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Die Frau, die Mut zeigt Der Verein ADEFRA e.V. – Schwarze Frauen in Deutschland

Ekpenyong Ani

/ 7 Minuten zu lesen

Eines der wesentlichen Ziele von ADEFRA ist Empowerment, also das Selbstbewusstsein, die Selbstbestimmung und die Selbstorganisation Schwarzer Frauen zu stärken. Der Verein kümmert sich vorrangig um internationalen Austausch, Bildung, Beratung und Unterstützung zu gesellschaftlich relevanten Themenbereichen.

Gründung des Vereins ADEFRA

Die Interessensgemeinschaft ADEFRA, deren Name ursprünglich die Abkürzung für AfroDEutsche FRAuen war, wurde Mitte der 1980er Jahre gegründet und ist seit 1994 ein bundesweiter, gemeinnütziger Verein. ADEFRA ist ein Forum, in dem sich Schwarze Frauen und Women of Color mit ihren Belangen auseinander setzen und in dem zugleich ihre Vielfalt repräsentiert ist. Alle verbindet auf die eine oder andere Weise – unabhängig von Weltanschauung, Glauben, Nationalität, Beruf und Sozialisation – die Erfahrung, Schwarz und eine Frau zu sein.

"Erhebt euch und schweigt nicht mehr" schrieb die afro-amerikanische Dichterin Audre Lorde 1986 in ihrem Vorwort zu dem Buch "Farbe bekennen" an ihre afro-deutschen Schwestern. Ihrer Aufforderung sind damals einige gefolgt. Viele Schwarze Frauen in der damaligen BRD fühlten sich angesprochen von dieser starken, begabten, kämpferischen Frau, die ihre Liebe zu Frauen auch in ihren Texten niemals verbarg.

So brachen Schwarze Frauen ab Mitte der 1980er Jahre auf, trafen sich, trauten sich länger hinzuschauen und einander zu erkennen. Erstes Ergebnis dieses Aufbruchs war die Gründung von ADEFRA, einer Gruppe, in der zunächst afro-deutsche Frauen, später Schwarze Frauen unterschiedlichster Herkunft zusammenfanden. Als Ausdruck der Entwicklung und wachsenden Vielfalt wurde der Name der Gruppe erweitert. Im Amharischen, einer äthiopischen Sprache, bedeutet ADEFRA: Die Frau, die Mut zeigt.

Die ersten bundesweiten ADEFRA-Treffen in München und Berlin bedeuteten Begegnung und Austausch. Angesichts der in der Dominanzkultur vorherrschenden rassistischen Strukturen sehnten sich viele Schwarze Frauen nach Räumen, wo ihnen diese nicht begegneten. Einen solchen Frei- und Schutzraum bot ADEFRA.

ADEFRA war einer der ersten Zusammenschlüsse von Schwarzen Deutschen. Etwa zur selben Zeit entstand auch die aus Männern und Frauen bestehende Initiative "Schwarze Deutsche", aber festzuhalten ist, dass es Frauen und insbesondere Lesben waren, die die Schwarze Bewegung in Deutschland in Gang brachten. Die Gründerinnen von ADEFRA einte die Überzeugung, dass Schwarzen Frauen ein eigener Raum zusteht, weil sie durch das Zusammenwirken von Rassismus und Sexismus in dieser Gesellschaft doppelt benachteiligt sind.

Heraus aus der Isolation

Das Zusammenkommen bei ADEFRA bedeutete für Schwarze Frauen in Deutschland ein Heraustreten aus der Isolation. Die meisten waren während ihrer gesamten Kindheit und auch später als Erwachsene immer die einzigen Schwarzen in einem weißen Umfeld gewesen – in ihren Familien, in der Schule und später im beruflichen Setting. Besonders afro-deutsche Frauen bi-nationaler Herkunft, die meist bei ihren weißen deutschen Müttern aufgewachsen waren, hatten sich lange gar nicht als Schwarze identifizieren können. So erlebten sie das Sich-Beziehen auf andere Schwarze Frauen wie eine Art Coming out.

Ria Cheatom, eine der Gründerinnen von ADEFRA formulierte es in einem Interview so:

"Ich habe mein Black Coming out unglaublich stark erlebt (...). Es hat mich verletzbarer, aber gleichzeitig stärker und kämpferischer gemacht. Als ich zum ersten Mal Kontakt mit mehreren schwarzen Menschen hatte, hat das total mein Leben verändert. Zum ersten Mal konnte ich für Stunden durchatmen. Zum ersten Mal war da die Möglichkeit, uns selber zu sehen."

Die Arbeitsebenen

ADEFRA arbeitete von Anfang an auf mehreren Ebenen. Eines der wesentlichen Ziele des Vereins war und ist Empowerment, d.h., das Selbstbewusstsein, die Selbstbestimmung und die Selbstorganisation Schwarzer Frauen zu stärken und zu unterstützen. Dafür war es wichtig, sich regelmäßig und in unterschiedlicher Zusammensetzung zu treffen. Bis 1994 organisierte ADEFRA deshalb jährlich Bundestreffen Schwarzer Frauen, bei denen zunächst Identitätsfindung und die Entdeckung der eigenen Geschichte im Mittelpunkt standen. Das eingangs erwähnte Buch "Farbe bekennen" lieferte hierzu wichtige Anstöße. Das Werk basierte auf der Diplomarbeit der afro-deutschen Pädagogin und Autorin May Ayim und dokumentierte erstmals die historische Kontinuität Schwarzer Menschen in Deutschland von der Kolonialzeit bis in die westdeutsche Gegenwart der 1980er Jahre.

Auf einer anderen Ebene setzte sich ADEFRA für gesellschaftliche Veränderung ein. Besonders durch Anti-Rassismus- und Aufklärungsarbeit, aber auch durch die Bildung von Bündnissen mit weißen Frauengruppen trugen engagierte Schwarze Frauen zu einer gewissen Bewusstseinsveränderung bei. Die Auseinandersetzungen mit weißen Feministinnen über Rassismus führten in späteren Jahren aber dazu, dass man sich wieder stärker voneinander entfernte. Über die Jahre entwickelte sich unter den ADEFRA-Mitfrauen so etwas wie ein Expertinnen-Pool, auf den sowohl die Schwarze Community als auch weiße deutsche Organisationen und Institutionen immer wieder zurückgreifen: Von Historikerinnen über Literaturwissenschaftlerinnen, Fachfrauen in Gesundheitsberufen, (Sozial-)Pädagoginnen, Künstlerinnen bis zu Medienarbeiterinnen ist alles vertreten.

Engagement

Das Engagement ADEFRAs innerhalb der wachsenden Schwarzen Community in Deutschland ist eine dritte Ebene der Vereinsarbeit. Die bei ADEFRA aktiven Frauen sahen sich schon immer als ein Teil der größeren Community und hatten beispielsweise von Anfang an ihren Platz auf den jährlich stattfindenden Bundestreffen Schwarzer Menschen in Deutschland oder auch auf dem Black History Month in Berlin, der über einen Zeitraum von zehn Jahren regelmäßig veranstaltet wurde. Heute ist ADEFRA eine treibende Kraft beim "Black Community Congress" und trägt maßgeblich zum Entstehen eines bundesweiten Netzwerks Schwarzer Aktivistinnen und Aktivisten in Deutschland bei.

Schließlich ist bei ADEFRA der Blick über den bundesdeutschen Tellerrand schon früh von zentraler Bedeutung gewesen. Während Mitte der 1980er Jahre noch afro-amerikanische Feministinnen und Schriftstellerinnen prägend waren, rückten später die europäischen Nachbarländer stärker in den Fokus des Interesses für einen Austausch mit anderen Schwarzen Frauen. Nach dem Fall der Mauer waren es dann die Schwarzen Schwestern aus den neuen Bundesländern, mit denen es sich erst einmal auszutauschen und zusammenzufinden galt. ADEFRA ist heute mit Schwarzen Frauengruppen überall auf der Welt vernetzt und begreift sich auch hier wieder als Teil der größeren internationalen Community Schwarzer Frauen/Menschen.

Organisationsstrukturen

In den Anfangsjahren war ADEFRA zunächst informell organisiert. Noch lange vor der Gründung des bundesweiten Vereins hatte es jedoch eine Gruppe von Frauen in München geschafft, ein von der Stadt gefördertes ADEFRA-Büro einzurichten. Dieses Büro fungierte über zehn Jahre lang als "Zentrale". Hier fanden kleine Treffen statt, von hier aus wurden die meisten Frauenbundestreffen organisiert, Kontakte geknüpft und Informationen versandt. ADEFRA-Frauen schrieben regelmäßig Beiträge für die Zeitschriften "Afrekete", und "afro-look" und gaben selbst Rundbriefe heraus, zuletzt die "ADEFRA-News". In diesen Jahren wurde auch der Grundstein für ein ADEFRA-Archiv gelegt, das aus eigenen Publikationen sowie einer extensiven Sammlung von Büchern, Zeitungsausschnitten und Videos besteht. Ende der 1990er Jahre musste das Büro leider geschlossen werden, da sich der harte Kern der ADEFRA-Aktivistinnen in München aufzulösen begann.

ADEFRA als Vorbild

Parallel zu der Gruppe in München gab es in anderen Städten ADEFRA-Gruppen, die sich über die Jahre gebildet hatten, beispielsweise in Hamburg und Erfurt. ADEFRA war 1994 ausdrücklich als bundesweiter Verein gegründet worden, um die Möglichkeit zu haben, viele regionale Schwarze Frauengruppen unter einem Namen zusammenzufassen. Die regionalen ADEFRA-Gruppen waren miteinander vernetzt und arbeiteten punktuell zusammen.

Inzwischen gibt es in Berlin die größte ADEFRA-Community in Deutschland, so dass sich die Vereinsarbeit seit Ende der 1990er Jahre auf die Hauptstadt konzentriert. Im Jahr 2004 soll hier erneut ein Büro eröffnet werden, um eine Basis für die konkretere Arbeit zu schaffen. Diese soll in den nächsten Jahren folgende Schwerpunkte haben:

  • Bildungsarbeit für Schwarze Frauen und Mädchen

  • Flucht und Migration

  • Reparationen für Schwarze Frauen

  • Schwarze Frauen in psychischen Krisensituationen

  • 20 Jahre ADEFRA

17 Jahre später ...

17 Jahre nachdem Schwarze Frauen in Deutschland erstmals als ADEFRA zusammenkamen, hat sich gleichzeitig viel und wenig verändert. Die deutsche Gesellschaft krankt noch immer an institutionalisiertem Rassismus, rassistischen und sexistischen Stereotypen und einer geringen Bereitschaft, Schwarze Menschen als einen integralen Teil dieser Gesellschaft anzusehen. Doch Schwarze Menschen, Schwarze Frauen haben sich ihre eigenen Räume geschaffen und damit zumindest füreinander Sichtbarkeit erlangt. Wir haben Rassismus, Sexismus und Homophobie heute mehr entgegenzusetzen, vor allem das Wissen darum, viele zu sein.

Literatur

Ayim, May/Nivedita Prasad (Hg.): Wege zu Bündnissen (Eine Kongressdokumentation in Kooperation mit der Frauenanstiftung Hamburg), Berlin 1992.

Ayim, May: Blues in Schwarz Weiß: Gedichte, 3. Aufl., Berlin 1996.

Dies.: Nachtgesang: Gedichte, Berlin 1997.

Dies.: Grenzenlos und unverschämt: Politische Texte, Momentaufnahmen, Gespräche, Berlin 1997; Frankfurt/M. 2001.

Boyce Davies, C./M. Ogundipe-Leslie (Hg.): International Dimensions of Black Women's Writing, London 1995.

Busby, Margaret (Hg.): Daughters of Africa: An international anthology of words and writings by women of African descent from the ancient Egyptian to the present, London 1992.

Hügel, Ika u.a. (Hg.): Entfernte Verbindungen. Rassismus, Antisemitismus, Klassenunterdrückung, 2. Aufl., Berlin 1999.

Hügel-Marshall, Ika: Daheim unterwegs: Ein deutsches Leben, Berlin 1998; Frankfurt/M. 2002 (Englische Übersetzung: 2001).

Gelbin, Cathy S. u.a. (Hg.): AufBrüche: Kulturelle Produktionen von Migrantinnen, Schwarzen und jüdischen Frauen in Deutschland, Königstein 2000.

Joseph, Gloria I: (Hg.): Schwarzer Feminismus: Theorie und Politik afro-amerikanischer Frauen, Berlin 1993.

Kraft, M./R.S. Ashraf-Kahn (Hg.): Schwarze Frauen der Welt: Europa und Migration, Berlin 1994.

Lorde, Audre: Die Quelle unserer Macht: Gedichte, Berlin 1994.

Popoola, Olumide/Beldan Sezen (Hg.): Talking Home: Heimat aus unserer eigenen Feder: Frauen of Color in Deutschland, Amsterdam 1999.

Schultz, Dagmar (Hg.): Macht und Sinnlichkeit: Ausgewählte Texte von Audre Lorde und Adrienne Rich, 4. Aufl., Berlin 1993.

Fussnoten

Ekpenyong Ani, Diplom-Übersetzerin für Englisch, Portugiesisch und Niederländisch. Seit 1994 arbeitet sie als Lektorin beim Orlanda-Frauenverlag in Berlin, seit 2001 ist sie dort eine der Geschäftsführerinnen. Sie engagiert sich seit zehn Jahren bei "ADEFRA – Schwarze Frauen in Deutschland" und ist seit 2002 im Vorstand des Vereins.