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Kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern in den Philippinen | Südostasien | bpb.de

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Kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern in den Philippinen Eine Bestandsaufnahme

Tina Pfeiffer

/ 17 Minuten zu lesen

In den Philippinen nehmen Kinderprostitution, -pornographie und -handel aufgrund des Sextourismus und den Auswirkungen der Asienkrise gravierende Ausmaße an. Gleichzeitig gilt das Land bei der Bekämpfung von kommerzieller sexueller Ausbeutung von Kindern als Vorreiter.

Einleitung

Im März 2004 trafen sich im indonesischen Medan 350 Vertreter südostasiatischer Regierungen, nichtstaatlicher Organisationen und der Wissenschaft, um ein Problem zu behandeln, das von globaler Brisanz ist und in der Region seit der Asienkrise 1997 alarmierende Ausmaße angenommen hat - die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern (Commercial Sexual Exploitation of Children/CSEC).

Themen wie Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornographie galten bis vor kurzem in vielen Ländern Südostasiens als Tabu und tauchten auf den politischen Agenden nicht auf. Daher ist die Regionalkonferenz, bei der Informationen, Erfahrungen und Strategien zur Bekämpfung von Kinderhandel zu sexuellen Zwecken ausgetauscht wurden, um einen Grundstein zukünftiger Kooperation zu legen, ein wichtiger Schritt im weltweiten Kampf gegen CSEC, der 1996 in Stockholm mit dem "Ersten Weltkongress gegen kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern" eingeleitet wurde. Dieser endete mit der Annahme einer Erklärung und eines Aktionsprogramms, durch das sich 124 Länder verpflichteten, bis zur Jahrtausendwende nationale Aktionspläne zur Bekämpfung von CSEC zu erstellen. Bis dato kam dieser Verpflichtung allerdings erst ein Drittel der Staaten nach.

Das Augenmerk richtet sich auf die Philippinen, weil das Land in Südostasien zu den Vorreitern im Kampf gegen CSEC zählt. So wurden ein Aktionsplan erstellt, die Gesetzgebung zum Schutz von Kindern erweitert und erste Maßnahmen eingeleitet. Doch trotz der politischen Fortschritte verschärft sich das Problem. Armut, der Mangel an Bildung, interregionale Migration und der anhaltende Sextourismus führen dazu, dass die Ausbeutung von Minderjährigen in der Sexindustrie weiter anhält - ein Geschäft, in das fast alle Ebenen der Gesellschaft involviert sind.

Zur Entwicklung von CSEC

Die langfristige Präsenz des US-Militärs auf den Philippinen - zur Kolonialzeit, während der Besatzung und später mit Militärbasen - war ein entscheidender Auslöser für die Verstärkung der Prostitution. Durch den hohen Bedarf an Prostituierten in so genannten "Rest & Recreation"-Etablissements für Soldaten begann der Frauenhandel zu florieren. In den siebziger Jahren entwickelte sich das Land zum Ziel ausländischer Sextouristen und parallel dazu zum Nährboden pädophiler Netzwerke, die Sextouren in einschlägige Gegenden der Philippinen organisierten. Die Tourismuskampagnen unter Präsident Ferdinand Marcos förderten diese Entwicklung.

CSEC betraf zunehmend auch den Missbrauch von Kindern im Bereich der Pornographie. Die steigende Nachfrage nach "unberührten" Prostituierten - mitunter aus Angst vor sexuell übertragbaren Krankheiten - verschärfte den Kinderhandel. Die Landflucht und die zunehmende Arbeitsmigration ins Ausland seit den achtziger Jahren boten Menschenhändlern bessere Möglichkeiten für den externen Handel mit Mädchen und jungen Frauen, die als Haushilfen, Entertainerinnen oder "Mail-Order-Brides" u.a. nach Japan, Europa, Australien oder in die USA "vermittelt" wurden und von denen viele im Sexgeschäft endeten.

Seit den neunziger Jahren bekommt CSEC eine neue Dimension. Im Zeitalter von Internet und Handy ist der Informationsaustausch zwischen der Sexmafia und Pädokriminellen einfacher denn je und kann von staatlichen Autoritäten nur schwer verfolgt werden. Produktion und Vertrieb kinderpornographischen Materials sind durch die neuen Technologien billiger, schneller, effizienter, sicherer und vor allem internationaler geworden.

Obwohl CSEC als ein Problem des Sextourismus wahrgenommen wird, ist der Großteil der Nachfrage lokal bedingt. Die philippinische Gesellschaft ist von Patriarchat und Machismo geprägt. Im täglichen Leben ist "Sex" allgegenwärtig: Neben pornographischem Videomaterial, das in den Städten an jeder Straßenecke erhältlich ist, und einschlägigen Fernsehsendungen sind Gebrauchsgegenstände wie Feuerzeuge, Karaoke-Videos und Boulevardzeitungen übersät mit leicht bekleideten Frauen in eindeutiger Pose. Das dabei vermittelte Frauenbild ist auf Laszivität und Promiskuität reduziert und führt in dem katholisch - bzw. im Süden muslimisch - geprägten Land, in dem der offene Umgang mit Sexualität ein Tabu ist, zu sexueller Konfusion. Während Mädchen zur Keuschheit erzogen werden und bei ihnen Geschlechtsverkehr vor der Ehe als unrein gilt, werden bei jungen Filipinos frühe sexuelle Erfahrungen als "männlich" perzipiert. Die Nachfrage nach käuflichem Sex ist dementsprechend hoch.

Zur Dimension von CSEC

Obwohl es an umfassenden Daten mangelt, weil deren Erhebung aufgrund des klandestinen Charakters von CSEC generell schwierig ist, erlauben aktuelle Fallstudien zu Kinderhandel und Kinderprostitution einen Eindruck über das Ausmaß des Problems.

Kinderhandel zu sexuellen Zwecken

In den Handel mit der Ware Kind sind fast alle gesellschaftlichen Ebenen involviert. Das Spektrum reicht von Eltern, Familienangehörigen und Freunden über lokal, regional und international operierende Schlepper, Agenten, Arbeitgeber, Zuhälter und Syndikate bis hin zu Angehörigen von Polizei, Militär und öffentlicher Verwaltung. Neben der großen Nachfrage nach kommerziellem Sex wird Kinderhandel von einem Zusammenwirken ökonomischer, sozialer und kultureller Faktoren begünstigt. Die unausgewogene wirtschaftliche und soziale Entwicklung, Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung, Landlosigkeit und bewaffnete Konflikte verschärfen seit Jahrzehnten die Migration in die urbanen Zentren. Dies betrifft besonders die junge Generation der armen Bevölkerungsschicht, der es aufgrund des schlechten Zugangs zu Bildung und Ausbildung an Zukunftsperspektiven fehlt.

Der soziale Druck, zum Familieneinkommen beizutragen, der Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit und der Einfluss von Gleichaltrigen, die in die Stadt ziehen, sind soziale Faktoren, die den Kinderhandel begünstigen. Aus kulturellen Werten wie z.B. utang na loob, der ewigen Dankesschuld (gegenüber den Eltern), resultiert die Annahme, dass Kinder außerhalb der Familie arbeiten sollten, um diese zu unterstützen. Utang na loob kann zur Förderung von Kinderhandel führen, und häufig werden Eltern - bewusst oder unbewusst - zu Komplizen von Schleppern. Als Ausgleich für den Arbeitsausfall ihres Kindes zu Hause erhalten sie in der Regel Bargeld - oft in Form eines Kredits, den ihre Kinder später abarbeiten müssen.

Hinzu kommt der Einfluss der Massenmedien. Das Bild vom Leben in der Stadt, wie es durch das Fernsehen und durch Printmedien vermittelt wird, nämlich als Fortschritt und Zugang zu westlichen Konsumartikeln, wirkt auf junge Menschen einladend. Hier setzen Schlepper an, wenn sie Kinder und Jugendliche rekrutieren und mit lukrativen Jobs in den Städten oder in Übersee werben. Dass es sich dabei um falsche Hoffnungen handelt, entdecken die Opfer erst, wenn es zu spät ist. Aus der Obhut ihrer sozialen Gemeinschaft herausgerissen, sind sie auf sich allein gestellt und haben keine Möglichkeit, sich zur Wehr zu setzten.

Neben dem internen Kinderhandel gelten die Philippinen als Empfängerland illegal eingeschleuster Mädchen, die im Sexgeschäft enden, sowie als Senderland für den internationalen Kinderhandel. Ineiner 2002 veröffentlichten Studie schätzt dieNichtregierungsorganisation (NRO) "Asia ACTs" den Anteil Minderjähriger am externen Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung in Prostitution oder Pornographie auf ca. 25 Prozent. Hauptdestinationen der bekannt gewordenen Fälle sind neben dem Mittleren Osten Japan, Malaysia, China, Taiwan, die USA, Australien, Neuseeland und Europa.

Kinderprostitution

Daten zur Kinderprostitution basieren auf den Zahlen von Kindern und Jugendlichen, die in den vergangenen Jahren aufgegriffen wurden. Heute gehen offizielle Schätzungen von ca. 100 000 in der Sexindustrie missbrauchten Minderjährigen aus. Bei den meisten Opfern von CSEC handelt es sich um Mädchen, welche die Schule abgebrochen haben und aus zerrütteten Familien kommen, in denen die Eltern arbeitslos sind oder nur über unregelmäßige Einkommen verfügen. Viele von ihnen haben Missbrauch oder Inzest erlebt.

Kinderprostitution hat in den Philippinen viele Gesichter. In verschiedenen Studien wurden drei Hauptbereiche identifiziert, in denen Minderjährige in das Sexgeschäft involviert sind. Sie arbeiten als "Pick-up Girls" auf der Straße, animieren als "Bar Girls" (Bikini-Bar-Tänzerinnen oder so genannte "Guest Relations Officers" in Karaoke-Bars) potenzielle Kunden zum Trinken oder werden als "Casa Girls" in Bordellen festgehalten. Aufgrund der guten Einkommensmöglichkeiten sind Kinder und Jugendliche aus marginalisierten Gruppen der armen Bevölkerungsschicht, wie z.B. Straßenkinder und Nachkommen ethnischer Minderheiten, besonders anfällig für CSEC.

Im Zusammenhang mit Straßenkindern ist auf eine besondere Facette der Kinderprostitution zu verweisen. In den Touristengebieten und Einkaufszentren Metro Manilas existiert innerhalb von barkadas das Phänomen des "Children pimping Children", bei dem Jugendliche als Zuhälter fungieren und jüngere Kinder an Pädophile verkaufen. Dabei verfügen sie und ihre Klientel über ein ausgefeiltes System der Kommunikation, das es Außenstehenden kaum ermöglicht, ihre Geschäfte zu verfolgen, obwohl sie an belebten Plätzen stattfinden. Ein weiteres Beispiel für die bitteren Folgen des Verfalls von Familienstrukturen ist das Phänomen des buntog in den Städten Cebu und Davao. Buntog beschreibt Minderjährige, die als Reaktion auf zerrüttete Familienbeziehungen und zum Abbau von Stress sexuelle Riten praktizieren, durch die sie nach Akzeptanz innerhalb ihrer Gruppe streben. Die barkada wird zum Familienersatz. Die frühen sexuellen Erfahrungen durch buntog enden für viele Jugendliche in der Prostitution.

Gängige Praxis in Hafenstädten ist es, Besatzungen anlegender Schiffe mit Prostituierten zu versorgen. Die so genannten akyat-barko girls werden mit Booten an die Schiffe gebracht, wo sie potenziellen Kunden ihre Dienste anbieten. Begleitet werden sie von Zuhältern, oftmals auch den Eltern, welche die finanziellen Aspekte regeln und die Mädchen später wieder an Land begleiten. Eine weitere Facette der Prostitution Minderjähriger ist die "Prosti-tuition" - ein offenes Geheimnis in (privaten) Colleges und auch in den Highschools der großen Städte. In diese saisonale Prostitution zu Beginn und Ende des Semesters sind Schülerinnen aus allen sozialen Schichten involviert. Der Grund, sich an einen "Sugar Daddy" zu verkaufen, ist neben der Finanzierung der Schulkosten ein von westlichen Massenmedien beeinflusstes Konsumverhalten. Die Erlangung von Statussymbolen wie Handys oder Markenkleidung, der Zugang zu Unterhaltungsetablissements (Kinos, Clubs, Restaurants und Beach-Resorts), Zuhälter, Gruppenzwang, mangelndes Selbstbewusstsein und der Wunsch nach sozialem Ansehen, aber auch Neugier (ver)führen die Jugendlichen in die Prostitution. In einigen privaten Colleges in Manila und Cebu wird der Anteil der in Prostitution involvierten Schülerinnen auf bis zu 60 Prozent geschätzt.

Kinderpornographie

Der Missbrauch Minderjähriger zur Produktion pornographischer Bilder und Videos hat in den Philippinen erschreckende Dimensionen erreicht. Nach Angaben der "Singapore Straits Times" vom Februar 2003 gehören die Philippinen weltweit zu den Hauptquellen kinderpornographischen Internetmaterials. Der Vertrieb über Internet, Handy und Pager geschieht u.a. in der Anonymität von Internetcafes. Da es an Internetfahndern mangelt, die Gesetze zu milde sind und Straftäter mit niedrigen Strafen davon- bzw. gegen Kaution oder durch Korruption freikommen, wird das Land wohl vorerst ein Pornoparadies bleiben.

Antworten auf das CSEC-Problem

Wichtige Impulsgeber und Katalysatoren im Kampf gegen CSEC in den Philippinen sind Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, wie z.B. das Kinderhilfswerk UNICEF und die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die in langjähriger Kooperation mit der Regierung und nichtstaatlichen Organisationen an der Entwicklung und Umsetzung von Programmen zum Schutz von Kindern arbeiten. Und auch die philippinischen NRO, die zu den aktivsten in Südostasien gehören und sich früh am internationalen Diskurs zu CSEC beteiligten, haben die Fortschritte maßgeblich beeinflusst.

Bestandsaufnahmen: Notwendige Voraussetzung zur Bekämpfung kommerzieller sexueller Ausbeutung von Kindern waren umfassende Bestandsaufnahmen zu CSEC, zumal die Datenlage Mitte der neunziger Jahre lediglich auf vereinzelten Berichten lokaler Gruppen basierte und für die Planung konkreter Maßnahmen und Programme unzureichend war. 1997 koordinierte UNICEF zusammen mit dem Bureau of Child and Youth Welfare eine erste systematische Analyse, auf die in den Folgejahren weitere Studien von Regierungsinstitutionen und NRO folgten. Doch fehlt es insbesondere für den Bereich des Kinderhandels bis heute an umfassenden Daten zu Hintergründen, Zahlen und Routen.

Bewusstseinsschaffende Maßnahmen: Dass die systematische Bekämpfung von CSEC nur unter Einbeziehung der Öffentlichkeit erfolgen kann und einen Bewusstseinsbildungsprozess in der breiten Bevölkerung voraussetzt, haben Regierung und Zivilgesellschaft relativ früh erkannt. 1996 erklärte Präsident Fidel Ramos in der Proklamation 731 die zweite Woche im Februar zur "Nationalen Bewusstseinswoche zur Prävention von sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern". Seither organisieren verschiedene Sektoren jährlich Aufklärungskampagnen, um die Sensibilität der Bevölkerung für Kindesmissbrauch und CSEC zu wecken.

Bilaterale Abkommen: Zur Bekämpfung von CSEC im Tourismus schlossen die Philippinen 1997 Anti-Pädophilie-Abkommen mit Australien und Großbritannien, die den Informationsaustausch zwischen den Polizeibehörden bei der Untersuchung von Sexualdelikten regeln. Seither wurde die bilaterale Kooperation mit weiteren Staaten intensiviert - so zuletzt mit den USA, die 2003 ein Gesetz zur Auslieferung und Anklage von Personen verabschiedeten, die sich im Ausland der CSEC schuldig gemacht haben.

Aktionsplan gegen CSEC: Im November 2000 beschloss das Council for the Welfare of Children den in Kooperation mit UNICEF erstellten und auf fünf Jahre angelegten "Aktionsplan gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern 2000 - 2004". Vor dem Hintergrund eines multisektoralen Ansatzes, der CSEC als ein soziales Phänomen kategorisiert, das alle Ebenen der Gesellschaft betrifft, wurde besonderer Wert darauf gelegt, an seiner Entwicklung und Umsetzung neben Regierungsinstitutionen, Gemeinden und NRO auch Kinder- und Jugendvertreter zu beteiligen. Fokus des Aktionsplans sind die Bereiche Prävention, Schutz, Genesung und Reintegration, deren Maßnahmen und Inhalte breit gefächert sind, um den Akteuren einen möglichst großen Handlungsspielraum zu gewähren. Darüber hinaus sieht er den Aufbau beständiger Monitoringstrukturen und systematische Bestandsaufnahmen vor, welche die Grundlage von strategischen Planungen weiterer Maßnahmen bilden sollen.

Im Zentrum der Präventionsmaßnahmen steht die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Kindesmissbrauch und CSEC. Langfristiges Ziel ist es, dass die Gemeinschaft einen aktiven Beitrag zur Prävention leistet und Fälle von Kindesmissbrauch den zuständigen Regierungsinstitutionen, Gemeindebüros oder NRO meldet. Dazu wurden z.B. 24-stündige Hotlines und Kriseninterventionszentren eingerichtet. Zur Bekämpfung von CSEC im Tourismus wurde das Tourismusministerium mit der Entwicklung von Modulen zum Schutz von Kindern betraut, die zur Bewusstseinsstärkung innerhalb der Branche beitragen sollen.

Die Schutzmaßnahmen vor CSEC umfassen die Einrichtung von Auffangstationen und Heimen sowie die Etablierung von Mediationsprogrammen für problematische Familien zum Schutz von Kindern und Frauen vor häuslicher Gewalt und Missbrauch. Zu den Bereichen Genesung und Reintegration gehört der Aufbau von Therapiezentren und die Entwicklung von Trainingsprogrammen für die Weiterbildung von Sozialarbeitern und Psychologen in neuen Therapiemaßnahmen. Landesweite "Quick Response Teams" - bestehend aus Sozialarbeitern, Polizeibeamten, Gemeindeführern, Ärzten, Psychologen und Anwälten - sollen darüber hinaus medizinische, psychologische sowie rechtliche Unterstützung für sozial benachteiligte CSEC-Opfer gewährleisten. Auch kooperieren Sozial- und Justizministerium bei Zeugenschutzprogrammen, um die Rechte und den Schutz der Opfer und ihrer Familien zu wahren.

Partizipation von Kindern und Jugendlichen: Der Partizipation von Kindern und Jugendlichen bei der Entwicklung und Durchführung von Programmen gegen CSEC kommt in den Philippinen ein hoher Stellenwert zu. Als Ergänzung zum offiziellen Aktionsplan entwickelten philippinische Kinder und Jugendliche 1999 einen eigenen Aktionsplan gegen CSEC, für dessen Umsetzung sie landesweit Monitoringstrukturen aufbauen. Ein Beispiel für Aufklärungsmaßnahmen von Kindern für Kinder ist die 30-minütige Radiosendung Tingog sa Kabataan (Stimme der Kinder), die sonntags von einem Radiosender in Cebu City ausgestrahlt wird. Produziert wird sie von CSEC-Opfern, die in der Sendung über potenzielle Gefahren in der Region informieren. Die Sendung hat sich als effektives Mittel zur Bewusstseinsstärkung für Kinderrechte und CSEC erwiesen. Zudem produzierten Jugendliche ein Video über Kinderhandel, das zur Aufklärung in Schulen und Gemeinden eingesetzt wird.

Gesetzgebung: Als sich Mitte der achtziger Jahre mit dem Sextourismus die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern zuspitzte, wurde die Notwendigkeit erkannt, den Schutz von Kindern in der Gesetzgebung, die sich in der Vergangenheit in erster Linie auf den Bereich der Kinderarbeit bezog, um Gesetze gegen CSEC zu erweitern. Im Zentrum der Rechtsprechung zu CSEC steht das Gesetz zum speziellen Schutz von Kindern gegen Kindesmissbrauch, Ausbeutung und Diskriminierung von 1992. Es bildet bis heute die Grundlage zum Schutz von Kindern gegen CSEC und wurde mehrfach ergänzt. Erarbeitet wurde die Gesetzesvorlage in Kooperation von Regierung und nichtstaatlichen Kinderschutzexperten und Aktivisten, die aufgrund ihrer Basisarbeit über die für das Gesetz notwendigen Hintergrundinformationen verfügten, aus denen sie - im Sinne der UNO-Kinderrechtskonvention - die speziellen Bedürfnisse philippinischer Kinder ableiteten. Es umfasst den Schutz von Kindern vor Kinderprostitution und anderen Formen des Missbrauchs, Kinderhandel und -pornographie und zielt auf alle Personen (einschließlich der Familienangehörigen), die in irgendeiner Weise mit der Ausbeutung des Kindes in Verbindung stehen.

Aufgrund der globalen Dimension von Frauen- und Kinderhandel erhöhte sich der Druck auf die Regierung, die Rechtsprechung in diesem Bereich zu erweitern. Das Anti-Menschenhandels-Gesetz von Mai 2003 bietet Opfern bessere Möglichkeiten, gegen ihre Peiniger vorzugehen. Es gilt als Meilenstein für den Schutz von Frauen und Kindern, da es die notwendigen institutionellen Mechanismen bereitstellt, sie gegen Menschenhandel zu schützen und zu unterstützen. Es legt fest, dass Opfer von Menschenhandel nicht für Straftaten zur Rechenschaft gezogen werden können, die mit dem Menschenhandel in direktem Zusammenhang stehen. Menschenhandel wird im Gesetz im weitesten Sinne interpretiert: Er umfasst die Rekrutierung, den Transport und den Erhalt von Personen mit oder ohne deren Zustimmung oder Wissen.

Im Dezember 2003 wurde das Gesetz gegen CSEC von 1992 um das Gesetz gegen Kinderarbeit ergänzt. Damit sind die Philippinen weltweit das erste Land, das die ILO-Konvention 182 zu den schlimmsten Formen der Kinderarbeit (2000) in Form eines Modellgesetzes in nationale Rechtsprechung übertragen hat. Es stellt Sklaverei, Kinderprostitution, Drogenhandel und alle anderen Formen von Gesundheit, Sicherheit und Moral gefährdender Kinderarbeit unter Strafe und verbietet strikt die Anstellung von Kindern unter 15 Jahren, ausgenommen, wenn diese unter Aufsicht ihrer Eltern stehen, sich ihre Arbeitszeiten im Rahmen halten und ihre Schulbildung gewährleistet wird.

Jüngste Entwicklungen: Zur Förderung lokaler Mechanismen zur Prävention und zum Schutz von Kindern vor Kinderhandel lancierte ECPAT Philippines im Dezember 2003 die Kampagne "Philippinen gegen Kinderhandel" (Philippines Against Child Trafficking/ PACT). Dazu organisierten die PACT-Partner landesweite Konferenzen, Informationsveranstaltungen, Diskussionsforen und Paraden. Um eine möglichst große Breitenwirkung zu erzielen, wurden Medien, Künstler, Gemeinden, Schulen, internationale Organisationen, Botschaften und Kirchen einbezogen. Zum dritten Jahrestag der Unterzeichnung des UN-Protokolls zur Abschaffung von Frauen- und Kinderhandel organisierte PACT am 12. Dezember 2003 einen nationalen Tag gegen den Kinderhandel. Zur Institutionalisierung der Aufklärungskampagne setzt sich PACT dafür ein, den Tag durch eine präsidentielle Verfügung zum Nationalen Tag gegen Kinderhandel zu erklären. Dieser soll jährlich an die Unterzeichnung des Protokolls erinnern und zur weiteren Bewusstseinsstärkung in der Öffentlichkeit beitragen.

Ausblick

Im vergangenen Jahr hat sich gezeigt, dass die Philippinen mit dem Aktionsplan gegen CSEC erste wichtige Schritte unternommen haben, das Problem zu bekämpfen. Durch die breite Palette an Maßnahmen gegen CSEC sind die Philippinen in Südostasien führend. Auch die Gesetzgebung nähert sich im Bereich der Kinderrechte internationalen Standards.

Doch trotz der Fortschritte bleiben Kinderhandel, Kinderprostitution und der Missbrauch Minderjähriger in der Pornographie traurige Realität. Denn die Lebenssituation der für CSEC besonders anfälligen Gruppen - Kinder und Jugendliche aus den ärmsten Teilen der Bevölkerung - hat sich nicht verbessert. Solange sich der Teufelskreis von Armut, Mangel an Bildung, interregionaler Migration, rapider Urbanisierung, schwieriger werdenden Lebensbedingungen, innerfamiliären Konflikten und Verfall von Familienstrukturen weiter verschärft und sich den Kindern und ihren Familien keine Perspektiven bieten, bilden die Maßnahmen gegen CSEC nur einen Tropfen auf dem heißen Stein. Daran wird sich nichts ändern, wenn der philippinische Staat nicht endlich seine Pflicht- und Schutzfunktion wahrnimmt, die er insbesondere der jungen Generation gegenüber hat, die heute fast 50 Prozent der Bevölkerung ausmacht.

Hinzu kommt, dass die Umsetzung der neuen Gesetze zum Schutz vor CSEC weitreichende Mängel aufweist. Hauptgründe sind fehlendes Problembewusstsein und Korruption in Polizei, Militär und öffentlicher Verwaltung. Denn obwohl das Kindesmissbrauchsgesetz jeden betrifft, der in irgendeiner Weise in Kinderprostitution involviert ist, ist in Polizeikreisen noch immer die Meinung verbreitet, dass man für Zuhälterei allein nicht verhaftet werden kann. Opfer von CSEC werden zwar gerettet, Straftäter kommen aber in vielen Fällen noch immer mit einer Geldstrafe oder durch Bestechung davon und können weiter ihrem Geschäft mit dem Kindersex nachgehen. Da sich dieses aufgrund der strengeren Gesetze in den Untergrund verlagert, entwickeln die Anbieter neue Modi Operandi, die sie sich bei Polizei und öffentlicher Verwaltung erkaufen. So werden z.B. Nachtklubs zu Videoke-Bars und Internetcafes umfunktioniert. Auch besteht weiterhin das Problem, dass Geschäftsleute und Behörden sexuelle Dienstleistungen für Touristen als notwendigen Beitrag zur Entwicklung des Tourismus sehen.

Die von UNICEF und anderen Gebern inspirierte "Kinder-zuerst"-Politik mit dem Ziel einer kinderfreundlichen Gesellschaft, die seit der Ratifikation der Kinderrechtskonvention im August 1990 von den philippinischen Regierungen propagiert wird, wurde bis heute nicht umgesetzt. Stattdessen werden grobe Menschenrechtsverletzungen, die tagtäglich an Kindern begangen werden, toleriert, wenn nicht sogar gefördert. Die Philippinen können ihrem guten Ruf als Vorreiter im Kampf gegen CSEC nur dann gerecht werden, wenn an den Ursachen des Problems gearbeitet wird. Um die Situation der jungen Generation nachhaltig zu verbessern, ist es dringend notwendig, die strukturellen Probleme von Staat und Gesellschaft anzugehen: das heißt, die Wirtschafts- und Sozialpolitik zu modifizieren, den Zugang zu Bildung universal erreichbar zu machen, die Umsetzung von Gesetzen zu realisieren, die Korruption zu bekämpfen und langfristig ein System der sozialen Kontrolle zu entwickeln. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Internet-Hinweise der Autorin
End Child Prostitution, Child Pornography and Trafficking of Children for Sexual Purposes/ECPAT:
Externer Link: www.ecpat.net

Arbeitsgemeinschaft zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung, ECPAT Deutschland, e.V.:
Externer Link: www.ecpat.de

World Congress Against Commercial Sexual Exploitation of Children:
Externer Link: www.csecworldcongress.org/en

Asia ACTs Against Child Trafficking:
Externer Link: www.stopchildtrafficking.info

Fussnoten

Fußnoten

  1. Informationen zur Southeast Asian Conference on the Trafficking in Children for Sexual Purposes (28.-30.3. 2004) unter www.childconference.org (Zugriff am 15.3. 2004).

  2. Zur Entwicklung von CSEC vgl. Council for the Welfare of Children, Framework of Action Against Commercial Sexual Exploitation of Children - A Vision and Framework for Action 2000 - 2004, Manila 2000, S. 8.

  3. So z.B. in Indonesien. Vgl. Tina Pfeiffer, Im Kampf gegen kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern - Indonesien wächst aus seinen Kinderschuhen, in: Südostasien aktuell, 22 (2003) 5, S. 475 - 482.

  4. Die Stockholm-Folgekonferenz fand im Dezember 2001 in Yokohama, Japan, statt. Initiiert wurden die Weltkongresse u.a. von der Kampagne "Stoppt Kinderprostitution im asiatischen Tourismus" (End Child Prostitution in Asian Tourism, ECPAT). Aufgrund der globalen Dimension von CSEC erhielt sie 1996 den Status einer internationalen NRO (Nichtregierungsorganisation), die heute über 300 Mitgliedsorganisationen in allen Weltteilen vereint. ECPAT steht seitdem für "End Child Prostitution, Child Pornography and Trafficking of Children for Sexual Purposes".

  5. Vgl. ECPAT, Online Database, www.ecpat.net/eng/Ecpat_inter/projects/monitoring/online-database/index.asp (Zugriff am 20.3.2004).

  6. Zu Thailand vgl. Martina Timmermann, Thailand - Vorreiter im Kampf gegen Kinderhandel und Kinderprostitution, in: dies./Tina Pfeiffer (Hrsg.), Im Kampf gegen Kinderhandel und Kinderprostitution. Japan, Thailand, Indonesien, Philippinen. Sammelband und Bibliographie, Hamburg 2004.

  7. Vgl. Agnes Miclat-Cacayan, "The Little Birds of Prey": Two Faces of the Prostituted Filipino Girl Child. KABIBA Alliance for Children's Concerns Occasional Paper, Davao City 1998, S. 3.

  8. Zu den Faktoren vgl. Asia ACTs, Country Profile Philippines, in: Asia ACTs, Asia's Children in Peril. A Regional Study on Child Trafficking, Quezon City 2002, S. 7ff.

  9. Nach Angaben der NRO "Visayan Forum Foundation" erreichen jährlich ca. 2,5 Millionen Filipinas zwischen 14 und 22 Jahren auf der Suche nach Arbeit den Hafen von Manila. Die meisten von ihnen kommen aus den südlichen Provinzen Visayas und Mindanao und wurden Opfer von Schleppern oder Agenten. Vgl. Cecilia Flores-Oebanda, Internal Trafficking of Children: The Continuing Experience at the Manila Harbor, Manila 2001, S. 1.

  10. "Asia ACTs" ist die südostasiatische Sektion der internationalen Kampagne gegen Kinderhandel (International Campaign against Child Trafficking, ICaCT), die im Oktober 2001 u.a. von Terre des Hommes Deutschland und der internationalen Föderation von Terre des Hommes ins Leben gerufen wurde.

  11. Vgl. Angaben nach Asia ACTs (Anm. 8), S. 12 f.

  12. Council for the Welfare of Children, State of Filipino Children 2002, Quezon City 2002, S. 49.

  13. Vgl. Rosario Del Rosario (Hrsg.), Child Labor in the Philippines - A Review of Selected Studies and Policy Papers, Quezon City 2000, S. 84.

  14. Die so genannte "weiße Sklaverei", bei der Mädchen und junge Frauen in Bordellen durch Einschüchterung und psychischen Druck zur Arbeit als Sexsklavinnen gezwungen werden, ist eine der schlimmsten Formen der Prostitution.

  15. Tagalog barkada: Bande, Clique

  16. Cebuano buntog: eine nachtaktive Wachtelart. Hier beschreibt der Begriff die sexuelle Sprunghaftigkeit Jugendlicher, vgl. A. Miclat-Cacayan (Anm. 7).

  17. Tagalog akyat: klettern, barko: Schiff, Boot. Vgl. Notre Dame University Socio-Economic Research Center/Department of Labor & Employment Region XII, Situational Analysis on Child Prostitution in Iligan City, o.O. 1998, S. 7; www.childprotection.org.ph/monthlyfeatures/oct2k2a.doc (Zugriff am 5.4.2004).

  18. Von engl. tuition: Schulgeld.

  19. Vergleichbar mit dem enjo kôsai (bezahltes Dating) in Japan, bei dem Jugendliche aus der Mittelklasse durch sexuelle Dienste ihr Taschengeld aufbessern. Vgl. Martina Timmermann, Japan und der Zweite Weltkongress gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern, in: Japan aktuell, 10 (2002) 1, S. 51 - 60.

  20. Zit. nach ECPAT, Online Database (Anm. 5), Philippines - Child Pornography.

  21. So führt z.B. UNICEF in Kooperation mit der Regierung seit den siebziger Jahren "Country Programmes for Children" durch und kooperiert mit verschiedenen Sektoren bei der Entwicklung von Programmen zur Implementierung von Kinderrechten im Sinne der Kinderrechtskonvention (1989). Seit 1994 sind die Philippinen Partner des ILO-Programms gegen Kinderarbeit (International Programme on the Elimination of Child Labour/IPEC).

  22. Bei der Vorbereitung und Realisierung der beiden Weltkongresse gegen CSEC gehörten philippinische NRO-Vertreter zu den führenden Aktivisten.

  23. Die Studie erschien als UNICEF/Department of Social Welfare and Development, Commercial Sexual Exploitation of Children in the Philippines: A Situation Analysis, Manila 1998.

  24. Vgl. US probes child pornography, sex tourism in Asia, in: Manila Times Online vom 16.1. 2004.

  25. Zum Gesetzgebungsprozess mit einer detaillierten Zusammenstellung der relevanten Gesetze gegen CSEC, die an dieser Stelle nicht geleistet werden kann, siehe Martina Timmermann/Tina Pfeiffer, Die Philippinen im Kampf gegen Kinderhandel und Kinderprostitution - Ein Prozess der Bewusstseinsbildung, in: dies. (Anm. 6).

M.A., geb. 1977; Studium der Politikwissenschaft und der Französischen Philologie an der Universität Trier; 2000 bis 2003 Mitarbeiterin im DFG-Projekt "Die Menschenrechtspolitiken Japans, Indonesiens und der Philippinen: Spiegel 'asiatischer Identität'?"; Mai 2002 Forschungsaufenthalt in Manila, Philippinen; 2003 Magisterarbeit über "Nachhaltige Entwicklung marginalisierter Gruppen durch Bildung? Eine Untersuchung von Bildungsprojekten am Fallbeispiel der 'Straßenkinder' von Metropolitan Manila".
Anschrift: Bahnhofstraße 10, 37276 Meinhard Frieda.
E-Mail: E-Mail Link: pfeiffertina@web.de

Veröffentlichung u.a.: (Hrsg. zus. mit Martina Timmermann) Im Kampf gegen Kinderhandel und Kinderprostitution. Japan, Thailand, Indonesien, Philippinen. Sammelband und Bibliographie, Hamburg 2004.