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Weitere Reality-Formate | Deutsche Fernsehgeschichte in Ost und West | bpb.de

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Weitere Reality-Formate

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Die deutschen "Big Brother"-Stars Zlatko und Jürgen (re.) (© picture-alliance/dpa)

Reality Soaps / Reality Shows

Von den genannten vorwiegend beobachtenden Doku-Soaps unterscheiden sich die als Reality-Soaps bzw. Reality Shows bezeichneten Serien, die ähnlich dem "Big Brother"-Konzept Menschen (des Alltags) in eine künstliche erzeugte oder exotische Umwelt versetzen und sie dabei durch Kameras beobachten lassen. Auch hier gibt es eine Finalstruktur der Dramaturgie: Das Zusammenleben im Dschungel oder auf einer einsamen Insel dient dazu, dass sich die Beteiligten in ihrem Miteinander näher kommen, gemeinsam etwas unternehmen oder in Konkurrenz untereinander stehen. Durch die Zuschauer oder eine andere Instanz wird in regelmäßigen Abständen einer der Beteiligten herausgewählt, so dass der Letzte schließlich der Sieger ist und den ausgesetzten Gewinn erhält. Diese Form hat ihren Ursprung in der USA ("The Real World", 1992) und wurde nach 2000 – nach dem Erfolg der ersten Staffel von "Big Brother" – auch in Deutschland ein Erfolg.

"Insel-Duell" (Sat.1)

Sat.1 brachte im Jahr 2000 die Reality-Soap "Insel-Duell" heraus, bei der sich 13 Kandidaten auf der malaysischen Insel Simbang in der Wildnis behaupten mussten. Die Sendereihe war, anders als "Big Brother", nicht tagesbezogen aktuell: Als die Folgen im Sat.1-Programm gezeigt wurden, lag das Geschehen schon vier Wochen zurück. Auch hier gab es eine Finalstruktur, jede Woche wurde einer der Beteiligten von einem 'Inselrat' von der Insel geschickt.

"Expedition Robinson" (RTL)

Ebenfalls im Jahr 2000 brachte RTL die "Expedition Robinson" ins Programm, auch hier handelte es sich um ein Insel-Abenteuer, bei der sich die Kandidaten in der Wildnis behaupten mussten. Dabei war jedoch klar, dass diese "Abenteuer" nicht wirklich ein Risiko bedeuteten, war doch auf der Insel die Infrastruktur des Fernsehens als Beobachtungsinstrument installiert worden. Damit sollte natürlich auch verhindert werden, dass es wirkliche Unfälle gab und das Leben der Kandidaten in riskanter Weise aufs Spiel gesetzt wurde. 1999 hatte in Schweden nach einer ähnlichen Show ein Kandidat Selbstmord begangen, doch konnte ein Zusammenhang mit der Fernsehsendung nicht nachgewiesen werden .

"Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" (RTL)

Spektakulärer ist die Sendereihe "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" (nach dem britischen Vorbild "I'm a Celebrity, Get Me Out of Here"), die seit 2004 (mit bisher vierzehn Staffeln) auf RTL läuft. In einem australischen Lager ("Dschungelcamp") müssen sich eine Reihe von Kandidaten, diesmal so genannte "B-Prominente" (wie der Sänger Costa Cordalis oder der ehemalige, inzwischen verstorbene Kandidat aus "Deutschland sucht den Superstar" Daniel Küblböck), durchschlagen und dabei unterschiedliche Aufgaben erledigen, die vor allem mit Selbstüberwindung und Ekelreizen zu tun haben: Die Kandidaten müssen sich Kakerlaken über den Körper schütten lassen, in Schlangenbassins greifen, durch Moraste waten usf.. Darüber kam es zu kritischen Kommentaren, die der Serie eine Verletzung der Menschenwürde vorwarfen. Die Sendung wird auf eine komisch-ironische Weise von Sonja Zietlow und Daniel Hartwich (anstelle des 2012 verstorbenen Dirk Bach) moderiert.

Die Reality-Soap spielt mit dem körperlichen Ekelgefühl, das sich auch bei den Zuschauern einstellt, wenn sich die Kandidaten Spinnen über die Arme laufen lassen müssen oder Regenwürmer, Känguruhoden und Larven essen sollen. Offensichtlich erzeugen diese Bilder nicht nur ein voyeuristisches Interesse, sondern erregen auch in besondere Weise körperbezogenen Reize. Gleichzeitig können die Zuschauer das soziale Verhalten der Kandidaten in der Gruppe beobachten: Wer nimmt tapfer die "Dschungelprüfung" auf sich, um die Lebensmittel-Versorgung der Gruppe für den Tag zu sichern? Wer schafft es, seine Tiefpunkte aus eigener Kraft zu überwinden, sich seinen Ängsten zu stellen und dabei auch noch für einen hohen Unterhaltungswert zu sorgen? Wer holt Trinkwasser, kümmert sich um das Lagerfeuer, tröstet seine Mitspieler bei kleinen Krisen – und wer verhält sich egoistisch? Die Zuschauer können über das Telefon-Voting entscheiden, wer im Camp bleiben darf und wer nicht, und bewerten bei ihrer Wahl das beschriebene Verhalten der Kandidaten – ebenso wie ihre Unterhaltsamkeit – in erheblichem Maße.

"Big Brother"

Grundstrukturen des Formats

Als Fernsehproduktion, die sich in besonderer Weise mit dem Begriff des Reality-TV verbindet, gilt die Serie „Big Brother“ (in Deutschland von 2000–2011 hauptsächlich auf RTL II, 2015: sixx, 2020: Sat.1). Bisher wurden 13 Staffeln produziert. Bei den Protagonisten der Sendung handelte es sich um ‚Alltagsmenschen’, die aber für die Sendereihe in besonderer Weise ausgewählt wurden. Diese Gruppe von Menschen lebte über mehrere Monate zusammen in einem von der Umwelt sonst isolierten Fernsehstudio, das als Wohnumfeld eingerichtet und als „Container“ bezeichnet wurde. Die Gruppe wurde von verdeckt eingebauten Kameras rund um die Uhr beobachtet. Aus diesen Aufnahmen wurde ein täglicher Zusammenschnitt hergestellt, der die „Höhepunkte“ enthielt und nach der Art fiktionaler Serienfolgen konzipiert war.

Für die Menschen in diesem "Container" gab es von der Redaktion vorgegebene Aufgaben, die gelöst werden mussten. In festgelegten Zeitabständen, die von Staffel zu Staffel variierten, mussten alle Bewohner einzeln Mitglieder der Gruppe nominieren, die den Container verlassen sollten. Darüber, welcher der Nominierten den Container verlassen musste, stimmten dann die Zuschauer ab, so dass nach und nach einzelne Mitglieder hinaus gewählt wurden, bis am Ende einer als Sieger übrig blieb, der dann einen hoch dotierten Geld-Preis erhielt. Die Serie erhielt ihren Namen von George Orwells Science-Fiction-Roman "1984", in dem der Staat als "Großer Bruder" die gesamte Gesellschaft durch Videokameras überwacht und damit eine totalitäre Herrschaft ausübt.

Öffentliche Kritik an "Big Brother"

Wie kaum eine andere Serie des kommerziellen Fernsehens zuvor stieß "Big Brother" auf eine heftige öffentliche Kritik, weil das "Einsperren" von Menschen über mehr als drei Monate (erste Staffel 106 Tage) und das ständige Beobachten ihrer Handlungen mit allen auch intimen Vorgängen als ein ethisch verwerfliches Handeln angesehen wurde. Da die Teilnehmer sich jedoch selbst für die Teilnahme entschieden hatten und auch auf Wunsch sofort den Container verlassen konnten (dabei jedoch aus dem Wettbewerb um den Gewinn ausschieden), konnte medienrechtlich wenig gegen die Serie unternommen werden. Die öffentliche Aufregung diente letztlich wiederum der Publizitätssteigerung der Serie.

Entwicklungen und Veränderungen in den Staffeln

Von Staffel zu Staffel wurden die Regeln verändert, es wurde zunächst die Innenwelt der Wohnräume um eine Außenwelt erweitert, schließlich sogar eine Art gesellschaftliches Zusammenleben organisiert – mit der Zugehörigkeit einzelner Teilnehmer zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten, mit Gegensätzen von Arm und Reich, mit unterschiedlichen Unternehmen und Arbeitsverhältnissen. Nicht alles stieß jedoch auf Zuschauerinteresse, so wurden die Kleinbetriebe in der sechsten Staffel nach halber Laufzeit aufgelöst, nur der Bauernhof blieb erhalten. Die weiteren Staffeln hatten jeweils eine kürzere Laufzeit mit einem Preis von 250.000 bis 100.000 Euro und mit wieder variierten Bedingungen.

Auch die Präsentationsformen änderten sich im Lauf der Jahre. Die 8. Staffel z. B. wurde in den bekannten Zusammenschnitten auf RTL II präsentiert, auf einem 24-Stunden-Kanal beim Abonnentenkanal "Premiere" konnte man das Geschehen gegen eine besondere Gebühr (15 Euro im Monat) live verfolgen. Die 10. Staffel lief von Januar bis August 2010 und konnte ebenfalls 24 Stunden live bei Sky Deutschland (vormals Premiere), im Internet oder im iPhone verfolgt werden. Eine Besonderheit der 11. Staffel (Mai bis September 2011) war die Verlängerung um 35 Tage, obwohl sie zunächst nur auf 100 Tage angesetzt war.

"Big Brother" – Eine neue Dimension von Realitätsfernsehen

Endemol-Chef John de Mol zum Sendestart von Big Brother in Deutschland (© picture-alliance/dpa)

Eine solche künstliche Welt mit realen Personen, die keine Schauspieler sind, durch ihre Teilnahme an dem Format aber tägliche TV-Präsenz und damit Bildschirmprominenz erlangen, zeigt wie kaum ein anderes Beispiel, wie machtvoll inzwischen die Verquickung von Fiktionalität und Faktualität, von Ausgedachtem und Realem, gelungen ist und welche neuen Probleme der Repräsentation der Welt sich im Fernsehen damit eröffnen.

Realitätsfernsehen ist hier eine inszenierte, eine nach Serienmustern organisierte und zusammengeschnittene Welt, sie ist auf die Fernsehanforderungen ausgerichtet und folgt deren Regeln. Sie setzt wie eine Unterhaltungssendung auf einen Wettkampf, bei dem es am Ende einen Gewinner gibt. Gleichzeitig lebt sie von den unvorhersehbaren Selbstinszenierungen der Beteiligten, enthält in kleinen Details noch die Spur des Unberechenbaren und nicht Planbaren .

Solche "möglichen anderen Welten", wie sie hier mit realen Menschen vorgeführt wurden und werden, finden ihre Entsprechungen in den virtuellen Welten des Internet, bei denen jedoch, im Gegensatz zum Fernsehen, oftmals mit Pseudonymen oder mit künstlichen Figuren, mit Avataren (z. B. bei "Second Life"), gearbeitet wird.

Promi Big Brother

Seit 2013 läuft bei Sat.1 "Promi Big Brother". Ähnlich wie bei "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus" sind es B-Prominente, die für maximal etwas mehr 14 Tage unter Rundum-Beobachtung stehen und Wettbewerbe bzw. Duelle bestehen müssen. Im Durschnitt interessieren sich dafür 2 bis 3 Mio. Zuschauer.

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