Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Mein Körper - mein Eigentum? | Organspende und Selbstbestimmung | bpb.de

Organspende und Selbstbestimmung Editorial Wie tot sind Hirntote? Alte Frage - neue Antworten Organspende - tödliches Dilemma oder ethische Pflicht? - Essay Transplantationsmedizin zwischen Fortschritt und Organknappheit. Geschichte und aktuelle Fragen der Organspende Mein Körper - mein Eigentum? Kann ein regulierter Organmarkt den Organmangel beheben - und zu welchem Preis? Tierorgane und Gewebezüchtung als Alternativen zum Spenderorgan? Zum Wandel im Umgang mit der menschlichen Leiche: Hinweise und Erklärungsversuche

Mein Körper - mein Eigentum?

Christian Lenk

/ 15 Minuten zu lesen

Die Frage, ob wir Eigentum an unserem Körper haben, würden viele intuitiv bejahen. Doch der Körper ist keine Sache wie alle anderen. Wie sollen wir mit Körpermaterialien umgehen, die aus dem menschlichen Körper entfernt werden?

Einleitung

Die Frage nach Eigentum am menschlichen Körper wird von der modernen Biomedizin und ihren Erfordernissen vorangetrieben. Wenn niemand ein Interesse an menschlichen Organen oder Proben von menschlichen Körpermaterialien hat, dann ist auch die Eigentumsfrage an diesen Materialien nicht bedeutungsvoll. Und wenn es keine Möglichkeiten gibt, Gene und ganze Organismen zu verändern, braucht man sich über die Frage der Patentierung dieser Gene und Organismen keine Gedanken zu machen. Und dennoch erhalten wir durch den Verweis auf den Fortschritt der modernen Biomedizin nur die halbe Antwort auf die Frage nach dem Sinn von Eigentum am menschlichen Körper und seinen Teilen. Der Begriff des Eigentums kommt aus der Sphäre des Rechts und der Ökonomie. Der Bereich der Person und des Körpers stellt in der europäischen Tradition der Aufklärung demgegenüber eine Sphäre dar, in der Eigentumsfragen keine Rolle spielen. Wir gehen davon aus, dass alle Menschen über sich selbst verfügen dürfen. Vor diesem Hintergrund kann Eigentum, das heißt Rechte anderer an unserem Körper, wohl keine Rolle spielen.

Auf den ersten Blick sind es also die modernen Biowissenschaften, welche die Auffassung von Körpermaterialien als mögliches Eigentum forcieren. Der zweite Blick zeigt allerdings, dass es eher die Eingemeindung des Körpers in einen bis dahin von diesem abgegrenzten Bereich - den des Eigentums - ist, der zu den aktuellen Veränderungen führt. Wir beobachten beide Veränderungen: die wachsende Bedeutung von Körpermaterialien für die Medizin und die Interpretation von Körpermaterialien als eigentumsfähige Dinge. Das heißt allerdings nicht, dass sie auch in einem inneren Zusammenhang stehen müssten. Es kann durchaus auch biomedizinische Forschung geben, ohne dass Anreize bestehen, deren Ergebnisse als Eigentum zu verstehen. Der Übergang einer Sache, die eigentlich keine Ware sein kann, in den Bereich der Ökonomie, in dem Dinge gehandelt, ver- und gekauft werden können, nennt man Kommodifikation (commodification). Die Regel, dass der menschliche Körper und seine Teile kein Eigentum sein können, wird als no-property-principle bezeichnet.

Unser Körper als Sache: kulturgeschichtlicher Rückblick

Bereits wenn wir unseren Körper als eine Sache auffassen, erscheint uns das eigentlich als eine Fehleinschätzung. "Sachen" sind ja gewöhnlich die leblosen Dinge der äußeren Welt. Aber der Körper ist für uns keine äußere Sache in diesem Sinne, sondern Teil unserer Person und unserer Identität. Die Unantastbarkeit der Menschenwürde und der Schutz der Integrität der Person, die im Grundgesetz und in den europäischen Dokumenten verbrieft sind, erstrecken sich nicht nur auf die Person (als ein abstraktes Rechtsprinzip), sondern auch und gerade auf den Körper (als die notwendige Bedingung, dass es überhaupt eine Person geben kann). Fraglich ist nur, ob diese Auffassung tatsächlich so eindeutig aus der christlich-abendländischen, europäischen Tradition resultiert, wie uns des Öfteren suggeriert wird.

In seiner 1637 veröffentlichten Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauchs hat der französische Philosoph René Descartes den intellektuellen Grundstein für das Programm der modernen Wissenschaften gelegt. Eines der wesentlichen Elemente dieses Programms ist die strikte Trennung der res cogitans (das Mentale - die geistige Substanz) und der res extensa (das Physische - die körperliche Substanz). Durch diese Unterscheidung wird zugleich der Weg frei gemacht für ein mechanistisches Verständnis des Körpers, der nun als "reiner Körper", abzüglich des Mentalen, vorgestellt werden kann: "Und dann hatte ich gezeigt, worin die Einrichtung der Nerven und der Muskeln des menschlichen Körpers bestehen müsse, damit die darin befindlichen Lebensgeister die Glieder desselben bewegen können (...); dann welche Veränderungen im Gehirn stattfinden müssen, um Wachen und Schlaf und Träume zu verursachen (...). Dies wird denen nicht seltsam erscheinen, die wissen, wie viele Automaten oder sich bewegende Maschinen verschiedener Art der menschliche Kunstfleiß herstellen kann aus sehr wenigen Stücken, im Vergleich mit der großen Menge Knochen, Muskeln, Nerven, Arterien, Venen und aller der übrigen Teile jedes tierischen Körpers - und die deshalb diesen Körper als eine Maschine ansehen werden, die als ein Werk Gottes unvergleichlich besser geordnet ist (...) als irgendeine, welche Menschen haben erfinden können."

Hier wird der menschliche Körper also ganz deutlich der Sphäre der "Sachen" zugeordnet. Eine der Implikationen dieser Zuordnung besteht eben darin, dass man den Körper aus naturwissenschaftlicher Sicht genauso behandeln müsse, wie die anderen Dinge der äußeren Natur, um seine Geheimnisse zu ergründen.

Ebenso haben wir andere deutliche kulturhistorische Hinweise darauf, dass die Kommodifikation des menschlichen Körpers in der europäischen Tradition immer wieder praktiziert wurde. Der Historiker Valentin Groebner hat darauf hingewiesen, dass es vom 15. bis zum 18. Jahrhundert in weiten Teilen Europas akzeptierte Praxis und völlig legal war, den Körpern Hingerichteter oder getöteter gegnerischer Soldaten in größerem Umfang Organe oder andere Materialien zu entnehmen und beispielsweise zu Arzneimitteln zu verarbeiten: "All das war legal - ebenso wie die Produktion von großen Mengen 'Salbe' zu medizinischen Zwecken aus den Leichen türkischer Gefallener nach der Belagerung von Budapest 1686, die der preußische Feldscher Johann Dietz in seinen Lebenserinnerungen dreißig Jahre später detailliert beschrieb. Man habe den Toten die Haut abgezogen, ihr Fett in Kesseln geschmolzen und abgefüllt und aus den Leibern 'die allerkostbareste mumia' hergestellt."

Der Medizinethiker Y. Michael Barilan berichtet vom Fall des Charles Byrne, des "Irischen Riesen", der eine Größe von 2,54 Meter erreichte: Aus Angst, in die Hände von Anatomen zu fallen, verfügte Byrne im Jahr 1783, dass sein Körper auf See bestattet werden sollte (um einen Grabraub und die Exhumierung zu vermeiden). Der Chirurg John Hunter bestach die Bestatter erfolgreich und konnte Byrnes Skelett seiner anatomischen Sammlung hinzufügen. Es kann noch heute im Hunterian Museum in London besichtigt werden.

Diese Beispiele zeigen, dass die europäische Tradition der Kommodifikation des menschlichen Körpers und seiner Teile nicht unbedingt ablehnend gegenübersteht. Wir nehmen zwar mit einem wohligen Gruseln zur Kenntnis, wie andere Völker in der Geschichte der Menschheit mit dem Leichnam und menschlichen Überresten umgegangen sind - doch die kritische Wahrnehmung der Praktiken unserer eigenen Kultur ist offensichtlich recht beschränkt.

"Gemeinsames Erbe der Menschheit"

Das Ethikkomitee der Internationalen Human Genom Organisation (HUGO) hat in seinem Statement on Benefit-Sharing vom 9. April 2000 das menschliche Genom als ein gemeinsames Erbe der Menschheit interpretiert. Es wird dabei Bezug genommen auf andere Entitäten natürlichen Ursprungs, die ebenfalls als ein gemeinsames Erbe aufzufassen seien, wie die Meere, die Luft oder der Weltraum. Solche allgemeinen Ressourcen gelten in der internationalen Rechtsprechung gewöhnlich als res extra commercium, also Dinge, mit denen kein Handel getrieben werden darf. Daraus kann dann der Schluss gezogen werden, dass das menschliche Genom niemandes Privatbesitz darstellen kann, dass niemand das Recht hat, das menschliche Genom und die in ihm enthaltenen Informationen ganz für sich in Anspruch zu nehmen.

Damit können allerdings wohl kaum die konkreten, individuellen Erbinformationen gemeint sein, die jeder Mensch in sich trägt. Stellen diese konkreten Erbinformationen auch ein "gemeinsames Erbe der Menschheit" dar? Dann würden sie eventuell ja gar nicht dem einzelnen Individuum allein gehören, sondern ein kollektives Eigentum darstellen. Die Metapher des "Erbes" legt zwar auf der einen Seite nahe, dass es sich beim menschlichen Genom um eine Sache handelt, die auch besessen werden kann - andererseits könnten wir aber auch etwas in unserem Körper haben, unsere Gene, die uns sozusagen nur anteilig, zusammen mit dem Rest der Menschheit gehören.

In deutscher Übersetzung lauten die entscheidenden Passagen des Statement on Benefit-Sharing folgendermaßen: "Als eine Spezies teilen wir im Wesentlichen dasselbe Genom. Dieses gemeinsame Genom ermöglicht die Fortpflanzung zwischen allen Gruppen der Menschheit. Auf dieser kollektiven Ebene ist das Genom das gemeinsame Erbe der Menschheit (...). Die Chance, ein Gen zu entdecken, dass zu einem Produkt führen könnte, kann zwischen verschiedenen Populationen variieren. Die Suche nach Genen kann daher auf besondere Populationen oder Familien gerichtet sein. Manchmal haben Entdeckungen in Familien mit extrem seltenen Krankheiten Implikationen für größere Gruppen mit allgemeineren Erkrankungen. Obwohl nicht von allen Nationen respektiert, findet das Konzept des gemeinsamen Erbes auch Anklang im internationalen Recht (beispielsweise das Meer, die Luft, der Weltraum). Angewandt auf die Humangenetik, besagt es, dass jenseits des Individuums, der Familie oder der Population ein gemeinsames Interesse im genetischen Erbe der Menschheit besteht. Daher sollte das Humangenomprojekt der gesamten Menschheit zugutekommen."

Mit "Population" ist dabei die Bevölkerung beziehungsweise sind Teile der Bevölkerung im Sinne der Humangenetik gemeint. Mit einem "Produkt" ist ein neues Arzneimittel gemeint, woraus sich zugleich eine Beziehung zur internationalen Arzneimittelforschung beziehungsweise zur Möglichkeit einer Patentierung von Genen ergibt. Was ein gemeinsames Erbe darstellt, darf nicht von Privatpersonen oder Privatunternehmen für eigene Zwecke vereinnahmt werden. Aus dem Status des gemeinsamen Erbes folgt dann vielmehr, dass die nützlichen Ergebnisse der Genforschung dem öffentlichen Wohl und der Gesamtheit zugutekommen müssen.

Bioethik-Konvention des Europarates

Ist es in Europa verboten, den menschlichen Körper als eine Sache zu behandeln und Teile des menschlichen Körpers zu verkaufen? In der Mehrheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union wurde die Bioethik-Konvention des Europarates ratifiziert, die einen gemeinsamen Standard für den Schutz von Patienten und Studienteilnehmern in medizinischer Forschung und Anwendung bieten soll. Artikel 21 der Konvention (die im Übrigen von Deutschland nicht ratifiziert wurde) enthält die folgende Bestimmung: "Der menschliche Körper und Teile davon dürfen als solche nicht zur Erzielung eines finanziellen Gewinns verwendet werden." Mit einigen Abwandlungen findet sich dieser Wortlaut auch in anderen europäischen Dokumenten wie in Artikel 7 der Empfehlungen des Komitees der Minister des Europarates zur Forschung mit biologischen Materialien menschlicher Herkunft: "Biological materials should not, as such, give rise to financial gain."

Man könnte meinen, dass dadurch eine Kommerzialisierung des menschlichen Körpers wirkungsvoll unterbunden sei. Man könnte mit etwas Wohlwollen sogar daraus schließen, dass das oben erwähnte no-property-principle - der Körper und seine Teile können kein Eigentum darstellen - in Europa verwirklicht ist. Dieser Eindruck wäre allerdings falsch, wie es im Frühjahr 2010 auch die breitere Öffentlichkeit erfuhr, als durch Zufall ans Tageslicht kam, dass am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zu Diagnosezwecken entnommene Proben von Krebspatienten ohne deren Zustimmung an ausländische Privatfirmen verkauft werden. Nach Medienberichten musste die erstaunte Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen, dass anonymisierte Proben von Patienten der hamburgischen Kliniken auch ohne explizite Zustimmung dieser an Dritte weitergegeben werden dürfen - dank einer entsprechenden Regelung in Paragraf 12 des Hamburgischen Krankenhausgesetzes.

Das bedeutet jedoch offensichtlich nicht nur, dass der menschliche Körper und seine Teile unter Umständen sehr wohl als eine Sache behandelt werden, sondern auch, dass es beispielsweise in Deutschland durchaus legal ist, finanzielle Gewinne mit menschlichem Gewebe zu erzielen - eine Tatsache, die durch die genannten europäischen Dokumente nicht nur nicht verhindert, sondern im Prinzip sogar verschleiert wird. Wie der Medizinrechtler Jochen Taupitz ausgeführt hat, "existieren [im deutschen Recht] nur wenige Vorschriften, die sich explizit mit der Frage der Kommerzialisierung des menschlichen Körpers und seiner Teile befassen".

Nicht im deutschen Transplantationsgesetz selbst, aber in der Begründung des Gesetzes wird auf die Menschenwürde als normatives Prinzip verwiesen, um das Kommerzialisierungsverbot des menschlichen Körpers zu rechtfertigen: "Immerhin führt der Gesetzgeber in der Begründung zum Transplantationsgesetz tatsächlich aus, die Garantie der Menschenwürde werde verletzt, wenn der Mensch bzw. seine sterblichen Reste zum Objekt finanzieller Interessen werden. Sowohl der Verkauf von Organen als auch Organspenden gegen Entgelt seien daher mit der Schutzgarantie des Art. 1 I GG nicht vereinbar." Wie das obenstehende Beispiel zeigt, wurde diese Auffassung in Deutschland aber nicht umfassend umgesetzt, so dass es beispielsweise auf Gewebeproben von Patienten keine Anwendung findet.

Darüber hinaus verbieten es auch die internationalen Dokumente nicht, abgetrennte Teile des Körpers als eine Sache zu behandeln und zu verkaufen, sondern sie verbieten lediglich, mit diesen einen Gewinn zu erzielen. Ab wann beim Verkauf von Körpermaterialien aber von einem Gewinn zu sprechen ist und nicht nur eine angemessene Aufwandsentschädigung vorliegt, ist wiederum eine andere Frage, zu deren Beantwortung genauere Vorgaben notwendig wären. Was also in den internationalen Dokumenten als ein umfassendes Kommerzialisierungsverbot des menschlichen Körpers und seiner Teile erscheint, erweist sich bei näherem Hinsehen eher als ein pragmatischer Kompromiss hinsichtlich der tatsächlichen Praktiken unseres Umgangs mit dem menschlichen Körper.

"Bündeltheorie" des Eigentums

Die sogenannte Bündeltheorie des Eigentums spielt vor allem in der angloamerikanischen Diskussion eine Rolle, ist aber auch für unseren Eigentumsbegriff aussagekräftig. Sie besagt, dass "Eigentum" an etwas eine Reihe von Einzelrechten darstellt, die beschreiben, wie man über eine Sache verfügen darf (wie etwa eine Sache kaufen, verkaufen, handeln, nutzen, verleihen, zerstören). Für dingliches Eigentum setzen wir diesen Sachverhalt zumeist recht selbstverständlich voraus, vergessen dabei aber, dass es auch eine Reihe von "Dingen" gibt, über die wir gewöhnlich nicht in diesem Sinne verfügen dürfen.

So galten Tiere in Deutschland bis 1990 beispielsweise als Sachen - dennoch war es verboten, Tiere zu quälen oder grundlos zu töten. Seit 1990 sind laut Paragraf 90a des Bürgerlichen Gesetzbuches Tiere keine Sachen mehr, aber "die für Sachen geltenden Vorschriften [sind auf sie] entsprechend anzuwenden". Dennoch dürfen die Besitzer von Tieren mit ihnen nicht alles machen, was ihnen in den Sinn kommt. Ihre Eigentumsrechte den Tieren gegenüber sind also eingeschränkt.

Der lebende menschliche Körper ist keine Sache, aber in Deutschland wird davon ausgegangen, dass ein Körperteil oder ein Organ, welches vom Körper entfernt wird, die Eigenschaften einer Sache erlangt. Die Frage ist eben nur, welche Rechte uns aus dem vollständigen Bündel der Besitz-, Kontroll- und Verfügungsrechte an Organen oder Körperteilen zustehen. Da die Weitergabe von Organen an andere in Deutschland streng reguliert ist, ist auch unsere Verfügungsgewalt über unsere eigenen Organe, wenn sie aus dem Körper entfernt werden, entsprechend eingeschränkt. Der Staat schreibt uns also vor, wie wir mit aus dem Körper entfernten Teilen umzugehen haben.

Beispielsweise ist Organhandel verboten: Wir können nicht in dem Sinne über unseren Körper verfügen, dass wir anderen Personen eine Niere verkaufen dürfen. Auch die altruistische Spende an eine beliebige Person ist im Bereich der Organe verboten. Laut Transplantationsgesetz dürfen wir die Lebendspende nur an Ehe- oder Lebenspartner, Verwandte oder andere Personen durchführen, die uns "in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen".

Auch nach dem Tod dürfen wir mit unserem Leichnam nicht alles machen, was uns in den Sinn kommen könnte. So wäre beispielsweise eine testamentarische Verfügung, unseren Körper nach dem Tod an wilde Tiere verfüttern zu lassen, ungültig, während uns zu Lebzeiten vielleicht niemand daran hindern würde, uns von denselben Tieren auffressen zu lassen. Daraus lassen sich eine ganze Reihe normativer Prinzipien ableiten, die unser Verfügungsrecht über den eigenen Körper einschränken:

Erstens möchte der Staat gewisse Praktiken verhindern, die er für unsittlich hält wie den Organhandel. Dabei kommen aus ethischer Sicht zwei überzeugende Begründungen in Frage: Zum einen soll die Versorgung mit Organen nicht vom Vermögen des einzelnen Patienten abhängen, so dass der- oder diejenige, die viel Geld hat, entscheidende Vorteile gegenüber dem Patienten erhält, der mittellos ist. Zum anderen sollen keine Anreize dafür geschaffen werden, Teile des eigenen Körpers zu verkaufen. Dieses Argument deutet auf den Schutz der Integrität des Körpers und den individuellen Körper als Grundlage der Person.

Zweitens soll offensichtlich auch die Selbstschädigung der Spender vermieden werden. Aus einer reinen Nutzenperspektive betrachtet, wäre es ja belanglos, ob jemand seine Niere an eine nahestehende Person oder an eine ihm unbekannte Person spenden möchte. In jedem Fall wäre ja einem Patienten, der ein Spenderorgan benötigt, geholfen. Es zeigt sich aber, dass hier eben nicht die reine Nutzenperspektive eingenommen wird, sondern vielmehr auch die Frage eine Rolle spielt, wofür der Spender die Belastung einer Organentnahme auf sich nimmt. Dieses Argument ist aber in einem gewissen Sinne "paternalistisch", das heißt, es schreibt den potenziellen Spendern ausdrücklich vor, wer von ihm oder ihr ein Organ erhalten darf.

Drittens kommen beim Umgang mit dem toten Körper offensichtlich auch Fragen der Menschenwürde und der "guten Sitten" ins Spiel, die über die autonome Entscheidungsgewalt des Einzelnen hinausgehen. Offensichtlich ist auch unsere pluralistische Gesellschaft nicht bereit, alle möglichen Arten des Umgangs mit dem toten Körper zu ertragen und macht deshalb genaue Vorschriften, wie mit dem Körper umzugehen ist.

Im Gesamtbild betrachtet ergeben sich also einige gravierende Einschränkungen, die zeigen, dass der lebende Körper in jedem Fall keine Sache darstellt - aber auch der tote Körper und vom Körper entfernte Teile im Sinne der "Bündeltheorie" des Eigentums allenfalls in einem stark eingeschränkten Sinne als Dinge bezeichnet werden können, die auch eigentumsfähig sind - die man also so behandeln darf, wie man Dinge normalerweise behandelt.

Schlussfolgerungen

Dass unser Körper keine normale Sache ist, ergibt sich aus unserer Intuition sowie einer Reihe ethischer und rechtlicher Regelungen. Der Blick in die Kulturgeschichte des Umgangs mit dem menschlichen Körper fördert allerdings zutage, dass diese Auffassung entweder nicht selbstverständlich ist, oder aber, dass es zumindest doch immer eine ganze Reihe von Ausnahmen von dieser Regel gab. Dies gilt nicht etwa nur für die Tradition anderer Völker und Kulturen, sondern auch und gerade für die europäische Kulturgeschichte.

Die Fortschritte in der modernen Biotechnologie und Biomedizin erschließen nun neue Möglichkeiten, die einer Kommodifikation und damit einer Verdinglichung des menschlichen Körpers Vorschub leisten können. In unterschiedlichen Kontexten finden wir dabei allerdings auch unterschiedliche Formen des Umgangs mit der Sachqualität des menschlichen Körpers und seiner Teile vor. In der Forschung mit menschlichem Gewebe werden vom Körper entfernte Materialien als Sachen behandelt und dürfen teilweise sogar ohne Information der betroffenen Patienten zu kommerziellen Zwecken veräußert werden. Solche Praktiken stehen jedoch im Widerspruch zu in europäischen Dokumenten verankerten ethischen Prinzipien.

Der Bereich der Organspende ist in Deutschland am strengsten und eindeutigsten reguliert, und der Handel mit Organen wird explizit ausgeschlossen. Diese Vorschriften sprechen jedoch nicht dagegen, Körpermaterialien und Organe als Dinge zu behandeln. Die Verfügungsrechte des Spenders in diesem Bereich sind eingeschränkt, und er darf die von ihm stammenden Organe nur zu bestimmten, gesetzlich geregelten Zwecken verwenden. International einige Beachtung hat die Charakterisierung des Humangenoms als "gemeinsames Erbe der Menschheit" erfahren. Welche Bedeutung dies für den einzelnen Menschen hat, und ob sich die unterschiedlichen Staaten dieser Charakterisierung anschließen werden, bleibt natürlich offen. Aus normativer Sicht ist diese Auffassung vom Status des Humangenoms unter anderem daraus motiviert, dass man bevölkerungsumgreifende Forschungsprojekte besser rechtfertigen kann.

Verfügungsgewalt und Kontrollrechte

Wenn der Körper und seine Teile als Eigentum behandelt werden, stellt sich auch die Frage, wer Verfügungsgewalt und Kontrollrechte über ihn gewinnt. Aus diesem Grund sehen viele Ethiker und Medizinrechtler in Staaten wie Großbritannien, das eine lebendige Tradition des no-property-principle besitzt, die Rede vom Eigentum am menschlichen Körper sehr kritisch. Dennoch muss die Auffassung von Körpermaterialien als mögliches Eigentum noch nicht bedeuten, dass Spender von Körpermaterialien und Patienten enteignet oder ausgebeutet werden. Medizinethik und Medizinrecht halten heute eine Reihe von Maßnahmen bereit, um die Verfügungsgewalt von Patienten über ihre Körpermaterialien sicherzustellen.

Es ist allerdings eine erstaunliche Feststellung, dass der Umgang mit dem Körper und seinen Teilen in Deutschland und Europa eher schwerpunktmäßig und ungleichmäßig als umfassend und homogen geregelt ist. Teilweise scheinen die getroffenen Regelungen in unterschiedlichen Bereichen auch nicht gut zusammenzupassen oder sich sogar zu widersprechen.

Aus medizinethischer Sicht wäre es insbesondere wichtig, sich darüber klar zu werden, warum wir mit dem Körper und seinen Teilen auf eine bestimmte Art und Weise verfahren (wie beispielsweise um eine Schädigung von Spendern zu vermeiden, um die Information und Selbstbestimmung von Patienten zu verbessern oder zum allgemeinen Schutz der Menschenwürde) und was ein kohärenter Umgang in verschiedenen Kontexten bedeutet (wie etwa in der Gewebeforschung, Organspende oder dem Umgang mit dem menschlichen Leichnam).

Es ist eine politische Aufgabe, durch entsprechende Regelungen die ausreichende Information von Patienten und Spendern von Geweben und Organen zu gewährleisten und den Missbrauch und die Zweckentfremdung von Körpermaterialien und Patientendaten zu vermeiden. Solche Regelungen können das Vertrauen in die moderne Forschung mit Körpermaterialien stärken und Patienten und Spendern das Gefühl vermitteln, jederzeit die Kontrolle über aus ihrem Körper entnommenen Materialien zu behalten. Ob wir unseren Körper also tatsächlich als unser Eigentum auffassen sollten, ist insgesamt fraglich - aber wenn wir es tun, dann sollten wir auch die Kontrolle über entnommene Proben und Materialien behalten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. René Descartes, Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauchs, Stuttgart 1990, S. 52 (Hervorhebungen im Original).

  2. Valentin Groebner, Menschenbilder auf dem Fleischmarkt: Seit wann ist der menschliche Körper eine Ware?, in: Ethik in der Medizin, 23 (2011), S. 9.

  3. Vgl. Y. Michael Barilan, The biomedical uses of the body: lessons from the history of human rights and dignity, in: Christian Lenk et al. (eds.), Human tissue research: A European perspective on the ethical and legal challenges, Oxford 2011, S. 3-14.

  4. Vgl. Human Genome Organisation, Statement on Benefit Sharing, 9.4.2009, online: www.hugo-international.org/img/benefit_sharing_
    2000.pdf (1.4.2011).

  5. Ebd., S. 2.

  6. Vgl. Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin, 4.4.1997, online: http://conventions.coe.int/Treaty/ger/
    Treaties/Html/164.htm (1.4.2011).

  7. Recommendation Rec(2006)4 of the Committee of Ministers to member states on research on biological materials of human origin, 15.3.2006, online: https://wcd.coe.int/wcd/ViewDoc.jsp?id=977859 (1.4.2011).

  8. Vgl. NDR info, Weltweiter Handel mit Krebsgewebeproben aus UKE, 29.3.2010, online: www.klinikmanagement-aktuell.de/nachrichten/medizin/id__
    21254___view.html (1.4.2011).

  9. Jochen Taupitz, Das Verbot der Kommerzialisierung des menschlichen Körpers und seiner Teile: Lässt es sich rational begründen?, in: ders. (Hrsg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, Berlin 2007, S. 4.

  10. Ebd.

  11. Vgl. Barbro Björkman/Sven O. Hansson, Bodily rights and property rights, in: Journal of Medical Ethics, 32 (2006), S. 209-214.

  12. Vgl. Y.M. Barilan (Anm. 3), S. 4f., S. 11.

  13. Vgl. hierzu den Beitrag von Ingrid Schneider in dieser Ausgabe.

PD Dr. phil., geb. 1971; Mitarbeiter in der Abteilung Ethik und Geschichte der Medizin, Universität Göttingen; Gutachter für in- und ausländische Ministerien und Förderinstitutionen; stellvertretender Vorsitzender der Ethikkommission der Universitätsmedizin Göttingen, Humboldtallee 36, 37073 Göttingen. E-Mail Link: clenk@gwdg.de