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Betriebliche Sicht- und Verhaltensweisen gegenüber älteren Arbeitnehmern | Ältere Menschen | bpb.de

Ältere Menschen Editorial Die Jugend von gestern - und die Senioren von morgen Dynamik der demografischen Alterung, Bevölkerungs-Schrumpfung und Zuwanderung in Deutschland Der Alters-Survey: Die zweite Lebenshälfte im Spiegel repräsentativer Daten Betriebliche Sicht- und Verhaltensweisen gegenüber älteren Arbeitnehmern Das Alter(n): Gestalterische Verantwortung für den Einzelnen und die Gesellschaft Eine Dokumentation in Auszügen aus dem Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages

Betriebliche Sicht- und Verhaltensweisen gegenüber älteren Arbeitnehmern

Lutz Bellmann Ernst Kistler Jürgen Wahse Jürgen Ernst / Wahse Lutz / Kistler Bellmann

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Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, eine Politik zur Förderung des aktiven Alterns zu erarbeiten. Gleichfalls sollen Maßnahmen beschlossen werden, welche die Arbeitsfähigkeit erhalten.

Einleitung

"Die Mitgliedstaaten sollten eine Politik zur Förderung des aktiven Alterns erarbeiten, indem sie Maßnahmen beschließen, die darauf abzielen, Arbeitsfähigkeit und Qualifikationen älterer Arbeitskräfte zu erhalten, flexible Arbeitsmodelle einzuführen und Arbeitgeber für das Potenzial älterer Arbeitnehmer zu sensibilisieren." Mit dieser Empfehlung konkretisiert die Kommission die vom Europäischen Rat in Lissabon und Stockholm gesetzten Ziele. In den erwähnten Ratsbeschlüssen wurde als Ziel u. a. formuliert, die Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen bis 2010 auf 50 Prozent zu erhöhen. Diese lag 2001 in Deutschland bei lediglich 37,7 Prozent, wie z. B. schon 1995, während der Wert im EU-Durchschnitt mit 38,5 Prozent im Jahr 2001 doch etwas höher war als 1995 mit 35,9 Prozent.

Auch wenn die Beschäftigungsquote Älterer in Deutschland damit recht nahe beim EU-Durchschnitt liegt, kann diese Situation kaum zufrieden stellen, weil

- erstens in den letzten Jahren Deutschland bei den Beschäftigungsquoten Älterer keine wesentlichen Fortschritte in Richtung der Zielvorgaben verzeichnen kann;

- zweitens die Erhöhung der Beschäftigungsquote Älterer auch national eine explizite Zielstellung ist - etwa seitens der Nationalen Beschäftigungspolitischen Aktionspläne. Für Deutschland kommt hinzu, dass eine frühzeitige Verrentung der Älteren bzw. eine hohe Arbeitslosigkeit Älterer volkswirtschaftlich eine große Verschwendung darstellt, da der Anteil an mit hohem Bildungsaufwand besser Ausgebildeten unter den Älteren im internationalen Vergleich überproportional hoch ist;

- drittens, und wohl am wichtigsten, der demographische Wandel dazu führt, dass angesichts der Alterung und langfristig zu erwartenden Schrumpfung des Erwerbspersonenpotenzials die Beschäftigungsquote Älterer längerfristig in jedem Fall steigen muss. Allerdings ist hierbei zwischen verschiedenen Zeithorizonten zu unterscheiden (und es dauert, bis entsprechende Maßnahmen greifen).

I. Demographischer Wandel und Arbeitsmarkt

Die Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland altert. Wäre in der Vergangenheit keine Nettozuwanderung erfolgt, so würde sie bereits seit einigen Jahren sogar schrumpfen. Unter der realistischen Annahme, dass Deutschland auch weiterhin ein Land mit einer gewissen Nettozuwanderung bleiben wird, wird eine Schrumpfung der Bevölkerung und des Erwerbspersonenpotenzials erst in ca. zehn Jahren, und dann zunächst langsam, eintreten.

Diese Veränderungen haben Befürchtungen laut werden lassen, eine alternde und kleiner werdende Erwerbsbevölkerung gefährde das Wachstums- und Innovationspotenzial unserer Wirtschaft. Insbesondere von Seiten der Arbeitgeberverbände wird - nicht nur in Deutschland - die Befürchtung geäußert, die bestehende Massenarbeitslosigkeit könnte demographisch bedingt sehr bald ins Gegenteil umschlagen. Der Wirtschaft würden dann Arbeitskräfte fehlen, und dies könne die Verteilungsrelationen wieder in Richtung des Faktors Arbeit verschieben. Der viel beklagte "Fachkräftemangel" sei dabei ein Menetekel einer fast unmittelbar bevorstehenden Arbeiskräfteverknappung auf breiter Front.

Bei genauerer empirischer Überprüfung erweist sich nicht nur der angeblich so große Fachkräftemangel als weit übertriebenes Phänomen, sondern auch die voraussichtlichen Auswirkungen des demographischen Wandels auf den Arbeitsmarkt stellen sich anders dar, als dies von interessierter Seite immer wieder behauptet wird. Das ist vor allem angesichts der Forderungen zu bedenken, die daraus abgeleitet werden: etwa eine Erhöhung des Regeleintrittsalters in die Rente auf 67 oder mehr Jahre, eine Verschärfung des Arbeitsangebotszwangs für Ältere oder gar eine Verschlechterung in deren Arbeitsbedingungen und Bezahlung.

Dabei spielt die sehr unregelmäßige Alterspyramide eine besondere Rolle, die zu einer nichtlinearen Entwicklung der Stärke der einzelnen Altersgruppen in der Zukunft führt. Abbildung 1 zeigt - ohne die in der gängigen "Tannenbäumchenform" übliche Geschlechterdifferenzierung - den Altersaufbau der Bevölkerung zur letzten Jahrhundertwende. Deutlich sichtbar sind relativ stark besetzte Vorkriegskohorten, die schwach besetzten Kriegsjahrgänge, der Berg der "Babyboomer" und der Einbruch in den Geburtenzahlen ab ca. 1970.

Bevölkerungsprognosen gelten - verglichen etwa mit Wirtschaftsprognosen - gemeinhin als relativ zuverlässig; dennoch wird meist mit Extremszenarien unter alternativen Annahmen gearbeitet. Dies erschwert die Darstellung für eine breitere Öffentlichkeit enorm und leistet dem Herausgreifen extremer Szenarien/Ergebnisse durch interessierte Kreise Vorschub. Im Folgenden wird daher aus Vereinfachungsgründen nur mit der mittleren Variante der 9. koordinierten Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Bundesamtes argumentiert. Deren Annahmen sind nicht nur recht plausibel, sie decken sich im Ergebnis auch weitgehend mit anderen Prognosen und haben die höchste Eintretenswahrscheinlichkeit. Es braucht auch keinerlei extremer Annahmen, da die mittlere Prognosevariante bereits genügend Herausforderungen in sich birgt.

Rechnet man diese Prognose bis zu den Jahren 2020 und 2050 durch, so wird klar, dass im Jahr 2050 deutlich weniger Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen ca. 20 und 64 Jahren zur Verfügung stehen werden (vgl. Abb. 2). Klar wird aber auch, dass im Jahr 2020 der Berg der "Babyboomer" noch zum größten Teil unter 65 Jahre alt sein wird, also im Prinzip noch im erwerbsfähigen Alter ist.

Im Übrigen weisen auch die Projektionen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nur in den - unrealistischen - Varianten ohne jeglichen weiteren Zuwandungsüberschuss für die Zeit vor 2020 einen relevanten Rückgang im Arbeitskräfteangebot aus. Auch ist zu beachten, dass wir vor einem "Mangel an Arbeitskräften auf breiter Front" noch ein erhebliches Maß an registrierter und verdeckter Arbeitslosigkeit abzubauen haben. In der öffentlichen Diskussion um die künftige Entwicklung der Arbeitsmarktbilanz bleibt diese Tatsache merkwürdigerweise unberücksichtigt wie außerdem auch Rationalisierungsfortschritte und der schon in den letzten Jahrzehnten beobachtbare Trend eines - übrigens auch bei Frauen - langfristig, trotz steigender Erwerbstätigenzahl, sinkenden Arbeitsvolumens, d. h. der geleisteten Zahl bezahlter Arbeitsstunden. Demgemäß gehen alle vorliegenden Prognosen der Arbeitsmarktbilanz, also der Zusammenschau von Arbeitsangebot und -nachfrage, davon aus, dass auch langfristig eine erhebliche Arbeitslosigkeit bestehen bleiben wird (bis 2030 zwischen ca. fünf Prozent im Fall einer günstigen Wirtschaftsentwicklung und über zehn Prozent im ungünstigen Fall).

Was uns also als Problem weiterhin belasten wird, ist nicht ein Mangel an Arbeitskräften, sondern im Gegenteil anhaltende Massenarbeitslosigkeit. Sehr wohl werden aber andere Entwicklungen Arbeitswelt und Arbeitsmarkt massiv beeinflussen. Als erstes ist dabei die Alterung der Erwerbsbevölkerung zu nennen. In Verbindung damit - und auch im Gefolge der Sparpolitik im Bildungswesen in den letzten zwei Jahrzehnten - ist, zweitens, die Gefahr einer zu geringen Humankapitalbildung beachtenswert. Wir beschränken uns in diesem Beitrag auf den ersten Aspekt, der zumindest das 'Mengengerüst' der Auswirkungen des demographischen Wandels auf dem Arbeitsmarkt bestimmt.

Die Alterung der Bevölkerung insgesamt wirkt sich vor allem auch auf die Altersstruktur der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter aus - dies allerdings nur zum Teil, da der höhere Anteil Hochaltriger sich kaum auf das Erwerbspersonenpotenzial auswirkt. Nach vorliegenden Berechnungen wird das Durchschnittsalter der Erwerbsbevölkerung bis 2020 um gut zwei Jahre ansteigen; demgegenüber steigt das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung bis 2020 um vier Jahre, bis 2040 um fast sieben Jahre. Diese Alterung des Erwerbspersonenpotenzials stellt gegenüber der Vergangenheit eine Verdreifachung im gleichen Zeitraum dar: Der unaufhaltsame Alterungsprozess beschleunigt sich. Damit korrespondiert (vgl. Abb. 3) eine Zunahme des Anteils der 55- bis 64-Jährigen am Erwerbspersonenpotenzial von 19 auf 23 Prozent zwischen 2000 und 2020 (45- bis 54-Jährige: von 18 auf 23 Prozent).

In den Betrieben war und ist es allzu oft üblich, sich der alternden Belegschaften durch verschiedene Maßnahmen zu entledigen: Direkte Entlassungen in die Arbeitslosigkeit und/oder verschiedene Formen der Frühverrentung, die Präferierung Jüngerer bei Einstellungen - alle diese Maßnahmen haben zu den niedrigen Beschäftigungsquoten geführt. Diese Politik ist nun nicht mehr durchzuhalten. Dies setzt aber nicht zuletzt eine positive(re) Einstellung der Betriebe gegenüber älteren Erwerbstätigen und einen anderen Umgang mit dem Humankapital voraus.

II. Was denken die Personal- verantwortlichen?

Dass der Einschätzung der Fähigkeiten und Fertigkeiten älterer Arbeitnehmer durch die Betriebe eine ganz wichtige Rolle bei der Erhöhung der Erwerbsquoten, beim Umgang mit alternden Belegschaften und - nicht zuletzt - bei der Frage der Wiedereingliederungschancen arbeitslos gewordener Älterer zukommt, ist selbsterklärend. Nicht zuletzt deswegen hebt die EU-Kommission diesen Ansatzpunkt im einleitend zitierten Text hervor. Im Entwurf zum Gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2002 stellt die Kommission aber zu den Erfolgen leicht resignierend fest: "In einigen Fällen werden Sensibilisierungskampagnen für Arbeitgeber durchgeführt, um eine positivere Einschätzung des Potenzials älterer Arbeitskräfte zu bewirken, doch erfordern die angestrebten Veränderungen nachhaltige Aktion über einen längeren Zeitraum hinweg." Auch in Deutschland wurde diesbezüglich einiges getan. Aber auch hier gibt es die Klage, "dass sich die Vorstellung von einer eingeschränkten Einsatzfähigkeit im Erwerbsleben auch im öffentlichen Bewusstsein entgegen wissenschaftlichen Erkenntnissen hartnäckig halten konnte".

Welche Meinungen gegenüber älteren Mitarbeitern bzw. Bewerbern hegen Personalverantwortliche wirklich? In der Forschung dominierten bisher branchenspezifisch oder regional sehr begrenzte Antworten auf diese Fragen, die meist auf Fallstudien mit sehr geringen, nicht repräsentativen Fallzahlen beruhen. Die folgenden Ergebnisse entstammen demgegenüber einer bundesweiten, repräsentativen Stichprobe von Betrieben/Dienststellen: Das IAB-Betriebspanel umfasste im Jahr 2002 (Erhebungszeitraum Juli-Oktober) rund 16 000 Interviews.

Gefragt wurde dabei im Verlaufe des Interviews - zunächst noch ohne Bezug zum Thema "Ältere" -, welche von einer längeren Liste von Eigenschaften für die Mehrheit der Arbeitsplätze im befragten Betrieb sehr wichtig, wichtig oder wenig wichtig seien. Die Befragung erbringt einen auf den ersten Blick überraschenden Befund: Entgegen landläufigen Vorstellungen, die nicht zuletzt aus der modernen Managementliteratur und auch aus der Arbeitssoziologie genährt werden, dass nämlich im modernen Turbokapitalismus Kreativität und Flexibilität bei weitem die wichtigsten Mitarbeitereigenschaften seien, dominieren die "eher klassischen Tugenden". Die höchsten Wichtigkeitszuschreibungen erzielen Arbeitsmoral/Arbeitsdisziplin (74 Prozent sehr wichtig) und Qualitätsbewusstsein (66 Prozent) sowie auf Rang vier Erfahrungswissen (54 Prozent). Flexibilität (56 Prozent) rangiert nur kurz davor auf Platz drei unter den als sehr wichtig eingestuften Eigenschaften. Bildet man einen Index der Wichtigkeit von Eigenschaften aus Sicht der Betriebe, so rangiert der Aspekt Kreativität sogar an letzter Stelle (vgl. Abb. 4).

Dieses Grundmuster gilt bei getrennter Auswertung für west- und noch ausgeprägter für ostdeutsche Betriebe. In der Differenzierung nach Branchen zeigen sich zwar unterschiedliche Ausprägungen - etwa eine hohe Gewichtung des Faktors körperliche Belastbarkeit im Baugewerbe oder der psychischen Belastbarkeit im Erziehungs- und Gesundheitswesen -, an der Priorität der Leistungsparameter Arbeitsmoral/-disziplin und Qualitätsbewusstsein ändert sich über die Branchen hinweg aber nichts. Auch in der Differenzierung nach Betriebsgrößenklassen bleibt dieses Grundmuster stabil.

In einer Folgefrage wurden die Betriebe gebeten, zu den vorgegebenen Eigenschaften zu sagen, ob sie diese als eher bei Jüngeren oder Älteren ausgeprägt sehen oder ob es da "keinen Unterschied" gibt. In Abbildung 5 wird deutlich, dass sich in den geäußerten Einstellungen der Personalverantwortlichen das globale Urteil, "Ältere sind nicht weniger, sondern anders leistungsfähig als Jüngere", erstaunlich deutlich widerspiegelt: Erfahrungswissen, Arbeitsmoral/-disziplin, Qualitätsbewusstsein und Loyalität gelten eher als Stärken Älterer; körperliche Belastbarkeit, Lernfähigkeit, auch Lernbereitschaft und Kreativität werden eher bei den Jüngeren gesehen. Überraschend ist, dass die Jüngeren aus Sicht der Betriebe bei der Teamfähigkeit keinen und bei der Flexibilität keinen sehr großen Vorsprung haben.

Verknüpft man die mit dem Index gewichtete Bedeutungszuweisung von Mitarbeitereigenschaften mit den relativen Bewertungen für Jüngere bzw. Ältere, so zeigt sich:

- Ältere Arbeitnehmer werden von den Personalverantwortlichen zwar mit einem anderen Leistungsportefeuille wahrgenommen als Jüngere, insgesamt aber keinesfalls als weniger leistungsfähig.

- Kleinere Betriebe beurteilen Ältere deutlich positiver als Großbetriebe.

- Betriebe mit einem höheren Anteil an über 50-Jährigen in ihrer Belegschaft schätzen die Leistungsfähigkeit Älterer positiver ein als Betriebe ohne bzw. mit einem nur geringeren Anteil Älterer.

Auch wenn man den Aspekt abzieht, dass die Befragten wohl in diesen Fragen eher zu beschönigenden Antworten neigen - Altersdiskriminierung ist etwas, wozu man sich wohl nicht so leicht bekennt -, so lassen diese Zahlen aus dem Betriebspanel 2002 und einige ähnliche Ergebnisse aus dem Betriebspanel 2000 nur den Schluss zu, dass die Einstellungen der Personalverantwortlichen gegenüber Älteren gar nicht so negativ sind. Es stellt sich die Frage, wie sich Betriebe gegenüber älteren Arbeitnehmern verhalten.

III. Was tun die Betriebe?

Mit der listengestützten Frage "Welche der folgenden Maßnahmen, die sich auf die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer beziehen, gibt es in Ihrem Betrieb/Ihrer Dienststelle?" wurde die Verbreitung entsprechender Maßnahmen untersucht (vgl. Tab. 1). In diese Auswertung gehen nur diejenigen 59 Prozent aller Betriebe ein, die in einer Vorfrage angaben, dass sie unter ihren Beschäftigten überhaupt 50-Jährige und Ältere haben.

Zunächst relativiert sich die zitierte Tendenz einer mit zunehmender Betriebsgröße weniger positiven Einstellung gegenüber Älteren. Nur sieben Prozent aller Kleinstbetriebe, aber 92 Prozent aller Betriebe mit 500 und mehr Beschäftigten geben an, Maßnahmen für ältere Mitarbeiter zu praktizieren. Dieser erste Eindruck täuscht aber. Kleinstbetriebe können z. B. nur schwer altersgemischte Arbeitsteams bilden - eine sonst überaus sinnvolle Maßnahme. Gleiches gilt für die - weniger sinnvolle, weil nicht präventive, sondern passive und auch nicht in Quantitäten realisierbare - "Herabsetzung der Leistungsanforderungen" bzw. "Besondere Ausgestaltung der Arbeitsplätze" (also Schonarbeitsplätze). Auch eine Einbeziehung Älterer in Weiterbildungsmaßnahmen bzw. das Angebot spezifischer altersgerechter Weiterbildung ist in Kleinbetrieben eher unwahrscheinlich, da bei ihnen - zumindest einige Mitarbeiter betreffende - Weiterbildungsförderung durch zumindest partielle Kostenübernahme oder Freistellungen weniger verbreitet ist; jene steigt von unter 30 Prozent in Betrieben mit einem bis neun Beschäftigten auf fast 100 Prozent in westdeutschen Betrieben mit 1 000 und mehr Beschäftigten an.

Dass neben dieser in ihrer Verbreitung unzureichenden Ausrichtung von und Beteiligung Älterer an Weiterbildungsmaßnahmen nur noch die altersgemischten Arbeitsgruppen sowie die Altersteilzeit eine nennenswerte Rolle spielen, wird dem Problem nicht gerecht: Der statistische Wert von sechs Prozent Betriebe insgesamt (und gerade auch derjenige von 33 Prozent bei Großbetrieben), die auf das Instrument altersgemischter Teams setzen (mit welcher Verbreitung innerhalb des jeweiligen Betriebes auch immer), kann nicht zufrieden stellen. Elf Prozent Betriebe mit Altersteilzeitregelungen überhaupt, und 86 Prozent bei den Großbetrieben wären auch nur dann ein einigermaßen befriedigender Anteil, wenn dieses Instrument mehr im Sinne eines (teilzeit)gleitenden Übergangs in den Ruhestand praktiziert würde und nicht in Form des so genannten Blockmodells, das nichts anderes ist als eine subventionierte vorzeitige Externalisierung Älterer. Das Blockmodell trägt nämlich dazu bei, "die fatale Spirale von Intensivierung und schnellerem Verschleiß der Arbeitskraft fortzusetzen, während ein echtes Teilzeitmodell Ansatzpunkte bieten könnte, diesen Trend zu verlangsamen oder zu stoppen".

Ältere Arbeitnehmer sind eigentlich weniger wegen eines höheren Entlassungsrisikos eine Problemgruppe des Arbeitsmarktes - da bieten die bestehenden Kündigungsschutzregelungen (noch) einen gewissen Schutz. Zur Problemgruppe werden sie vor allem, weil Ältere - sind sie einmal arbeitslos geworden - kaum noch eine Chance haben, eine neue Stelle zu finden. Tabelle 2 gibt die Antwortverteilungen auf die Frage wieder, ob die Betriebe überhaupt - und wenn: unter welchen Bedingungen? - Ältere einstellen würden, falls sie eine Stelle zu besetzen hätten. 15 Prozent aller Betriebe - vor allem kleine - geben zu, dass sie grundsätzlich keine Älteren einstellen würden. Weitere 56 Prozent in Ost- bzw. 45 Prozent in Westdeutschland (und hier etwas häufiger die größeren Betriebe) sagen, dass sie sich eine Einstellung Älterer vorstellen könnten und dass sie diese nicht an eine alterspezifische Bedingung knüpfen würden. Lohnkostenzuschüsse sind eine häufig genannte Voraussetzung in Ostdeutschland, größere Betriebe nennen auch Befristungen und die Nichtverfügbarkeit jüngerer Alternativen.

IV. Fazit

Dass Qualifikationen wie Arbeitsmotivation, Qualitätsbewusstsein etc. so sehr über Eigenschaften wie Flexibilität, Kreativität etc. aus der Sicht von Personalverantwortlichen hinsichtlich der Anforderungen an ihre Mitarbeiter dominieren, konnte erstmals mit dem Betriebspanel auf repräsentativer Basis und mit einer so großen Stichprobe belegt werden. Noch wichtiger ist jedoch der Befund, dass Ältere in der Summe gewünschter Qualifikationen nicht schlechter abschneiden als Jüngere. Daraus leiten sich zwei Fragenkomplexe ab:

Erstens: Sind die von verschiedenen Seiten durchgeführten Kampagnen bei Betrieben überhaupt noch nötig, die den Arbeitgebern den "Jugendwahn" ausreden und den Wert des Erfahrungswissens älterer Mitarbeiter nahe bringen sollen?

Zweitens: Warum weicht die personalpolitische Praxis der Betriebe von diesen durchaus positiven Einstellungsmustern so eklatant ab? Warum sind angesichts der demographischen Herausforderungen Maßnahmen für Ältere so wenig verbreitet?

Die Antwort auf die erste Frage ist ein klares Ja: Es ist hier noch einiges zu tun. Die oben gezeigten Muster sind Durchschnittswerte, die verdecken, dass es noch mehr als genug Betriebe gibt, in denen ein "Defizitmodell des Alters" in den Köpfen der Personalverantwortlichen herrscht. Nicht zuletzt scheint dies größere Betriebe zu betreffen. Eine Antwort auf die zweite Frage kann nicht so einfach gegeben werden und kann sich nicht allein auf die betriebliche Ebene beziehen. Als gesichert kann jedenfalls angesehen werden, dass trotz der im Durchschnitt nicht negativen Einstellungen der Betriebe gegenüber älteren Mitarbeitern das veröffentlichte Meinungsklima kontraproduktiv für eine Erhöhung der Beschäftigungsquote Älterer ist. Trotz offizieller Bekenntnisse für die Integration Älterer ist es zumindest denkbar, dass Plädoyers für eine immer noch weitere Aufweichung des Kündigungsschutzes und der Befristungsbeschränkungen bei Älteren, das Gerede von der angeblich in Deutschland so ausgeprägten höheren Senioritätsentlohnung etc. Personalverantwortliche zu einem Handeln bewegen, das gar nicht ihrer Einstellung zu und ihren Erfahrungen mit älteren MitarbeiterInnen entspricht.

Es ist viel zu wenig bekannt, dass solche Stereotype ebenso falsch sind wie das "Defizitmodell des Alters". So hat die Europäische Kommission erst jüngst darauf verwiesen, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse zwar oft für Jüngere und Höherqualifizierte z. T. auch akzeptable Perspektiven bieten können, weniger aber für Geringqualifizierte und für Ältere. Auch bezüglich der angeblich so übermäßig ausgeprägten höheren Löhne für Ältere hat die Kommission das Gegenteil aufgezeigt. In Deutschland ist (außerhalb des öffentlichen Dienstes) im europäischen Vergleich Senioritätsentlohnung gar nicht so weit verbreitet. Allenfalls steigt für Hochqualifizierte die Entlohnung deutlich mit dem Alter (und der Dauer der Betriebszugehörigkeit) - aber auch dies weniger als in vielen anderen EU-Vergleichsstaaten. Hier werden Mythen gestreut. Wenn dann z. B. vom Chefvolkswirt der Deutschen Bank noch offen pauschal von einer geringeren Leistungsfähigkeit und Produktivität Älterer bei gleichzeitig zu hohen Löhnen geredet wird, dann braucht es nicht zu verwundern, wenn Betriebe ältere Beschäftigte loswerden wollen und sie ältere Stellenbewerber schon bei der Vorselektion von Bewerbungsunterlagen systematisch ausschließen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Beurteilung der Umsetzung der Beschäftigungspolitischen Leitlinien 2001, SEK (2001) 1998, Brüssel 2001, S. 56.

  2. Vgl. European Commission, Employment in Europe 2002. Recent Trends and Prospects, Brüssel 2002, S. 173.

  3. Vgl. Edelgard Bulmahn, Deutschlands Innovationsmotor läuft so rund wie schon lange nicht mehr, BMBF-Pressemitteilung, 23/2001.

  4. Bis dahin wächst die Erwerbsbevölkerung noch, vgl. z. B. Eurostat, Die Erwerbsbevölkerung in den Regionen der EU: jüngste Entwicklungen und künftige Perspektiven, Statistik kurz gefasst, (2001) 2, Brüssel 2001, S. 2; danach sinkt sie anfangs sehr langsam, um ca. 2020 wieder das heutige Niveau zu erreichen.

  5. Vgl. Ina Nicaise, Welche Partnerschaften für die Beschäftigung brauchen wir? Sozialpartner, NRO und Behörden, Forum Doc 2, hekt. Ms., Leuven-Brüssel 1996.

  6. Vgl. Gerhard Bosch/Paula Heinecker/Ernst Kistler/Alexandra Wagner, Aktueller und künftiger Fachkräftemangel und Fachkräftebedarf. Eine Analyse für die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin. Expertise, Stadtbergen-Gelsenkirchen-Berlin 2003. Vgl. auch Lutz Bellmann/Johannes Velling (Hrsg.), Arbeitsmärkte für Hochqualifizierte, Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Bd. 256, Nürnberg 2002.

  7. Vgl. o. V., Bankexperte: Lohn für Ältere kürzen, in: Augsburger Allgemeine vom 25./26. Januar 2003, S. 1.

  8. Vgl. Deutscher Bundestag, Zweiter Zwischenbericht der Enquete-Kommission Demographischer Wandel, Bonn 1998, S. 122 ff.

  9. Vgl. Johann Fuchs, Prognosen und Szenarien der Arbeitsmarktentwicklung im Zeichen des demographischen Wandels, in: Ernst Kistler/Hans G. Mendius (Hrsg.), Demographischer Strukturbruch und Arbeitsmarktentwicklung, SAMF-Jahrestagung 2001, Stuttgart 2002, S. 126.

  10. Vgl. Deutscher Bundestag (Anm. 8), S. 226.

  11. Vgl. z. B. Klaus Klemm, Perspektive Akademikermangel, hekt. Ms., Essen 2001.

  12. Vgl. Gottfried Rössel/Reinhard Schäfer/Jürgen Wahse, Alterspyramide und Arbeitsmarkt. Zum Alterungsprozess der Erwerbstätigen in Deutschland, Frankfurt/M.-New York 1999, S. 25 ff.

  13. Vgl. ausführlicher Hartmut Buck/Ernst Kistler/Hans G. Mendius, Demographischer Wandel in der Arbeitswelt. Chancen für eine innovative Arbeitsgestaltung, Stuttgart 2002.

  14. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Entwurf des Gemeinsamen Beschäftigungsberichts 2002, Brüssel 2002, S. 36.

  15. Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände, Ältere Mitarbeiter im Betrieb. Ein Leitfaden für Unternehmen, o. O. 2002, S. 10.

  16. Vgl. Annegret Köchling u. a. (Hrsg.), Innovation und Leistung mit älter werdenden Belegschaften, München 2000.

  17. Vgl. Markus Hilpert/Andreas Huber/Udo Papies, Alternde Betriebe im regionalen Vergleich, in: Andreas Huber/Ernst Kistler/Udo Papies (Hrsg.), Arbeitslosigkeit Älterer und Arbeitsmarktpolitik im Angesicht des demographischen Wandels, Stuttgart 2002, S. 51-64.

  18. Vgl. Lutz Bellmann, Das IAB-Betriebspanel. Konzeption und Anwendungsbereiche, in: Allgemeines Statistisches Archiv, 86 (2002), S. 177-188.

  19. Gewichtungsfaktoren von "weniger wichtig", "wichtig", "sehr wichtig": 0,5; 1; 1,5. Ein Test anderer Gewichtungsfaktoren mit anderen numerischen Abständen erbringt strukturell ähnliche Ergebnisse.

  20. Vgl. Vera Dahms/Jürgen Wahse, IAB-Betriebspanel Ost. Ergebnisse der siebten Welle 2002, hekt. Bericht, Berlin 2003 (erscheint als IAB-Werkstattbericht).

  21. Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände (Anm. 15), S. 11.

  22. Vgl. Ernst Kistler/Jürgen Wahse, Unverantwortliche Personalpolitik?, in: Die Mitbestimmung, 47 (2001)11, S. 27-29.

  23. Vgl. Lutz Bellmann/Herbert Düll/Ute Leber, Zur Entwicklung der betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten. Eine empirische Untersuchung auf Basis des IAB-Betriebspanels, in: Alexander Reinberg (Hrsg.), Arbeitsmarktrelevante Aspekte der Bildungspolitik, BeitrAB 245, Nürnberg 2001, S. 102.

  24. H. Buck/E. Kistler/H. G. Mendius (Anm. 13), S. 90.

  25. Älteren Arbeitslosen hilft ihr großes Erfahrungswissen - und dessen hohe Bewertung durch die Betriebe bei ihren Mitarbeitern (vgl. Abb. 4) - nur begrenzt, zumindest solange Fort- und Weiterbildung so wie heute (und oft nur als sehr betriebsspezifisches "Abrichten") stattfindet.

  26. Wobei hier nochmals zu betonen ist, dass die 'Fragebogendramaturgie' so angelegt war, dass "sozial erwünschtes Antwortverhalten" der Befragten (Nichteingeständnis altersdiskriminierender Einstellungen gegenüber den Interviewern) weitestmöglich vermieden wurde.

  27. Hier unbedingt zu erwähnen ist der Hinweis, dass auch auf Arbeitnehmerseite Aufklärung über die Unsinnigkeit von Vorstellungen über komprimierte Erwerbsbiographien ("Ranklotzen bis 50 und dann ab auf die Insel") vonnöten ist.

  28. Vgl. z. B. Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände (Anm. 15).

  29. Vgl. European Commission (Anm. 2), S. 11.

  30. Vgl. dies., Employment in Europe 1999, Brüssel 1999, S. 120 ff.

  31. Vgl. o. V. (Anm. 7).

Dr. rer. pol., geb. 1956; Arbeitsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg.

Anschrift: IAB, 90327 Nürnberg.

Veröffentlichung u. a.: Das IAB-Betriebspanel. Konzeption und Anwendungsbereiche, in: Allgemeines Statistisches Archiv, 86 (2002).

Prof. Dr. rer. pol., geb. 1952; Gesellschafter am Internationalen Institut für Empirische Sozialökonomie (INIFES), Stadtbergen.

Anschrift: INIFES, Haldenweg 23, 86391 Stadtbergen.

Veröffentlichung u. a.: (zus. mit H. Buck und H. G. Mendius) Demographischer Wandel in der Arbeitswelt. Chancen für eine innovative Arbeitsgestaltung, Stuttgart 2002.

Prof. Dr. oec., geb. 1940; Leiter des Instituts für Sozialökonomische Strukturanalysen (SÖSTRA), Berlin.

Anschift: SÖSTRA, Torstr. 178, 10115 Berlin.

Veröffentlichung u. a.: (zus. mit G. Rössel/R. Schaefer) Alterspyramide und Arbeitsmarkt. Zum Alterungsprozess der Erwerbstätigen in Deutschland, Frankfurt/M.-New York 1999.