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Kommunale Kulturfinanzierung im Zeichen der Krise

Joy Richard Fatoyinbo

/ 14 Minuten zu lesen

Im Zeichen der Finanz- und Wirtschaftskrise wurden viele kulturelle Strukturen und Einrichtungen in Deutschland abgebaut oder stehen kurz vor ihrer Schließung.

Einleitung

Die Finanznöte der Städte und Gemeinden schlagen auch auf die Kulturfinanzierung durch. Bereits im Jahr 2009 waren künftige Engpässe im Bereich der kommunalen Kulturfinanzierung erkennbar. Der Deutsche Bundestag hatte schon in dieser frühen Phase der Finanz- und Wirtschaftskrise ein Expertengespräch zum Thema Rezession und kulturelle Kulturfinanzierung durchgeführt. Es sollten Prognosen erstellt werden über die zu erwartenden Auswirkungen der globalen Finanzkrise auf die Kultur in Deutschland.

Im Frühjahr 2010 lud der Bundestagsausschuss für Kultur und Medien erneut eine Reihe von Expertinnen und Experten zu einem öffentlichen Gespräch über die "Lage der öffentlichen Kulturfinanzierung in der Finanz- und Wirtschaftskrise - Lösungsmöglichkeiten für den Erhalt der kulturellen Infrastruktur in den Ländern und Kommunen". Ziel dieses Gespräches war es zum einen, herauszuarbeiten, welche Auswirkungen die Krise bei Ländern und Kommunen, den Hauptträgern der Ausgaben im Bereich Kultur, bis dato gehabt hatte. Zum anderen sollten Lösungsmöglichkeiten für die Finanzierungsengpässe entwickelt werden. Als besondere Schwierigkeit stellte sich heraus, dass es galt, auch die verfassungsmäßige Entflechtung der staatlichen Ebenen - eine unmittelbare Folge der Föderalismusreformen I und II - zu berücksichtigen.

Bund, Länder und Gemeinden

Die Ausführungen der Fachleute drehten sich vor allem um Möglichkeiten zur Unterstützung der Länder- und Kommunalhaushalte bei der Kulturfinanzierung. Insgesamt werden in Deutschland etwa 8,3 Milliarden Euro aus öffentlichen Mitteln pro Jahr für die Kultur ausgegeben; das sind lediglich 1,8 Prozent der gesamten Steuermittel. Der Grund dafür, dass sich die Experten bei ihren Lösungsvorschlägen auf die Bundesländer und Gemeinden konzentrierten, ist insbesondere darin zu sehen, dass in Deutschland im Durchschnitt die Kultur zu 47 Prozent von den Ländern und zu 43 Prozent von den Kommunen finanziert wird (in Nordrhein-Westfalen beträgt der Kommunalisierungsgrad der Kulturfinanzierung sogar rund 80 Prozent ). Der Bund hingegen übernimmt lediglich zehn Prozent der Ausgabenlast. Den Ländern und Kommunen kommt somit insbesondere die Aufgabe zu, die kulturelle Infrastruktur zu unterhalten. Der Bund wiederum ist vor allem in der Rolle des investiven Initiativ- und Projektförderers tätig, eine Aufgabe, die er beispielsweise mithilfe der Kulturstiftung des Bundes erfüllt.

Als kleinste räumlich-administrative Einheiten haben die Gemeinden ein in Artikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) verbrieftes Selbstverwaltungsrecht. Dass die kommunale Selbstverwaltung über eine sichere finanzielle Grundausstattung verfügt, die sich trotz erheblicher Unterschiede in der Steuerkraft der einzelnen Gemeinden stets auf einem gleichmäßigen Niveau befindet, soll durch den kommunalen Finanzausgleich sichergestellt werden. Dieser verläuft sowohl vertikal, das heißt im Verhältnis zwischen Ländern und Kommunen, als auch horizontal, also im Verhältnis der Gemeinden untereinander. Gemäß Artikel 106 Absatz 7 GG müssen die Länder einen prozentualen Anteil der Gemeinschaftssteuern, bestehend aus der nicht veranlagten Ertragssteuer, der veranlagten Einkommenssteuer, der Lohnsteuer, der Körperschaftssteuer, der Kapitalertragssteuer sowie einer Gewerbesteuerumlage an die Gemeinden weiterleiten. Die Höhe dieses durch Landesgesetz ausgestalteten Anteils wird in dem jeweils übergeordneten Landeshaushalt verabschiedet.

Die Rechtsprechung hat den Umfang dieser sogenannten Schlüsselzuweisungen derart bestimmt, dass sie geeignet sein müssen, den Kommunen die Wahrnehmung der sogenannten freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zu gestatten. Entsprechend der Freiwilligkeit dieser Aufgaben sind die Zuweisungen frei verwendbar und nicht zweckgebunden. Aus der Gesamtsumme der für den Finanzausgleich bereitgestellten Mittel, der sogenannten (Steuer-)Verbundsmasse, werden in einigen Bundesländern Teile reserviert, die im Falle von kommunalen haushälterischen Notlagen auf Antrag als Bedarfszuweisungen freigegeben werden können. Auch im Landeshaushalt werden disponible Mittel für die Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben freigehalten. Diese machen in der Regel etwa 20 Prozent des Gesamthaushalts aus.

Schwindende Einnahmen, steigende Ausgaben

In den Kommunen kollidiert bei der Kulturfinanzierung ein verfassungsrechtlicher Grundsatz mit einem fiskalischen: Auf der einen Seite steht das bereits erwähnte Selbstverwaltungsrecht, aus dem sich gleichzeitig eine Pflicht zur kulturellen Daseinsvorsorge ergibt; entsprechend häufig sind die Gemeinden selbst Träger von Kultureinrichtungen, was wiederum ihre hohe Quote bei der Kulturfinanzierung erklärt. Auf der anderen Seite stehen den Kommunen als einzige originäre Einnahmequellen abseits der Länderzuweisungen die Grundsteuer und vor allem die stark konjunkturabhängige Gewerbesteuer zur Verfügung. Von der Gewerbesteuer, die als wesentliches finanzielles Werkzeug zur Selbstverwaltung verfassungsmäßig in Artikel 28 Absatz 2 Satz 3 GG ausdrücklich geschützt ist, müssen die Kommunen zirka ein Fünftel im Wege der Gewerbesteuerumlage nach einem festgelegten Schlüssel an den Bund und die Länder abführen. Während der Finanz- und Wirtschaftskrise war es jedoch gerade diese Steuer, die im Zuge einer konjunkturellen Anreizpolitik durch den Gesetzgeber aufgeweicht wurde. Bekanntestes Beispiel hierfür ist wohl die umstrittene Mehrwertsteuererleichterung für Hoteliers, der sogenannte "Hotelrabatt".

Dass eine derartige wirtschaftliche und politische Entwicklung die kommunalen Haushalte besonders hart treffen musste, habe laut Ansicht der Experten auf der Hand gelegen: Während die Gemeindehaushalte in den Jahren 2006 und 2007 noch deutliche Einnahmeverbesserungen und Überschüsse verzeichneten, mussten bereits im Jahr 2009 Einnahmerückgänge in den Kommunen von 2,1 Prozent konstatiert werden, bei einem gleichzeitigen Anstieg der Ausgaben von 5,1 Prozent. Für das Jahr 2010 standen ein weiterer Einnahmerückgang von 1,4 Prozent und ein Ausgabenanstieg von 2,9 Prozent zu Buche.

Auch mittel- und längerfristig ist keine Besserung in Sicht: Mit der Mär vom Ende der Krise, die Anfang 2011 die Runde in Politik und Medien macht, kann freilich nur das Ende der Krise für die deutsche Privatwirtschaft gemeint sein. Hingegen wird die Handlungsfähigkeit der meisten Kommunen auf viele Jahre hinaus zumindest stark eingeschränkt bleiben. Bereits die Kreditschulden sind vielerorts inzwischen so hoch, dass die Haushalte allein durch Zinstilgungen über lange Zeit stark an- oder sogar aufgefressen werden. Die meisten Maßnahmen des zur Abmilderung der Finanz- und Wirtschaftskrise geschaffenen Konjunkturpaketes II sind Ende 2010 ausgelaufen, und im Jahr 2019 enden auch die Bundesergänzungszuweisungen aus dem Solidarpakt II. Speziell für den kulturellen Bereich kommt erschwerend hinzu, dass er im Rahmen der Daseinsvorsorge zu den freiwilligen Aufgaben der Gemeinden gehört, in Abgrenzung zu den klassischen Pflichtaufgaben wie zum Beispiel dem Meldewesen, der Abfallbeseitigung oder etwa der Straßenreinigung.

Lediglich der Freistaat Sachsen hat mit dem Sächsischen Kulturraumgesetz (SächsKRG) die Kulturpflege für die Kommunen zu einer Pflichtaufgabe mit Gesetzesrang erhoben (§2 Absatz 1 SächsKRG). Im Jahr 1994 zunächst vorläufig entstanden, um das Auslaufen der im Zuge der Wiedervereinigung gewährten Übergangsfinanzierung der Kultur in den ostdeutschen Bundesländern abzufedern, hat das SächsKRG inzwischen Vorbildfunktion. Es regelt auch kommunale Spillovers: Dieser Begriff meint die ungleiche Kostenverteilung zwischen den Gemeinden, die große Kultureinrichtungen unterhalten, und den umliegenden Gemeinden, die an diesen Einrichtungen teilhaben, ohne sie mitzufinanzieren. Um diesen finanziellen Verschiebungen entgegenzuwirken, ist das Land Sachsen zunächst in fünf Kulturräume unterteilt worden. Regional bedeutsame Einrichtungen werden im Wege eines Lastenausgleiches zwischen der jeweiligen Trägergemeinde, dem dazugehörigen Kulturraum und dem Land Sachsen finanziert. Dieser wird bei den ländlichen Kulturräumen durch neugeschaffene Organe, die Kulturkonvente, gesteuert. Bei den urbanen Kulturräumen übernehmen die Organe der Gemeinden die Steuerung.

Nach einhelliger Meinung der Experten sei es immer der Bereich der "freiwilligen Aufgaben", der bei den Sparbemühungen der Gemeindekämmerer und auch in entsprechenden Auflagen der Kommunalaufsichtsbehörden an erster Stelle genannt werde. Konsens besteht ebenfalls darüber, dass dieses Zusammenspiel von negativen Faktoren dazu geführt habe, dass auf kommunaler Ebene die Finanzierung kultureller Einrichtungen in einer Vielzahl von Fällen schwierig, wenn nicht gar unmöglich geworden sei. Aus der hohen kommunalen Finanzierungsquote bei der Kultur folge, dass die finanzielle Lage der Kultur unmittelbar mit der finanziellen Lage der Kommunen im Allgemeinen verknüpft sei.

Besonders problematisch stelle sich in diesem Zusammenhang die Aufrechterhaltung der kulturellen Grundversorgung schlechthin dar, etwa von Musikschulen oder Bibliotheken, und die dauerhafte Sicherung des laufenden Betriebes kultureller Einrichtungen. Die besondere Gefahr bei der Zerstörung solcher Kulturstrukturen liege darin, dass diese im Nachhinein nicht wieder aufgebaut werden könnten.

Von Seiten des Deutschen Bühnenvereins wird vorgebracht, dass die Einsparmaßnahmen im Kern immer einen Abbau von Personal vorsähen, weil eben schwerlich woanders gespart werden könne. Bei Theatern und Orchestern etwa seien in den vergangenen Jahren 7000 von 45000 Arbeitsplätzen abgebaut und gleichzeitig niedrigere Haustarife eingeführt worden. Betroffen seien darüber hinaus die privaten Finanzierungsquellen für den kulturellen Bereich, die angesichts eigener Überlebenskämpfe ebenfalls nicht mehr helfen könnten.

Lösungsvorschläge

Für die kommunale Ebene werden Lösungsmöglichkeiten zur Erhaltung kultureller Strukturen vorgeschlagen, die über die allgegenwärtigen Sparmaßnahmen hinausgehen. Zunächst gelte es, wie bereits in Brandenburg angestoßen, Kulturentwicklungskonzeptionen unter Mitwirkung von Ländern und Gemeinden zu erstellen. In diesem Rahmen könne man möglichst effiziente Strukturanpassungen entwickeln, die bestimmenden Faktoren wie dem demographischen Wandel gerecht würden. Da sich allein mit Einsparungen auf dem kulturellen Sektor kein Haushalt sanieren lasse, sei dieser Bereich bei Einsparüberlegungen als Schonbereich zu behandeln; bereits verhältnismäßig kleine Sparmaßnahmen könnten zu verheerenden, irreparablen Folgen für die kulturelle Infrastruktur führen. Die Definition eines solchen Schonraumes sei die Verkörperung einer notwendigen politischen Prioritätensetzung für die Kultur.

Diese Maßnahmen könnten womöglich flankiert werden von Einnahmeverbesserungen mittels Preiserhöhungen, insbesondere im oberen Preissegment. Als Maßnahmen, die unmittelbar Geld brächten, wird etwa die Erhöhung der eigenen Steueraufkommen durch die Gemeinden selbst genannt. In diesem Zusammenhang soll eine im März 2010 vom Bundesfinanzministerium eingesetzte Gemeindefinanzkommission Vorschläge für eine Neuordnung der Kommunalfinanzierung unterbreiten. Zu den aktuellen Vorschlägen dieser Kommission gehört zum Beispiel die Einführung eines künftigen eigenen Hebesatzrechtes der Gemeinden auf die Einkommenssteuer. Weitere Kreditaufnahmen der Kommunen werden ebenfalls vorgeschlagen, sofern dies finanzierbar scheine.

Mancherorts haben private Initiativen bereits für die Erhaltung bedrohter oder bereits geschlossener kommunaler kultureller Strukturen gesorgt. Öffentliche Einrichtungen sind beispielsweise in private Vereine umgewandelt worden und werden nun mit größerer Flexibilität und kleineren Budgets weitergeführt. Die Vertreter der kommunalen Dachverbände und der Interessenvertretungen der Kulturschaffenden fordern vor allem eine stärkere Beteiligung der Länder am Schutz kultureller Güter unter Gemeindeträgerschaft. Insbesondere bei der Verteilung der disponiblen Ländermittel müsse der Bereich der kommunal getragenen Kultur stärkere Beachtung finden. Die Kultur müsse im Wege der Landesgesetzgebung faktisch zur Pflichtaufgabe gemacht werden, ähnlich wie im Falle des Sächsischen Kulturraumgesetzes.

An den Bund wird die Forderung nach einer Entschuldung der Kommunen herangetragen. Insbesondere sollen diejenigen Steuergesetze, von denen die Gemeinden profitierten, entsprechend verändert werden. Außerdem müsse das Konnexitätsprinzip auf Bundesebene durchgesetzt werden: Eine Aufgabenzuweisung an die Kommunen dürfe nicht ohne die Bereitstellung entsprechender finanzieller Mittel erfolgen.

Keine Einigkeit hingegen herrscht über den Vorschlag, die Kultur als Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen. Ähnlich kontrovers wird der Vorschlag eines Kulturnothilfefonds des Bundes mit direkter Wirkung für die Kommunen diskutiert, eines der Kernthemen des letzten Expertengespräches. Nur noch am Rande wird zurzeit der Vorschlag einer Art Umgehungsfinanzierung durch den Bund mittels einer finanziellen Entlastung der Länder bei Aufgaben von nationaler Bedeutung diskutiert, obwohl dieser Ansatz mittelfristig den größten Erfolg zu versprechen scheint.

Ein genauerer Blick auf die aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten zeigt, dass hier ein Königsweg noch lange nicht gefunden ist. Angesichts der Größe und Vielschichtigkeit der Aufgabe, eine nationale Initiative zur Rettung kultureller Strukturen zu schaffen, verwundert dies nicht. Die jenseits finanzieller Zuweisung liegenden, eher "weichen" Governance-Lösungen, wie etwa die Kulturentwicklungskonzeptionen zwischen Ländern und Kommunen oder legislative Maßnahmen wie Steuer-, Länder- oder Grundgesetzreformen zur Priorisierung der Kultur, stehen vor allem vor einem Problem: Die Zeit drängt. Daher kommt den unmittelbar finanzwirksamen Maßnahmen eine ungleich höhere Bedeutung zu. Dass eine grundgesetzliche Verankerung des Staatszieles Kultur etwa den Kulturverantwortlichen bei den Verhandlungen mit den Kämmerern helfen würde, leuchtet ein. Dem wird jedoch zu Recht entgegengehalten, dass ein solches Ziel ohne die entsprechende finanzielle Ausstattung rein deklaratorische Wirkung hätte. Außerdem müsste es dann konsequenterweise auch anderen Politikfeldern, etwa dem Sport, zugestanden werden.

Der Vorschlag, in die erneute Kreditaufnahme zu gehen, ist vor allem an der Fähigkeit zur Tilgung zu messen. Ohne Einschränkungen kommt diese Alternative daher nur für wirtschaftlich leistungsfähige Gemeinden mit einem entsprechenden Anteil am Bruttoinlandsprodukt in Frage oder aber für Gemeinden, die ihre Haushalte während des konjunkturellen Aufschwungs kurz vor der Krise weitgehend konsolidiert haben. Mit Vorsicht hingegen sollten sich bereits überschuldete Kommunen dieses Mittels bedienen: Zwar kann die Insolvenz einer Gemeinde praktisch nicht realisiert werden - wenn eine systemische Relevanz bereits für Banken angenommen werden konnte, stellt sich diese Frage im Falle von Gebietskörperschaften nicht -, jedoch bestünden angesichts einer schrankenlosen "Bailout"-Politik seitens des Bundes keinerlei Anreize für die Kommunen, ihre Schuldenstände abzubauen oder strukturelle Fehlentscheidungen zu korrigieren. Außerdem hat eine staatliche Haftungsgemeinschaft zur Folge, dass einzelne Schuldenmacher in negativer Weise die Bonität des gesamten Staates beeinflussen.

Das Mittel der Preiserhöhungen ist ebenfalls als nur begrenzt wirksam einzustufen. Angesichts einer sinkenden Bereitschaft und Kraft für Ausgaben in der Bevölkerung, auch oder gerade im oberen Preissegment, könnte eine allzu rigide Vorgehensweise in dieser Richtung sogar den gegenteiligen Effekt haben und zu Einnahmeverlusten führen. Die Umwandlung von kommunalen öffentlichen Kultureinrichtungen in private Körperschaften kann zwar zur Rettung von Strukturen führen, geht jedoch zumeist mit einer drastischen Reduzierung von Stellen und Material sowie einer entsprechenden Verkleinerung des inhaltlichen Angebotes einher. Dem Ruf nach verstärkter Länderbeteiligung steht entgegen, dass sich die Länder, was ihren Anteil an der Kulturfinanzierung und ihre finanzielle Situation betrifft, in einer ähnlichen Situation befinden wie die Kommunen. Weitere Ländergesetze nach dem Vorbild des Sächsischen Kulturraumgesetzes zu schaffen, scheidet weitgehend aus, da die kommunalen Finanzierungssystematiken in den einzelnen Bundesländern zu unterschiedlich sind.

Was den Nothilfefonds betrifft, so ist zunächst zu sagen, dass ein direkter Durchgriff auf die Gemeinden durch den Bund im Zuge der Entflechtung durch die Föderalismusreformen I und II verfassungsmäßig unmöglich geworden ist. Dieses Prinzip ist zum Beispiel in Artikel 84 Absatz 1 Satz 7 GG verankert. Artikel 104b GG, auf den bei der Frage nach der Legitimation eines Fonds rekurriert wird, nennt zwar die Gemeinden, erlaubt aber Finanzhilfen des Bundes ausdrücklich nur in Richtung der Länder. Dies hat zur Folge, dass auch eine stärkere Beteiligung des Bundes an der allgemeinen kommunalen Grundsicherung, über die im Finanzministerium noch im Winter 2010 diskutiert wurde, verfassungsmäßig nicht zu legitimieren sein wird.

Es wäre nicht überraschend, wenn zu den Stimmen aus der parlamentarischen Opposition, welche die Gemeindefinanzkommission Ende 2010 für gescheitert erklärt haben, weitere Kritiker hinzukämen. So wurde etwa der bereits im Juli 2010 vorgelegte Zwischenbericht der Gemeindefinanzkommission von der Internationalen Handelskammer der Region Stuttgart als wenig aussagekräftig eingestuft. Ein weiteres Problem bei der Anwendung des Artikel 104b GG liegt darin, dass dieser lediglich eine investive Förderung gestattet. Die zu lösenden Aufgaben liegen jedoch vorwiegend im Bereich der strukturellen Förderung.

Aus diesem Grund sind Finanzhilfen der rein projektbezogen tätigen Kulturstiftung des Bundes ebenfalls nur äußerst begrenzt wirksam. Die in Artikel 104b GG genannten drei Förderzwecke, die "Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts", der "Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet" und die "Förderung des wirtschaftlichen Wachstums", lassen sich zudem auf die Kultur nicht anwenden. Zwar wird hier angeführt, dass ein solcher Fonds nicht verhindert werden würde, da es an einem Kläger fehle, jedoch ist diese Lösung abzulehnen, da das Parlament sich in seiner Funktion als gesetzgebendes Organ konterkarierte, wenn es evidente Verfassungsverstöße zur Durchsetzung von Politik hinnähme.

Umgehungsfinanzierung

Vorzugswürdig scheint eine Lösung, die an den Zweck aus Artikel 104b Absatz 1 Nr. 3, die "Förderung des wirtschaftlichen Wachstums", anknüpft. Ein ganz ähnlicher Zweck ist in Artikel 91a Absatz 1 Nr. 1 GG zu finden. Demzufolge ist die Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern bei der Wahrnehmung der "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" als sogenannte "Gemeinschaftsaufgabe" möglich.

In diesem Licht erscheint eine modifizierte Variante der insbesondere durch den Hamburger Staatsrat Nikolas Hill vorgeschlagenen Umgehungsfinanzierung als verfassungsrechtlich vertretbarste und zugleich effektivste Alternative einer Finanzhilfe durch den Bund: Indem er Geld gibt für Strukturen, die der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur dienen (wie zum Beispiel den Hamburger Hafen), kann der Bund die Länder finanziell massiv entlasten. Diese Einsparungen können die Länder sodann im Wege frei gewordener disponibler Mittel an die Gemeinden zur Erfüllung ihrer freiwilligen Aufgaben abgeben. Gesteuert werden könnten diese über das eigentliche Ziel hinausgehenden, zweckgebundenen Leistungen etwa im Wege von Bedingungen oder Auflagen, die wiederum den Maßstäben der kommunalen Selbstverwaltung, Konnexität und Freiwilligkeit unterliegen.

Ein solches Modell stellt keine Gesetzesumgehung im Sinne eines fraus legis dar; im Gegenteil: Eine Kopplung von Finanzzuweisungen für gesamtstaatlich bedeutende Pflichtaufgaben der Länder und Kommunen, etwa mit der inhaltlich nicht näher bestimmten Auflage, das dadurch eingesparte Geld zur Durchführung freiwilliger Aufgaben einzusetzen, würde die kommunale Kulturfinanzierung als solche sichern und trüge gleichzeitig dem "Wie" - der Freiwilligkeit - bei eigenverantwortlicher Selbstverwaltung Rechnung.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Teilnehmende an der Expertenrunde waren: die Geschäftsführer zweier Interessenvertretungen Kulturschaffender (Rolf Bolwin, Geschäftsführender Direktor, Deutscher Bühnenverein, Bundesverband der Theater und Orchester, Köln; Olaf Zimmermann, Geschäftsführer, Deutscher Kulturrat e.V., Berlin); zwei Staatsrechtler (Hans Meyer, Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät; Christian Waldhoff, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät); Vertreter der Kulturministerien zweier Flächenbundesländer (Hajo Cornel, Abteilungsleiter, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, Potsdam; Peter Lönnecke, Referatsleiter, Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, Dresden), eines Stadtstaates (Nikolas Hill, Staatsrat, Behörde für Kultur, Sport und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg) und dreier kommunaler Spitzenverbände (Klaus Hebborn, Beigeordneter und Leiter des Dezernats Bildung, Kultur und Sport, Deutscher Städtetag, Berlin; Jörg Freese, Deutscher Landkreistag, Beigeordneter und Leiter des Dezernats Gesundheit, Jugend und Bildung, Deutscher Landkreistag, Berlin; Ralph Sonnenschein, Referatsleiter, Deutscher Städte- und Gemeindebund Berlin).

  2. Im Grundgesetz ist lediglich von "Gemeinden" die Rede. Der Begriff "Kommune" stellt ein Synonym für diese Art von Gebietskörperschaft dar.

  3. So Olaf Zimmermann, Wortprotokoll der BT-Ausschusssitzung vom 24.2.2010, S. 21, online: www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse
    17/a22/oeffentliche_Sitzungen/8__Sitzung/
    protokoll.pdf (14.1.2011).

  4. Die Körperschaftssteuer fließt zwar in die Gemeinschaftssteuer mit ein, wird jedoch hälftig unter Bund und Ländern aufgeteilt.

  5. Hajo Cornel, Wortprotokoll (Anm. 3), S. 7.

  6. Da diese Umlage in den Topf der Gemeinschaftssteuern fließt, erhalten die Gemeinden einen Teil davon im Zuge des kommunalen Finanzausgleichs zurück.

  7. Klaus Hebborn, Wortprotokoll, S. 9.

  8. Vgl. Martin Junkernheinrich, Umgang mit kommunalen Schulden- Länderdisparitäten in der kommunalen Schuldenpolitik, in: Ralf Thomas Baus/Henrik Scheller/Rudolf Hrbek (Hrsg.), Der deutsche Föderalismus 2020. Die bundesstaatliche Kompetenz- und Finanzverteilung im Spiegel der Föderalismusreform I und II, Baden-Baden 2009, S. 162.

  9. Jörg Freese, Wortprotokoll, S. 8f.

  10. Darüber hinaus hat Sachsen seine kommunalen Schulden durch den Verkauf der kommunaleigenen Dresdner Wohnungsgesellschaft im Jahr 2006 um ein Viertel reduzieren können.

  11. Peter Lönnecke, Wortprotokoll, S. 13.

  12. Klaus Hebborn, Wortprotokoll, S. 10, S. 19.

  13. Jörg Freese, Wortprotokoll, S. 9. Ein besonders anschauliches Beispiel ist in diesem Zusammenhang der von "NPD-nahen Kreisen" geplante Aufbau einer nationalistischen "Volksbücherei" im vorpommerschen Anklam angesichts der drohenden Schließung der dortigen Stadtbibliothek; vgl. Andreas Kilb, Fonds ohne Hüter, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9.3.2010, S. 31, online: www.faz.net (14.1.2011).

  14. Klaus Hebborn, Wortprotokoll, S. 10; Olaf Zimmermann, ebd., S. 16.

  15. Rolf Bolwin, Wortprotokoll, S. 6.

  16. Nikolas Hill, Wortprotokoll, S. 11.

  17. Hajo Cornel, Wortprotokoll, S. 8.

  18. Monika Grütters, Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien, Wortprotokoll, S. 5.

  19. Nikolas Hill, Wortprotokoll, S. 11.

  20. Christian Waldhoff, Wortprotokoll, S. 24.

  21. Vgl. Robert Birnbaum/Cordula Eubel, Ein Treffen fürs Grobe, in: Der Tagesspiegel vom 20.11.2010, S. 4.

  22. Dies sei laut Nikolas Hill in Hamburg geschehen; Wortprotokoll, S. 11.

  23. Ein erfolgreiches Beispiel ist die Gründung des Vereins "Für eine Musikschule in Cuxhaven" (Femic): Bereits im Jahr 2005 löste Femic die bisherige Jugendmusikschule Cuxhaven ab und arbeitet seitdem aufgrund eines Vertrages mit dem Verwaltungsausschuss der Stadt mit einem stark verkleinerten Budget weiter; vgl. Jakob Vicari, Eine Rebellion nach Noten, in: brand eins, 12 (2010) 9, S. 108f.

  24. Olaf Zimmermann, Wortprotokoll, S. 17.

  25. Jörg Freese, Wortprotokoll, S. 9.

  26. Hans Meyer, Wortprotokoll, S. 25.

  27. Klaus Hebborn, Wortprotokoll, S. 26.

  28. Nikolas Hill, Wortprotokoll, S. 12.

  29. Olaf Zimmermann, Wortprotokoll, S. 22; Abg. Reiner Deutschmann (FDP), ebd., S. 28.

  30. Hans Meyer, Wortprotokoll, S. 20.

  31. Vgl. M. Junkernheinrich (Anm. 8), S. 167.

  32. Vgl. Henrik Scheller, Die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 - ein diskursiver Wendepunkt in der deutschen Föderalismusdebatte?, in: Deutscher Föderalismus (Anm. 8), S. 20-24.

  33. Hajo Cornel, Wortprotokoll, S. 8.

  34. Klaus Hebborn, Wortprotokoll, S. 20.

  35. Vgl. Hans-Günter Henneke, Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nach Art. 70ff. und Art. 83ff. GG - Effizienzsteigerung durch Aufgabenoptimierung, in: Deutscher Föderalismus (Anm. 8), S. 140.

  36. Vgl. R. Birnbaum/C. Eubel (Anm. 21).

  37. So zum Beispiel der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Bernd Scheelen im November 2010.

  38. Christian Waldhoff, Wortprotokoll, S. 15.

  39. Nikolas Hill, Wortprotokoll, S. 12f.

  40. Ulrich Häde skizziert eine ähnliche Möglichkeit: Zwischenbilanz zu den Auswirkungen der Föderalismusreform I - neue Koordinierungsformen und versperrte Finanzierungskanäle?, in: Deutscher Föderalismus (Anm. 8), S. 45.

LL. M. (Master of Laws); Rechtswissenschaftler, Berlin. E-Mail Link: joy.fatoyinbo@hotmail.com