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Rente Quiz

Die Rente ist nichts für Rentner

Netzdebatte Redaktion

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Ein Land, zur Hälfte voll mit Rentnern? Willkommen in Deutschland im Jahr 2050 - so einige Prognosen. Wir werden älter und weniger, unsere Arbeitsverhältnisse verflüssigen sich. Für das Rentensystem ist das eine Herausforderung. Höchste Zeit, darüber zu reden.

Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Das gilt wohl auch für die Rente. Ganz so einfach ist das mit der Altersvorsorge heute aber nicht mehr. (© Public Domain)

"Man muss sich einen Stecken in der Jugend schneiden, damit man im Alter daran gehen kann", erkannte schon Konfuzius, lange bevor es die Rentenversicherung gab. Über Jahrhunderte hinweg war die Familie das Fundament einer gelungenen Altersvorsorge. Jung sorgte für Alt und andersherum. Ein erster, informeller Generationenvertrag.

Seither hat das Konzept der Rente, zumindest hierzulande, eine steile Karriere hingelegt: Angefangen bei Bismarcks Sozialgesetzen, bis hin zur Rente mit 63 haben wir uns ein historisch einmaliges gesellschaftliches System aufgebaut. Die zentrale Idee dabei ist der Externer Link: Generationenvertrag: Die Jungen in der Gesellschaft sorgen dafür, dass der oder die Einzelne im Alter versorgt ist.

Die Rente ist sicher - oder?

Aber ist das heute noch realistisch? Was ist, wenn sich die Altersstruktur einer Gesellschaft drastisch verändert? Genau das scheint in Deutschland gerade zu passieren. Die Menschen werden immer älter, die Geburtenrate sinkt. Manche Demografen sagen voraus, dass im Jahr 2050 jeder dritte Mensch in Deutschland über 65 Jahre alt sein wird. "Das stellt diese Systeme vor eine große Herausforderung", meint auch der Leiter des Berliner Instituts für angewandte Demographie, Harald Michel.

Viele Menschen glauben deshalb heute nicht mehr daran, dass sie später eine gerechte und ausreichende Rente erhalten werden. Dreiviertel der Deutschen Externer Link: sind davon überzeugt, dass wir in Zukunft deutlich länger arbeiten müssen. Vor dem siebzigsten Geburtstag in den Ruhestand zu gehen, scheint für viele schon illusorisch. Auch unter den Expertinnen und Experten ist man sich nicht einig: Es wird nicht nur über das richtige Renteneintrittsalter gestritten, sondern auch wie die Finanzierung des Rentensystems in Zukunft gerecht zu verteilen ist. Ist das Umlageverfahren noch zukunftsfähig?

Es gibt aber auch jene, die die Aussagekraft demografischer Vorhersagen grundsätzlich infrage stellen. Der Statistiker Gerd Bosbach redet gar von einerExterner Link: "Demografie-Angst". Aus lauter Sorge später nichts mehr von dem abzubekommen, was wir heute selbst einzahlen, fließe immer mehr Geld in die private Vorsorge. Die gesetzliche Rente würde derweil zunehmend zurückgebaut. Davon profitieren zunächst vor allem Privatversicherungen und Arbeitgeber, so Bosbach.

Wird der Demografische Wandel unsere Gesellschaft umkrempeln? Oder bleiben die Effekte überschaubar? Wie verlässlich ist die Demografie? Wie gut lassen sich gesellschaftliche Entwicklungen also wirklich vorhersagen? Und was bedeutet das für die Politik?

Die neuen, jungen Alten

Wir leben nicht nur länger, wir werden auch anders alt, sind länger fit und haben höhere Ansprüche an unsere Leistungsfähigkeit. Gleichzeitig wird mehr von uns erwartet. Der Soziologe Stefan Lessenich spricht von der Externer Link: Generation der "jungen Alten", auf denen ein ganz neuer, gesellschaftlicher Druck lastet. Denn: Auch im Alter müsse diese Gruppe der aktiven Alten der Gesellschaft mit ihren Kompetenzen zur Verfügung zu stehen und gesellschaftlich produktiv bleiben. Der "Ruhestand" habe also heute nicht mehr viel mit Ruhe zu tun. Damit einher geht laut Lessenich, dass der zentrale Verteilungskonflikt heute und in Zukunft zwischen Jung und Alt verläuft. Wird der Generationenvertrag also künftig infrage gestellt? Werden wir den älteren Mitgliedern der Gesellschaft immer mehr abverlangen? Und: Wie sieht es in anderen Ländern, anderen Kulturkreisen aus? Wie wird anderswo mit dem Altern und "den Alten" umgegangen?

Eigenverantwortung oder Solidarität?

"Die Zeiten, in denen wir ein Leben lang im gleichen Betrieb arbeiten, sind längst vorbei", sagt Daniel Dettling vom Berliner Think Tank "Zukunftsinstitut". "Im Jahr 2050 wird die Arbeitswelt flexibler, mobiler, aber auch anstrengender sein". Die meisten Lebensläufe seien heute schon gezeichnet von Brüchen, Auszeiten, Mischarbeitsverhältnissen. Das bedeutet Lücken in der Vorsorge. Gleiches gilt für jene Menschen, die kurz- oder langfristig ganz aus dem Rentensystem fallen: Häftlinge etwa oder Asylbewerber/-innen. Ihnen droht später oft die Altersarmut.

Braucht es also Reformen um den neuen Arbeitsformen Rechnung zu tragen? Warum fallen manche Menschen ganz "aus dem System"?

Ein Spiegel der Gesellschaft

Auseinandersetzungen über die Rente sind auch immer ein Spiegel der Gesellschaft. Unserer Gesellschaft. Verraten sie doch viel über unser Verhältnis zum Altern, unsere Vorstellung von Solidarität und Gerechtigkeit, unser Verständnis von Gesellschaft und unser kulturelles Erbe. Ist unser Rentenmodell noch zeitgemäß? Sollte in Zukunft vielleicht jeder für sich selbst sorgen? Brauchen wir vielleicht einen ganz anderen Ansatz? Ein Grundeinkommen etwa? Im Thema Rente stecken viele Fragen, die jede/-n Einzelne/-n von uns berühren. Und zwar jetzt. Zeit, dass wir darüber reden.

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