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Die Macht der KonsumentInnen | "Plastic Planet" | bpb.de

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Die Macht der KonsumentInnen

Sabine Genz

/ 5 Minuten zu lesen

Ein künstlicher "Rohstoff" gefährdet die Welt. Doch wir Konsumenten/innen haben sehr wohl die Macht, selbst bei multinationalen Konzernen einen Wandel zu bewirken.

Plastic Planet, Szenebild (© thomaskirschner.com/Farbfilm Verleih)

Plastik ist billig, haltbar und unglaublich vielseitig. Doch der Preis dafür sind Müllberge und giftige Altlasten in der ganzen Welt – in Böden, Gewässern, in Tieren und Menschen. Plastik ist zu einer globalen Bedrohung geworden. Während das Müllproblem vielerorts offensichtlich ist, werden schwerwiegende gesundheitliche Risiken, die das Material enthält, von Industrie und Gesetzgeber verschwiegen oder so lange wie möglich ignoriert. Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass wir Konsumenten/innen durch Änderungen unseres Kaufverhaltens sehr wohl die Macht haben, selbst bei multinationalen Konzernen einen Wandel zu bewirken. Also fangen wir damit an. Welches sind die Gefahren und wie können wir Ihnen begegnen?

Schön bunt – schön gefährlich

Chemikalien lösen sich aus Plastik. Aus Plastik, in dem wir unsere Lebensmittel verpacken, das Bestandteil unserer Wohnungen und Autos ist oder mit dem wir bei der Körperpflege Kontakt haben. Diese Chemikalien essen wir, wir atmen sie ein und nehmen sie über die Haut auf. Dabei riskieren wir gravierende Gesundheitsschäden. Weichmacher, die sogenannten Phtalate, sind ein bekanntes Beispiel. Erst die Zugabe von diesen Stoffen verleiht dem an sich harten Kunststoff elastische Eigenschaften – und ermöglicht damit viele Anwendungen, etwa als Bodenbelag, in Tapeten, Schuhen, Lebensmittelverpackungen und vielem mehr. Phtalate sind im Kunststoff nicht fest gebunden, sie dünsten aus (jeder kennt den typischen Geruch nach "neu"), können ausgewaschen werden und verteilen sich durch Abrieb von Kunststoffpartikeln. Weil Menschen einer ständigen Belastung durch diese höchst problematischen Stoffe ausgesetzt sind, sind bei jedem von uns Phtalate im Blut nachweisbar. Sie gelten als fortpflanzungsgefährdend und krebserregend. Die gefährlichsten von ihnen sind inzwischen EU-weit in Spielzeug und Babyartikeln verboten. Da Hersteller aber nicht angeben müssen, welche Phtalate in ihrem Produkt enthalten sind, kann man gefährliche Weichmacher beim Kauf von Kunststoffartikeln kaum vermeiden. Komplett verzichten sollte man auf PVC (Polyvinylchlorid). Produkte aus Weich-PVC bestehen durchschnittlich zu 30 bis 35 Prozent aus Weichmachern, jedoch kann der Anteil bis zu 70 Prozent betragen!

Plastic Planet - Szenebild (© thomaskirschner.com/Farbfilm Verleih)

Gift im Babyfläschchen

Die Gefährdung durch Bisphenol A (BPA), eine der wichtigsten und meistproduzierten Chemikalien der Welt (410.000 Tonnen werden jährlich in Deutschland vermarktet) ist weniger bekannt. Ursprünglich wurde es in den 1930er-Jahren als synthetisches Östrogen entwickelt. Dass es sich auch für die Kunststoffherstellung eignet, fand man erst später heraus. Als Komponente bei der Herstellung von Polycarbonat und Kunstharzen findet man BPA überall: Autoteile, Zahnfüllungen, CDs, die Innenbeschichtungen von Konservendosen und Babyfläschchen enthalten diese Substanz, die hormonell wirksam ist. BPA kann sich ganz einfach beim Kontakt mit Lebensmitteln aus dem Produkt lösen und wird dann mit verzehrt. Schon geringste Mengen davon können den Hormonhaushalt und damit unser endokrines System, das zahlreiche Körperfunktionen reguliert, beeinflussen. BPA steht im Verdacht, Unfruchtbarkeit, Schädigungen der Gehirnentwicklung sowie Brust- und Prostatakrebs zu verursachen, deshalb sollte es in Baby- und Kleinkindartikeln sowie in Produkten, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, unbedingt verboten werden. Bis es soweit ist, bleibt nur, auf Glasfläschchen und als BPA-frei gekennzeichnete Sauger auszuweichen.

Glas statt PET

Ähnlich gefährliche Stoffe finden sich in den praktischen Getränkeflaschen aus PET (Polyethylenterephthalat). Sie setzen gesundheitsschädliches Acetaldehyd und das giftige Schwermetall Antimon (Bleiweiß) frei, das dann über die enthaltenen Flüssigkeiten in den Körper gelangt. Die Alternative liegt auf der Hand: Getränke gibt es auch in Glasflaschen. Diese sind zwar schwerer und zerbrechlich, dafür ist der Geschmack authentischer, denn der wird nicht von dem sich aus PET-Flaschen lösenden Acetaldehyd beeinträchtigt.

Das Mülldilemma

Bei Glas wird nach Farben unterschieden, bei Kunststoffen herrscht grenzenlose Vielfalt. Firmen, die den Verpackungsmüll einsammeln, sortieren und verarbeiten, sind mit der Unmenge an Plastiksorten überfordert. Weil die Hersteller keine genauen Angaben darüber machen, wissen die Recyclingunternehmen nie, mit welchen (Zusatz-)Stoffen sie es genau zu tun haben. Eine einzige Plastikflasche für Putzmittel kann aus bis zu sechs verschiedenen Plastiksorten bestehen. Sortenreinheit ist aber essenziell für echtes Recycling. So liegt die Recyclingquote unter 50%, wobei es sich häufig nur um Downcycling handelt, also um die Umwandlung in minderwertigere Stoffe. Ein staatlich oder privatwirtschaftlich organisiertes, flächendeckendes Recycling von Kunststoffabfällen ist bisher nirgendwo auf der Welt gelungen. Die wenigen erfolgreichen Programme zur Wiederverwertung zeigen im Vergleich zur Menge des hergestellten Plastiks nur marginalen Erfolg. Laut einer Studie von Plastics Europe, einer der führenden europäischen Wirtschaftsverbände, wurden 2008 in Europa rund 48,5 Millionen Tonnen Plastik verbraucht, 38 Prozent davon entfielen auf Verpackungen. Dabei ließe sich der Verbrauch von Plastik-Einwegverpackungen zum Teil leicht reduzieren: Wer beim nächsten Einkauf im Supermarkt die Wahl hat zwischen abgepacktem oder losem Obst, sollte sich für letzteres entscheiden. Wer eine eigene Tasche mitbringt, kann auf die Plastiktüte an der Kasse verzichten. Die Plastiktüte, von der weltweit jährlich 600 Milliarden Stück hergestellt werden, ist mit einer durchschnittlichen Einsatzzeit von nur 25 Minuten das Symbol unserer Wegwerfgesellschaft und gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.

Ist Bioplastik die Lösung?

Biologisch abbaubare Kunststoffe aus erneuerbaren Rohstoffen gelten als vielversprechende Alternative zu gängigen Plastikprodukten. Ihr Marktanteil beträgt heute lediglich 0,2 Prozent, jedoch mit steigender Tendenz: 20 bis 30 Prozent Zuwachs können die Hersteller derzeit jährlich verzeichnen. Doch auch in der Produktion von Biokunststoffen werden problematische Additive wie Weichmacher eingesetzt. Das zweite Problem ist die Langlebigkeit der Produkte. Biokunststoffe gelten als kompostierbar, doch stimmt das nur bedingt. Die meisten verrotten nur langsam – und dabei wird Methan freigesetzt. Wiederverwendbar ist Bioplastik nur in seltenen Fällen. Zudem wirkt sich der intensive Anbau der in Bioplastik enthaltenen Rohstoffe wie etwa Mais, Kartoffeln oder Zuckerrüben negativ auf die Ökobilanz aus. Um den Rohstoffbedarf zu decken, sind große Anbauflächen notwendig, dazu kommen Bewässerung, Anwendung von Pestiziden, Dünger, möglicherweise sogar Gentechnik und schließlich der Transport der Rohstoffe nach Europa. Obwohl Biokunststoff also eine ungiftige und biologisch abbaubare Variante zu herkömmlichen Plastikprodukten darstellt, ist es keine grundsätzlich nachhaltige Lösung.

Was bleibt?

Wir Verbraucher/innen müssen selbst aktiv werden und durch Änderungen unseres Konsumverhaltens die Industrie in die richtige Richtung lenken – auch wenn dabei die Bequemlichkeit manchmal auf der Strecke bleibt. In vielen Bereichen sind Kunststoffe unersetzlich oder haben unschlagbare Vorteile. Aber im Haushalt können viele Plastikgegenstände durch solche aus Glas, Porzellan, Emaille oder Metall ersetzt werden. Auch der Kleiderschrank kann zu einem guten Teil mit Naturmaterialien bestückt werden. Wenn wir uns bewusst werden, dass wir mit dem billigsten und robustesten Material, das je erfunden wurde, die Gesundheit und das Leben zukünftiger Generationen aufs Spiel setzen, finden wir in vielen Anwendungen des täglichen Lebens alternative Möglichkeiten. Und die sollten wir ergreifen.

Dieser Artikel erschien erstmals am 27.01.2010 auf Externer Link: kinofenster.de, dem Onlineportal für Filmbildung der Bundeszentrale für politische Bildung und Vision Kino.

Sabine Genz ist Mitglied in der Redaktion des Robin Wood Magazins