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"The Whole World is Watching" | Die 68er-Bewegung | bpb.de

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"The Whole World is Watching" Internationale Solidarität und Synergien 1968

Manuel Gogos

/ 30 Minuten zu lesen

Solidarität und Protest ließen die Menschen rund um den Globus zusammenrücken: Die Medien trugen erstmals dazu bei, dass sich um den Vietnamkrieg und den Kampf für die Rechte der Farbigen eine Weltöffentlichkeit formierte.

1968 gehen Polizisten in Chicago mit Knüppeln gegen Anti-Vietnamkriegsdemonstranten vor. Diese Szenen wurden per Satellit weltweit ausgestrahlt und steigerten den Protest zur internationalen Bewegung. (© AP)

Ein Gewimmel von Reminiszenzen, Allegorien, Selbsttäuschungen, Verallgemeinerungen und Projektionen hat sich an die Stelle dessen gesetzt, was in diesem atemlosen Jahr passiert ist. Die Erfahrungen liegen begraben unter dem Misthaufen der Medien, des 'Archivmaterials' – einer Wirklichkeit, die unter der Hand unvorstellbar geworden ist. Mein Gedächtnis, dieser chaotische, delirierende Regisseur, liefert einen absurden Film ab, dessen Sequenzen nicht zueinander passen. Vieles ist mit wackelnder Handkamera aufgenommen. Die meisten Akteure erkenne ich nicht wieder. Je länger ich mir das Material ansehe, desto weniger begreife ich. Es war nicht möglich, das alles gleichzeitig zu verstehen. Hans Magnus Enzensberger Immer häufiger wird die Revolte von 1968 als Meilenstein in die Vorgeschichte der Globalisierung eingetragen. "Der Versuch, ihre Konturen zu zeichnen, [muss darum] über nationale Fallstudien hinausgeführt werden", wie Ingrid Gilcher-Holtey programmatisch erklärte. Die emphatischen Internationalisten unter den Revolutionären von 1968 operierten nach ihrer eigenen Wahrnehmung in einer globalen 'Arena', mit ihnen bewegte sich die Revolte insgesamt in einen transnationalen Raum hinein. Eine Art "megautopische Stimmung" grassierte, Teil eines weltweiten Ganzen, einersozialistisch inspirierten Weltfriedensbewegung zu sein. Dies 'Schwärmen' ist im Nachhinein zu einer Art magic moment weltweiter Zusammengehörigkeit und Solidarität verklärt worden: "Gleichzeitigkeit bedeutete, dass es eine Vielzahl von Protestformen gab, die zu einem neuen, internationalen Lebensgefühl zusammenwuchsen."

Zu den wichtigsten Austragungsorten dieser vermeintlichen 'Weltrevolution' zählten, laut Wolfgang Kraushaar: "Der Pariser Mai, dessen Euphorie wie ein romantisches Traumgebilde ebenso rasch wieder in sich zusammenfiel, wie es sich herausgebildet hatte, der Prager Frühling, der in seiner Bedeutung erst richtig erkannt worden ist, als er von den sowjetischen Panzern bereits niedergewalzt wurde, der Aufstand der Schwarzen in den USA, deren nach Waffen rufende Protagonisten sich vor allem nach der Ermordung Martin Luther Kings bestätigt fühlten, die Proteste der mexikanischen Studenten gegen die korrupte Staatspartei, die im Oktober kurz vor der Eröffnung der Olympischen Spiele auf so brutale Weise erstickt wurde, aber auch der Internationale Vietnam- Kongress in Berlin." Alles geschah, alle handelten in atemloser Gleichzeitigkeit. Ganz anders als die damaligen Akteure vermag der heutige Beobachter der Szene aus dem historischen Abstand eine Art archimedischen Punkt einzunehmen – ähnlich dem der Astronauten um Neil Armstrong, die, wiederum in einer Überlappung der Ereignisse und Gedächtnisse, mit ihrer Mondlandung 1969 erstmals die Welt als Ganzes in den Blick bekamen: "Die zahlreichen Demonstrationen in Amsterdam, Ankara, Athen, Belgrad, Berkeley, Brüssel, Chicago, Dakar, Istanbul, Kopenhagen, Lissabon, London, Madrid, Mailand, Manila, New York, Rio, Rom, Sydney, Tokio, Venedig, Warschau, Washington, Zürich – das alles hat aus der Welt jenes 'global village' gemacht, von dem der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan schon damals gesprochen hat."

Abbie Hoffman war Mitinitiator von Demonstrationen in Chicago – und kam damit weltweit in die Medien. 1968 stand er wegen "Aufrufs zur Demonstration" vor Gericht. (© AP)

Der damalige amerikanische Präsident Lyndon B. Johnson argwöhnte angesichts der weltweiten Proteste, das Aufbegehren könne von zentraler feindlicher Stelle gesteuert sein. Er beauftragte die CIA damit, die Organisation und Finanzierung der Proteste aus dem Ausland aufzuklären. Doch sein Geheimdienst konnte ihm nicht helfen: Die Proteste seien hausgemacht. Die Kumulationen des Jahres 1968 sind sicher nicht Ausdruck einer zentral gesteuerten kommunistischen Weltverschwörung, vielmehr konvergierten hier ganz unterschiedliche soziokulturelle Prozesse. Zwar gab es sporadische Versuche, die Ereignisse bewusst zu synchronisieren: So demonstrierten die amerikanischen Studenten immer am 15. jedes Monats, dieser jour fixe wurde dann von Studierenden bis nach Kairo übernommen. Aber trotz solcher Indizien einer Kooperation und Koordination halten ehemalige Akteure wie der einstige Vorsitzende des deutschen SDS und bekennende Internationalist KD Wolff ebenso wie die Autoren Wolfgang Kraushaar oder der amerikanische Historiker Mark Kurlansky die Synchronizität der Ereignisse für eher zufällig: "Die Rebellion war weder geplant noch organisiert. Sie wurden mittels hastig einberufener Zusammenkünfte gesteuert; einige der wichtigsten Entscheidungen fielen aus der Laune des Augenblicks heraus." Abbie Hoffman, als Mitinitiator der Demonstrationen von Chicago im August 1968 vor Gericht gestellt, gab über seine angeblich konspirative 'Gruppe' zu Protokoll: "Wir hätten uns nicht mal aufs Mittagessen einigen können." Noch stärker variierten die widerständischen Motive entsprechend verschiedenen nationalen Bezugsrahmen. So lässt sich die Bewegung in Deutschland im komparativen Blickwinkel sicherlich am stärksten durch die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit der eigenen 'Väter' charakterisieren. Diese Vorgeschichte der Täter- und Trümmerkinder aber spielt wiederum permanent in ihr europa- und weltweites antifaschistisches Engagement hinein. "Jede Nation ist von ihrer eigenen Geschichte beeinflusst. [...] Für die Linke in Frankreich und Großbritannien waren die Amerikaner Kolonialisten, für die Deutschen Nazis." Es ist darum kein Zufall, dass ausgerechnet der antidiktatorische Protest während des Schah-Besuchs in Berlin am 2. Juni 1967 mit dem Mord an Benno Ohnesorg der Bewegung ihren ersten Märtyrer bescherte.

David gegen Goliath

Einer der Fluchtpunkte des international synchronisierten Aufbegehrens lag in der Herausforderung der 'Hegemonialmacht' USA. Che Guevara hat in seiner berühmten "Botschaft an die Völker der Welt" die USA zur Zielscheibe eines militanten Internationalismus gemacht: "Unsere ganze Aktion ist eine Kriegsansage gegen den Imperialismus und ein Ruf nach der Einheit der Völker gegen den großen Feind des Menschengeschlechts: die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam." Es ist der 'schmutzige' Krieg, den die US-amerikanischen Truppen in Vietnam führen, der dem Jahr 1968 vielleicht am nachhaltigsten seinen Stempel aufgedrückt hat. Die massenmedial vermittelten Bilder des Vietnamkriegs – mit Kennedy beginnend, unter Johnson eskalierend –, die Verwicklung der Amerikaner in einen unmoralischen Kampf machte das amerikanische Establishment in den Augen der eigenen Jugend verdächtig. Zugleich stammten viele der wichtigsten Protest- und Widerstandsformen aus der 'Höhle des Löwen': Die counterculture eignete sich die wichtigsten Strategien des zivilen Ungehorsams von der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung an. Für Martin Luther King stand immer das Prinzip der Gewaltlosigkeit im Mittelpunkt. Dabei berief er sich gern auf die anarchischen Traditionen des amerikanischen Transzendentalisten Thoreau, der sich wiederum vom zivilen Ungehorsam Mahatma Gandhis hatte inspirieren lassen.

1968 gehen Polizisten in Chicago mit Knüppeln gegen Anti-Vietnamkriegsdemonstranten vor. Diese Szenen wurden per Satellit weltweit ausgestrahlt und steigerten den Protest zur internationalen Bewegung. (© AP)

Anders die Black Panther Bewegung, die sich ab 1966 unter der Ägide des New Yorker Aktivisten Stokely Carmichael formierte und nach der Ermordung Kings am 4. April 1968 radikalisierte. Zu den dadurch ausgelösten sozialen Unruhen gab der Jazz-Musiker und Beat-Poet LeRoi Jones die Parole aus: "An die Wand mit euch Scheißkerlen – das ist ein Überfall!" Für Jones oder andere Aktivisten der Black Panther wie Huey Newton, der mit seinen militanten Selbstinszenierungen als Dschungelkämpfer die amerikanische Mittelschicht in Angst und Schrecken versetzte, galt nicht länger das Proletariat als das 'revolutionäre Subjekt' – vielmehr sollten nun die Farbigen in den Ghettos die bestehende Ordnung zum Einsturz bringen. Einen der dramatischen Höhepunkte der 'revolutionären' Ereignisse in den USA stellte der Chicagoer Konvent der Demokratischen Partei im August 1968 dar. In den gewalttätigen Straßenkampfszenen mit der Polizei von Chicago wurden Beatniks wie Allen Ginsberg und William S. Burroughs mit Yippies und Black Panther zu einer Bewegung zusammengeschweißt. Die Chicagoer Szenen brutaler Polizeigewalt wurden über Satelliten in die ganze Welt ausgestrahlt. Damit geschah genau das, was sich die Initiatoren erhofft hatten: The Whole World is Watching.

Mark Kurlansky nennt die Ereignisse darum sardonisch einen jener Momente der "Fernsehmagie" des Jahres 1968. Tom Hayden, einer der Führer der amerikanischen Protestbewegung und Hauptinitiator der Demonstrationen, erinnert sich: "Als wir nach Chicago kamen, gab es in unserem Vokabular den Ausdruck 'Pig' noch nicht, wir kannten noch nicht den Slogan 'Die Straße gehört dem Volk'. Aber in der Situation, die die Polizei schuf, bekamen diese Worte Bedeutung. Chicago veränderte die Linke, veränderte die Medien, änderte die, die dabei waren, und die, die zuschauten. Der Chicagoer Parteitag symbolisierte die endgültige Niederlage liberaler Politik, den kalten Krieg im eigenen Lande." Die Militärjeeps im Grand Park erinnerten die Demonstrierenden an die noch ganz frischen Bilder russischer Panzer in den Straßen von Prag, sie nannten ihre Stadt darum in einer Übersprungshandlung 'Czechago'.

Als in der so genannten Tet-Offensive die Vietcong-Truppen einen Vorstoß auf die US-Botschaft in Saigon machten und damit den Wendepunkt des Kriegsgeschehens markierten, schlug zugleich in der breiten amerikanischen Bevölkerung und in der Welt die Stimmung vollends gegen den 'imperialistischen' Krieg der Supermacht um. Unter dem weltweiten Druck kündigte Johnson an, kein weiteres Mal für das Präsidentenamt zu kandidieren. Woodstock Nation, das 'andere' Amerika der Subkultur, wie es so unnachahmlich in Jimi Hendrix' legendärem Gitarren-Solo in Woodstock zum Ausdruck gekommen war, dieses "wahre" Amerika (KD Wolff) hatte einen seiner wichtigsten Siege errungen.

Persönliche Transfers

Herbert Marcuse gehörte mit seiner Schrift "Der eindimensionale Mensch" (1964) zu den einflussreichsten Theoretikern der New Left. In einem Interview gab sich der Philosoph der "Großen Verweigerung" angesichts der weltweiten Ereignisse optimistisch, die Revolution könne von Kräften außerhalb der Arbeiterklasse hervorgebracht werden. Die Ereignisse hätten "einen qualitativ neuen Typus menschlicher Wesen" hervorgebracht: "Es war eine der beglückendsten Erfahrungen meines Lebens zu beobachten, dass die Studentenbewegung eine internationale Bewegung ist, die sich ohne feste Organisationsformen entwickelt hat und ständig weiter entwickelt.

Anders ausgedrückt, es gibt so etwas wie Solidarität, so etwas wie Übereinstimmung in den Zielen und das ohne die traditionellen Formen der Organisation. Ich sah eine Bewegung, die den neuen Menschen nicht erst nach der Revolution erhofft. Das ist meiner Meinung nach einer der hoffnungsvollsten Aspekte in der gegenwärtigen Situation." Marcuse, als Philosophieprofessor an der University of California tätig, lehrte zwischen 1966 und 1968 in den Sommersemestern auch an der Freien Universität Berlin und stellte damit auch eine persönliche Kontinuität zwischen den Revolten in Deutschland und den USA her. Ingrid Gilcher-Holtey betont die Bedeutung derartiger Transfers: "Die international fast zeitgleich erfolgende Entdeckung und Wiederentdeckung von Autoren wurde durch die länderübergreifende Kooperation linker Zeitschriften und Gruppen gefördert, die sich durch Austausch von Informationen und Publikationen vernetzten." Karl Dietrich Wolff, Günter Amendt, Michael Neumann und Daniel Cohn-Bendit waren als Oberschüler oder Studenten in den USA von der Bürgerrechtsbewegung Martin Luther Kings fasziniert und von der Art, wie sie Anfang der 1960er Jahre damit begonnen hatte, ihren Platz im öffentlichen Raum zu 'besetzen'.

Mario Savio wurde, später unterstützt durch die Folksängerin Joan Baez, zum Sprecher der Studenten an der Universität Berkely, Kalifornien. Hier versammelten sich im Dezember 1964 6000 Studenten zu einem Sit-in. (© AP)

Auch in den USA hatte die Revolte eine Basis an den Universitäten. Bereits im Juni 1962 kam ein kleiner Kreis von Aktivisten des US-amerikanischen SDS in Port Huron in Michigan zusammen, um im berühmten "Port Huron Statement" die Gefühle und Perspektiven ihrer Generation zu formulieren. Die bemerkenswerte Erklärung begann mit den Worten: "Wir sind Menschen dieser Generation, aufgewachsen in zumindest bescheidenem Komfort, sitzen an den Universitäten und schauen voller Unbehagen auf die Welt, die wir erben." Es war das free-speech-movement in Berkeley, das 1964 erstmals Formen der 'Selbstaufklärung', wie sie die schwarze Bewegung erprobt hatte, in das studentische Milieu der weißen Mittelschicht einführte. "Die Bewegung der Schwarzen verband sich nur indirekt, aber dafür umso wirkungsvoller, mit der Studentenrevolte des Jahres 1964 in Berkeley." Am 2. Dezember versammelten sich in Berkeley 6000 Studentinnen und Studenten zum ersten universitären Sit-in. Der Sohn italienischer Einwanderer Mario Savio wurde,später unterstützt durch die Folksängerin Joan Baez, zu ihrem Sprecher. Seine Kommilitonen umzingelten ein Polizeiauto. Gut erzogen zieht Savio seine Schuhe aus, bevor er auf das Dach des Polizeiautos klettert und eine seiner agitatorischen Reden hält: "Es gibt einen Punkt, an dem die Arbeitsweise der Maschine so abscheulich wird, dass man nicht mehr mitmachen kann. Dann muss man sich in das Getriebe legen, auf die Räder, auf die Hebel, und mit seinem Körper den ganzen Apparat blockieren." Angesichts der Eskalation des Vietnamkriegs fanden nun an der Universität Michigan, in Harvard, an der Columbia und in Yale die ersten Teach-ins statt.

John Lennon und Yoko Ono bei ihrem "Bed In" 1969 in Amsterdam. Das frischverheiratete Paar demonstrierte so für den Frieden (© AP)

Etwa zeitgleich wurden in San Francisco das Love-In, das Bed-In und das Smoke-In kreiert, die der politischen Selbstaufklärung den hedonistischeren Unterton der Selbstverwirklichung beimischten. Die aufblühende Subkultur der Hippies erwies sich als äußerst fantasiereich, ihre Neuschöpfungen, massenmedial vermarktet, gingen rasch um die Welt. Gilcher-Holtey rekonstruiert das Zusammentreffen der politischen und der Underground-Fraktionen im Jahre 1965 in Michigan, das Befremden der Weltverbesserer im ganzen Ernst ihrer Debatten über die bunten Gewandungen und den exzessiven Marihuana-Konsum der Hedonisten. Teach-In vs. Love-In, Psychologie vs. Politik – fast unvereinbar schienen die Kommunikationsstile und Formen der Selbstrepräsentationen zu sein. Auf der einen Seite des Spektrums standen gewissermaßen die beiden schwarzen Olympia-Sieger Tommie Smith und John Carlos, die in Mexico die Faust der Black Power hochhielten; auf der anderen Seite lagen John Lennon und Joko Ono bei ihrer Pressekonferenz nackt im Bett. Und doch gab es Wechselwirkungen: Fortan war es möglich, in Hippie-Manier den Vietnam-Soldaten Blumen in die Gewehrläufe zu stecken oder Polizisten mit bloßem Busen zu provozieren, um Widerstand zu demonstrieren. "Die Demonstrationskultur [veränderte sich] durch den Zustrom der Beat-Boheme und Gegenkultur", bilanziert Gilcher-Holtey.

Selbst diese Spannung zwischen den unterschiedlichen Fraktionen setzte sich in Deutschland fort. Einerseits sprach Rudi Dutschke den Protagonisten der amerikanischen Subkultur für die internationale Bewegung eine geradezu kanonische Autorität zu: "Die prägende Literatur ist jetzt die Underground- Literatur, sind die Reden von Malcom X, die Songs der Rolling Stones und von Aretha Franklin." Andererseits denunzierte der Studentenführer die Mitglieder der betont lässigen Kommune I im Spiegel als "bedauernswerte Neurotiker", wobei diese in ihren Flugblättern wiederum gegen die 'Lustfeindlichkeit' der dialektischen Avantgardisten aufbegehrten.

Der Vietnam-Kongress in Berlin und der APO -Apostel

Auch die deutschen Studenten weigerten sich, Vietnam als fernes Geschehen zu begreifen, bloß zuzuschauen und sich zum "Komplizen" (H. M. Enzensberger) machen zu lassen. Den größten Coup landete man im Februar 1968, als der SDS in West-Berlin den Internationalen Vietnam-Kongress organisierte und damit den Protest gegen den Krieg in eine Massenbewegung überführte. Führende Vertreter internationaler Studentenverbände fanden sich ein: Aus Frankreich kamen die Trotzkisten Alain Krivine und Daniel Bensaїd sowie Daniel Cohn-Bendit von der anarchistischen Gruppe LEA (Liaison des Etudiants Anarchistes). Aus Großbritannien reiste der Aktivist Tariq Ali an, einstmals Vorsitzender des berühmten Debattierklubs Oxford Union, und mit ihm Robin Blackburn von der New Left Review. Mit Bernadine Dohrn hatte auch der amerikanische SDS eine Vertreterin geschickt. Rudi Dutschke hielt das Hauptreferat.
In diesem einflussreichen Statement wird deutlich, dass die Globalisierung durchaus keine Perspektive ist, die nachträglich an das Geschehen von 1968 herangetragen wird. Für den Chefanalytiker der Bewegung war sie vielmehr ein konstitutives Element der Umwälzungsprozesse. Dutschke hob an in der feierlichen Diktion dessen, der sich bewusst ist, gerade 'Geschichte zu machen': "Jede radikale Opposition gegen das bestehendeSystem, das uns mit allen Mitteln daran hindern will, Verhältnisse einzuführen, unter denen die Menschen ein schöpferisches Leben ohne Krieg, Hunger und repressive Arbeit führen können, muss heute notwendigerweise global sein. Diese Globalisierung der revolutionären Kräfte ist die wichtigste Aufgabe der ganzen historischen Periode, in der wir heute leben und in der wir an der menschlichen Emanzipation arbeiten. [...] In den weltweiten Demonstrationen liegt in einem antizipatorischen Sinne so etwas wie eine revolutionäre Globalstrategie."

Die Antikriegsbewegung war in ganz Europa gut organisiert. 1966 führte die Schauspielerin Vanessa Redgrave eine Demonstration gegen den Vietnamkrieg in London an. (© AP)

Das Ende der Rede des Apo-Apostels ist – unter der Berufung auf den algerischen Befreiungstheoretiker Frantz Fanon – beseelt von einer revolutionären 'Nah-Erwartung': "Genossen! Wir haben nicht mehr viel Zeit. In Vietnam werden auch wir tagtäglich zerschlagen, und das ist nicht ein Bild und keine Phrase." Die französischen Trotzkisten vermittelten begeistert Dutschkes "stratégie escalade provocation" nach Frankreich. Alain Krivine, einer der Anführer der Pariser Mairevolte, sagte später: "Die meisten Taktiken lernten wir Anfang des Jahres bei den Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg in Berlin und Brüssel. Die Antikriegsbewegung war in ganz Europa gut organisiert. Aber Dutschke und die Deutschen waren die Vorreiter der disziplinierten Demonstrationstaktik. Als wir dort ankamen, standen ihre Transparente und Schilder und ihre Ordner schon bereit." Auch Tariq Ali ruhte nicht, bis er am 17. März in London eine vergleichbare Vietnam-Demonstration auf die Beine stellte.Tausende strömten auf die Oxford Street und riefen, von einem Meer roter Fahnen umbrandet," Ho, Ho, Ho Chi Minh".

Mick Jagger war Teilnehmer dieser Demonstration, die er in seinem Song "Street-Fighting Man" besungen hat. Für den politischen Denker Dutschke blieb jede Kritik an der kapitalistischen Wohlstandsgesellschaft unvollständig, solange sie nicht 'dialektisch' mit den revolutionären Bewegungen in der Dritten Welt verbunden würde. Unmissverständlich stellte er fest: "Ein marxistischer Sozialist ist Internationalist und treibt internationale Analyse." Für ihn deuteten die nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen überall in der Welt auf den Zerfall des Imperialismus. Insbesondere Lateinamerika schien ihm dabei eine Schlüsselrolle zuzukommen.

Che Guevara, Pantokrator der Weltrevolution

Che Guevara wurde zu einer Ikone der 68er Bewegung. (© AP)

Spätestens als am 2. Januar 1959 das diktatorische Batista-Regime Kubas gestürzt wurde und die Guerilleros unter Fidel Castro und dem Argentinier und Wahl-Kubaner Che Guevara in Havanna einzogen, war für eine sich in aller Welt formierende Neue Linke das role model eines befreiten, revolutionären Sozialismus geboren. Ihr Sieg über den Diktator stieß weltweit auf Anerkennung und Sympathie, weil er die Logik des Kalten Krieges zu durchbrechen schien: Kein von Moskau manipulierter Staatsstreich wie in Prag und Budapest war das gewesen, sondern ein spontaner Volksaufstand. Anders als die Greise im Kreml oder im Ostberliner Politbüro hatten Kubas Revolutionäre alles, was ein gutes Image braucht: Jugend und Sex-Appeal. Castro ernannte Che Guevara zunächst zum Leiter der Nationalbank und hob ihn schließlich 1961 in den Posten des Ministers der Industrie. 1963 wurde Guevara kubanischer Industrieminister. In dieser Eigenschaft kritisierte er öffentlich die Sowjetunion wegen "imperialistischer" Methoden und, so nimmt man heute an, musste daraufhin zurücktreten. Der Mythos des Freiheitshelden, der Amt und Würden aufgibt, um Revolution zu machen, ist also nur bedingt haltbar. Jedenfalls ging Guevara nach Bolivien, um dort – begleitet von einigen arbeitslosen Bergarbeitern – die revolutionären Ereignisse von Kuba zu wiederholen. Aber statt zum Revolutionär wurde er hier zum Desperado, gefangen genommen und ohne Gerichtsurteil erschossen. Die bolivianischen Militärs bahrten ihn in einer Dorfschule auf und fotografierten sich mit ihm. Die Bilder seiner von Kugeln durchbohrten Leiche gingen als Beweis um die Welt: Der Mann, den Sartre als den einzigen wirklich "authentischen" Menschen des 20. Jahrhunderts bezeichnet hatte, war tot.

Aber mit diesem Toten hatte die Bewegung zugleich ihren wichtigsten 'Märtyrer' gewonnen. Das Bild, in dem Che Guevara gewissermaßen seine 'Auferstehung' feierte, wurde zur vielleicht wichtigsten Ikone der Revolution: El Comandante, den Blick fest auf ein Ziel gerichtet, über der Stirn die Baskenmütze mit dem fünfzackigen Stern. Dieser Schnappschuss, geschossen 1960 vom Fotografen der Zeitung Revolución Alberto Diáz, genannt Korda, lag jahrelang unbeachtet in einer Kiste, bevor ihn der italienische Verleger Giangiacomo Feltrinelli 1967 auf Plakate drucken ließ. Kuba-Reisen entwickelten sich zu einer Art Pilgerfahrt. Hans Magnus Enzensberger hielt sich in den Jahren 1968 und 1969 hier auf, gleichzeitig reisten zahlreiche Intellektuelle an wie Dutschkes Freund Bernd Rabehl, der im Januar 1968 den Kulturkongress von Havanna besuchte.

Bereits im September 1967 schockierte Dutschke die Zuhörer auf einer Delegiertenkonferenz des SDS in Frankfurt mit dem Appell, Che Guevaras 'Propaganda der Schüsse' durch eine 'Propaganda der Tat' in den Metropolen zu ergänzen. Damit näherte er sich der Position der Tricontinentalen. An die Seite der Guerilleros in den Peripherien der Dritten Welt müsse, so Dutschke, der "Stadtguerillero" treten, der den Kapitalismus (nach innen) bzw. den Imperialismus (nach außen) vom Zentrum ausattackieren könne. Als Paradebeispiel dieses neuartigen Kampfes in den Metropolen nannte Dutschke die radikale japanische Studentenorganisation Zengakuren, die mit 5000 Stadtguerilleros einen "begrenzten Bürgerkrieg" führe. In Dutschkes emphatischer Identifikation mit der Dritten Welt sollten Strategien wie Che Guevaras berühmte "Focus-Theorie" importiert werden – die sichfür das Austragen gesellschaftlicher Konflikte in den Industriestaaten allerdings in der Folge als herzlich untauglich erwiesen: "Die Bilderwelt der Revolutionen der Dritten Welt, die auf die ersteWelt übertragen wurde, zeugte mehr von der provokativen Phantasie der jungen Leute in der Bewegung als von sonst irgend etwas." Eine Minderheit, die sich später "Rote Armee Fraktion" nennen sollte, suchte aus Carlos Marighelas "Handbuch des Stadtguerillero" (1969) die Methoden eines bewaffneten Untergrundkampfes zu erlernen, wie Ulrike Meinhof in ihrem Konzept der Stadtguerilla schrieb: "Was die Stadtguerilla machen kann, hat die Studentenbewegung teilweise schon gewusst. Sie kann die Agitation und Propaganda, worauf linke Arbeit noch reduziert ist, konkret machen ... Sie kann den verbalen Internationalismus konkretisieren als die Beschaffung von Waffen und Geld." Auch wenn der Gedanke der Verknüpfung des Guerillakampfes in der so genannten Dritten Welt mit dem revolutionären Potential in den Metropolen der Industrienationen in Dutschke seinen prominentesten Verfechter hatte: seine Idee war es nicht. Die Theorie wurde ihm vielmehr durch seinen Anschluss an die Künstlergruppe SPUR und deren Verbindung zur Situationistischen Internationale vermittelt.

Die Situationistische Internationale als geheimer Drahtzieher der globalen Revolte?

Bereits Anfang der 1960er Jahre war es das Programm der situationistischen Avantgarde, die Revolutionierung des Alltags mit den Befreiungsbewegungen außerhalb Europas zu verbinden.Ihr Cheftheoretiker Guy Debord bezeichnete das alltägliche Leben als "kolonisierten Sektor" und forderte dazu auf, alle Lebensgewohnheiten, die die Kreativität lähmen, abzuwerfen. Die Pariser Kulturrevolutionäre um die Gruppen "Socialisme ou Barbarie", "Arguments" und die "Situationistische Internationale" banden sich nur spielerisch zurück an Marx und forderten in der Tradition der Surrealisten und Dadaisten den "Sprung in eine andere Lebenspraxis". So verstand sich die Situationistische Internationale als Experimentalbewegung, welche 'die revolutionären Spieler aller Länder' vereinigen wollte. Zahlenmäßig ist die Situationistische Internationale trotz ihrer guten europäischen Vernetzung nie sehr stark gewesen. Von den siebzig Mitgliedern wurden zwischen 1958 und 1969 45 ausgeschlossen (so auch die deutsche Sektion SPUR), und 21 spalteten sich ab. Aber die kleine Zahl stand in keinem Verhältnis zu der Wirkung, die die Gruppe entfaltete. Wie in einem Gärungsprozess haben sich ihre Reflexionen in die Bewegung hinein vermittelt. So scheinen beispielsweise die komplexen Wechselwirkungen zwischen Studentenrevolte und Öffentlichkeit in den situationistischen Schriften dialektisch vorweggenommen.

1967 werfen Abbie Hoffman (links), und Jerry Rubin brennende Dollarscheine als "Liebesgeste" von der Besuchertribüne der New Yorker Börse auf das Handelsparkett. Den Stars der Hippiebewegung ging es vor allem um die Medialisierung ihrer Aktion. (© AP)

Vor allem Guy Debords einflussreiche Schrift "La Société de Spectacle"/"Die Gesellschaft des Spektakels" (Paris 1967) weist auf die Verblendungszusammenhänge moderner, mediengelenkter Blickregime hin: "Das ganze Leben der Gesellschaften, in welchen die modernen Produktionsbe-
dingungen herrschen, erscheint als eine ungeheure Sammlung von Spektakeln." Die Mehrheit nehme dieses Monopol des Scheins passiv, ja geradezu hypnotisiert hin: "Das Spektakel ist der schlechte Traum der gefesselten, modernen Gesellschaft, der schließlich nur ihren Wunsch zu schlafen ausdrückt. Das Spektakel ist der Wächter dieses Schlafes." Das Spektakel ziehe so, wie er sagt, "jeden Blick und jedes Bewusstsein" auf sich und mache die Gesellschaft damit zu einem Ort des getäuschten Blicks und des falschen Bewusstseins. Von hier aus lassen sich die 'spektakulären' Aktionen der 68er Avantgarde sehr viel besser begreifen: Abbie Hoffman und Jerry Rubin, die in Chicago ein Schwein zum Präsidentschaftskandidaten ausriefen; die Kommunarden, die ein Bomben-Attentat auf den amerikanischen Außenminister androhten, das sich dann als 'Puddingattentat' entpuppte: Immer geht es den avantgardistischen Szene-Stars bei ihren Medien-Hypes um eine Anverwandlung der Waffen des Gegners mit dem Ziel ihrer kritischen Entlarvung und Dekonstruktion, denn: "Bei der Analyse des Spektakels muss in einem gewissen Maß die Sprache des Spektakulären geredet werden." Die Situationisten hatten gelernt, die Medien zu manipulieren, statt sich von ihnen manipulieren zu lassen. "Wir sind in gewissem Sinne ein einziger großer Bluff", verriet Abbie Hoffman. Und der Amsterdamer Provo Bernhard de Vries gab Einblick in die Logik der Subversiven Aktion: "Wir sind zu schwach, um die Revolution zu machen. Deshalb machen wir die Macht lächerlich. Lächerlichkeit ist tödlich für sie."

Pariser Mai 1968

Der Mai 1968 stellte den dramatischen Höhepunkt der Pariser Bewegung dar. Wenige Monate zuvor hatte Staatspräsident Charles de Gaulle noch erklärt, die Franzosen würden sich langweilen. (© Günter Zint)

In Frankreich, wo der Staatspräsident de Gaulle noch in seiner Neujahrsansprache zum Jahr 1968 eingeräumt hatte, die Franzosen "langweilten" sich, entfaltete die Bewegung eine hohe Brisanz, deren dramatischen Höhepunkt der mythenumrankte Mai 1968 darstellt. Auch hier waren es zwei Mitglieder der pro-situationistischen Gruppe "Les Enragés de Nanterre", die den radikalen und entschlossenen Kern der Bewegung ausmachten. Der französische Anarchist und Studentenführer Cohn-Bendit, genannt "Dany le Rouge", hatte bereits im Teenager-Alter die situationistische Zeitschrift Socialisme ou Barbarie gelesen.

Auf dem Anti-Vietnam-Kongress im Februar 1968 in Berlin lernte er Dutschke kennen. Das Attentat auf den APO-Führer wenige Wochen später nahm Cohn-Bendit zum Anlass, den SDS-Vorsitzenden Karl Dietrich Wolff nach Nanterre einzuladen, um vor den französischen Studenten zu sprechen. Die Konfrontation mit dem Staat, ausgelöst in der Pariser Vorortsuniversität, sprang bald auf die Sorbonne über. Im Mai 1968 agitierte Cohn- Bendit hier in einem aus dem Boden gestampften Ausschuss der "IS" – dem Comité enragé IS. Die Parolen zur Kritik an der Entfremdung in allen ihren Formen, die Kritik an der Bildwelt und am Warenfetischismus fügten den Arbeiten Guy Debords kaum etwas Neues hinzu, popularisierten diese aber in ungeahnter Weise. Die Kunsthochschulen von Paris richteten das Atelier populaire ein, hier entstanden im Mai und Juni über 350 verschiedene Siebdruckplakate pro Tag, die mit ihrer einfachen Grafik und den prägnanten Slogans in ganz Europa stilbildend wurden. Der niederländische Autor Cees Nooteboom gibt als teilnehmender Beobachter einen Eindruck der damaligen Szenerie: "Ich [lasse] es auf mich wirken, die Agora, das Forum, den Innenhof der Sorbonne, einen der unvorstellbarsten Orte der Welt. Unvorstellbar und unbeschreiblich. Ein jugendliches Volk bewegt sich hier, beschäftigt mit einer Revolte und einer Revolution, die keiner, der hier gewesen ist, je wird vergessen können. [...] Alle Wände sind mit Manifesten, Sprüchen, Aufrufen, Parolen, Mitteilungen, Feststellungen sympathisierender oder einander bekämpfender Gruppen vollgeklebt. Es ist der Mittelpunkt eines leidenschaftlichen, glücklichen Kosmos, in dem der Fremdling sprachlos umherirrt und nicht weiß, wo er beginnen soll."


Die Studenten um Daniel Cohn-Bendit, Alain Geismar und Alain Krivine forderten erfolgreich junge Arbeiter auf, ihre Fabriken zu besetzen. Dass 25 Enragés im März eine Streitmacht von tausend Studierenden und Arbeitern mobilisiert hatten, deren Zahl innerhalb weniger Wochen auf 50.000 und im Mai auf zehn Millionen Menschen anschwoll, zeigt, welche Konsequenzen die ohnmächtigen Repressionen einer Regierung hatten. Große Teile Frankreichs erlebten ein politisches Festival, alles schien möglich. Dabei erfuhren die Vorgänge ganz unterschiedliche Wertungen: Während Raymond Aron, Professor an der Sorbonne, die Unruhen als "studentischen Karneval" apostrophierte, in dem die Studenten – bewaffnet mit Versatzstücken früherer Revolutionen – bloß eine "Quasi-Revolution" spielten, solidarisierte sich Jean-Paul Sartre mit ihnen. In einem Interview für den Nouvel Observateur stellte der berühmte Philosoph Fragen, auf die der 23-jährige Daniel Cohn-Bendit antwortete. Sartre bestätigt darin den Anspruch des Studenten, eine Entfesselung kreativer Potentiale zu betreiben: "Das Interessante an eurer Aktion ist, dass sie die Phantasie an die Macht bringt. [...] Ihr habt eine viel reichere Phantasie, und die Parolen, die man an den Mauern der Sorbonne lesen kann, beweisen es." Studierende aus der ganzen Welt schauten voll Bewunderung nach Paris. Die Franzosen hatten es vermeintlich geschafft, Arbeiter und Studenten zu vereinen. Aber der Schein trog. In Paris kam es wegen der Schließung der Sorbonne zu Straßenschlachten zwischen Studenten und der Polizei. Der 11. Mai brachte eine dramatische Zuspitzung der Ereignisse, in der Nacht wurden im Quartier Latin Barrikaden errichtet. Der Chanson-Sänger Léo Ferré hat diese "Nacht der Barrikaden" besungen: "Wie ein Mädchen / Entkleidet sich die Straße / Und die Pflastersteine häufen sich auf / Wie ein Mädchen / das mit leuchtenden Augen / Seine Wurfgeschosse / Auf der Barrikade bereitlegt / Und die Bullen die vorbeikommen / Kriegen sie in die Fresse." Die Polizei räumte das Viertel unter Einsatz von Tränengas und Brandbomben. Als am nächsten Morgen die Spuren der nächtlichen Kämpfe sichtbar wurden, befanden sich in Deutschland zehntausende Gegner der Notstandsgesetze im Sternmarsch auf Bonn. Noch fühlte man sich von den Ereignissen im Nachbarland befeuert. Aber letztlich zogen die Revolutionäre diesseits und jenseits der Grenzen gegenüber den auftrumpfenden Staatsmächten den Kürzeren. Als man am 30. Mai im deutschen Parlament die Notstandsgesetze annahm, kehrte der französische Staatspräsident Charles de Gaulle von seinem überstürzten Fluchtversuch im Hubschrauber zurück, um sich in einer dramatischen Fernsehansprache an die Nation zu wenden und die Macht wieder an sich zu bringen. "Unter dem Pflaster ist der Strand", verhießen die Studentinnen und Studenten des Pariser Mai, als sie die Steine für ihren Barrikadenbau aus dem Pflaster rissen. Im August ordnete der General de Gaulle an, die Kopfsteinpflasterstraßen im Quartier Latin zu asphaltieren. Die französischen Bürger, die nach der Revolte der Pariser Maientage, gegen das 'Chaos' und für den belagerten Staatspräsidenten millionenfach auf den Champs Elysées demonstrierten, riefen: "Schickt Cohn- Bendit nach Dachau!" Als Cohn-Bendit nach Deutschland abgeschoben werden sollte, hielten die protestierenden Studenten dagegen: "Wir sind alle deutsche Juden."

Prager Frühling und Kalter Krieg

Es waren nicht nur die Vereinigten Staaten von Amerika, die in den Augen einer sensibilisierten Weltöffentlichkeit den repressiven Charakter imperialistischen Handelns zeigten; auch die Versuche der Sowjetunion, in Osteuropa die Loyalität der Bündnispartner einzufordern, nahmen in den 1950er Jahren gewaltsame Züge an. Nach den Interventionen 1953 in Ostdeutschland und 1956 in Ungarn, insbesondere aber nach der gewaltsamen Unterdrückung der Reformbewegung in Prag war die Sowjetunion zwanzig Jahre lang auf massive Militärpräsenz angewiesen, um den Warschauer Pakt zusammenzuhalten.

Die Protestbewegungen des Ostblocks, die sich in Folge der Unruhen nach der Chruschtschow-Rede vom 20. Parteitag, der Ungarischen 'Revolution' und der Arbeiteraufstände an der polnischen Ostseeküste im Winter 1970 in der DDR, Polen oder Jugoslawien formierten, waren, verglichen mit den Massenschwärmen im Westen, nicht mehr als 'versprengte' Haufen von Dissidenten. Nur in Prag hatte das 'Tauwetter' im Jahre 1968 mit dem politischen Hoffnungsträger Alexander Dubček kollektiven Charakter angenommen, in dem Gesellschaftsexperiment, das unter dem Namen 'Prager Frühling' bekannt geworden ist. Ein ganz neuer gesellschaftlicher Spielraum wurde hier eröffnet: Bereits im Jahre 1965 hatten tschechische Hippies den durchreisenden Allan Ginsberg zum Kraj Majales – zum Mai-König – gewählt, bevor er wie zuvor in Kuba von den Behörden ausgewiesen wurde. Die Jugend war nicht länger vollständig vom Westen abgeschnitten, sie partizipierten an der pulsierenden Jugendkultur, trugen Texasskis – Bluejeans – oder gingen in Klubs, um Beat zu hören. Das Avantgardetheater blühte, tschechische Filme wie "Die Liebe einer Blondine" oder "Das Geschäftsjahr in der Hauptstraße" fanden international Beachtung. Seit Jahrzehnten hatte man in der Tschechoslowakei keine derart vorurteilsfreien und leidenschaftlichen Debatten mehr erlebt, keine solche Fülle von literarischen Neuerscheinungen wie in der Periode bis August 1968.

Der Zeitraum ist auch in Prag voller dramatischer Ereignisse, als hätte auch hier jeder am politischen Leben teilnehmen wollen. Besucher wie Böll, Dutschke oder Enzensberger gaben sich die Klinke in die Hand, um das gesellschaftliche Experiment zu studieren. Doch in der Nacht des 20. auf den 21. August überschritten Verbände des Warschauer Paktes unter Führung der russischen Armee die tschechische Grenze, innerhalb von Stunden war die Tschechoslowakei unter sowjetischer Kontrolle. Das Experiment eines "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" war 'erfolgreich' unterdrückt worden.

Zumindest hatte der Widerstand noch Möglichkeiten, sich zu äußern. Die Verfechter des Prager Frühlings montierten Straßenschilder ab oder drehten sie, um die Invasoren zu verwirren. Tschechen sprachen die Soldaten in den Panzern auf Russisch an und brachten sie mit ihren Fragen, was sie hier zu suchen hätten, in Verlegenheit. "Iwan Go Home!", prangte an den Mauern, die – wie im Mai in Paris – übervoll von Botschaften waren. Die Untergrundpresse reagierte über Nacht mit Sonderblättern: "Bis zum gestrigen Tag lebten wir in Ruhe und Frieden, das ganze Land baute mit einer unerhörten Einheit seinen sozialistischen Staat auf. Warum seid ihr zu uns gekommen? Ihr selbst seht und hört die Bestürzung unseres Volkes. Denkt darüber nach, warum man euch zu uns gesandt hat! Wer gab euch das Recht dazu?" und "Nur das Volk ist frei, das anderen Völkern nicht die Freiheit raubt." Sibylle Plogstedt, SDS-Aktivistin und Organisatorin des Vietnamkongresses in Berlin, hat den Einmarsch der Sowjets in Prag selbst erlebt: "Gegenüber dem was in Prag passierte erschien mir die Studentenrevolte in Berlin wie ein Kinderspiel." In der tschechischen Konfrontation von 'Geist' und 'Macht' wurde nicht bloß diskutiert. Molotowcocktails sollten Panzer 'knacken', sowjetische Soldaten feuerten in die Menge.

Die Zeitschrift květy machte sich über die russischen Soldaten lustig, die das Nationalmuseum im Zentrum Prags beschossen, weil sie es irrtümlicherweise für den Sitz des Zentralkomitees gehalten hatten. Der Volksmund erklärte daraufhin die durchsiebte Fassade des Nationalmuseums zum Kunstwerk, nach dem sowjetischen Verteidigungsminister Marschall Gretschko hieß es fortan "El Gretschko". Im Januar 1969 setzte der Student Jan Palach ein dramatisches Zeichen gegen die Gewöhnung an die Invasoren, indem er sich nach dem Vorbild vietnamesischer Mönche selbst verbrannte. Die westdeutsche Linke galt u. a. wegen eines kritischen Traktats, das Hans-Jürgen Krahl in einer Voltaire Flugschrift zum Prager Frühling veröffentlichte, insgesamt als skeptisch gegenüber dem Experiment eines 'Sozialismus mit menschlichem Antlitz' – ein Eindruck, der sich heute angesichts der Fülle damaliger Solidaritäts-Aktionen nicht aufrecht erhalten lässt. Das Vorgehen der Sowjets spaltete den SDS, in der ganzen APO kam es zu Verwerfungen: Während die Traditionalisten innerhalb des SDS und die Mitglieder der noch jungen DKP den Einmarsch als Maßnahme im Sinne der 'Sicherheitsinteressen aller sozialistischen Länder' verteidigten, setzte der antiautoritäre Flügel des SDS die Invasion mit den US-Interventionen in Vietnam gleich und erklärte sich mit dem tschechischen Volk solidarisch. Damit standen sie nicht allein: Kommunisten in ganz Europa, besonders aber in Italien, Spanien und Frankreich, die das Prager Experiment mit großer Sympathie verfolgt hatten, artikulierten offen und lautstark ihren Protest. So konnte der Sündenfall von Prag erstmals so etwas wie einen 'Eurokommunismus' stimulieren.

Gruppierungen der Neuen Linken kritisierten Fehlentwicklungen sowohl im Sowjetkommunismus wie in der Sozialdemokratie, statt dessen propagierten sie einen Dritten Weg, der dem 'Sozialismus mit menschlichem Antlitz' nahe verwandt war. So lässt sich das Jahr 1968 auch im geopolitischen Kontext des Kalten Krieges begreifen: "Besonders herausragend war dabei die Parallelität von reformerischen und revolutionären Gesellschaftsveränderungsprojekten in Ost und West, wie sie sich am zugespitztesten im 'Prager Frühling' und im 'Pariser Mai' niedergeschlagen hat." Die zeitliche Koinzidenz der Bewegungen kann damit auch als Brückenschlag zwischen Ost und West und – durchaus entsprechend dem Selbstverständnis der damaligen Akteure – als Überwindung der Blockgrenzen interpretiert werden.

Solidarität, die "Zärtlichkeit der Völker"

Einerseits erfreuten sich die USA in der Studentenbewegung von 1968 als Verteidiger gegen den Faschismus im Zweiten Weltkrieg einer gewissen Hochachtung; andererseits wurden sie zunehmend als Hegemonialmacht angesehen, die diktatorische Regime von Griechenland bis Persien oder Chile unterstützte. Gerade aus der Auseinandersetzung mit der eigenen nationalsozialistischen Vergangenheit und den Elitenkontinuitäten im Adenauerstaat musste den Protestierenden in Deutschland die Existenz faschistischer Diktaturen – zumal in Europa – skandalös erscheinen. Im Jahr 1973 kettete sich Günter Wallraff am Athener Syntagmaplatz an, um auf den unhaltbaren Zustand einer 'Gewöhnung' (vgl. Palach) an eine unsichtbar gewordene Diktatur ausgerechnet an der Wiege der Demokratie hinzuweisen. Geheimdienstler des Obristenregimes schlugen ihn, den sie für einen griechischen Oppositionellen hielten, noch vor Ort zusammen und traktierten ihn später in der Untersuchungshaft mit der berüchtigten 'Falanga' (Folter). So weit konnte die aufrichtig empfundene Solidarität gehen. Klaus Staeck hat Wallraffs 'Martyrium' zum Anlass für ein Plakat genommen, das er mit "Die Kunst der 70er Jahre findet nicht im Saale statt" untertitelte.

Ähnlich war die Situation in Spanien und Portugal, nur waren die dort amtierenden Diktatoren bereits vergreist. Generalissimo Francisco Franco stand in seinem 29. 'Friedensjahr', als er am 4. Dezember 1968 seinen 75. Geburtstag feierte. Da hängten plötzlich Studenten in Madrid ein Plakat auf, auf dem zu lesen war: "Franco, Mörder, Herzlichen Glückwunsch." Spanien galt trotz der jahrzehntelangen Säuberungsaktionen gegen Oppositionelle noch als weniger repressiv als der im Nachbarland Portugal waltende Autokrat António de Oliveira Salazar. Wolf Biermann stimmte ein Spottlied auf die Scheintoten an, die sich ans Leben wie an die Macht klammerten: "Ballade zur Beachtung der Begleitumstände beim Tode von Despoten: Wenn endlich ein Despot, erschlagen ist und tot, dann nimmt man schnell den toten, versiegelten Despoten, und legt ihn tief ins Grab, und obenauf mehr Steine, als damals Jesus seine, damit nicht auferstehn ..."

Es gab ein festes Zeichensystem, mit dem man weltweit seine Zugehörigkeit zur Protestbewegung im Zeichen Internationaler Solidarität markieren konnte. Dazu gehörten die Rebellen, die den Tyrannen die Stirn geboten hatten, allen voran natürlich Che Guevara, auf den Wolf Biermann ebenfalls eine Hymne geschrieben hat: "Der rote Stern an der Jacke / Im schwarzen Bart die Zigarre / Jesus Christus mit der Knarre / so führt Dein Bild uns zur Attacke / Uns bleibt, was gut war und klar war / Dass man bei Dir immer durchsah / Und Liebe, Hass, doch nie Furcht sah / Commandante Che Guevara" (1975). Che Guevara, Ho Chi Minh und Mao Tse-tung wurden zu den Säulenheiligen der Bewegung. Gerd Koenen beschreibt das Schlachtfeld der planetarischen Weltrevolution nicht ohne Sinn für die Ironien dieser Geschichte: "Erratisch-geheimnisvoll, wie Findlinge der Osterinseln, liegen die Idole dieser Jahre in der pastoralen 'Landschaft der Schlacht'." Aber trotz der jeden Lebensbereich überwachenden Che Guevara-Poster, allen – aus den USA importierten – "Ho, Ho, Ho-Chi-Minh"-Skandierens und aller Frantz Fanon-Lektüre: Eine postmaterialistisch sich gebärdende Jugend der Industriestaaten adoptierte die Großmeister des Widerstands gegen die Weltmacht nicht ohne ihre Appelle entsprechend den eigenen politischen Bedürfnissen umzudeuten. Bei all dem ging es vor allem um das, was Che Guevara die "Zärtlichkeit der Völker" genannt hatte: um Solidarität mit Teilen der Menschheit, die man für 'unterdrückt' hielt. Dass dabei Stalinisten wie Mao Tse-tung, Ho Chi Minh oder Che Guevara von einer Jugend gewissermaßen als 'Monstranzen' vor sich her getragen wurden, die doch eigentlich im Namen der Freiheit angetreten war, gehört dabei zu den eigentümlichsten – und dunkelsten Aspekten von 1968.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Kat. Nürnberg 1984.

  2. Vgl. u. a. die Aktivitäten von Martin Klimke und Joachim Scharloth im Rahmen ihrer interdisziplinären Forschung zur Protestbewegung (IFK) wie die im August 2006 in Heidelberg veranstaltete internationale Tagung zum Thema "Between the 'Prague Spring' and the 'French May': Transnational Exchange and National Recontextualization of Protest Cultures in 1960/70s".

  3. Gilcher-Holtey 2001, S. 10.

  4. Kraushaar 2000, S. 24.

  5. Birnbaum 1993, S. 41.

  6. Kraushaar 2000, S. 23.

  7. Ebd., S. 23. McLuhan, einer der Gründerväter der Medienwissenschaft und -kritik, im Playboy von 1969 als "Hohepriester der Pop-Kultur" apostrophiert, ahnte, in welchem Ausmaß sich die weltweiten Kommunikationsprozesse intensivieren würden – und das bereits zu einer Zeit, da das Fernsehen noch in den Kinderschuhen steckte und Computer so groß waren wie Kommandozentralen.

  8. Kurlansky 2007, S. 13.

  9. Die Bewegung der Yippies – militanter Hippies, in denen sich politische Militanz mit der hedonistischen Untergrundkultur Amerikas verbanden – wurde am Neujahrsabend 1968 gegründet. Die Gründung sei das Ergebnis einer wilden Party in Greenwich Village gewesen, wie sich die Gründerväter Abbie Hoffman und Jerry Rubin später vor einem Untersuchungsbeamten ausdrückten: "Da waren wir nun, allesamt high, und wälzten uns auf dem Boden." Zit. nach Kurlansky 2007, S. 30. Später wurde die Bucht vonSan Francisco und insbesondere Haight-Ashbury für zahlreiche oppositionelle Intellektuelle zum Laboratorium der 'Bewusstseinserweiterung'.

  10. Kurlansky 2007, S. 268.

  11. Zit. nach Juchler 1989, S. 55.

  12. Rudi Dutschke wurde am 11. April 1968 niedergeschossen.

  13. Als KD Wolff am 14. März 1969 vor dem amerikanischen Senatsausschuss für innere Sicherheit aussagen musste, drehte er den Spieß vollends um und bezeichnete den Prüfungsausschuss selbst kurzerhand als einen "Haufen von Banditen".

  14. Kurlansky 2007, S. 315.

  15. Hayden 1971, S. 17 ff. Vgl. dazu auch Brandes/Burke 1970.

  16. Hendrix stimmte hier auf der E-Gitarre die Nationalhymne an, deren vaterländisches Pathos er dann virtuos in den Sound fallender Bomben überführte.

  17. "Zu aktuellen Problemen der Emanzipationsbewegung. Ein Interview", hg. von der Zeitschrift "abriss" der Naturfreundejugend Deutschland, Landesverband Hessen, Offenbach, 1/1969, S. 11.

  18. Gilcher-Holtey 1995, S. 83. Zu weitern europäischen und transkontinentalen 'Transfers' vgl. Gilcher-Holtey 2001.

  19. KD Wolff organisierte später als Bundesvorsitzender des (deutschen) SDS Solidaritätsveranstaltungen mit der Black Power-Bewegung.

  20. Zit. nach Kurlansky 2007, S. 108. Zum Koautor des Statements wurde der deutsche Austauschstudent Michael Vester, indem er aus Selbstverlautbarungen des deutschen SDS Passagen zum Internationalismus ins Amerikanische übersetzte.

  21. Birnbaum 1993, S. 21. Vgl. Kleemann 1971.

  22. Zit. nach Kurlansky 2007, S. 115.

  23. Vgl. Kraushaar 2000, S. 61.

  24. Gilcher-Holtey 2001, S. 51.

  25. SDS Berlin 1968, S. 115.

  26. SDS Berlin 1968.

  27. Ebd., S. 107.

  28. Ebd., S. 123.

  29. Kurlansky 2007, S. 177.

  30. Joffé 1964.

  31. Die Zengakuren wurde für ihre tollkühnen Schlachten mit der Polizei bekannt, in denen die japanischen Studenten Kampftechniken der alten Samurai anwandten.

  32. Birnbaum 1993, S. 38 f.

  33. Ulrike Meinhof, Das Konzept Stadtguerilla, 1971, zit. nach Werner Balsen/Karl Rössel, Hoch die Internationale Solidarität, Zur Geschichte der Dritte Welt-Bewegung in der Bundesrepublik, Köln 1986, S. 272. Damit soll nicht ohne weiteres behauptet werden, zwischen dem "geistigen Brandstifter" Dutschke und Meinhof gebe es eine bruchlose Kontinuität: "Die Militanten Stadtguerilla- Fraktionen und terroristischen Gruppierungen [knüpften] zwar an die Aktionsformen der 68er Bewegung an und radikalisieren diese, doch kehrten sie sich von den Grundwerten der Neuen Linken undihrer Transformationsstrategie ab." Gilcher-Holtey 2001, S. 123. Selbstverständlich gehört aber auch der Terrorismus von RAF, Roten Brigaden, Al Fatah und Tupamaros in ihrem antiimperialistischen Kampf ebenfalls zu den bekennenden Verfechtern eines'Internationalismus'.

  34. In diesem Sinne ist etwa auch Dieter Kunzelmanns wichtigste Schrift "Notizen zur Gründung revolutionärer Kommunen in den Metropolen" formuliert. Kunzelmann 1966.

  35. Sie beanspruchten, Marxisten zu sein in dem Sinn, wie Marx von sich selbst sagte: 'Ich bin kein Marxist.' Vgl. Gilcher-Holtey 1995, S. 73 ff.

  36. Texte der Situationistischen Internationale, Heft V, hg. von den Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft, Frühjahr 2006, S. 15.

  37. Ebd., S. 19.

  38. Vgl. die Titelseite der Bild-Zeitung vom 6. April 1967 mit der Schlagzeile: "Berlin: Bombenanschlag auf den US-Vizepräsidenten. Elf Verschwörer gefasst".

  39. Guy Debord, Texte der Situationistischen Internationale, S. 17.

  40. Zit. nach Kurlansky 2007, S. 121.

  41. EGOIST 11, Frankfurt a. M. 1967, S. 4 ff. Es gab auch Kontakte zwischen den Amsterdamer Provos und West-Deutschland. Dutschke erklärte im Dezember 1966, für die Herausforderung der Macht vieles von den Amsterdamern gelernt zu haben. Berlins damaliger Oberbürgermeister Heinrich Albertz reagierte: "Berlin braucht keine Provos!" Und die Rauchbomben, womit die Kommune I das Pseudo-Attentat auf den amerikanischen Vize-Präsidenten Hubert Humphrey vorbereitete, wurden von Amsterdamer Provos geliefert.

  42. Ungefähr zur gleichen Zeit bedankte sich der 78-jährige vietnamesische Staatspräsident Ho Chi Minh in seiner Neujahrsrede bei allen "progressiven Menschen" in der Welt, die den Kampf des vietnamesischen Volkes unterstützten – es stehe zusammen wie "ein Mann".

  43. Texte der Situationistischen Internationale, Heft V, hg. von den Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft, Frühjahr 2006, S. 15.

  44. Ebd., S. 19.

  45. Vgl. die Titelseite der Bild-Zeitung vom 6. April 1967 mit der Schlagzeile: "Berlin: Bombenanschlag auf den US-Vizepräsidenten Elf Verschwörer gefasst".

  46. Guy Debord, Texte der Situationistischen Internationale, S. 17.

  47. Ungefähr zur gleichen Zeit bedankte sich der 78-jährige vietnamesische Staatspräsident Ho Chi Minh in seiner Neujahrsrede bei allen "progressiven Menschen" in der Welt, die den Kampf des vietnamesischen Volkes unterstützten – es stehe zusammen wie "ein Mann".

  48. In einem Interview mit dem Verfasser am 22. Juli 2007 in Bonn.

  49. Krahl 1968.

  50. Kramer 1998, S. 165.

  51. Kraushaar 2000, S. 334 f.

  52. Freilich sollte man dabei die Analogien nicht überstrapazieren, wie Jerzy Eisler reklamiert hat: "In Poland and Czechoslovakia, students fought for elementary civil rights, rights already possessed by their Western European counterparts. [...] Whereas student leaders in the West became heroes, their [eastern] counterparts were imprisoned by state. [...] Individually, Polish [and Czechoslovakian] students were exposed to greater injury and loss. Their risks far exceeded those of student protesters in Western Europe, where institutionalized political pluralism made social protests possible. [Polish and Czechoslovakian Students] often risked their lives; Western European and American students did not." Eisler 1998, S. 250 f.

  53. Heute bezeichnet Günter Wallraff in einem Interview mit dem Autor (8. August 2007, Köln) als seine wichtigste – und erfolgreichste Aktion: Die Junta wurde einige Monate nach seinem Einsatz abgelöst

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