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Migrationspolitik – Juli 2016 | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de

Migrationspolitik – Juli 2016

Viktoria Latz

/ 4 Minuten zu lesen

Was ist in der Migrations- und Asylpolitik im letzten Monat passiert? Wie haben sich die Flucht- und Asylzahlen entwickelt? Wir blicken zurück auf die Situation in Deutschland und Europa.

Geflüchtete Menschen aus Subsahara-Afrika werden am 28. Juli 2016 durch eine NGO aus einem überfüllten Schlauchboot aus dem Mittelmeer vor Libyen gerettet. (© picture-alliance/AP)

2015 – Höchststand der Zuwanderung nach Deutschland

Die Zahl der Zuwanderungen nach Deutschland war im Jahr 2015 so hoch wie noch nie. Laut den Externer Link: "Vorläufigen Wanderungsergebnissen 2015“ des Statistischen Bundesamtes (Destatis) sind mehr als 2,1 Millionen Menschen nach Deutschland zugezogen, rund 670.000 mehr als im Vorjahr. Nach Abzug der Fortzüge ergibt sich für 2015 ein Wanderungsüberschuss von 1 139 000 Personen - ein neuer Höchststand bei der Zuwanderung seit Bestehen der Bundesrepublik.

Auch die Anzahl von Studierenden aus dem Ausland ist gestiegen. Dies geht aus dem neuen Bericht Externer Link: "Wissenschaft weltoffen 2016“ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) hervor. Demnach waren 2015 321.569 ausländische Studierende an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Das sind 7% mehr als im Vorjahr.

Mit einer Nettozuwanderung von 382.449 EU-Einwanderern im Jahr 2015 ist Deutschland außerdem das beliebteste Zielland innerhalb der Europäischen Union. Dies belegt das Interner Link: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in seinem neuen Externer Link: Freizügigkeitsmonitoring. Demzufolge werden vor allem Menschen aus Osteuropa von der Bundesrepublik angezogen.

Hauptherkunftsland ist Rumänien mit 174.779 Zuwanderern, gefolgt von Polen (147.910), Bulgarien (71.709) und Kroatien (50.646). Die Zuwanderung aus Südeuropa, die in den vergangenen Jahren wegen der Schulden- und Finanzkrise angestiegen war, hat sich dagegen abgeschwächt. 23.910 Menschen sind aus Griechenland und 20.144 aus Spanien zugezogen. Externer Link: 4,1 Millionen der insgesamt 18,5 Millionen EU-Bürger, die die Freizügigkeit laut Externer Link: Eurostat in Anspruch nehmen, leben in Deutschland.

Zahl der Asylsuchenden sinkt

Währenddessen geht die Zahl der Schutzsuchenden in Deutschland weiter zurück. So reisten im Monat Juni 16.335 Geflüchtete ein, im Januar waren es noch 91.671. Laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière liegt dies vor allem am Externer Link: Flüchtlingsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei sowie der Externer Link: Schließung der Balkanroute.

Auch die Zahl der Asylbewerber aus den Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien ist zurückgegangen. Die Bundesregierung will diese Länder als sichere Herkunftsstaaten einstufen. Der Bundestag hatte dem bereits im Mai zugestimmt. Der Bundesrat, dessen Zustimmung bislang noch fehlt, hatte seine Entscheidung Anfang Juli auf Herbst vertagt. Bislang scheiterte eine Abstimmung am Widerstand der grün-regierten Bundesländer.

Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2016 222.264 Geflüchtete im Erfassungssystem der Länder (EASY) registriert, im gesamten Vorjahr waren es rund 1,1 Millionen. Hauptherkunftsland ist weiterhin Syrien mit 74.511 Schutzsuchenden. Die Zahl der Asylanträge liegt dagegen deutlich höher als im Vorjahr. Seit Januar 2016 wurden 396.947 Asylanträge gestellt, was einen Anstieg um 121,7 Prozent bedeutet. Entschieden wurde bislang über die Asylanträge von rund 283.000 Geflüchteten. Auch hier ist ein deutlicher Anstieg zum Vorjahreszeitraum zu verzeichnen. Grund dafür sei, so de Maizière, der Umbau des Bundesamts sowie der Abbau von Altfällen.

Integrationsgesetz beschlossen

Der Bundestag hat Anfang Juli erstmalig ein Externer Link: Integrationsgesetz verabschiedet. Es tritt am 6. August in Kraft. Schutzsuchende erhalten dadurch mehr Angebote an Integrationskursen, an Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, ihnen werden jedoch auch einige Pflichten und Sanktionen auferlegt, wie beispielsweise die Zuweisung eines Wohnsitzes (Wohnsitzauflage) oder die Kürzung von Sozialleistungen bei Nicht-Teilnahme an den verpflichtenden Integrationskursen. Wesentliche Inhalte des Gesetzes, das dem Leitgedanken "Fördern und Fordern" folgt, sind zudem das Arbeitsmarktprogramm "Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen", welches 100.000 gemeinnützige Jobs für Geflüchtete vorsieht, ein früherer Zugang zu Integrationskursen, bei denen es zudem mehr Kapazitäten geben soll, sowie die Rechtssicherheit für Geduldete während ihrer gesamten Ausbildung. Wohlfahrtsverbände wie Pro Asyl sowie Vertreter der Opposition stehen dem Gesetz Externer Link: kritisch gegenüber. Sie hatten sich im Mai mit einem Externer Link: Brief an die Bundesregierung gewandt und insbesondere gegen die Leistungseinschränkungen des Gesetzes protestiert.

Für die Integration der Geflüchteten hat der Bund den Ländern bis 2018 eine Externer Link: Integrationspauschale von sieben Milliarden Euro zugesichert. Diese setzen sich zusammen aus zwei Milliarden Euro pro Jahr sowie weiteren 500 Millionen Euro für 2017 und 2018, die für den Wohnungsbau vorgesehen sind.

Gefährliche Flucht über das Mittelmeer

Die Interner Link: Internationale Organisation für Migration (IOM) hat neue Zahlen zu den Externer Link: Sterbefällen auf der Flüchtlingsroute über das Mittelmeer bekannt gegeben. Demnach kamen in diesem Jahr mindestens 2.933 Menschen bei der gefährlichen Überfahrt ums Leben (Stand: 13.07.16). Die Mehrheit ertrank auf dem Weg von Nordafrika nach Italien. Zuletzt war ein Schiffswrack mit 675 bestätigten Toten geborgen worden, das im Externer Link: April 2015 vor der Küste Libyens gesunken war. Bei dem Unglück überlebten nur 28 Menschen. Insgesamt kamen laut IOM seit Jahresbeginn rund 238.000 Schutzsuchende über den Seeweg nach Europa.

Stimmungslage in Deutschland

Die deutsche Gesellschaft ist hinsichtlich ihrer politischen Einstellung zunehmend polarisiert. Dies zeigt die neue Studie Externer Link: "Die enthemmte Mitte" der Universität Leipzig. Für die Untersuchung wurden bundesweit rund 2.400 Menschen zu Themen wie der Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus befragt. Auf der einen Seite steige die Bereitschaft der Menschen, sich zu antipluralistischen und autoritär-völkischen Gesellschaftsvorstellungen zu bekennen sowie die Ablehnung von Schutzsuchenden, Muslimen und Sinti und Roma, auf der anderen Seite sei aber auch eine Zunahme von Menschen mit demokratischer Einstellung zu verzeichnen, die Gewalt ablehnen und Zuwanderung begrüßen.

Das Bundeskriminalamt zählte in diesem Jahr bis Ende Juni zudem Externer Link: 202 Straftaten gegen Politiker und andere Amts-und Mandatsträger (wie Polizisten und Behördenmitarbeiter) "in Zusammenhang mit dem Thema Asyl". Die Delikte reichen von Sachbeschädigungen über Beleidigungen bis hin zu Morddrohungen.

Fussnoten

Viktoria Latz ist studentische Hilfskraft in der Redaktion von focus Migration am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail Link: vlatz@uni-osnabrueck.de