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Geschichtsvermittlung als Bildung | Deutsche Fernsehgeschichte in Ost und West | bpb.de

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Geschichtsvermittlung als Bildung

/ 8 Minuten zu lesen

Walter Ulbricht (li.) zeichnet Inge Keller (re.) und Erwin Geschonnek für "Gewissen in Aufruhr" mit dem Nationalpreis aus. (© Bundesarchiv, Bild 183-86965-0010 / Fotograf: Heinz Junge und Horst Sturm)

Geschichte im Fernsehen

Die Darstellung und Vermittlung von Geschichte, ihre Vergegenwärtigung und Veranschaulichung und ihre "Verarbeitung" in dem Sinne, sie transparent zu machen, um dadurch die Gegenwart besser zu verstehen, ist spätestens seit den 1960er Jahren immer wieder eine Aufgabe des Fernsehens .

Geschichte in den 90er Jahren

Zu den 'informellen' Bildungssendungen gehören auch Geschichtssendungen, die seit den 1990er Jahren vermehrt produziert und ausgestrahlt wurden. Obwohl das Fernsehen ein gegenwartsorientiertes Medium ist und seine Vermittlungsform sich gegenüber anderen Medien (z. B. dem Film) durch Gleichzeitigkeit (z. B. in den Liveübertragungen) auszeichnet, sind Geschichtssendungen im Fernsehen besonders erfolgreich. Das Fernsehen kann eben auch in besonderer Weise die Vergangenheit vergegenwärtigen. Dabei geht es nicht nur um eine dokumentarische Beschäftigung mit vergangenen Zeiten (vornehmlich der jüngeren Vergangenheit, also der Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts), sondern vor allem auch um szenische Darstellungen, um fiktionale Darbietungen, in denen erzählte Geschichte am Beispiel konkreter Personen vermittelt wird.

Bildung einer gesellschaftlichen Identität

Geschichtssendungen beschäftigen sich vorzugsweise mit den einschneidenden Ereignissen des vergangenen Jahrhunderts (wie z. B. der Zeit des Nationalsozialismus, dem Zweiten Weltkrieg, der Nachkriegszeit und den 1950er Jahren des Wiederaufbaus, der deutschen Teilung und der deutschen Wiedervereinigung). Sie dienen damit der geschichtlichen Vergewisserung der eigenen kulturellen und sozialen Vergangenheit und der Geschichte des eigenen Kulturkreises. Außerdem leisten sie einen Beitrag zur eigenen gesellschaftlichen Identitätsbildung. Das Medium Fernsehen ermöglicht großen Teilen der Bevölkerung indirekt ein gemeinsames Erlebnis (und sei es nur das Bewusstsein, dass Millionen andere den Film, den man gerade selbst verfolgt, ebenfalls in diesem Augenblick sehen). Dadurch entsteht ein Gefühl von gemeinsamer medialer Teilhabe, von gemeinsamem Erleben. Das Fernsehen trägt auf diese Weise zur Bildung einer gesellschaftlichen Identität bei.

Fiktionale Inszenierung zentraler Themen

Neben dokumentarischen Sendungen über die Vergangenheit sind es vor allem die fiktionalen Sendungen, die Geschichte szenisch nachstellen, sie dadurch in Form menschlicher Beziehungen zeigen und damit emotional in besonderer Weise erlebbar machen. Vor allem drei große Themenkomplexe haben sich in der Beschäftigung des Fernsehens mit der Geschichte herausgebildet: In der Bundesrepublik die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus, mit der deutschen Teilung und der Wiedervereinigung und schließlich auch mit dem Terror der Baader/Meinhof-Gruppe ("RAF"); in der DDR ebenfalls die Beschäftigung mit dem Zweiten Weltkrieg, dem Antifaschismus und dann mit der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, die jedoch von den 1970er Jahren an mehr und mehr an Bedeutung verlor.

Mehrteilige Produktionen in Ost und West

Neben zahlreichen einzelnen Fernsehspielen sind es 1960/61 im Westen wie im Osten vor allem mehrteilige Produktionen, die Geschichte vermitteln, z. B. das Kriegsgefangenendrama "So weit die Füße tragen" (ARD, 1960). Es handelt von der Flucht eines Kriegsgefangenen aus Sibirien quer durch die Sowjetunion in den Iran. Die ebenfalls mehrteilige DDR-Produktion "Gewissen in Aufruhr" (1961) erzählt von einem Generaloberst der deutschen Wehrmacht, der, durch Stalingrad kritisch geworden, nach dem Krieg in der Bundesrepublik verfolgt wird und schließlich in die DDR geht, um dort eine neuere und bessere Gesellschaft aufzubauen. Von den großen historischen Reihen des DDR-Fernsehens sei hier auch die Reihe "Kämpfer und Sieger" (1967) erwähnt, eine 15-teilige Dokumentation über die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung . Gerade die zeitlich umfangreichen Dokumentationen und fiktionalen Darstellungen erweckten eine große Aufmerksamkeit beim Publikum und prägten sich aufgrund ihrer Mehrteiligkeit auch beim Publikum nachhaltig ein. Die Beschäftigung mit der NS-Zeit erfuhr wesentliche Impulse durch die 14-teilige Dokumentarreihe "Das Dritte Reich" des Süddeutschen und Westdeutschen Rundfunks im ARD-Programm (1960/61), in der erstmals umfassend das NS-System im Fernsehen dargestellt und damit einem breiten Publikum vermittelt wurde. Die Serie gewann dadurch besondere Aktualität, dass 1960 der SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann aus Südamerika, wo er sich versteckt gehalten hatte, nach Israel entführt wurde und ihm dort der Prozess gemacht wurde. Fernsehserie und Eichmann-Prozess machten der bundesdeutschen Öffentlichkeit deutlich, dass in Deutschland die strafrechtliche Verfolgung der NS-Täter noch sehr unzureichend in Gang gekommen war. In der Folge setzte eine intensive Berichterstattung über die NS-Zeit in zahlreichen Einzelproduktionen ein . Die Darstellung von Geschichte erfolgt auch in fiktionalen Produktionen, in Fernsehfilmen und Serien, um die vergangenen Lebensverhältnisse anschaulich zu machen (siehe unter "Interner Link: Fernsehspiel und Serie").

Vergangenes audiovisuell nacherleben

Das Fernsehen nutzte seine Besonderheit, einem großen Publikum wieder und wieder in Bild und Ton das Geschehen der Vergangenheit vorführen zu können, dabei unterschiedliche Aspekte herauszuarbeiten und damit ein komplexes Geschichtsverständnis zu ermöglichen. Dabei betrieben die Fernsehredakteure und Autoren eine zunehmende Recherche nach neuen Bild- und Tonmaterialien, so dass es wie in keiner Epoche zuvor möglich wurde, die Vergangenheit audiovisuell nachzuerleben, und dies auch in Formen, die das Fernsehen erstmals schuf. In den fiktionalen Formen wurde Geschichte in besonderer Weise nachvollziehbar, weil sie in den Erlebnissen einzelner, konkreter Personen und ihrer Beziehungen sichtbar gemacht wurde.

Geschichtssendungen über den Nationalsozialismus

Dazu trugen in den 1960er Jahren die zahlreichen Dokumentarspiele des ZDF und der ARD bei. Eine wichtige Rolle spielten auch die großen Produktionen von Egon Monk, z. B. "Ein Tag" von 1965, ein Film, in dem erstmals ein Tag in einem deutschen Konzentrationslager 1939 auf beklemmende Weise geschildert wurde. Auch seine Mehrteiler nach dem Roman "Geschwister Oppermann" von Lion Feuchtwanger und seine fünfteilige Verfilmung des Romans "Die Bertinis" von Ralph Giordano thematisieren die Zeit des Nationalsozialismus. Das Fernsehen zeigte in diesen und zahlreichen anderen Fernsehspielen und -filmen das Bild eines gewalttätigen Terrorregimes.

Die Beschäftigung mit der NS-Zeit im DDR-Fernsehen

Auch im DDR-Fernsehen setzte eine intensive Beschäftigung mit der NS-Zeit ein, auch hier sowohl in dokumentarischen wie fiktionalen Formen, wobei vor allem gezeigt werden sollte, dass sich das NS-Regime im westdeutschen Nachkriegsstaat fortgesetzt habe. Bei den Kriegsdarstellungen standen Entwicklungen im Vordergrund, die die Akteure dazu brachten, entweder gemeinsame Sache mit den östlichen Partisanen zu machen ("Geheimkommando Bumerang", 1966; "Geheimkommando Spree", 1968, 2 Teile) oder den Weg in die spätere DDR zu finden. In "Hannes Trostberg" (1966, 3 Teile) wurde das Geschehen an der Ostfront des Zweiten Weltkriegs zu einer der "Geburtsstunden des DDR-Sozialismus", weil der Titelheld die Entwicklung der DDR vor sich sieht und für ihre Realisierung viel Überzeugungsarbeit leistet.

Der Fernseh-Vierteiler "Holocaust" in der ARD

Ab 1979 prägte der amerikanische Vierteiler "Holocaust", der in den zusammen geschalteten Dritten Programmen der Bundesrepublik mit einem von Folge zu Folge steigenden Erfolg (zuletzt 40 % Einschaltquote) gesendet wurde, die weitere Debatte. In diesem Mehrteiler wurde die fiktionale Geschichte der jüdischen Arztfamilie Weiß aus Berlin mit der des SS-Offiziers Dorf verwoben und in einer melodramatischen, stark emotionalisierten Weise erzählt. Dass die Überlebenden im Film am Ende in Israel ankommen, wurde in der deutschen Fassung gekürzt, um nicht von der deutschen Beschäftigung mit den NS-Verbrechen abzulenken. Darin bestand die zentrale Funktion der Ausstrahlung des Films in der Bundesrepublik. 10.000 Leserbriefe erreichten den WDR, ebenso viele Anrufer meldeten sich bei den ARD-Sendern; in nachfolgenden Diskussionssendungen wurde das gezeigte Geschehen vertieft. Keine Sendung hat das Bild von den NS-Verbrechen so nachhaltig beeinflusst wie dieser Mehrteiler.

Weitere Filme über die NS-Zeit aus den 1970er und 1980er Jahren

In den 1970er und 1980er Jahren setzte sich deshalb eine Vielzahl weiterer Filme mit der NS-Zeit auseinander. Beispielhaft seien hier die Arbeiten von Eberhard Fechner (z. B. "Das Klassenfoto" von 1970, "Comedian Harmonists" von 1976, "Der Prozess" von 1984) und Heinrich Breloer (z. B. "Das Beil von Wandsbek" von 1982, später auch "Speer und Er" von 2005) genannt, in denen sich dokumentarische und fiktionale Formen vermischten. Über die Thematisierung von Alltag und Privatheit wurde der Einbruch des Nationalsozialismus in das Leben der Menschen geschildert. Teilweise geschah dies in Serien wie "Jauche und Levkojen" (ARD, 1978) oder "Die Löwengrube" (ARD, 1987/91). Vor allem auch die "Heimat"-Serien von Edgar Reitz (ab 1980) zeigten das Leben der 'kleinen Leute' und ihre Konfrontation mit dem NS-Regime.

Dokumentarreihen von Guido Knopp

Der Leiter der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte Guido Knopp (© picture-alliance/dpa)

Seit den 1990er Jahren perfektionierte der Leiter des ZDF-Programmbereichs Zeitgeschichte Guido Knopp die Mischung von dokumentarischen Aufnahmen und Nachinszenierungen (die nun mit dem englischen Begriff des 'Reenactment' bezeichnet werden), und nutzte sie vor allem zur Aufarbeitung der NS-Zeit. Mit fünf- bis sechsteilige Reihen wie "Hitlers Helfer" (1996, 1998), "Hitlers Krieger" (1998), "Hitlers Frauen und Marlene" (2003) bis hin zu "Hitler – eine Bilanz" (2005) entstand eine Vielzahl von Dokumentationen, die sich gerade wegen der Standardisierung ihrer Elemente und der Wiedererkennbarkeit der Formen einer großen Beliebtheit bei den Zuschauern erfreute. Dabei waren und sind diese Reihen gerade bei den Historikern sehr umstritten, weil ihnen der Unterhaltungsaspekt zu sehr im Vordergrund steht . 2006 kam es auf dem Historikertag deshalb zu heftigen Kontroversen, bei denen Knopp vorgeworfen wurde, er betreibe ein 'Histotainment'.

Nach 2000: Fiktionale Geschichtssendungen zu weiteren Themen

Nach 2000 kamen dann auch andere Themen – nun wieder verstärkt in fiktionaler Form – ins Fernsehen. Es entstanden Fernsehfilme und Dokumentationen über die DDR, vor allem über den Fall der Mauer und das Ende des Staates. Dabei stellten und stellen gerade Jahrestage immer wieder eine Gelegenheit dar, Erinnerungssendungen ins Programm zu bringen (z. B. "Die Frau vom Checkpoint Charlie", Das Erste, 2007; "Das Wunder von Berlin", ZDF, 2007; "Wir sind das Volk – Liebe kennt keine Grenzen", Sat.1, 2008; "Weissensee", Das Erste, seit 2010; "Bornholmer Straße", ARD, 2014; "Deutschland 83 / 86 / 89", RTL, seit 2015; "Honigfrauen", ZDF, 2017). Einen zweiten Schwerpunkt bilden der Nationalsozialismus und seine Folgen, vor allem Flucht und Vertreibung standen im Vordergrund ("Kinder der Flucht" und "Dresden", ZDF, 2006; "Die Flucht", ARD, 2007; "Die Gustloff", ZDF, 2008; "Unsere Mütter, unserer Väter", ZDF, 2013; "Meine Tochter Anne Frank", ARD, 2015); "Landgericht – Geschichte einer Familie", ZDF, 2017) (siehe auch unter "Interner Link: Fernsehspiel und Serie").

Inszenierung von Geschichte

"Der sorgfältig produzierte Event-Zweiteiler 'Dresden' bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen Unterhaltung und historischer Bildung. Die Balance gelingt nicht immer, manchmal überwiegt das Spektakel des Special Effects, manchmal auch erscheint die Dramaturgie zu effektheischend […]. Der emotionsbetonte Ansatz des Films kann die analytische Auseinandersetzung mit dem Thema nicht ersetzen, aber er kann Zugänge schaffen. Man mag sich von der Warte der ästhetischen Kritik über die konventionelle Machart von Filmen wie 'Dresden', 'Die Flucht' oder 'Gustloff' mokieren, und man mag politisch die Vereinfachungen verurteilen, die sich im Format eines unterhaltenden Eventfilms geradezu zwangsläufig einstellen. Genau diese Schwächen bilden jedoch gleichzeitig die Voraussetzung dafür, dass man mit solchen Themen ein Publikum erreicht, das sonst einfach wegschalten würde."

Andreas Dörner zur Inszenierung von geschichtlichen Ereignissen in neuern Fernsehfilmen oder "Event"-Mehrteilern.

Quelle: Andreas Dörner: Geschichtsfernsehen und der historisch-politische Eventfilm. In: Dörner/Vogt 2012.

"14 – Tagebücher des Ersten Weltkriegs"

Ein besonders Projekt war die 8-teilige Doku-Fiction "14 – Tagebücher des Ersten Weltkriegs", die anlässlich des 100-jährigen Gedenkens des Beginns des Ersten Weltkriegs produziert und im Jahr 2014 bei Arte ausgestrahlt wurde. Anhand von Zitaten und Tagebucheintragungen von Personen aus 7 Ländern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Russland, USA) sowie Original-Filmmaterial wurde das Schicksal von 14 Menschen nachgezeichnet. Dabei stand nicht das Geschehen an den Fronten im Zentrum, sondern es wurde ein Querschnitt durch alle Lebensbereiche von Männern, Frauen und Kindern gezeigt. Die Fernsehausstrahlung wurde mit einem Internetauftritt verknüpft, der sehr gut über das Projekt informiert (Externer Link: http://www.14-tagebuecher.de).

Fernsehen als kultureller Gedächtnisort

Geschichtssendungen im Fernsehen liefern nicht nur ein Bild der Vergangenheit, sondern markieren – direkt und indirekt – auch den Standpunkt, von dem aus Geschichte betrachtet wird. Deshalb informieren Geschichtssendungen nicht nur über die Zeit, die sie darstellen, sondern auch über die Zeit, in der sie hergestellt wurden. Das hat zur Folge, dass Geschichte in den Medien immer wieder neu erzählt wird, weil jede Generation für sich andere Aspekte entdeckt. Geschichtsdarstellungen sind also gegenwartsbezogen – und dies gilt für die Zeit nach 1945 in besonderer Weise. Denn über das Verhältnis zur eigenen Geschichte definieren sich die kulturellen Gemeinschaften, definiert sich die Gesellschaft. Das Fernsehen (bzw. seine Sendungen) wirkt deshalb identitätsstiftend. Denn es verdichtet Geschichte medial, bringt sie immer wieder in Ausschnitten und gleichzeitig mit dem impliziten Anspruch auf umfassende Darstellung zur Anschauung. Es lädt sie durch die Verwendung seiner fiktionalen Dramaturgien emotional auf und schafft auf diese Weise affektive Bilder, die sich in unser Gedächtnis einbrennen und damit unsere Vorstellungen von der Vergangenheit prägen. So ist das Fernsehen ein kultureller Gedächtnisort – und damit ein Bildungsfaktor sowohl für die Gesellschaft als auch für das Individuum. Es handelt sich bei diesen Sendereihen und Sendungen immer um große Projekte des Fernsehens, die auch für das Bewusstsein der eigenen Vergangenheit, für das kulturelle Gedächtnis unserer Gesellschaft prägend waren und sind. Die Bedeutung des Fernsehens für das eigene historische Verständnis kann kaum überschätzt werden.

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