Entwicklung und Perspektiven
Die kulturelle Bildung hat in Deutschland eine wechselvolle Geschichte erlebt. Ging es bis vor wenigen Jahren noch darum, sich in der Öffentlichkeit zu etablieren, hat sich das Bild der kulturellen Bildung gewandelt. Heute wird verstärkt über Themen der Zukunft wie Bildungsstandards oder bürgerschaftliches Engagement diskutiert.Entwicklung der kulturellen Bildung
Wer die Begeisterung für den Film "Rhythm is it" über ein sogenanntes Education-Projekt der Berliner Philharmoniker verfolgt hat, konnte den Eindruck gewinnen, dass erstmals in Deutschland ein Vorhaben zur kulturellen Bildung durchgeführt wurde. Das Orchester präsentierte im Jahr 2003 zusammen mit 250 Schülern in der Arena Berlin "Le Sacre du printemps". Die Jugendlichen im Alter von 7 bis 20 Jahren hatten zuvor sechs Wochen lang mit dem renommierten Tanzpädagogen Royston Maldoom geprobt. Die meisten von ihnen hatten zuvor noch keine Berührung mit Tanz oder ernster Musik gehabt. Bekannt wurde das Vorhaben vor allem durch den Dokumentarfilm von Thomas Grube und Enrique Sánchez Lansch, in dem einige Schüler porträtiert werden.Ein ähnliches, wenngleich nicht ganz so großes Aufsehen erfuhr 2004 in Leipzig der erste Kongress "Kinder zum Olymp" der Kulturstiftung der Länder. Dort fanden ebenfalls – begleitet durch eine Fachtagung – Musik- und Tanz-Aufführungen von Kindern und Jugendlichen statt. Auch damals wurde mitunter der Eindruck vermittelt, dass sich die kulturelle Bildung noch in den Startlöchern befände.
Dem ist natürlich mitnichten so. Kulturelle Bildung ist ein altes, sogar sehr altes Thema. Sie wird seit Jahrhunderten vermittelt. Es braucht gar nicht der Blick zurück zu den "Artes" der humanistischen Bildung geworfen werden. Es reicht sich zu vergegenwärtigen, dass die Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert auch eine Bildungsbewegung war, dass die katholischen Pressevereine im 19. Jahrhundert sich nicht nur gegen den vorherrschenden Kulturprotestantismus positionierten, sondern sich auch als Bildungsvereine für Katholiken verstanden. In der Weimarer Republik erfuhr die kulturelle Bildung eine deutliche Aufwertung. Mit den Musikschulen entstanden jene Institutionen, die bis heute eine wichtige Aufgabe in diesem Bereich übernehmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte an verschiedene Traditionen der kulturellen Bildung angeknüpft werden.
Institutionen und Formen der kulturellen Bildung
Im gleichen Atemzug mit kultureller Bildung werden sehr häufig Musikschulen erwähnt. Die zumeist in kommunaler Trägerschaft befindlichen oder zumindest von den Kommunen unterstützten Musikschulen bieten eine nahezu flächendeckende Infrastruktur an musikalischer Bildung. Angefangen von der musikalischen Früherziehung, über den Instrumentalunterricht, bis hin zu neueren, teils generationsübergreifenden Angeboten für Erwachsene, Familien, usw. haben die Musikschulen ein beeindruckendes Angebot. Begabte Kinder und Jugendliche werden über das Förderinstrument "Jugend musiziert" zusätzlich unterstützt. Jährlich findet zunächst auf der regionalen, danach der Landes- und schließlich der Bundesebene dieser Wettbewerb statt. Die begabtesten Musikschülerinnen und -schüler wetteifern um den ersten Platz. Es gibt heute kaum noch professionelle Musiker im Bereich der ernsten Musik, die nicht einmal Preisträger von "Jugend musiziert" waren.Die Arbeit der Musikschulen bildet geradezu exemplarisch das Gegenüber zu einem Projekt wie "Rhythm is it". Ging es dabei eher darum, einer Gruppe von Schülern in einem begrenzten Zeitraum die Möglichkeit zu bieten, sich mit Musik und Tanz auseinanderzusetzen, so ist die Arbeit der Musikschulen langfristig angelegt. Hier wird nicht auf eine Aufführung hingearbeitet, hier geht es darum, ein Instrument, wozu auch die Stimme zählt, zu erlernen und sich mit Musik verschiedener Epochen zu beschäftigen. Bei besonders begabten und interessierten Kindern und Jugendlichen kann diese frühe Beschäftigung mit Musik in eine künstlerische Laufbahn münden.