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Gemeinsam mehr. Wege für eine chinesisch-europäische Zusammenarbeit in Afrika?

Jin Ling

/ 14 Minuten zu lesen

Chinas Präsenz in Afrika wird in der EU mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Trotz unterschiedlicher Ansätze entwickeln sich Potenziale für eine chinesisch-europäische Kooperation auf Augenhöhe mit den afrikanischen Partnern.

Einleitung

Chinas Engagement auf dem afrikanischen Kontinent ist bei chinesisch-europäischen Treffen zu einem der wichtigsten Themen geworden. Auf dem 9. China-EU-Gipfel im Jahr 2006 wurde Afrika erstmals in der gemeinsamen Erklärung erwähnt: Beide Seiten vereinbarten, Wege praktischer Zusammenarbeit in Afrika in Fragen wie der Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit und dem Erreichen der Millennium-Entwicklungsziele zu finden. Die Realität hat aber gezeigt, dass es angesichts unterschiedlicher Wahrnehmungen und Einschätzungen des Engagements der jeweils anderen Seite schwierig ist, über die verschiedenen Grundsätze hinweg eine wirkliche Zusammenarbeit zu beginnen.

Grundsätze und Prinzipien der Afrikapolitik Chinas

Anfang 2006 hatte China erstmals seine Strategie für Afrika veröffentlicht und die offiziellen Grundsätze seiner Afrikapolitik dargelegt: (1) Aufrichtigkeit, Freundschaft und Gleichheit, (2) beiderseitiger Nutzen, Reziprozität (Prinzip der Gegenseitigkeit) und allgemeiner Wohlstand, (3) gegenseitige Unterstützung und enge Koordinierung, (4) voneinander Lernen und Streben nach allgemeiner Entwicklung. Im historischen Vergleich sind die vorgestellten Prinzipien umfassender und strategieorientierter als die bis dahin gültigen. Sie reflektieren nicht nur die Kontinuität der chinesischen Afrikapolitik, sondern auch Anpassungen an die veränderten Rahmenbedingungen.

Vor diesem Hintergrund geht es im Folgenden darum, durch eine Darstellung der Entwicklung von Chinas Engagement in Afrika das europäische Verständnis für dessen Hintergründe und Intentionen zu vergrößern. Anschließend sollen aus chinesischer Sicht Folgerungen für eine Kooperation zwischen China und der EU diskutiert werden.

Kontinuität in den chinesisch-afrikanischen Beziehungen: Aufrichtigkeit, Freundschaft und Gleichheit.

Im Grundsatzpapier von 2006 werden diese Prinzipien am stärksten betont. Sie gelten als Fortführung der "Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz", die seit spätestens 1954 offizielle Leitlinien der chinesischen Außenpolitik sind. Dazu gehören: (1) gegenseitige Achtung der territorialen Integrität und Souveränität, (2) gegenseitiger Nichtangriff, (3) gegenseitige Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, (4) Gleichberechtigung und beiderseitiger Nutzen sowie (5) friedliche Koexistenz. Auf dem 3. Gipfel des China-Afrika-Kooperationsforums (Forum on China-Africa Cooperation, FOCAC) 2006 in Peking erklärte der chinesische Staatspräsident Hu Jintao dazu: "Aufrichtigkeit und Freundschaft sind die solide Grundlage der Beziehungen zwischen China und Afrika, Gleichheit ist der Garant für gegenseitiges Vertrauen. Beide Seiten respektieren den Entwicklungsweg und die Angelegenheiten der jeweils anderen Seite." Aufgrund ähnlicher historischer Erfahrungen mit dem Kolonialismus haben China und die Staaten Afrikas stets Sympathie füreinander gehegt, einander im Kampf für die nationale Befreiung unterstützt und einen freundschaftlichen Umgang miteinander gepflegt.

Durch die Verfolgung dieser Grundsätze gelang es China, viele "Herzen und Köpfe" in den afrikanischen Staaten zu gewinnen. Denn im Gegensatz zu traditionellen "westlichen" Geberländern, die als "Retter und Beschützer" Afrikas auftraten, bestanden China und seine afrikanischen Partner auf Kooperation auf Augenhöhe: China stellte zwar Angebote für die Entwicklung Afrikas zur Verfügung, jedoch ohne dass die Beziehungen einem "Geber-Empfänger"-Prinzip folgten, in dem sich afrikanische Staaten unterlegen fühlten. Wichtigstes Merkmal war beispielsweise, dass die Angebote nicht konditioniert waren, was den afrikanischen Partnern größere Selbstständigkeit in der Umsetzung der Projekte verlieh. Da sie nicht an Vorgaben gebunden war, wirkte Chinas Hilfsleistung wesentlich attraktiver für diejenigen Afrikaner, die lange Erfahrung damit haben, nicht respektiert zu werden.

Erweiterung der chinesisch-afrikanischen

Beziehungen: beiderseitiger Nutzen, Reziprozität und allgemeiner Wohlstand.

Während des Kalten Krieges bezog sich "beiderseitiger Nutzen" noch hauptsächlich auf Chinas Wunsch, von der afrikanischen Seite politische Unterstützung auf internationaler Ebene zu bekommen. Heute dagegen, mit verändertem innenpolitischen Kontext und der neuen internationalen Position Chinas, hat sich der Bedeutungsinhalt stark erweitert: Seit 1978, als China den Weg der Reform und der politischen Öffnung einschlug, ist wirtschaftliche Entwicklung zur Hauptaufgabe der chinesischen Gesellschaft geworden. Entsprechend wurden "beiderseitiger Nutzen, Gegenseitigkeit und allgemeiner Wohlstand" zur zentralen Zielvorgabe für die Umgestaltung der Afrikapolitik Chinas, wobei sich "beiderseitiger Nutzen" nunmehr weniger auf gegenseitige politische Unterstützung als vielmehr auf wirtschaftliche Zusammenarbeit bezieht.

Nach diesem Prinzip erkundete China verschiedene Wege, über reine Hilfslieferungen für Afrika hinaus nutzbringende Zusammenarbeit zu fördern, wie durch das Instrument der konzessionären Darlehen, welches die chinesische Regierung ab Mitte der 1990er Jahre einführte: Es wurden spezielle Geldmittel bereitgestellt, um Anreize für Investitionen chinesischer Firmen in Afrika zu schaffen. 2006 wurden weitere Maßnahmen zur Förderung von Handel und Investitionen in Afrika vorgestellt wie der China-Afrika-Entwicklungsfonds, Zollfreiheit und die Einrichtung von Sonderzonen für Überseehandel und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Kurzum: Das Prinzip der Reziprozität bedeutet, dass China sich darum bemüht, neben der Verfolgung von Eigeninteressen auch das Streben der afrikanischen Staaten nach wirtschaftlicher Entwicklung und Nationenbildung zu unterstützen, auf dem Gebiet der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in verschiedenen Formen zusammenzuarbeiten und allgemeinen Wohlstand in China und Afrika zu fördern.

Verstärkt strategische Ausrichtung: Gegenseitige Unterstützung und enge Koordinierung.

Gegenseitige Unterstützung und enge Koordinierung als Zielsetzung der Afrikapolitik Chinas bringt eine strategische Dimension in die bilateralen Beziehungen. Sie zeigt nicht nur die gewachsene Bedeutung des afrikanischen Kontinents in der Welt, sondern reflektiert auch die Tatsache, dass die chinesisch-afrikanischen Beziehungen heute weit über bilaterale Fragen hinausgehen. China als das größte aller Entwicklungsländer und Afrika als der Kontinent mit der größten Konzentration von Entwicklungsländern übernehmen immer wichtigere Rollen in der globalen Regierungsführung.

Wichtiger noch ist, dass der Wandel auch ein Spiegel der gemeinsamen Anliegen in der globalisierten Welt von heute ist. China und Afrika haben über ein halbes Jahrhundert ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen aufgebaut, das für die heutige Zusammenarbeit in der globalisierten Welt eine solide Grundlage bildet. Darüber hinaus teilen China und die afrikanischen Staaten als "Entwicklungsländer" die gleiche "Identität" und stehen vor derselben Entwicklungsaufgabe, wenn auch mit verschiedenen Prioritäten. Angesichts gemeinsamer Herausforderungen wie Frieden und Entwicklung sprechen China und Afrika gewöhnlich eine gemeinsame "Sprache". So sehen beide Seiten beispielsweise den Klimawandel zuerst einmal als ein Entwicklungsproblem an, das sie in ihrer Wirtschafts- und Industriepolitik einschränkt - und keine Vereinbarung zu diesem Thema sollte auf Kosten des Rechts der Entwicklungsländer auf Entwicklung gehen. Die gleiche gemeinsame Sprache findet sich auch für Themen wie die Strukturreformen in internationalen Institutionen (beispielsweise innerhalb der Vereinten Nationen, VN) und die Doha-Runde (Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation zur Neustrukturierung des Welthandels). Die Realität zeigt aber auch, dass China und Afrika aufgrund verschiedener Prioritäten nicht notwendigerweise zu allen internationalen Fragen gemeinsame Positionen einnehmen - was wiederum die Bedeutung von enger Koordinierung hervorhebt.

Alles in allem bilden die genannten Prinzipien das Fundament der Afrikapolitik Chinas. Sie lenken die bilateralen Beziehungen in die Richtung einer neuen strategischen Partnerschaft, die politisch gegenseitiges Vertrauen, wirtschaftlich eine für beide Seiten Gewinn versprechende Kooperation und kulturell Austausch und gemeinsames Lernen bedeutet.

Chinas Engagement im Wandel

China ist in Afrika kein Neuankömmling. Bereits seit der Gründung der VR ist es dort vertreten. Beide Seiten verbinden politische Beziehungen, regelmäßige hochrangige Besuche und reger Austausch zwischen ihren Bevölkerungen. Heute genießen China und Afrika eine "Allwetterfreundschaft". Rückblickend lässt sich das Engagement in drei Phasen einteilen:

1950er Jahre bis 1978: Aufbau von Freundschaft und Vertrauen.

In dieser Phase wurde Chinas Afrikapolitik hauptsächlich vom internationalen Kontext geprägt. Damals sah sich China einer eher konfrontativen Politik der westlichen Staaten gegenüber und musste neuen diplomatischen Spielraum gewinnen, um auf internationaler Ebene als souveräner Staat seine Interessen durchsetzen zu können, während Afrika sich auf den Weg machte, Unabhängigkeit von Kolonialismus und Imperialismus zu erlangen. Beide Seiten standen vor gemeinsamen Aufgaben - Antikolonialismus, Antiimperialismus und Antihegemonialsmus -, die gegenseitige Unterstützung erforderten. In jener Zeit sagte Tansanias Präsident Julius Kambarage Nyerere stets: "Die afrikanischen Staaten sind klein, schwach und arm und werden von den westlichen Staaten nicht respektiert. Nur vereint und mit der Unterstützung von Staaten wie China können wir unsere Rolle in der Welt aufwerten." Zurückschauend können wir sagen, dass es in dieser Phase war, in welcher gegenseitiges Vertrauen aufgebaut und ein solides Fundament für die heutigen Beziehungen gelegt wurden. Diese Phase kennzeichnete sich durch folgende Merkmale:

  • Gegenseitige politische Unterstützung war für beide Seiten das wichtigste Ziel: Sie wurde aufgrund der ähnlichen Vergangenheit als kolonisierte Länder und der gemeinsamen Aufgabe der nationalen "Wiedergeburt" zum verbindenden Element. China unterstützte afrikanische Länder, die für ihre Unabhängigkeit kämpften, und Afrika unterstützte China in der Taiwan-Frage. Ein Höhepunkt war die Unterstützung, mit der Afrika der VR China im Jahr 1971 dazu verhalf, seinen Sitz in den VN zurückzuerlangen, den bis dahin die Republik China auf Taiwan inne hatte. Der damalige Vorsitzende der Kommunistischen Partei Chinas Mao Zedong wird heute noch oft zitiert mit den Worten: "Es waren afrikanische Freunde, die uns in die VN beförderten."



  • Wirtschaftshilfe galt als eine Maßnahme der Freundschaft: Angesichts der gemeinsamen Herausforderung, unterdrückten Völkern zur Unabhängigkeit zu verhelfen, stand China in der Pflicht, trotz des großen wirtschaftlichen Drucks im eigenen Land, Hilfe leisten zu müssen. Gegen Ende der 1970er Jahre erreichte Chinas Afrika-Hilfe einen Umfang von 2,476 Milliarden US-Dollar, die in 36 afrikanischen Staaten mehr als 200 Projekte finanzierten. Höhepunkt war der Bau der Eisenbahnverbindung zwischen Sambia und Tansania, die "Eisenbahn der Freiheit und Freundschaft", deren Kosten von 455 Millionen US-Dollar eigentlich weit über den Möglichkeiten Chinas lagen.



  • "Bilaterale Freundschaft" wurde zum Schlagwort der Afrikapolitik Chinas: Wegen seiner uneigennützigen Hilfe, besonders aber wegen der Leistungsfähigkeit der entsandten medizinischen Einsatzkräfte und anderer Entwicklungshelfer konnte sich China als Helfer in Afrika einen guten Namen machen.

Von 1978 bis 2000: Transformation der Beziehungen.

Verglichen mit der ersten Phase wurden die Beziehungen in dieser Phase hauptsächlich von innenpolitischen Faktoren in China bestimmt. Seit 1978 begann das Land den Prozess der Reform und Öffnung. Wirtschaftliche Entwicklung zur zentralen nationalen Aufgabe und dementsprechend wandelte sich auch die Afrikapolitik Chinas von gegenseitiger politischer Unterstützung zu wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Allgemein wird diese Phase weithin als Transformationsphase der chinesischen Außenbeziehungen angesehen. Die Transformation zeigte sich in folgenden Aspekten:

  • Es gab eine Verschiebung der Schwerpunkte in der Afrikapolitik von Politik hin zu wirtschaftlicher Entwicklung: Der neue Ansatz wurde erstmals vorgestellt vom damaligen Premierminister Zhao Ziyang während seines Afrikabesuchs im Dezember 1982. Zhao stellte die vier Prinzipien (1) Gleichheit und beiderseitiger Nutzen, (2) Effektivität, (3) Vielfalt der Methoden und (4) gemeinsame Entwicklung vor. Dabei reflektierten Gleichheit und beiderseitiger Nutzen die Kontinuität der chinesischen Afrikapolitik, die anderen drei Prinzipien waren neue Elemente. Das Prinzip der Effektivität kündigte den Wechsel von einer "Hilfe ohne Kostenkalkulation" (im Sinne von eher punktuellen Hilfsleistungen) zu "nachhaltiger Hilfe" an, und Vielfalt der Methoden bedeutete, das Verhältnis nicht mehr nur auf Hilfsleistungen zu gründen, sondern darüber hinaus auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit auszubauen - zu beiderseitigem Nutzen, was sich im Prinzip der gemeinsamen Entwicklung widerspiegelte.



  • Es kam zum Wechsel von hilfezentrierter wirtschaftlicher Kooperation (das heißt Wirtschaftsleistungen, die primär akute Missstände beheben sollten) zu einer für beide Seiten gewinnbringenden wirtschaftlichen Kooperation: Auf seinem eigenen Entwicklungsweg hatte China die Erfahrung gemacht, dass Hilfe von außen allein nicht zu Entwicklung führt. Daher erkundete man neue Wege, um mehr Geld und andere Ressourcen in die "durstigen" afrikanischen Märkte fließen zu lassen. 1992 führte China eine sozialistische Marktwirtschaft ein. Drei Jahre darauf stellte es ein neues Finanzinstrument vor, konzessionäre Darlehen für chinesische Unternehmen. Die Kooperation hatte somit eine zweifache Intention: Auf chinesischer Seite wurde internationales Engagement chinesischer Firmen gefördert, auf afrikanischer Seite wurden finanzielle Lücken geschlossen, welche bis dahin Investitionen in die wirtschaftliche Infrastruktur verhinderten. Daneben wurde der bilaterale Handel ausgebaut.



  • Der Aufbau einer zukunftsorientierten mehrdimensionalen Partnerschaft wurde vorangetrieben: Obwohl der Schwerpunkt auf der wirtschaftlichen Kooperation lag, gestalteten sich die chinesisch-afrikanischen Beziehungen während der 1990er Jahre zunehmend umfassender und zukunftsorientierter. Seither hat China großen Wert auf politischen und kulturellen Austausch gelegt. So ist Afrika seit 1996 stets das erste Ziel von Auslandsreisen des chinesischen Außenministers gewesen. Und um afrikanischen Diplomaten China näher zu bringen, lädt die chinesische Regierung regelmäßig Vertreter der diplomatischen Korps zur Teilnahme an Symposien und zum Meinungs- und Erfahrungsaustausch über Entwicklungsthemen ein.

Von 2000 bis heute: strategische, umfassende und gereifte Beziehungen.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts lassen sich die bilateralen Beziehungen als gereift, strategisch und umfassend beschreiben. Nach über einem halben Jahrhundert sind sie in eine neue Phase eingetreten, die alle Ebenen und Themenbereiche einschließt. Zentrales Zeichen dieser gereiften Beziehungen sind die bewährten und institutionalisierten Instrumente des China-Afrika-Kooperationsforums (FOCAC), die eine effektive Plattform für eine routinierte Zusammenarbeit bieten. Weitere Kennzeichen dieser Phase sind folgende Wesensmerkmale:

  • Die sich weiterentwickelnden chinesisch-afrikanischen Beziehungen gelten aus der Warte Chinas als strategische Partnerschaft im Rahmen der Süd-Süd-Beziehungen: Noch auf dem 1. FOCAC-Gipfel im Jahr 2000 in Peking wurde das Verhältnis als eine "langfristige und stabile Partnerschaft" beschrieben; auf dem Gipfel von 2006 ging es einen Schritt weiter zur "strategischen Partnerschaft neuen Typs zwischen China und Afrika". Stärkster Indikator für diesen Trend ist das steigende Handelsvolumen zwischen beiden Seiten: Während es im Jahr 1998 bei 5,5 Milliarden US-Dollar und im Jahr 2000 bei zehn Milliarden US-Dollar lag, waren es 2005 bereits knapp 40 Milliarden und einer jährlichen Steigerungsrate von 30 Prozent. Für die chinesische Wirtschaft sind die Rohstoffe aus Afrika überlebensnotwendig und afrikanische Märkte wichtige Absatzmärkte, während China zu einem bedeutenden Investor auf dem Kontinent aufgestiegen ist.



  • Es findet eine rasante Ausdehnung der bilateralen Beziehungen statt, die alle Seiten, Ebenen und Sektoren einschließt: Neben einer Expansion in Handel und Wirtschaftsbereichen sowie einer zunehmenden Koordinierung der Positionen in der Sicherheits- und internationalen Politik haben China und die afrikanischen Staaten sich dazu entschieden, auch ihre "Zusammenarbeit in Wirtschaft, Handel, Finanzen, Landwirtschaft, Gesundheitsfürsorge und Gesundheitswesen, Wissenschaft und Technologie, Kultur, Ausbildung, Entwicklung und Förderung des Arbeitskräftepotenzials, Transport, Umwelt, Tourismus und anderen Bereichen energisch weiter auszubauen". Das spiegelt sich im Anstieg der chinesischen Präsenz in Afrika wider.



  • Ausgereifte Mechanismen garantieren langfristige und nachhaltige Beziehungen: Inzwischen haben sich die chinesisch-afrikanischen Beziehungen durch Kooperationsmechanismen auf verschiedenen Ebenen zu Routineabläufen entwickelt. Dazu gehören beispielsweise abwechselnd in China und Afrika stattfindende Ministertreffen alle drei Jahre und Treffen hochrangiger Funktionäre alle zwei Jahre. Außerdem wurden zwischen China und afrikanischen Staaten zur weiteren Regulierung der Zusammenarbeit zahlreiche bilaterale Vereinbarungen unterzeichnet.

Folgerungen für die chinesisch-europäische Zusammenarbeit in Afrika

Sowohl in den politischen als auch akademischen chinesisch-europäischen Debatten über Afrika herrscht Konsens darüber, dass beide Seiten im Hinblick auf Friedenssicherung, Sicherheit, nachhaltige Entwicklung und die Garantie des ownership der afrikanischen Staaten (das heißt ihrer Eigenverantwortung und Beteiligung an entwicklungspolitischen Entscheidungsprozessen) ähnliche Ansichten vertreten. Jedoch gibt es darüber, wie diese Ziele zu erreichen sind, nach wie vor Meinungsverschiedenheiten, die eine umfassende Zusammenarbeit zwischen China und der EU in Afrika blockieren. Europäische Kritik zielt vor allem auf die nicht konditionalisierte Hilfsleistung Chinas. Hinzu kommt, dass eine Reihe von Fehleinschätzungen und Vorurteilen über die Afrikapolitik der jeweils anderen Seite bestehen, die regelmäßig zu Misstrauen und Missverständnissen führen. Angesichts dessen ist es an der Zeit, die Einschätzung beiseite zu schieben, dass es hier primär um Systemkonkurrenz ginge, und sich auf die Gemeinsamkeiten zu konzentrieren.

Logik hinter der Afrikapolitik der jeweils

anderen Seite verstehen:

Die verschiedenen Ansätze in der Afrikapolitik der EU und Chinas widersprechen sich nicht notwendigerweise. Die Differenzen rühren von den jeweils unterschiedlichen Entwicklungsmodellen, Entwicklungsstufen und verschiedenen Erfahrungen in der Entwicklungshilfe in Afrika her. Allgemein gesprochen, ist die Politik Chinas als Entwicklungsland eher auf wirtschaftliche Entwicklung ausgerichtet, während die EU sich eher institutionellen Reformen und der Politik zuwendet. Beide sind sich jedoch darin einig, dass keine äußere Macht das Patentrezept für Afrikas Probleme besitzt, und dass Entwicklung niemals allein von außen bewirkt werden kann. Sowohl die EU als auch China bieten verschiedene Entwicklungsmodelle und Erfahrungen mit Entwicklung an, die für Afrika nutzbringend sein können.

Selbstkritik gegenüber der eigenen Afrikapolitik:

Um dem Ziel der Entwicklung Afrikas besser zu dienen, müssen sowohl China als auch die EU einen selbstkritischeren Standpunkt gegenüber ihren jeweiligen Strategien für Afrika einnehmen. Beide Ansätze stehen kurzfristig und langfristig vor bestimmten Problemen. Für die europäischen Staaten bestehen die Herausforderungen in den Fragen, wie sie als ehemalige Kolonialherren ihr Image als ein Partner "auf Augenhöhe" in Afrika wiederherstellen und wie sie ihre eigenen politischen Ziele mit den Erfordernissen für die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas in Einklang bringen, das heißt sicherheits- und entwicklungspolitische Zielkonflikte auflösen können. Dabei muss über zwei Fragen ernsthaft nachgedacht werden: Warum ist für afrikanische Partner das Thema der Souveränität so wichtig? Warum kommt es zu so großen Missverständen, was die Umsetzung des ownership-Prinzips angeht: Wie kann es sein, dass die EU das Prinzip angewandt sieht, während viele afrikanische Partner sich bei den Entscheidungsprozessen im Rahmen der Hilfsprojekte nicht beteiligt beziehungsweise involviert fühlen?

Für China sind die wichtigsten Herausforderungen folgende: Chinesische Firmen sind bekannt und werden geschätzt für ihre schnellen Lieferungen, was vor allem an der Arbeitseffizienz und -kapazität in chinesischen Betrieben liegt. Problematisch ist allerdings, dass kaum Kapazitäten vor Ort (das heißt in den afrikanischen Staaten) aufgebaut oder die lokalen Arbeitsmärkte gestützt werden und auch kaum Technologietransfer stattfindet. Wie können daher die verschiedenen chinesischen Akteure in Afrika am besten koordiniert werden, besonders was die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards anbetrifft? Und eine grundsätzliche Frage: Wie können Dialogmechanismen auf der Ebene der Afrikanischen Union und ihrer Mitgliedstaaten angestrebt werden, ohne das Prinzip der Nichteinmischung zu verletzen?

Pragmatische und flexible Kooperation

Ein Blick auf die Herausforderungen zeigt, dass beide, sowohl China als auch die EU, verschiedene Vorteile in ihrem Vorgehen, aber auch Erfahrungsschätze und Wissensbestände haben; diese könnten in institutionalisierten Austauschmechanismen systematisch zusammengeführt werden. Bei der Konzeption einer möglichen Zusammenarbeit müssen praktische, pragmatische und flexible Vorgehensweisen gefunden werden. Man könnte zunächst mit gemeinsamen Forschungsprogrammen beginnen, an denen Mitglieder aus China, der EU und Afrika beteiligt sind. Gemeinsame Forschung bietet außerdem die Gelegenheit, Defizite beim Fachwissen zu überbrücken und durch mögliche Feldstudien zu umfassenden und ausgewogenen Beurteilungen der jeweils anderen Strategie zu gelangen. Zweitens würde ein wichtiger Ansatz zur Förderung des Erfahrungsaustauschs darin bestehen, dass auf der Ebene der Politikgestaltung Möglichkeiten zur Einrichtung von Austauschprogrammen für die Funktionäre aus involvierten Fachbereichen geprüft werden. Drittens sollte, sobald ein bilateraler oder multilateraler Rahmen geschaffen ist, praktische Zusammenarbeit in weniger umstrittenen Bereichen wie Gesundheit und Arbeitskräftequalifizierung beginnen. Jede Art von Erfahrungsaustausch muss jedoch unter den Prinzipien von Vielfältigkeit, gleicher Augenhöhe und gegenseitigem Respekt stattfinden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. das Joint Statement of the Ninth EU-China Summit, online: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2006/
    september/tradoc_130360.pdf (12.7.2010).

  2. Vgl. Ministry of Foreign Affairs of the People's Republic of China, China's African Policy, online: www.fmprc.gov.cn/eng/zxxx/t230615.htm, (12.7.2010); Presseerklärung der chinesischen Botschaft in Berlin, online: http://de.china-embassy.org/det/zgyw/t231002.htm (12.7.2010).

  3. Aus Platzgründen kann an dieser Stelle keine Darstellung des Engagements der EU in Afrika stattfinden. Vgl. hierzu das Online-Dossier der bpb, online: www.bpb.de/themen/Q525HK,0,0,
    Afrika_und_Europa.html (31.8.2010).

  4. Erstmals vorgestellt wurden diese Prinzipien vom damaligen Ministerpräsidenten Zhou Enlai während seines ersten Besuchs in Afrika 1964.

  5. Rede von Staatspräsident Hu Jintao bei der Eröffnungszeremonie des FOCAC-Gipfels in Peking, 2006, online: www.focac.org/eng/ltda/dscbzjhy/SP32009/
    t606840.htm (12.7.2010).

  6. Julius Kambarage Nyerere, South-South dialogue and development in Africa, in: Uhuru vom 23.5.1979. Zit. nach: Liu Hongwu, Thirty Years of Sino-African Relations: A Pivot in Reshaping the Structure of China's Relations with the Outside World, in: Chinese Academy of Social Sciences (CASS), Journal of World Economics and Politics, (2008) 11, S. 82.

  7. Vgl. die Rede des Botschafters der Volksrepublik China in Südafrika Liu Guijin am South African Institute of International Affairs (SAIIA) am 25.10.2006 in Pretoria, online: http://za.china-embassy.org/eng/dsxx/dshd/t277443.htm (12.7.2010).

  8. Vgl. Li Anshan, On the Adjustment and Transformation of China's African Policy, in: West Asia and Africa, (2006) 8, online: http://en.cnki.com.cn/Article_en/CJFDTotal-XYFZ200608001.htm (12.7.2007) (englische Zusammenfassung).

  9. Vgl. Beijing Declaration of the Forum on China-Africa Cooperation vom 12.10.2000, online: www.focac.org/eng/ltda/dyjbzjhy/
    DOC12009/t606796.htm (13.7.2010).

  10. Vgl. Declaration of the Beijing Summit of the Forum on China-Africa Cooperation vom 5.11.2006, online: www.focac.org/eng/ltda/dscbzjhy/
    DOC32009/t606841.htm (13.7.2010).

  11. Ebd.

Dr. phil., geb. 1975; Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für EU-Studien am China Institute of International Studies (CIIS), 3 Toutiao, Taijichang, 100005, Peking/CHINA. E-Mail Link: jinling@ciis.org.cn