Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Editorial | China | bpb.de

China Editorial Chinas zivilgesellschaftliche Entwicklung: Von Massen zu Bürgern? Chinas neuer Kapitalismus: Wachstum ohne Ende? Zwischen kultureller Anpassung und Autonomie: Nationale Minderheiten in China "Chinas Mona Lisa" - Zur Geschichte des Mao-Porträts und seiner globalen Rezeption "Großartiges Reich der Mitte": Zur Aktualität chinesischer Mythen Chinas Aufstieg - eine Herausforderung für den "Westen" Gemeinsam mehr. Wege für eine chinesisch-europäische Zusammenarbeit in Afrika?

Editorial

Asiye Öztürk

/ 2 Minuten zu lesen

China kann auch im Jahr 2010 mit einem Wirtschaftswachstumvon zehn Prozent rechnen. Doch zeigen sich auch die Schattenseiten der raschen Modernisierung. Individuelle Freiheiten und der Zugang zu staatlichen Ressourcen sind bislang nur einer exklusiven Gruppe vorbehalten. Der Großteil der Gesellschaft, insbesondere die Landbevölkerung, lebt am Existenzminimum.

Es könnte auch "Incredible China" heißen: China hat 2009 den langjährigen Exportweltmeister Deutschland auf den zweiten Platz verwiesen und Japan als zweitgrößte Volkswirtschaft überholt. In diesem Jahr kann es mit einem Wirtschaftswachstum von etwa zehn Prozent rechnen. Eine immer stärkere Professionalisierung in Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Forschung trägt dazu bei, die "enormen Potenziale" des riesigen Landes besser zu nutzen. Der materielle Erfolg spiegelt sich im zunehmenden Selbstbewusstsein des "Drachen" wider. Während der internationale Einfluss des Landes zunimmt, emanzipiert sich im Inneren die wachsende Mittelklasse: Mit der Zunahme der individuellen Autonomie in der Privatsphäre steigen auch ihre Ansprüche und Erwartungen.

Doch zeigen sich hier auch die Schattenseiten der raschen Modernisierung. Individuelle Freiheiten und der Zugang zu staatlichen Ressourcen sind bislang nur einer exklusiven Gruppe vorbehalten. Der Großteil der Gesellschaft, insbesondere die Landbevölkerung, lebt am Existenzminimum. Auch und gerade Stimmen aus China rufen nach einer Neudefinition des Verhältnisses zwischen individuellen Freiheiten und kollektiver Stabilität und Wohlstand - zuletzt deutlich geworden bei den Arbeitskämpfen von Beschäftigten in der Industrie im Sommer 2010. Die Öffnungs- und Reformpolitik im wirtschaftlichen Bereich stieß einen Wandel an, der auch Anpassungen im Politischen notwendig macht. Hier gibt es noch große Defizite: Presse-, Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit geraten angesichts staatlicher Restriktionen zur Farce. So ist China nach wie vor das Land mit den weltweit meisten Hinrichtungen.

Doch kann die Geschwindigkeit, in der eine so große Gesellschaft wie die Chinas sich modernisiert und "zivilisiert", nicht von außen vorgegeben werden. Erfahrungen aus der europäischen Geschichte können zwar als Orientierung, aber selten als Maßstab dienen.