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Unter den Rockschößen der Europäischen Kommission

Prune Antoine

/ 12 Minuten zu lesen

Wie "macho" ist die Europäische Kommission? Acht EU-Kommissarinnen sprechen über ihre Karriere und ihre Alltagsvision im männlich geprägten europäischen Kosmos zwischen Kampf und Überzeugung.

Einleitung

Ist die Europäische Kommission "macho"? Erstmals sind neun Frauen in die Kommission berufen worden; bei 27 Posten ist das ein Drittel - ziemlich "symbolisch" für das EU-Entscheidungsorgan.

Denn wenn auch die Gleichstellung von Männern und Frauen pompös zum "gemeinsamen Wert der EU" erklärt wird, sind die Statistiken kaum schmeichelhaft: niedrige Erwerbsquote, Unterrepräsentation von Frauen in Politik und Wirtschaft, ungleiche Aufgabenverteilung in der Familie, vermehrte Armut. Die hier präsentierten EU-Kommissarinnen haben sich bereit erklärt, über ihre Karriere und ihre Alltagsvision im männlich geprägten europäischen Kosmos zwischen Kampf und Überzeugung zu sprechen.

Die Interviews wurden im Frühjahr 2010 telefonisch oder per E-Mail geführt.

Cecilia Malmström

Cecilia Malmström, 43 Jahre alt, ist EU-Kommissarin für Inneres. Die Schwedin, Mitglied der Liberalen Volkspartei, ist auf gutem Weg, die würdige Nachfolgerin ihrer Landsmännin Margot Wallström zu werden.

"Behandeln mich die Leute wegen meines Geschlechts anders? Ich hoffe aufrichtig, dass das nicht der Fall ist. Ich erwarte, nach den gleichen Maßstäben betrachtet und beurteilt zu werden wie jeder x-beliebige Mann. Sicher versuchen manche Menschen, mir auf dem Kopf herumzutanzen, aber da ich ein Meter dreiundachtzig groß bin, kann sich das als schwierig erweisen.

Ich glaube nicht an angeborene Unterschiede und Verhaltensmerkmale bei Männern und Frauen. Ich habe diese Tätigkeit aufgrund meiner Ideen, meiner Werte und meiner Erfahrung in der Politik erhalten. Aber ich glaube, dass wir Frauen verpflichtet sind, uns gegenseitig zu helfen und die berühmte 'gläserne Decke' zu durchbrechen, an die wir alle - ob EU-Kommissarin oder nicht - irgendwann einmal stoßen. Es ist natürlich nicht gut für die Legitimität der EU, dass lediglich neun Frauen - ein Drittel der Mitglieder - in die Kommission berufen wurden: Frauen stellen die Mehrheit innerhalb der EU dar und müssen entsprechend vertreten werden.

Damit unsere Gesellschaft hier gleichberechtigter wird, brauchen wir mehr weibliche Rollenbilder. Die EU-Institutionen müssen ein Beispiel sein. Wie viele andere Gebilde auch, sind die europäischen Institutionen durch ihre vornehmlich männlich dominierte Geschichte geprägt. Die Atmosphäre, in der ich arbeite, ist aber nicht 'macho', weil sich die Kommission der Gleichstellungsproblematik durchaus bewusst ist und die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern auf allen Ebenen fördert, nicht nur wenn es um die Beschlussfassung geht.

Gleichwohl stellt die Tatsache, dass vier von zehn Europäerinnen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, ein wirkliches Problem dar. Ich habe dafür gekämpft, dass konkrete Zielwerte in die Strategie 'Europa 2020' aufgenommen wurden, um die Teilhabe von Frauen am Arbeitsleben zu erhöhen. Nicht allein, weil es um Geschlechterfragen geht oder weil damit die Freiheit und Emanzipation der Frauen gefördert würde, sondern auch, weil darin ein enormes wirtschaftliches Potenzial steckt. Wir können es uns nicht erlauben, nur die Hälfte der Talente, Fähigkeiten und Ideen der europäischen Bevölkerung zu nutzen!"

Androulla Vassiliou

Androulla Vassiliou, 68 Jahre alt, Juristin und Ehefrau des früheren zypriotischen Präsidenten Georges Vassiliou, ist EU-Kommissarin für Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend.

"Es sollte keinen Unterschied machen, ob ein EU-Kommissar ein Mann oder eine Frau ist. Wichtig ist, dass einem der Job liegt. Ich glaube aber auch, dass die Frauen reichlich gezeigt haben, dass sie besser organisiert sind, besser zuhören können und kompromissbereiter sind als ihre männlichen Kollegen. Bei allen Fortschritten im Bereich der Gleichstellung werden Ihnen viele Frauen sagen, dass man für den gleichen Posten besser als ein Mann sein oder zumindest mehr arbeiten muss, um sich zu beweisen.

Wir müssen die Gleichstellung Wirklichkeit werden lassen, in Worten wie in Taten. Das heißt auch, dass Männer mehr Verantwortung für die Familie übernehmen müssen, damit ihre Partnerinnen sich Führungsposten widmen können.

Fast jede Frau meiner Generation hat zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Lebens Diskriminierung erfahren. Zu viele Frauen leiden weiterhin darunter, selbst wenn diese Ungleichheit zuweilen subtilere Formen annimmt. Mit Mitte 30 war ich eine anerkannte Rechtsanwältin mit einem Kleinkind und das Richteramt war für mich in meiner Heimat Zypern unerreichbar. Die Vorstellung, dass eine Richterin schwanger im Gerichtssaal sitzt, war für meine Landsleute schlicht unmöglich! Denn eine Frau in meinem Alter wäre imstande, sich weitere Kinder zu wünschen und zu bekommen.

Ich hatte jedoch Eltern, die wollten, dass meine Schwester und ich genau die gleichen Möglichkeiten erhalten wie die Jungen in unserem Alter. Nach dem Schulabschluss ermutigten mich meine Eltern, in London dem Studium der Rechtswissenschaften nachzugehen. 20 Jahre lang war ich als Anwältin tätig. Danach bin ich in die Politik gegangen: Ich wurde Mitglied im Abgeordnetenhaus der Republik Zypern und Präsidentin des Weltverbandes der UN-Gesellschaften, bevor ich im Jahre 2008 zur EU-Kommissarin ernannt wurde. Ich habe immer sehr hart gearbeitet, aber ich weiß auch, dass viele Frauen, die ungemein arbeiten, nicht so viel Glück haben wie ich. Ich muss außerdem hinzufügen, dass ich glücklicherweise mit einem Mann verheiratet bin, der mich unterstützt und ermutigt hat."

Kristalina Georgieva

Kristalina Georgieva, 58 Jahre alt, Bulgarin, Wirtschaftswissenschaftlerin und frühere Vizepräsidentin der Weltbank, ist EU-Kommissarin für internationale Zusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Krisenreaktion.

"Bulgarien hat stets weibliche Kandidaten präsentiert, wenn es um Posten bei internationalen Organisationen ging, sei es bei der EU-Kommission oder für andere wichtige Funktionen, wie Irina Bokova, Generaldirektorin der UNESCO.

Es braucht Zeit, alte Denkmuster zu überwinden. Im Jahr 2004 hatte mir die Weltbank den Posten als Direktorin und Vertreterin bei der Russischen Föderation angeboten: Als ich ankam, musste ich feststellen, dass ich eine der wenigen Frauen war, die in Russland ihr Land oder eine Institution vertreten sollten. Bei einem der ersten diplomatischen Empfänge, denen ich beiwohnte, waren unter den mehr als 250 Gästen im Saal nur zwei Frauen, die Kulturattachée der brasilianischen Botschaft und ich. Viele Staaten schrecken davor zurück, Frauen nach Russland zu entsenden, weil das Land in dem Ruf steht, eine schwierige, von Männern gesteuerte Gesellschaft zu sein.

Am Ende helfen Worte wenig, Handeln zählt: Dazu braucht es natürlich eine klare Verpflichtung der Männer und einen gewissen Mut der Frauen.

Ich arbeite noch nicht lange genug in der EU, um eine etwaige Frauenfeindlichkeit beurteilen zu können. Aber ich habe bei zahlreichen Anlässen unterschiedliche, wenngleich subtile, Formen der Diskriminierung erfahren. Es gibt unbestritten ein Problem. Wir blicken auf eine lange historische Tradition zurück, in der die Rolle der Frau in der Gesellschaft auf den Haushalt beziehungsweise die Unterstützung des Mannes beschränkt war. Die EU-Kommission hat immer noch mehr 'Assistenz'-Stellen als Managementposten für Frauen anzubieten. Dabei gibt es viele Belege dafür, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen gut für die Wirtschaft ist, es der Gesellschaft insgesamt nutzt und zur ökonomischen und sozialen Entwicklung beiträgt, wenn Frauen Verantwortung übertragen wird."

Connie Hedegaard

Connie Hedegaard, 50 Jahre alt, Dänin und Mitglied der Konservativen Volkspartei. Die einstige dänische Umweltministerin arbeitete zunächst als Journalistin, bevor sie eine politische Karriere einschlug. Im Dezember 2009 leitete sie die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen (Cop 15), heute ist sie EU-Kommissarin für Klimapolitik.

"Du bist, was Du bist. Ich glaube nicht, dass die Tatsache, ein Mann oder eine Frau zu sein, in der Politik irgendeine Rolle spielt. Wir leben im 21. Jahrhundert, in Zusammenhängen, wo beide Geschlechter sich ergänzen und zusammenarbeiten müssen. Neun Frauen bei 27 Mitgliedern, das macht ein Drittel der Kommission, und das ist schon gut. Die Hälfte wäre besser, aber die Politik ist immerhin der Bereich, in dem Frauen am stärksten vertreten sind. Nehmen Sie die Aufsichtsräte der Banken oder die 100 mächtigsten Geschäftsleute in Europa - nicht einmal ein Drittel davon sind Frauen! Man muss sich darüber im Klaren sein: In der Politik wie andernorts gilt, je größer die Vielfalt im Hinblick auf die Geschlechter, den Hintergrund, den beruflichen Werdegang ist, umso besser.

Wenn ich die Schwelle des Europäischen Parlaments überschreite, blicke ich immer auf die Wand mit der Porträtreihe von Politikern, die die EU geprägt haben. Ich muss sagen: Neun Frauen unter 27 Kommissionsmitgliedern - das ist ein Fortschritt gegenüber dem, was bisher üblich war. Wenn Manager immer mehr darauf zu achten haben, dass sie ehrgeizigen und motivierten Frauen eine Chance geben müssen, dann müssen Frauen aber auch darum kämpfen, diese Chance zu bekommen. Es liegt auf der Hand, dass die Männer nicht darauf drängen, ihnen den Platz abzutreten. Das noch aus den 1960er Jahren stammende Bild des 'netten Mädchens', das wohl erzogen ist und sich nicht vom Fleck rührt, hält sich hartnäckig. Zuweilen zeigen sich Frauen zu bescheiden angesichts ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten, während Männer nie zögern, nach einer Beförderung zu verlangen.

Mit 23 Jahren habe ich als Assistentin im Parlament gearbeitet (1984 wurde Connie Hedegaard jüngste Abgeordnete im dänischen Parlament), und ich hatte wegen meiner Geschlechterzugehörigkeit keine Probleme. Es ist immer angenehm, junge Mädchen zu haben, die in der Politik beginnen. Aber je höher man die Karriereleiter in Richtung Schlüsselpositionen hinaufklettert, desto komplizierter wird es: Die Spielregeln ändern sich. Und viele Frauen sagen sich, das Kämpfen lohnt sich letztlich nicht; das ist albern. Ich bin sehr glücklich mit dem, was ich habe. Mit 29 Jahren bin ich Sprecherin einer Partei geworden, und ich habe gesehen, dass das Spiel anders lief. Also müssen Sie darüber wachen, dass der eigentliche Gehalt Ihres Auftrages, besonders wenn er mit Verantwortung verbunden ist, nicht durch die Tatsache verwässert wird, dass Sie eine Frau sind. Man muss kämpfen. Persönliche Gefühle spielen da keine Rolle - es gibt Dinge, die man verteidigen muss."

Maria Damanaki

Maria Damanaki, Griechin, 58 Jahre alt, war zeitweise Vorsitzende des Linksbündnisses "Synaspismos", danach sozialistische Abgeordnete im griechischen Parlament. Die Mutter von drei Kindern und Autorin des Buches "Das weibliche Gesicht der Macht" wurde zur EU-Kommissarin für Maritime Angelegenheiten und Fischerei ernannt.

"Als EU-Kommissarin findet die tägliche Arbeit in einem eng gesteckten Rahmen statt. In dieser Spitzenposition muss jeder, ob Mann oder Frau, politisch korrekt sein. Die Geschlechterfrage scheint keine Rolle zu spielen! Gleichwohl kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass sich eine Frau im beruflichen Umfeld besonders bewähren muss. Die Europäische Kommission und die EU-Gesetzgebung spielen eine maßgebliche Rolle in diesem Kampf um Gleichberechtigung. Seitdem die meisten Ziele erreicht sind, gilt der Feminismus als überholt. Doch die berühmte 'gläserne Decke' ist scheinbar noch immer nicht durchbrochen.

Ich glaube durchaus nicht, dass die EU-Institutionen 'macho' sind. Der Begriff impliziert eine Haltung der Verachtung gegenüber Frauen, die darauf zielt, sie an den Rand zu drücken. So gesehen ist das hier das genaue Gegenteil: Wir kämpfen für mehr Gleichheit, Fairness und gegen jede Marginalisierung. Den Frauen, insbesondere jenen aus dem Süden Europas, haben die EU-Institutionen stets die Tür für mehr Rechte geöffnet, und wir haben in der EU einen mächtigen Verbündeten im Kampf gegen jede Form der Diskriminierung gefunden.

Im Laufe meiner Karriere stand ich niemals vor einem Problem, das nicht auch Millionen anderer berufstätiger Frauen kennen. Es wird zu Recht als Herausforderung angesehen, als Mutter zu arbeiten. Ich weiß das, ich habe drei Kinder. Warum also wird ein Vater, der berufstätig ist, nicht als etwas Besonderes betrachtet? Warum wird ein Politiker nie danach gefragt, welche Erfahrungen er als Vater gemacht hat? Es sind noch viele Fortschritte zu erzielen!"

Neelie Kroes

Neelie Kroes, 70 Jahre alt, Niederländerin, vom Magazin "Forbes" zu einer der 100 einflussreichsten Geschäftsfrauen der Welt gekürt, ist nunmehr EU-Kommissarin für die Digitale Agenda.

"Ich habe vielfältige Erfahrungen, als Mutter und als Frau, und das hat mir geholfen, mir ein ausgewogenes Urteil zu bilden. Grundsätzlich glaube ich, dass Frauen besser im Team arbeiten, weil sie mehr am Ergebnis interessiert sind und weniger am Kampf ums Ego.

Frauen bringen häufig mehr Dinge unter einen Hut als Männer, besonders bei der Kindererziehung. Frauen brechen im Allgemeinen ihre Karriere mit 30 ab, wenn sie sich gerade mitten im beruflichen Aufstieg befinden, und das bringt ihnen langfristig viele Nachteile. Sie werden darum kämpfen müssen, das wieder aufzuholen. Weil in den 1970er und 1980er Jahren so wenige von uns versucht haben gegenzusteuern, sind heute so wenig Frauen an der Spitze. Die Situation wird besser werden, aber das ist keine Entschuldigung dafür, selbstzufrieden zu sein.

Es gibt überall Machos, egal in welcher Institution, aber immer seltener. Es ist wichtig, selbst Verantwortung zu übernehmen, besonders wenn man eine Organisationskultur nicht mag. Ich glaube, dass Frauen zeigen müssen, welchen Wert sie haben, und dass es mehr als einen Weg gibt, eine Aufgabe zu erledigen. Wir könnten uns im Übrigen auch fragen, ob die von Männern gelenkten Regierungen uns in Situationen wie der jüngsten Wirtschaftskrise geholfen haben. Die Antwort ist eindeutig 'Nein'!"

Máire Geoghegan-Quinn

Máire Geoghegan-Quinn, 61 Jahre alt, Irin und ausgebildete Lehrerin, ist EU-Kommissarin für Forschung, Innovation und Wissenschaft.

"Männer und Frauen sind unterschiedlich, und deshalb spielt auch die Tatsache, eine Frau zu sein, in meiner täglichen Arbeit als Kommissarin eine Rolle. Ich glaube, dass Frauen besser darin sind, ihre Position standhaft zu verteidigen und gleichwohl weiter mit allen gut zusammenzuarbeiten. Das ist auch mein persönlicher Ansatz: In Europa wirst Du nichts, wenn Du alleine bist. Frauen sind hervorragend, wenn es um Multitasking geht: mehrere Dinge gleichzeitig tun und die Zeit effizient nutzen. Schließlich waren viele von uns gezwungen, einen anspruchsvollen Job und die Bedürfnisse von kleinen Kindern zu vereinbaren.

Ich habe mit vielen Politikern zusammengearbeitet, und nicht alle sind Machos! Noch nie haben so viele Frauen einen Kommissionsposten erhalten wie in der Kommission Barroso II. Ich glaube, dass das fortdauernde Ungleichgewicht lediglich die Tatsache widerspiegelt, dass Europa und die ganze Welt stärker dafür sorgen müssen, dass Frauen gleiche Chancen erhalten. Das gilt quer durch die Gesellschaft und nicht nur für die Politik. Ich habe mich immer erfolgreich durchgesetzt, sonst hätte ich niemals 22 Jahre in der Politik überlebt. Aber das erreicht man nicht durch Schreien und indem man andere überfährt, um nicht zu sagen: indem man noch 'machohafter' ist als die Männer! Sicherlich gibt es Hindernisse für Frauen innerhalb der EU, wie überall sonst auch. Aber ich glaube wirklich nicht, dass Brüssel 'machohafter' ist als Berlin, Bordeaux, Bratislava oder Birmingham!"

Viviane Reding

Viviane Reding, 60 Jahre alt, luxemburgische Politikerin, Mitglied der Christlich Sozialen Volkspartei, ist EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft. Viviane Reding ist auch Vizepräsidentin der Europäischen Kommission.

"Im Allgemeinen haben wir in der Kommission eine gute Quote, was die Gleichstellung angeht: 51 Prozent Frauen und 49 Prozent Männer. Im Laufe der Jahre sind wir von einer Politik, die darauf zielte, die Zahl der Frauen in der Verwaltung zu erhöhen, übergegangen zu einem breiter angelegten Konzept, das allen Beamten ein besseres Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben ermöglichen soll. Wir haben Telearbeit und flexible Arbeitszeiten eingeführt, und wir unterstützen aktiv Teilzeitarbeit.

Das Hauptproblem ist, dass immer noch zu wenige Frauen Leitungsfunktionen innehaben - nur 17 Prozent. Meist liegt das nicht an einem Mangel an Gelegenheiten, sondern die Frauen selbst meinen, für Führungspositionen nicht ausreichend qualifiziert zu sein. Wir brauchen einen Mentalitätswandel: Frauen, die an sich glauben, und Männer, die das Potenzial und die Kreativität schätzen, die Frauen im Job einbringen können.

Nein, die Europäische Kommission kann nicht als 'macho' bezeichnet werden. Ein Journalist hat uns einmal als 'Barrosos Mädchen' bezeichnet. Ich habe erwidert, dass er dann unser 'Junge' sei. Im Laufe meiner Karriere habe ich niemals Schwierigkeiten gehabt, mich durchzusetzen. Ich war immer stolz auf das, was ich bin und darauf, eine Frau zu sein. Ich war die erste politische Korrespondentin in Luxemburg. Ich bin in die Politik gegangen und habe gleichzeitig meine drei Kinder aufgezogen. Als ich EU-Kommissarin für Telekommunikation wurde, war ich stets von Männern umgeben. Anfangs haben sie meine Ankündigungen, die Roaming-Gebühren zu regulieren, nicht sehr ernst genommen. Sie haben wahrscheinlich gedacht: Lass sie reden. Als ich dann gehandelt habe, waren sie vor den Kopf gestoßen. Mein Rat? Vorwärts! Sie werden überrascht sein, was Sie erreichen können und Sie werden sich über all diese erstaunten (selbstverständlich zumeist männlichen) Gesichter um sich herum wundern!

Natürlich ist mir bewusst, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts in der Gesellschaft zuweilen Schwierigkeiten haben. In einem solchen Fall kann ich sie nur ermutigen, sich laut zu äußern. Wenn die Leute nicht wissen, dass man ein Problem hat, können sie einem nicht helfen!"

Übersetzung aus dem Französischen von Nicole Maschler, Berlin.

Master of International Law, geb. 1981; freie Journalistin; Preisträgerin des "Prix du journalisme européen Louise Weiss 2009" und des "European Young Journalist Award 2010"; Veröffentlichungen u.a. in "Le Monde Magazine", "Elle", "Glamour", "Madame Figaro"; wohnt in Berlin. E-Mail Link: pruneantoine@yahoo.fr Webseite: Externer Link: http://plumaberlin. wordpress.com/