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Grundlinien der Stadtplanung | Wiederaufbaupläne der Städte | bpb.de

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Grundlinien der Stadtplanung Vortrag in der 9. Sitzung des Bauwirtschaftsausschusses der Abteilung Planungen des Magistrats der Stadt Berlin am 4. April 1946

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"Die mechanische Auflockerung durch Bombenkrieg und Endkampf gibt uns jetzt die Möglichkeit einer großzügigen organischen und funktionellen Erneuerung", erklärte Hans Scharoun 1946 im Magistrat von Berlin, damals Leiter der Abteilung Bau- und Wohnungswesen. Seine ersten Planungen sahen eine völlig "neue Stadt" vor.

Hans Scharoun (1893-1972) studierte im Berlin, wohin er nach Stationen in Insterburg und Breslau als "wirres Kraftgenie" 1932 zurückkehrte, um im Wohnungsbau Zeichen zu setzen. In den dreißiger Jahren plante er Einfamilienhäuser, während des Krieges Siedlungszellen für künftige Städte. Als Leiter der Abteilung Bau- und Wohnungswesen war Scharoun 1945-1946 für Stadtplanung zuständig, wurde dann an die Technische Hochschule berufen und arbeitete bis 1950 im Institut für Bauwesen der Deutschen Akademie der Wissenschaften an Entwürfen für die "Wohnzelle" Friedrichshain. Als Außenseiter prägte er die Epoche des Wiederaufbaus mehr noch mit Entwürfen als mit Gebautem (Philharmonie, Berlin 1963).

"Auf die stürmische Entwicklung der Städte im 19. Jahrhundert waren die Architekten und die Verwaltungen der Städte gleich unvorbereitet. Das Wort 'Städtebau' gab es nicht mehr – es tauchte in den Veröffentlichungen erstmalig im Jahre 1890 wieder auf, inzwischen schuf die Technik Gewaltiges.

[Der Städtebau] muß sich aufbauen auf Lebensbau und Wirtschaftsbau, muß Funktionen regeln, und er muß die Form zur Darstellung bringen, die unserer Kultur entspricht. Viel schwieriger noch war es auf künstlerischem Gebiet – und besonders schwierig ist es, für Berlin die Kultur der der Stadt angehörenden Menschengruppe zum Ausdruck zu bringen. Denn welches sind denn schon die wesentlichen geistigen Züge des deutschen Menschen, der Romantik und Klassizität wechselt und nicht – wie z. B. der Franzose oder Engländer – über einige, klar hervortretenden Hauptwesenszüge verfügt?

Die 'neue Stadt' – Straßen: Das bisher angewandte Radial- und Ringstraßensystem ist überholt. Zu diesem Straßensystem gehört der Mittelpunkt – Markt und Kirche – der mittelalterlichen Stadt. Die weiträumigen und gleichgewichtigen Wirtschafts- und Wohnflächen der modernen Großstadt verlangen eine ausgeglichene Bedienung. Die Struktur der Stadt verlangt ein neues System des Straßennetzes. – Grundsätzliches: Die mechanische Auflockerung durch Bombenkrieg und Endkampf gibt uns jetzt die Möglichkeit einer großzügigen organischen und funktionellen Erneuerung. Aber seien wir uns bewußt, daß bei der Schaffung der Struktur der neuen Großstadt die geistige Voraussetzung dieselbe Bedeutung wie die Anwendung technischer Mittel haben muß. Uns dessen immer zu entsinnen und bewußt zu bleiben, diene die Kenntnis des Maßes an Erfindung, geistiger Arbeit und seelischer Spannung, die wir aus den Kulturwerken der Vergangenheit gewinnen können. [...] Wir müssen aus den natürlichen Gegebenheiten, aus den sozialen Bedingungen und aus den menschlichen Unterlagen die 'Neue Stadt' bauen."

Quelle: Nachlaß Scharoun im Archiv der Akademie der Künste in Berlin. Im Wortlaut abgedruckt in: Geist, Johann Friedrich/Klaus Kürvers: Das Berliner Mietshaus. 3 Bde. Bd. 3: 1945-1989. München: Prestel 1989, S. 232-237.

Fussnoten