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Welche Spuren hinterlasse ich im Netz? | Überwachung, Tracking, Datenschutz | bpb.de

Welche Spuren hinterlasse ich im Netz?

Ole Reißmann

/ 4 Minuten zu lesen

Wir hinterlassen Spuren im Internet. Jedes Mal, wenn wir eine Website abrufen. Beim Surfen auf Newsportalen, wenn wir online Shoppen gehen, beim Chatten in sozialen Netzwerken. Unternehmen nutzen diese Spuren, um mehr über uns herauszufinden - und um uns dann beispielsweise passende Werbung anzuzeigen. Aber das ist längst nicht alles.

Deine Spur im Netz (© flickr - epadilla - CC BY-NC-SA 2.0)

Nehmen wir zum Beispiel Moritz, einen ganz gewöhnlichen Surfer: Wenn der sich in einem Online-Shop Schuhe anschaut und die dann doch nicht kauft, tauchen Anzeigen für genau diese Schuhe anschließend auf den unterschiedlichsten Websites auf.     So funktioniert das: Wenn Moritz den Online-Shop aufruft, wird von einer anderen Firma eine kleine Datei mit einem eindeutigen Code auf dem Computer von Moritz gespeichert, ein sogenannter Cookie. Schaut Moritz danach auf Websites vorbei, die mit derselben Firma zusammenarbeiten, kann dieser Cookie ausgelesen werden. Die Firma weiß: Da kommt jemand vorbei, der hat sich in dem Schuh-Shop ausführlich informiert, dem zeigen wir diesen Schuh jetzt nochmal, vielleicht kauft er ihn ja doch noch. Moritz bekommt also Werbeanzeigen präsentiert, die genau auf ihn zugeschnitten sind. Dass ihm der Schuh nun durch das Web folgt und auf allen möglichen Websites auftaucht, nennt sich “Retargeting” - und ist eine sehr offensichtliche Form des Trackings, der Nutzerverfolgung. Diese Werbe-Schleppnetze erstrecken sich über weite Teile des Netzes, ohne von uns bewusst wahrgenommen zu werden.

Auch eine Suchmaschine wie Google merkt sich, was Moritz an Suchbegriffen eintippt und was für Websites er besucht. Daraus erstellt Google ein Profil, errechnet Alter, Geschlecht und Interessen, um passende Werbung anzeigen zu können. Was Google über einen weiß, kann man sich auf einer Externer Link: Übersichtsseite ansehen. Weil die Google-Anzeigen nicht nur bei Google, sondern auf vielen Seiten im Web auftauchen, kann das Unternehmen sehen, Externer Link: was wir im Netz alles machen. Noch genauer wird das Profil, wenn man sich bei Google mit Name und Passwort anmeldet.

Ausgespäht und abgespeichert

Moritz ist auch bei Facebook. Auch wenn er sich gerade nicht auf der Website des sozialen Netzwerks befindet, werden Daten über ihn erhoben. Dabei reicht schon das ein “Gefällt mir”-Button auf einer Website auftaucht, damit Facebook weiß, dass Moritz sich diese Seite angesehen hat. Solche Online-Profile mit dem Surfverhalten und den Interessen von Nutzern sind Geld wert: Eine Firma kann zum Beispiel auf Basis dieser Informationen bei Facebook eine Werbeanzeige buchen, die nur Schüler im Alter von 17 bis 19 Jahren im Großraum Hannover sehen, deren Hobby Segeln ist.

Wir Nutzer werden ausgeforscht - und bekommen davon oft nichts mit. Ob von kostenlosen Diensten, durch Werbung finanzierten Nachrichtenseiten oder Online-Shops. Viele der Werbefirmen sehen keinen Grund zur Sorge: Man kenne ja keine Namen, wisse nur, dass da irgendjemand bestimmte Seiten aufrufe. Netzwerke wie Facebook wissen allerdings Namen und noch viel mehr. Doch wer jetzt welche Daten genau sammelt und im Hintergrund mit anderen Firmen austauscht, bleibt meist völlig unklar.

Um genauer zu wissen, wer ihm beim Surfen über die Schulter schaut, installiert Moritz Externer Link: Ghostery, eine kleines Zusatzprogramm für den Browser. Ghostery zeigt an, welche Unternehmen etwas von einem Besuch auf einer Website mitbekommen. Bei großen Seiten können das mehrere Externer Link: Dutzend sein - einige dieser Firmen stellen nützliche Funktionen bereit und sammeln nebenbei Daten, wie zum Beispiel Twitter und Facebook. Manche zählen nur die Zahl der Nutzer. Andere Firmen wiederum sammeln so viele Daten wie möglich.

Polizei interessiert sich für Datenberge

 

Ein schwacher Trost: Werber interessieren sich meist nicht besonders für einzelne Personen - sie denken in (Ziel-)Gruppen, wollen eintausend Menschen mit ähnlichen Interessen gezielt Anzeigen und Angebote machen können. Sobald es aber um Daten geht, die Nutzer eindeutig identifizieren, interessiert sich dafür auch die Polizei. Soziale Netzwerke und E-Maildienste bekommen Zehntausende Anfragen von Ermittlern. Offenbar zwingen auch Geheimdienste die Unternehmen zur Datenherausgabe - wissen soll davon aber besser niemand. Die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden zeigen aber, dass große Konzerne ihre Nutzer verraten - und den Behörden dabei offenbar auch schon mal entgegenkommen.

Wer keine Lust auf die Datensammlung hat, kann versuchen, sich vor dem Tracking der Werbefirmen zu verstecken. Ganz einfach ist das nicht: Schließlich lassen sich Nutzer auch noch verfolgen, wenn man die Cookies regelmäßig im Browser löscht: Anhand von verwendeten Programm, Bildschirmauflösung, vorhandenen Plug-ins und Schriftarten lässt sich immer noch eine Art Externer Link: digitaler Fingerabdruck erstellen.

Während der deutsche Datenschutz vorschreibt, was für Informationen Firmen mit anderen teilen dürfen und wofür es eine Einverständniserklärung des Nutzers braucht, sind die Gesetze in vielen anderen Ländern nicht ganz so streng. Dafür gibt es in den USA eine Initiative namens “Externer Link: Do not track”. Mit ein paar Klicks können Nutzer den Werbefirmen anzeigen, dass sie nicht ausgeforscht werden wollen. Genauer geht es mit Ghostery: Moritz kann mit dem Programm auch einstellen, welche Tracker er zulässt und welche er lieber blockieren will. Außerdem beschließt er, seinen Browser künftig regelmäßig von Trackern zu säubern.

Autor: Ole Reissmann

Geboren 1983. Studierte Politikwissenschaft an der Universität Bremen und Journalismus an der Hamburg Media School. Arbeitete am Sonderforschungsbereich Staatlichkeit im Wandel. Praktika und freie Mitarbeit unter anderem bei Carlsen Comics, SPIEGEL ONLINE, "taz", "ZEIT Online", "Süddeutsche Wissen" und "Geo Wissen". Seit Februar 2011 Redakteur bei Spiegel Online im Ressort Netzwelt.

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Geboren 1983. Studierte Politikwissenschaft an der Universität Bremen und Journalismus an der Hamburg Media School. Arbeitete am Sonderforschungsbereich Staatlichkeit im Wandel. Praktika und freie Mitarbeit unter anderem bei Carlsen Comics, SPIEGEL ONLINE, "taz", "ZEIT Online", "Süddeutsche Wissen" und "Geo Wissen". Seit Februar 2011 Redakteur bei Spiegel Online im Ressort Netzwelt.