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Schadenfreude als Quotengarant in den 80ern | Deutsche Fernsehgeschichte in Ost und West | bpb.de

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Schadenfreude als Quotengarant in den 80ern

/ 4 Minuten zu lesen

Frank Elstner, Moderator der Sendung "Verstehen Sie Spass?" (© ddp/AP)

Verbindung von Tragik und Komik

Das frühe Reality-Fernsehen lieferte den Zuschauern neue Einsichten jenseits der bekannten und konventionellen Formen der Weltdarstellung, indem es sensationelle Bilder, Katastrophen, Schicksalsschläge zeigte, die sonst nur im Fiktionalen zu sehen waren. Von diesen fiktionalen Darstellungen wussten die Zuschauer aufgrund langjähriger Fernseherfahrung, dass die gezeigten Situationen und das Verhalten der Darsteller 'gespielt', also nicht wirklich 'echt' waren. Demgegenüber zeigten die Augenzeugenvideos das Verhalten von real Betroffenen und Aufnahmen von Verletzten und Getöteten. Die Bilder wirkten nicht inszeniert und gewannen damit eine besondere emotionale Kraft.

Inszenierte komische Situationen

Gegenüber diesen zumeist tragisch angelegten Filmsequenzen zielten andere Produktionen darauf, Menschen in realen Situationen zu zeigen, in denen sich diese lächerlich machten und sich komisch verhielten. Diese Situationen wurden teilweise inszeniert und durch eine Veränderung gewohnter und alltäglicher Vorgänge bewusst herbeigeführt: Passanten, Besucher in öffentlichen Räumen oder Menschen im privaten Alltag rechneten nicht mit der ungewöhnlichen Situation und verhielten sich, von der Kamera zum Teil heimlich beobachtet, entsprechend merkwürdig.

Das Prinzip der versteckten Kamera

Chris Howland (© picture-alliance, Jazzarchiv)

Es handelte sich vor allem um Sendungen, die mit dem Prinzip der "Versteckten Kamera" arbeiteten, und die diese Aufnahmen zu Unterhaltungszwecken einsetzten. Ahnungslose Menschen wurden mit absurden Situationen oder 'lustigen' Herausforderungen konfrontiert, nicht wissend, dass sie dabei gefilmt wurden. Häufig brachte ein 'Lockvogel' die Betreffenden in eine peinliche Situation. Hinterher wurden die Opfer meist über den Sachverhalt aufgeklärt. Für Sendezwecke mussten sie ihr Einverständnis erklären.

"Vorsicht Kamera – Beobachtungen von und mit Chris Howland" (ARD)

Eines der ältesten Beispiele für diese Form war Chris Howlands Sendereihe "Vorsicht Kamera – Beobachtungen von und mit Chris Howland", die auf die amerikanische Reihe "Candid Camera" von Allen Funt zurückging und von 1961 bis 1992 in der ARD gezeigt wurde. Die Zuschauer konnten hier auch immer Mutmaßungen darüber anstellen, wie denn der Überraschte mit der unerwarteten Situation umgehen würde. In der in den 60er Jahren in der ARD ausgestrahlten Folge von "Vorsicht Kamera" wurde beispielsweise ein Kleinwagen (Isetta), dessen modifizierter Tank über 100 Liter fasste, auf einer Tankstelle betankt, so dass der Tankwart glaubte, das Benzin laufe irgendwo in den Wagen.

"Verstehen Sie Spaß?" (ARD)

Eine der bekanntesten Sendungen dieser Art wurde "Verstehen Sie Spaß?", eine Sendereihe, die seit 1980 in der ARD/Das Erste läuft und vom SWR produziert wird. Zunächst moderiert von Kurt Felix (1980–1990), von 1983 bis 1990 gemeinsam mit seiner Ehefrau Paola und dem stets chaotischen "Assistenten" Karl Dall, übernahmen dann Harald Schmidt (1992–1995), Dieter Hallervorden (1996–1997), Cherno Jobatey (1998–2002), Frank Elstner (2002–2009) und seit 2010 Guido Cantz die Show. Hier wurde und wird das Prinzip der unerwarteten Situation, in die Alltagsmenschen, aber auch Prominente gebracht werden, durchgespielt, und die Betroffenen werden nach der Aufklärung in die Show eingeladen.

Letztlich ging es bei "Verstehen Sie Spaß?" immer um eine Art Realitätskomik, die unterhaltsam aufbereitet wurde, nicht zuletzt auch dadurch, dass nach der Vorführung darüber gesprochen wurde, durch die Musik und durch die in der Sendung betriebene 'Weiterverarbeitung' innerhalb eines kommunikativen Umfeldes. Die Sendereihe erreichte in ihren besten Zeiten (unter Paola und Kurt Felix) ca. 21 Millionen Zuschauer, bei Frank ca. 7 Millionen und unter Guido Cantz ca. 4 bis 6 Millionen.

"Pleiten, Pech und Pannen" (ARD)

Einem ähnlichen Konzept folgte die von Max Schautzer moderierte Sendereihe "Pleiten, Pech und Pannen", die von 1986 bis 2003 in der ARD/Das Erste gezeigt wurde. Hier ging es um witzige Videoaufnahmen, die von Zuschauern eingeschickt wurden. Auch lud Schautzer Prominente ein, die von eigenen Missgeschicken bei Dreharbeiten erzählten. Überhaupt stellten sich diese Patzer und Missgeschicke, die Menschen vor der Kamera erlebten, oft als die komischsten heraus: Das Medium lachte hier quasi über sich selbst, nahm sich in seiner Realität vermittelnden Absicht nicht ganz ernst.

"Total normal" (ARD)

Hape Kerkeling dei der Internationalen Funkausstellung in Berlin 1991. (© picture-alliance, Zentralbild)

Viele der komischen Elemente, die hier gezeigt wurden und die auf Grundsituationen der Komik verweisen (Tücke des Objekts, Kampf mit dem eigenen Körper, Unangemessenheit des Verhaltens usf.), wanderten gerade in der Form einer scheinbar zufällig entstandenen Videoaufnahme dann in die Comedy-Unterhaltung des Fernsehens der 1990er Jahre und wurden dort weiter verfeinert.

Beispielhaft verwiesen sei an dieser Stelle auf Hape Kerkelings 7-teilige Fernsehserie "Total normal" (1989–1991), in der er, als niederländische Königin Beatrix verkleidet, in einer Limousine beim damaligen deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker vorfuhr und dem verdutzten Wachpersonal fröhlich verkündete, sich schon sehr auf das "lekker Mittagessen" zu freuen. Die Reaktionen der Wachsoldaten und des Personals, die kurze Zeit später tatsächlich die niederländische Königin erwarteten, schwankte zwischen Entsetzen, Ärger und amüsierter Gelassenheit. Aber auch das Verhalten der anderen Autofahrer, nachdem Kerkeling sich in seiner Limousine wieder auf der Straße befand, trug entscheidend zur Komik der Situation bei: An einer roten Ampel schenkte ein mitfühlender Autofahrer der hungrigen falschen Beatrix, die ihm empört von dem ausgefallenen "lekker Mittagessen" berichtete, sein Butterbrot.

Insgesamt ist der Anteil der komischen Varianten der Realitätsdarstellung im Fernsehen aber gering; es überwiegen die Programme, die sich mit anderen Formen der Realitätsinszenierung beschäftigen.

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