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Fleisch- ja, aber bitte mit Würde!

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Von Jochen Fritz (Biobauer und Vorstand RegionalwertAG Berlin-Brandenburg)

Jochen Fritz ist Biobauer aus Werder an der Havel und Vorstand der RegionalwertAG Berlin-Brandenburg (© Regionalwert AG BBG)

Letzte Woche war eine Besuchergruppe aus dem Bundestag zu Besuch auf unserem Biohof. Wir standen auf unserer Weide, inmitten unserer Wasserbüffelherde. Es ist die unglaubliche Ruhe, die die Herde ausstrahlt, die beeindruckt. Große mächtige Tiere, die stoisch wiederkäuen, eine Herde, die sich auch von 20 Besuchern auf ihrer Weide nicht aus der Ruhe bringen lässt und weiter im Schatten liegen bleibt – ein glücklicher Moment für Besucher und Bauer.

Ich erzähle der Gruppe, dass wir unsere Tiere halten, um unsere Landschaft offen zu halten und dass diese Gras aus extensivem Grünland verwerten. Sie erhalten kein Kraftfutter, schon gar kein Soja. Wasserbüffel sind ein wichtiger Baustein in unserem Kreislauf, denn unsere Pflanzen benötigen ihren Dung zum Wachsen. Es ist ein Idyll, jeder Besucher findet das, aber zu diesem Idyll gehört auch, dass diese von uns gehegten Tiere geschlachtet und gegessen werden.

Für mich ist klar, dass das Halten und Schlachten von Wiederkäuern weltweit notwendig ist, um auch das Grünland und die Steppenlandschaften zu nutzen. Also viele Flächen, die nicht mit dem Ackerbau in Konkurrenz stehen. Wir können dieses Potenzial nicht liegen lassen, wenn wir zukünftig zehn Milliarden Menschen ernähren wollen.

Natürlich gibt es viele Gründe, warum sich heute viele Menschen vegan ernähren. Wenn wir die Bilder aus der Massentierhaltung vor Augen haben, 50 000 Hähnchen in einem Stall, gemästet mit Soja aus dem brasilianischen Regenwald. Schweinemast-Anlagen wie in Vetschau mit 50 000 Schweinen. Diese Anlagen verursachen extreme Umweltschäden und die Politik schaut zu. Das alles sind ökologische und klimarelevante Katastrophen.

Was mich stört, ist der Glaubenskrieg um Fragen der Ernährung. Die einen warnen vor Verboten, schimpfen, ihnen solle das Recht aufs Schnitzel genommen werden. Die Gegenseite fordert, dass es ganz ohne Fleisch gehen muss, für sich – aber auch für andere. Ich bin der Überzeugung, dass dieser Streit uns nicht weiterhilft. Nichts wird durch die Maximalforderungen besser, auch nicht durch den völligen Verzicht auf Fleisch. Nein, wir brauchen eine verantwortungsvolle Landwirtschaft.

Denn die Herausforderung wird sein, wie wir alle zusammen viel weniger Fleisch konsumieren, und wenn, dann das richtige. Diese Hausaufgabe gibt uns der Weltklimarat in seinem Bericht zur Landnutzung. Dieser stellt fest, dass 23 Prozent des menschengemachten Treibhausgaseffekt von der Land- und Forstwirtschaft verursacht wird.

Die Fleischberge zum Grillen im Sonderangebot müssen aufhören. Es kann nicht sein, dass Fleisch billiger ist als Gemüse. Das ist unwürdig fürs Tier und auch für den Bauern, der davon leben soll. Es muss aufhören, dafür die Bäuerinnen und Bauern zum Sündenbock zu machen. Sie sind in dem System gefangen: Bei immer noch niedrigeren Preisen müssen sie noch mehr Fleisch produzieren, um ihren Betrieb erhalten zu können. Es sind viele Bäuerinnen und Bauern bereit, Tiere artgerechter zu halten und auf Ökologischen Landbau umzusteigen.

Aber dazu braucht es eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, klare Rahmenbedingungen, finanzielle Hilfe bei der Umstellung und viele Menschen, die diese Produkte auch zu fairen Preisen kaufen. Es braucht viele Menschen, die Bauern darin unterstützen weiter zu machen oder jungen Menschen helfen, Höfe zu gründen. Deswegen habe ich die Regionalwert AG Berlin-Brandenburg mitgegründet, bei der Bürgerinnen und Bürger auf Höfen investieren.

Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung für diese Herausforderung. Stadt und Land müssen sich wieder verbinden. Gebt der täglichen Arbeit der Bauern, die unsere Lebensmittel herstellen, wieder mehr Wertschätzung und dem Fleisch die Würde zurück!

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