Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Migrationspolitik – Juli 2019 | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de

Migrationspolitik – Juli 2019

Vera Hanewinkel

/ 5 Minuten zu lesen

Was ist in der Migrations- und Asylpolitik im letzten Monat passiert? Wie haben sich die Flucht- und Asylzahlen entwickelt? Wir blicken zurück auf die Situation in Deutschland und Europa.

Junge Frau in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Tübingen. Im ersten Halbjahr 2019 wurden in Deutschland 72.953 Erstanträge auf Asyl registriert. (© dpa)

85.000 Asylanträge im ersten Halbjahr 2019

Von Januar bis Juni hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) insgesamt 84.866 Asylanträge registriert – darunter 72.953 Erstanträge auf Asyl und 11.913 Folgeanträge. Das Externer Link: teilte das Bundesinnenministerium Anfang Juli mit. Damit ist die Interner Link: Zahl der in Deutschland insgesamt gestellten Asylanträge gegenüber dem Vorjahreszeitraum leicht um neun Prozent gesunken (Externer Link: Januar bis Juni 2018: 93.316 Asylanträge). Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geht angesichts dieser Entwicklung davon aus, dass in diesem Jahr die Interner Link: im Koalitionsvertrag festgelegte Obergrenze für die Asylzuwanderung von 180.000 bis 220.000 Personen jährlich Interner Link: wie bereits 2018 unterschritten wird. Die meisten Asylsuchenden kamen im ersten Halbjahr 2019 aus Interner Link: Syrien (20.566 Antragsteller), Interner Link: Irak (7.628) und Interner Link: Nigeria (7.050).

Insgesamt hat das BAMF in den ersten sechs Monaten des Jahres über die Asylanträge von 102.489 Personen Interner Link: entschieden. In 37.241 Fällen wurde ein Interner Link: Schutzstatus gewährt. Die Gesamtschutzquote belief sich folglich auf 36,3 Prozent und lag damit höher als im Vorjahreszeitraum (Externer Link: Januar bis Juni 2018: 31,7 Prozent). Die Zahl der Ende Juni noch nicht entschiedenen Interner Link: Asylverfahren belief sich auf 52.457 und verblieb somit in etwa auf dem Stand des Vorjahres (30. Juni 2018: 52.514 anhängige Verfahren).

Zuwanderung lässt Deutschlands Bevölkerung wachsen

Erstmals leben mehr als 83 Millionen Menschen in Deutschland. Das Bevölkerungswachstum ist dabei ausschließlich auf Zuwanderungsgewinne zurückzuführen. Das zeigen Externer Link: aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Demnach gab es im Jahr 2018 1.585.000 Zuzüge aus dem Ausland. Demgegenüber wurden im selben Zeitraum 1.185.000 Fortzüge ins Ausland registriert. Damit sind rund 400.000 Personen mehr nach Deutschland zugezogen als fortgezogen. Die meisten davon kamen aus der Europäischen Union (202.000 Personen), vor allem aus Rumänien (68.000), Kroatien (29.000) und Bulgarien (27.000). Niedriger fiel die Nettozuwanderung aus Asien (118.000 Personen), sonstigen europäischen Ländern (85.000) und Afrika (34.000) aus. Die Interner Link: Wanderungsgewinne führen dazu, dass Deutschlands Bevölkerung wächst, obwohl die Zahl der Sterbefälle die Zahl der Geburten übersteigt. Ohne Zuwanderung würde dieses sogenannte Geburtendefizit zu einer schrumpfenden Bevölkerung führen. Insgesamt lebten Ende 2018 Externer Link: 10,1 Millionen ausländische Staatsangehörige in Deutschland, was einem Anteil von 12,2 Prozent an der Gesamtbevölkerung entspricht.

In seiner jüngsten Bevölkerungsvorausberechnung Externer Link: geht das Statistische Bundesamt davon aus, dass die Bevölkerung Deutschlands noch bis 2024 wachsen wird, spätestens ab 2040 aber schrumpfe. Im Jahr 2060 werden demzufolge abhängig von der Entwicklung der Geburtenhäufigkeit, der Lebenserwartung und der Nettozuwanderung zwischen 74 und 83 Millionen Menschen in Deutschland leben. Trotz der in den vergangenen Jahren hohen Wanderungsgewinne und gestiegenen Geburtenzahlen steigt Prognosen zufolge der Altersdurchschnitt der Bevölkerung in Deutschland weiter an. Das hat zur Folge, dass sich die Zahl der in Deutschland lebenden Personen im erwerbsfähigen Alter (20-66 Jahre) bis zum Jahr 2035 voraussichtlich um vier bis sechs Millionen verringern wird. Ohne Zuwanderungsgewinne würde die Bevölkerung im Erwerbsalter bis dahin sogar um rund neun Millionen Personen schrumpfen. Demgegenüber werden zukünftig mehr Menschen im Rentenalter ab 67 Jahren in Deutschland leben. Diese Altersgruppe umfasst aktuell 15,9 Millionen Personen. 2039 werden wahrscheinlich mindestens 21 Millionen Personen in Deutschland 67 Jahre und älter sein. Die hohe Lebenserwartung führt dazu, dass vor allem die Zahl der Menschen im Alter ab 80 Jahren steigt – von aktuell 5,4 Millionen auf 8,9 bis 10,5 Millionen im Jahr 2050.

Eurobarometer: Einwanderung als größtes Problem der EU

EU-Bürger sehen die Einwanderung als das größte Problem der EU. Das zeigen die ersten Ergebnisse der Externer Link: Frühjahrsausgabe der Eurobarometer-Umfrage. Demnach meinen 34 Prozent der Befragten, dass Einwanderung das wichtigste Problem auf EU-Ebene sei. Diese Einschätzung wurde vor allem in Malta (63 Prozent), Tschechien, Estland und Slowenien (jeweils 53 Prozent) geäußert. In Deutschland teilen 37 Prozent der Befragten diese Auffassung. Dabei ist der Anteil derjenigen, die Einwanderung als dringlichstes Problem sehen, dem die EU aktuell gegenübersteht, seit 2015 im europäischen Durchschnitt deutlich rückläufig. Damals betrachteten 58 Prozent der im Rahmen des Eurobarometers europaweit befragten Personen Einwanderung als das größte Problem auf europäischer Ebene. Auf nationaler Ebene hingegen wird Einwanderung erstmals seit dem Frühjahr 2014 nicht mehr als eine der drei dringlichsten Sorgen genannt. Nur 17 Prozent der Befragten waren in der aktuellen Umfrage der Meinung, dass Einwanderung das größte Problem darstelle, dem ihr eigenes Land gegenwärtig gegenübersteht. Demgegenüber haben vor allem Umwelt-, Klima- und Energiefragen bei den Befragten auf nationaler und europäischer Ebene an Bedeutung gewonnen. 22 Prozent der Europäer betrachten den Klimawandel als dringlichstes Problem der EU (2015: sechs Prozent). Damit landet er auf Platz zwei der Liste der größten Sorgen auf EU-Ebene.

Insgesamt hat das Vertrauen in die EU zugenommen. Viele Befragte haben mehr Vertrauen in die Europäische Union (44 Prozent) als in die jeweilige nationale Regierung und das nationale Parlament (jeweils 34 Prozent). Insgesamt gaben 45 Prozent der Befragten an, ein positives Bild der EU zu haben – so viele wie zuletzt im Herbst 2009, als 48 Prozent der Befragten der EU ein positives Bild attestierten. Zudem war erstmals mehr als die Hälfte der Befragten (65 Prozent) der Meinung, dass ihre Stimme in der EU zähle. Der freie Verkehr von Personen, Gütern und Dienstleistungen wird als beste Errungenschaft der EU betrachtet (60 Prozent Zustimmung), gefolgt von Frieden zwischen den Mitgliedstaaten (54 Prozent).

Die Eurobarometer-Umfragen existieren seit 1974. Für das aktuelle Standard-Eurobarometer wurden zwischen 7. Juni und 1. Juli 27.464 Personen ab 15 Jahren befragt, die in einem der 28 EU-Mitgliedstaaten ihren Wohnsitz haben. Hinzu kamen weitere 32.524 Befragte aus den fünf Ländern, mit denen Beitrittsverhandlungen aufgenommen wurden oder die sich auf eine Mitgliedschaft beworben haben (Türkei, Nordmazedonien, Montenegro, Serbien, Albanien), sowie der türkisch-zyprischen Gemeinschaft.

Kein Durchbruch im Streit um Verteilung von Flüchtlingen

Die EU-Mitgliedstaaten konnten sich im Juli nicht auf einen gemeinsamen Plan zur Verteilung von Interner Link: aus Seenot geretteten Geflüchteten einigen. Deutschland und Frankreich hatten dazu Mitte Juli einen Kompromissvorschlag vorgelegt, mit dem sie verhindern wollen, dass Rettungsschiffe weiterhin lange vor europäischen Häfen auf eine Einlaufgenehmigung warten müssen. Er sieht vor, dass Malta und Italien ihre Häfen für Schiffe mit geretteten Menschen an Bord öffnen und diese dann zeitlich befristet auf andere EU-Mitgliedstaaten verteilt werden. Die Teilnahme an der von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) so genannten "Koalition der Hilfsbereiten" soll dabei auf freiwilliger Basis erfolgen. Auf einem Treffen der EU-Innenminister in Helsinki erteilten jedoch sowohl Italien als auch Malta diesen Plänen eine Absage. Sie wollen nicht weiter die Hauptverantwortung für die aus Seenot geretteten Menschen übernehmen. Stattdessen befürworten sie Einrichtungen in benachbarten Staaten der Herkunftsländer von Migranten, in denen ihre Identität geprüft werden soll. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zeigte sich dennoch optimistisch, dass bis zu einem weiteren Sondergipfel Anfang September auf Malta ein Kompromiss gefunden werden könne.

Nach Angaben von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (La République en Marche) stimmten bei einem Treffen von EU-Vertretern in Paris 14 EU-Staaten dem deutsch-französischen Umverteilungsvorschlag "im Prinzip" zu. Neben Deutschland hätten bereits weitere sieben EU-Staaten ihre "aktive" Beteiligung an der Aufnahme von aus Seenot geretteten Geflüchteten zugesagt. Seit Sommer 2018 dürfen Schiffe, die aus Seenot gerettete Menschen an Bord haben, zumeist nur noch dann in einen italienischen oder maltesischen Hafen einlaufen, wenn andere EU-Staaten sich bereiterklären, die Geretteten aufzunehmen. Nicht nur private Hilfsorganisationen sind davon betroffen. Im Juli untersagte Italiens Innenminister Matteo Salvini (Lega) auch dem Schiff "Gregoretti" der italienischen Küstenwache mit 130 geretteten Menschen an Bord, in Italien anzulanden. Erst als sich fünf EU-Staaten bereiterklärten, einen Großteil der Geretteten aufzunehmen, erteilte er den Menschen die Erlaubnis, das Schiff zu verlassen.

Fussnoten

Vera Hanewinkel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail: E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de