara-Afrika, Impulspapier zur Fachtagung des BMZ und des DIE am 3. Mai 2001 in Bonn. Vgl. dazu auch die programmatische Stellungnahme der Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, Die Afrikanische Herausforderung, in: E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit, 42 (2001) 5, S. 158 - 164. Vgl. ebenso die kommentierenden Artikel in: E+Z, 42 (2001) 9, S. 252 - 265 unter dem Schwerpunktthema: Vorschläge für eine Afrikastrategie.

  4. Der äkonomische Index ist ein gewichteter aus sechs Teil"inidices: 1. Reales Wachstum des BIP (1990 - 1998), 2. Investitionsquote (1998), 3. Pro-Kopf-Einkommen (1998), 4. Gini-Koeffizient, 5. Output pro Arbeiter, 6. Human Devel"opment Index, HDI (2000). Die Gewichtung der Teilindices bzw. die Begründung der Gewichtung bleibt im Memorandum offen.

  5. Der politische Index ist eine Kombination aus dem so "genannten Freedom House Index und einem gewichteten "Spelten-Index". Zum Spelten-Index vgl. Angelika Spelten, Wie erkennt man Krisenpotential? Entwurf eines Indi"ka"torenkataloges, in: E+Z, 41 (2000) 3, S. 70 - 72.

  6. Äquatorial-Guinea, Botsuana, Ghana, Gabun, Kap Verde, Lesotho, Namibia, Südafrika.

  7. Benin, Côte d"Ivoire, Eritrea, Guinea, Kongo (Brazzaville), Mauretanien, Mosambik, S~ao Tomé und Pr'ncipe, Senegal, Simbabwe, Swasiland, Uganda.

  8. Angola, Äthiopien, Burkina Faso, Gambia, Kamerun, Kenia, Komoren, Nigeria, Mali, Ruanda, Sambia, Sudan, Tansania.

  9. Burundi, Dschibuti, Guinea-Bissau, Kongo (Khinshasa), Liberia, Madagaskar, Malawi, Niger, Sierra Leone, Somalia, Togo, Tschad, Zentralafrikanische Republik.

  10. Zwar soll die konkrete Politik gegenüber einem afrikanischen Staat auch politische Gesichtspunkte berücksichtigen, der im Memorandum an dieser entscheidenden Stelle zugrunde liegende Index ist jedoch ein rein ökonomischer.

  11. Im Neopatrimonialismus existiert, so Gero Erdmann, neben dem legal-rationalen System der Bürokratie noch ein auf persönlichen Beziehungen beruhendes "patrimoniales" Herrschaftssystem. Letzeres "dringt in das legal-rationale System ein und deformiert seine Funktionslogik". Vgl. Gero'Erdmann, Neopatrimoniale Herrschaft. Der Übergang zur Demokratie ist nicht gelungen, in: E+Z, 42 (2001) 10, S. 295.

  12. Zu dieser Argumentation vgl. Georg Elwert, Für eine neue deutsche Afrikapolitik. Die Entwicklungshilfe hat die autoritären Regime gestärkt, in: E+Z, 42 (2001) 10, S. 284 - 287.

  13. Ernst Hillebrand, Die Instrumente sind schon vorhan"den. Warum das "Memorandum" ein nützliches Instrument ist, in: E+Z, 42 (2001) 3, S. 85-86.

  14. Dirk Hansohm/Wolfgang Thomas, Afrika - tatsächlich ein Abschreibungsfall?, in: E+Z, 42 (2001) 3, S. 87 - 88.

  15. Elke Grawert u. a., Interaktion statt Paternalismus, in: epd-Entwicklungspolitik, (2001) 6, S. 44 f.

  16. Vgl. Jürgen H. Wolff, Fragwürdiges Ranking, in: epd-Entwicklungspolitik, (2001) 6, S. 49 f.

  17. Potenzielle Chancen werden mit dem vorliegenden analytischen Raster nicht ganz erfasst, denn dieses ist in erster Linie am Status quo orientiert. Schon allein angesichts der immensen natürlichen Ressourcen mancher Länder sind nicht berücksichtigte Entwicklungspotenziale vorhanden. Ebenso müssten regionale Entwicklungschancen und nicht nur auf den Nationalstaat bezogene Kriterien in die Bewertung miteinbezogen werden.

  18. Vgl. Gerhard Hauck/Reinhart Kößler/Henning Melber, Neuorientierung der Afrikapolitik?, in: epd-Entwicklungspolitik, (2001) 6, S. 92.

  19. Daraus ergibt sich auch die Frage, ob in afrikanischen Gesellschaften nicht eine andere, am eigenen Kontext orientierte Vorstellung von "Lebensqualität" vorliege. Die Gefahr einer solchen Argumentation liegt allerdings auf der Hand, denn es könnte sein, dass gerade externe Beobachter die extreme Armut der Afrikaner falsch interpretieren und die überaus schwierigen Formen der Überlebensökonomie mit vordergründiger Sozialromantik überziehen und schönreden. Vgl. H. Weiland (Anm. 2).

  20. Vgl . Anm. 11.

  21. Zum politökonomischen Konzept des Pfründen"kapita"lismus vgl. Gerhard Hauck, Pfründenkapitalismus und Reichtumstransfer. Zu den Ursachen von Entwicklung und Unterentwicklung in Afrika, in: E+Z, 42 (2001) 10, S. 290 - 294.

  22. Vgl. E. Grawert u.éa. (Anm.é15) und G. Hauck (Anm.é21).

  23. Zu diesem Thema vgl. Brigitte Fahrenhorst (Hrsg.), Die Rolle der Entwicklungszusammenarbeit in gewalttätigen Konflikten, Berlin 2000; Stephan Klingebiel, Wirkungen der Entwicklungszusammenarbeit in Konfliktsituationen. Querschnittsbericht zu Evaluierungen der deutschen EZ in sechs Ländern, Berlin 1999.

  24. Deutsche Außenpolitik solle - und hier liegt der Text eher auf der traditionellen Linie der Entwicklungszusammenarbeit - nicht nur interessengeleitet, sondern auch werteorientiert sein, ausgerichtet an der normativen Basis des eigenen Staatswesens. Daraus ergibt sich die Verpflichtung, Werte wie "Schutz des Individuums, seiner Menschenrechte, seiner politischen und wirtschaftlichen Rechte und Freiheiten, Gleichheit und Grundbedürfnisbefriedigung, Frieden und Sicherheit" offensiv zu vertreten und zu fördern.

  25. Vgl. Stefan Mair, Die deutsche Afrikapolitik muß politischer werden!, in: E+Z, 42 (2001) 3, S. 74.

  26. G. Hauck/R. Kößler/H. Melber (Anm. 18), S. 51.

  27. Rolf Hofmeier, Auf der Suche nach einer deutschen Afrikapolitik. Kernelemente einer erforderlichen Neuorientierung, in: E+Z, 42 (2001) 3, S. 85.

  28. Ebd., S. 82

  29. St. Mair (Anm. 25), S. 74.

  30. Die Forderungen des Memorandums stießen in den zahlreichen Beiträgen von Entwicklungspraktikern auf ein geteiltes Echo. Diese betonten und diskutierten allerdings meist Einzelaspekte. An dieser Stelle soll sich die Diskussion auf die beiden großen betroffenene Insitutionen, das BMZ und das AA, konzentrieren.

  31. Vgl. H. Wieczorek-Zeul (Anm. 3).

  32. Vgl. DIE (Anm. 3).

  33. Vgl. Ulf Engel, Politik des Augenscheins? Neue afrikapolitische Anstöße von Parteien und Fachministerien, in: University of Leipzig, Papers on Africa - Politics and economics Series (ULPA), (2001) 55; Robert Kappel, Catching up in the mid-term hardly possible: Explanations for the long "lasting growth weakness in Africa, in: ULPA, (2001) 58.

  34. Auswärtiges Amt, Außenpolitische Strategien gegenüber Subsahara-Afrika, Berlin, März 2001.

  35. Weitere Konzepte regionaler außenpolitischer Strategien für West-, Zentral- und Ostafrika sollen folgen.

  36. Diese Ziele seien ethisch begründet und dienten zugleich deutschen und europäischen Interessen.

M.A., geb. 1970; Studium der Politikwissenschaft und Neueren und Neuesten Geschichte in Freiburg und Kapstadt; wiss. Mitarbeiter am Arnold-Bergstraesser-Institut für kulturwissenschaftliche Forschung in Freiburg.

Anschrift: Arnold-Bergstraesser-Institut, Windausstr. 16, 79110 Freiburg.
E-Mail: manfred.oehm@politik.uni-freiburg.de

Dipl. rer. pol., Dr. phil., geb. 1942; Geschäftsführer und wiss. Mitarbeiter am Arnold-Bergstraesser-Institut für kulturwissenschaftliche Forschung in Freiburg; Lehrauftrag an der Universität Freiburg.

Anschrift: Arnold-Bergstraesser-Institut, Windausstr. 16, 79110 Freiburg.
E-Mail: heribert.weiland@abi.uni-freiburg.de

Veröffentlichungen zur politischen Entwicklung in Südafrika, Namibia und anderen afrikanischen Staaten.