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Interview mit Patrick Bernau: "Die Nutzer sind das Volk" | Überwachung, Tracking, Datenschutz | bpb.de

Interview mit Patrick Bernau: "Die Nutzer sind das Volk"

Netzdebatte Redaktion

/ 5 Minuten zu lesen

Google, Facebook, Yahoo: Das Internet wird von wenigen, meist amerikanischen Unternehmen dominiert. Der NSA-Skandal hat nochmals deutlich gemacht, dass wir den Unternehmen mit unseren Daten eine ungeheure Macht geben. Brauchen wir also eine europäische Alternative zu Google&Co? Patrick Stegemann sprach mit dem FAZ-Wirtschafts-Redakteur Patrick Bernau über Monopole, die Macht der Nutzer und die Ohnmacht der Politik.

Google und Co. (CC, Stuck in Customs) Lizenz: cc by/3.0/de

Wenn wir im Internet aktiv sind, verbringen wir die meiste Zeit auf den Seiten einer handvoll amerikanischer Unternehmen. Sind das schon Monopole?

Im ganz strengen Sinne sind sie es nicht, weil es immer noch den ein oder anderen kleinen Konkurrenten gibt. Im Internet haben wir allerdings Marktstrukturen, die dazu neigen, Monopole auszubilden. Diese Struktur nennen Ökonomen ein natürliches Monopol. Das funktioniert so: Es ist furchtbar teuer, eine Suchmaschine zu programmieren, aber jeder zusätzliche Nutzer kostet eigentlich nichts mehr. Und so kommt es, dass Google mit diesen vielen Nutzern viel Geld verdienen kann. Dieses Geld kann es wieder in die Entwicklung stecken und so seinen Marktvorteil ausbauen. Und genau das ist ein natürliches Monopol.

Das Internet ist längst zum Markt geworden, was unterscheidet denn diesen von anderen, herkömmlichen Märkten, wie zum Beispiel dem Biermarkt?

Im Ergebnis relativ wenig. Aber auf dem Bier- oder Automarkt hat man schon drei oder vier Anbieter. Und das liegt daran, dass es im Internet kaum Grenzkosten gibt. Also natürlich braucht Google eine Infrastruktur und wahnsinnig viel Strom, aber der einzelne Nutzer kostet da kaum etwas. Auf dem Biermarkt ist das anders: Für jede Bierflasche muss Hopfen und Wasser genutzt werden, jeder Biertrinker kostet also auch Geld.

Das Internet lebte lange vom Mythos der Do-it-yourself-Kultur, von der Idee eines genialen Programmierers, der große Unternehmen spielend herausfordern kann. Angesichts der Machtkonzentration im Internet ist das wohl tatsächlich nur ein Mythos?

Diese Kultur gibt es schon noch, das sehen wir ja zum Beispiel an Zuckerberg. Der hat sich da hingesetzt und ein bisschen programmiert und dann gab‘s Facebook. Das Problem ist, dass man selten eine Konkurrenzsituation hat, es gibt kaum Auswahl. Manchmal passiert es natürlich, dass ein neuer Konkurrent kommt und das Monopol ablöst, der wird aber selbst wieder Monopolist. So wie wir es mit dem Niedergang von MySpace und dem Aufstieg von Facebook gesehen haben.

Man könnte natürlich sagen: Was soll‘s, ich als Nutzer kann ja das Angebot immer leicht wechseln und im Grunde gefällt es mir ja auch so. Was ist denn das Problem?

Monopole führen natürlich zu Marktverzerrungen und zu ungesunder Machtkonzentrationen. Der Wettbewerb - der ja für einen Markt eigentlich maßgeblich ist - wird so außer Kraft gesetzt. Aber es gibt natürlich auch negative Auswirkungen auf der Unternehmensseite: Man kann sicher davon ausgehen, dass Google seine Suchmaschine nicht so schnell entwickelt wie andere Anbieter, es steckt eben auch viel Geld in andere Projekte.

Es gibt noch andere negative Auswirkungen: Internetseiten können sich nicht aussuchen, wo sie hingehen, wo sie gelistet sind. Sie müssen zu dem Monopolisten gehen, den sich die Nutzer ausgesucht haben. Das treibt natürlich seltsame Blüten: Da werden Leute beschäftigt, die minütlich Überschriften ändern, um dem Google-Algorithmus zu gefallen. Das Geld könnte man sicher sinnvoller investieren.

Die Politik scheint ziemlich hilflos, aber wäre es nicht an ihr, diesen Monopolen Paroli zu bieten?

Es ist in der Tat so, dass es nicht so richtig viele Lösungen gibt. Die Debatte fängt gerade erst an und Leute denken über Lösungen nach. Und es ist natürlich ein Problem, das man vor 20 Jahren noch nicht hatte. Google hat zwar Yahoo abgelöst, aber jetzt scheint es selbst nicht mehr ablösbar zu sein. Das ist ja eine für politische Maßstäbe durchaus neue Entwicklung. Und da gibt es kaum Lösungen.

Die Politik kann natürlich versuchen, dass einzuhegen, aber sie wird das in den meisten Fällen gegen die Nutzer tun. Die Ökonomen haben auch noch keine Werkzeuge. Am Ende sind es also die Nutzer, die das entscheiden. Wenn es ihnen zu bunt wird, wie Google mit ihren Daten umgeht, gehen sie eben.

Das klingt ziemlich fatalistisch; im Grunde entheben sich diese Unternehmen ja der demokratischen Kontrolle.

Mit der Demokratie sehe ich da kein Problem: Nutzer können ja direkt ihre Interessen durchsetzen. Das ist doch eigentlich Demokratie. Ein Demokratiedefizit wäre es dann, wenn keiner etwas tun kann. Aber die Nutzer können ja, sie sind das Volk, der Demos. Schwieriger ist es für die Unternehmen, aber die haben in der Demokratie ja auch kein Wahlrecht.

Alle großen Internetunternehmen kommen aus Amerika, unterstehen dem dortigen Recht, was in der NSA-Debatte nochmals deutlich wurde. Warum ist das Internet so amerikanisch geprägt und warum gibt es keine nennenswerten europäischen Mitspieler?

Wenn man das wüsste, hätten wir vermutlich schon drei große europäische Internetfirmen. Aber es gibt natürlich Erklärungsansätze. Zum einen ist es eine bestimmte Kultur: In Amerika nehmen Leute eher ein Risiko in Kauf, in Deutschland gibt es einen größeren Drang, ein Normalarbeitsverhältnis zu haben. Zum anderen sind die Europäer und speziell die Deutschen in Bezug auf Technik ein gutes Stück skeptischer und lassen sich nicht ganz so schnell begeistern. Und dann gibt es auch noch Leute, die sagen: Es liegt an der öffentlichen Förderung. Am Ende ist es sicherlich eine Mischung aus alledem.

Es gibt die Forderung einiger deutscher IT-Unternehmen, einen Internet-Airbus zu schaffen: einen mit öffentlichen Mittel geförderten europäischen Internetgiganten also. Was halten Sie von solchen Vorschlägen?

Ich denke, so etwas würde nicht funktionieren. Die EU-Kommission schlägt doch auch jetzt erst die Wettbewerbsschlachten, die sich schon vor Jahren erledigt haben. Zum Beispiel hat die EU noch lange versucht, den Internet Explorer als unlauteren Monopolversuch Microsofts zu ahnden. Dabei ist der ja schon längst von Firefox abgelöst, der auch gerade wieder im Begriff ist, abgelöst zu werden. Insofern bin ich sehr skeptisch, dass die Politik etwas fördern kann, was wirklich dynamisch ist und die Nutzer begeistern kann. In diesem Bereich nah an der technischen Entwicklung dran und wirklich innovativ zu sein: Das können Verwaltungen einfach nicht.

Also sind es doch die Nutzer, auf denen die Last des Wandels liegt: Brauchen wir also eine Nutzer-Gewerkschaft?

Ich glaube nicht, am Ende ist es eine Entscheidung von Individuen. Dann kommt es schon darauf an, wie viele mitmachen. Das ist wie in der Politik. Wenn jetzt das Volk über eine große Regulierungs-Offensive der EU abstimmen würde, und Sie würden als einziger dafür stimmen, dann hätten Sie auch verloren. Ebenso wie Sie heute verloren haben, wenn Sie als einziger aus Facebook aussteigen. Es kommt immer darauf an, ob viele mitmachen. Aber was man tut, muss und darf jeder für sich selbst entscheiden.

Patrick Bernau

Patrick Bernau ist studierter Diplom-Volkswirt und Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Nachdem er zuvor fünf Jahre für die Sonntagszeitung gearbeitet hat, leitet er seit 2012 das Online-Ressort der Wirtschaftsredaktion. Insbesondere interessieren ihn die IT-Wirtschaft. Gelegentlich gibt er Kurse an der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft.

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