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Migrationspolitik – August 2019 | Migrationspolitik – Monatsrückblick | bpb.de

Migrationspolitik – August 2019

Vera Hanewinkel

/ 8 Minuten zu lesen

Was ist in der Migrations- und Asylpolitik im letzten Monat passiert? Wie haben sich die Flucht- und Asylzahlen entwickelt? Wir blicken zurück auf die Situation in Deutschland und Europa.

Rohingya-Flüchtlinge im Nyapara-Flüchtlingslager in Cox’s Bazar in Bangladesch. (© picture-alliance/AP, AP Photo)

Rund 45 Prozent der türkischen Asylantragstellenden erhalten Schutz in Deutschland

Die Gesamtschutzquote für türkische Staatsangehörige, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, belief sich in den ersten acht Monaten des Jahres auf 44,8 Prozent. Das geht aus einem Externer Link: Bericht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hervor. Demnach entschied die Behörde zwischen Januar und August 2019 insgesamt über 6.896 Asylanträge türkischer Staatsangehöriger. In 3.092 Fällen wurde ein Interner Link: Schutzstatus vergeben: 3.038 türkische Asylantragstellende erhielten den Interner Link: Flüchtlingsstatus oder eine Interner Link: Asylberechtigung, 30 Personen wurde Interner Link: subsidiärer Schutz gewährt und in 24 weiteren Fällen ein Abschiebungsverbot erteilt. Im Vergleich der zehn Hauptherkunftsländer von Asylantragsstellenden verzeichneten nur Asylsuchende aus Syrien (Gesamtschutzquote: 83,9 Prozent), Eritrea (72,8 Prozent) und Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit (53,1 Prozent) höhere Gesamtschutzquoten. Auch bei der absoluten Zahl der gestellten Erstanträge auf Asyl lag das Herkunftsland Türkei in den ersten acht Monaten des Jahres auf Platz vier der Hauptherkunftsländer – hinter Interner Link: Syrien, Interner Link: Irak und Interner Link: Nigeria.

Im Externer Link: August registrierte das BAMF 1.251 Asylanträge türkischer Staatsangehöriger. Mehr Erstanträge auf Asyl stellten in diesem Monat nur Personen aus Syrien (2.799). Insgesamt zählte das BAMF im August 11.076 Erstanträge auf Asyl und 1.696 Folgeanträge. Interner Link: Die Behörde entschied über die Asylverfahren von 15.040 Personen und gewährte dabei 5.670 von ihnen einen Schutzstatus. Die Gesamtschutzquote belief sich somit im August auf 37,7 Prozent und lag damit leicht über dem Durchschnitt der ersten acht Monate des Berichtsjahres (Gesamtschutzquote im Zeitraum Januar bis August 2019: 37,3 Prozent).

Bildungsstand von Asylsuchenden steigt

Der Anteil der Asylsuchenden, die in ihrem Herkunftsland ein Gymnasium oder eine Hochschule besucht haben, ist 2018 gegenüber den Vorjahren gestiegen. Darauf weist das BAMF in einem Externer Link: Bericht zu Potenzialen von Asylantragstellenden hin. Er beruht auf im Asyljverfahren eingeholten Selbstauskünften von 65.762 volljährigen Personen, die im Jahr 2018 erstmals einen Antrag auf Asyl in Deutschland gestellt haben. Davon gaben 22,9 Prozent an, als höchste besuchte Bildungseinrichtung eine Hochschule besucht zu haben, 20,3 Prozent ein Gymnasium. Der Anteil derjenigen, die laut Selbstauskunft entweder auf einem Gymnasium oder einer Hochschule gewesen waren, belief sich damit auf insgesamt 43,2 Prozent – ein Wert, der über dem der drei Vorjahre liegt (2017: 36,4 Prozent; 2016: 37 Prozent; 2015: 40,1 Prozent).

Unter Asylsuchenden aus den zehn Hauptherkunftsländern wiesen Asylantragstellende aus dem Iran (87 Prozent) und der Türkei (73,8 Prozent) den höchsten Anteil an Personen mit Hochschul- oder Gymnasialbildung auf. Auch unter Asylerstantragstellenden aus Georgien (43,7 Prozent) und Syrien (38,8 Prozent) gab es einen vergleichsweise hohen Anteil an Personen, die angaben, ein Gymnasium oder eine Hochschule besucht zu haben. Deutlich seltener gaben dies hingegen Erstantragstellende aus Afghanistan (30,9 Prozent), Irak (28 Prozent), Eritrea (22,3 Prozent), Nigeria (20,7 Prozent), Guinea (18,6 Prozent) und Somalia (11 Prozent) an.

Mit Blick auf Erstantragstellende aus Syrien – seit 2014 Hauptherkunftsland von Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag stellen – fällt auf, dass der Anteil an besser gebildeten Personen seit 2015 deutlich gesunken ist: Damals hatten rund 54 Prozent der volljährigen Erstantragstellenden als höchste besuchte Bildungseinrichtung eine Hochschule oder ein Gymnasium angegeben. Im gleichen Zeitraum ist der Anteil weiblicher Asylantragstellender aus Syrien deutlich gestiegen – von 21,2 Prozent im Jahr 2015 auf 58,1 Prozent 2018. Der Vergleich des Bildungsstands von männlichen und weiblichen Asylantragstellenden aus allen zehn Hauptherkunftsländern zeigt, dass Frauen (23,6 Prozent) zwar häufiger über eine Hochschulbildung verfügen als Männer (22,4 Prozent) und etwa genauso häufig (19,2 Prozent) ein Gymnasium besucht haben wie männliche Asylbewerber (20,9 Prozent), dafür aber seltener eine Mittel- oder Grundschule besucht haben und etwa doppelt so häufig (14,2 Prozent) wie Männer (7,6 Prozent) keine formelle Schulbildung besitzen.

Abbildung 1: Höchste besuchte Bildungseinrichtung der volljährigen Asylerstantragstellenden aus allen und den zehn Hauptherkunftsländern im Jahr 2018 (in Prozent) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Die Grafik als Interner Link: PDF-Download (34 KB).

Jede vierte in Deutschland lebende Person hat einen Migrationshintergrund

20,8 Millionen Menschen in Deutschland haben einen Interner Link: Migrationshintergrund und damit jede vierte im Land lebende Person (25,5 Prozent der Gesamtbevölkerung). Das Externer Link: teilte das Statistische Bundesamt im August mit und berief sich dabei auf die Ergebnisse des Mikrozensus 2018. Ein Migrationshintergrund wird einer Person dann Externer Link: zugeschrieben, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. Die Zahl der Menschen, die in Interner Link: Deutschland leben und auf die diese Definition zutrifft, ist gegenüber dem Vorjahr um 2,5 Prozent gestiegen (2017: 20,3 Millionen). Mehr als die Hälfte der Personen mit Migrationshintergrund sind Interner Link: deutsche Staatsangehörige (52 Prozent). 48 Prozent haben hingegen eine ausländische Staatsangehörigkeit.

Insgesamt sind von den 20,8 Millionen in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund 13,5 Millionen nicht in Deutschland geboren worden, sondern im Laufe ihres Lebens aus dem Ausland zugewandert. Als wichtigstes Migrationsmotiv nannten sie familiäre Gründe (48 Prozent), gefolgt von Erwerbstätigkeit (19 Prozent), Flucht (15 Prozent) sowie Studium, Aus- oder Weiterbildung (5 Prozent). Während der überwiegende Teil der aus familiären Gründen (72 Prozent) oder zwecks Aufnahme einer Beschäftigung (85 Prozent) Zugewanderten aus Europa stammt, kommen Geflüchtete hauptsächlich aus dem Nahen Osten. Diejenigen, die zu Bildungszwecken zugewandert sind, kommen zu 40 Prozent aus Europa und zu 38 Prozent aus einem asiatischen Land. Beim Interner Link: Mikrozensus handelt es sich um eine Stichprobenerhebung, bei der jährlich rund ein Prozent der Bevölkerung Deutschlands befragt wird. Die Ergebnisse werden anschließend auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet.

Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts in Kraft getreten

Am 9. August ist eine Externer Link: Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts in Kraft getreten, welcher der Bundestag im Juni zugestimmt hatte. Demnach kann Deutschen, die sich im Ausland terroristischen Vereinigungen anschließen, in Zukunft die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden, wenn sie neben dieser noch über die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes verfügen. Zudem kann zukünftig auch noch zehn Jahre nach einer Einbürgerung Menschen der deutsche Pass wieder entzogen werden, wenn sich herausstellt, dass sie bei der Einbürgerung falsche Angaben gemacht haben. Zuvor belief sich die Frist zum Entzug der Staatsangehörigkeit auf fünf Jahre. Bei der Einbürgerung kann darüber hinaus zukünftig die "Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse" verlangt werden. Dadurch soll es vor allem möglich sein, Menschen, die in einer Vielehe leben, die deutsche Staatsangehörigkeit zu verwehren.

Deutschland – beliebtes Zielland ausländischer Studierender und Akademiker

Die Zahl ausländischer Studierender und Akademiker in Deutschland steigt. Das geht aus einem Externer Link: Bericht des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und Externer Link: Analysen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Dem DAAD-Bericht zufolge waren im Jahr 2016 weltweit rund 5,1 Millionen Studierende in einer Universität außerhalb ihres Herkunftslandes eingeschrieben (Externer Link: zum Vergleich: 1975: 0,8 Millionen), die meisten davon in den USA (971.000), gefolgt vom Vereinigten Königreich (432.000), Australien (336.000), Deutschland (252.000) und Frankreich (245.000). Deutschland ist damit inzwischen weltweit das beliebteste nicht-englischsprachige Zielland Interner Link: internationaler Studierender. Die Zahl der internationalen Studierenden ist hier seit 2008 (177.852) deutlich gestiegen. Zu den wichtigsten Herkunftsländern zählen dabei China, Indien und Russland. Gleichzeitig ist es auch für deutsche Studierende attraktiv, eine Universität im Ausland zu besuchen. Weltweit war Deutschland 2016 hinter China (865.337) und Indien (301.406) das drittwichtigste Herkunftsland (144.900) von Personen, die eine Universität außerhalb ihres Herkunftslandes besuchten.

Neben der zunehmenden Zahl internationaler Studierender gibt es in Deutschland auch immer mehr im Ausland geborene Personen mit Hochschulabschluss. Externer Link: Zählte das Statistische Bundesamt im Jahr 2007 in dieser Gruppe noch 1,16 Millionen Personen, so waren es 2017 bereits 2,32 Millionen. Der Anteil der im Ausland geborenen Personen an allen Akademikern in Deutschland ist im gleichen Zeitraum von 13,6 Prozent (2007) auf 18,7 Prozent (2017) gestiegen. Die meisten der im Ausland geborenen Akademiker kommen aus Polen (235.000), Russland (225.000) und Rumänien (118.000). Insgesamt stammten 2017 906.000 Akademiker in Deutschland aus einem anderen EU-Mitgliedsland.

Seenotrettung: Viele Menschen – keine Häfen

Im August warteten Schiffe mehrerer privater Organisationen, die auf dem Mittelmeer in Seenot geratene Menschen gerettet hatten, lange vergeblich auf die Erlaubnis, in einen europäischen Hafen einlaufen zu dürfen.

Das Rettungsschiff "Open Arms" der spanischen Hilfsorganisation Proactiva Open Arms musste fast drei Wochen auf die Erlaubnis warten, im Hafen der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa vor Anker gehen zu dürfen. Mehrere EU-Staaten hatten sich bereiterklärt, die sich an Bord befindenden geretteten Menschen aufzunehmen. Dennoch verweigerte die italienische Regierung dem Schiff die Einfahrt in einen Hafen. Eine Anlandeerlaubnis für die Balearen hatte die Crew mit dem Hinweis auf die bereits prekäre Situation an Bord und die dadurch nicht zumutbare mehrtägige Fahrt nach Spanien abgelehnt. Schließlich ordnete die sizilianische Staatsanwaltschaft die Anlandung auf Lampedusa an, nachdem zuvor mehrere Personen ins Meer gesprungen waren, um die Insel schwimmend zu erreichen. Die 83 noch an Bord verbliebenen Migrantinnen und Migranten durften das Schiff verlassen, das daraufhin von den italienischen Behörden beschlagnahmt wurde. Zwischenzeitlich hatte die "Open Arms" 160 vor der libyschen Küste aus Seenot gerettete Menschen an Bord, von denen einige aufgrund ihres prekären Gesundheitszustands bereits früher nach Malta und Italien gebracht werden durften.

Das Rettungsschiff "Ocean Viking" der Hilfsorganisationen SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen, das unter norwegischer Flagge fährt, musste im August mit mehr als 350 Menschen an Bord zwei Wochen auf dem Mittelmeer ausharren, bis es in einen maltesischen Hafen einlaufen durfte. Auch in diesem Fall hatte sich Italien geweigert, dem Schiff eine Anlandeerlaubnis zu erteilen. Vor Malta wartete Anfang September auch noch das Rettungsschiff "Alan Kurdi" von der deutschen Hilfsorganisation Externer Link: Sea-Eye auf eine Anlandeerlaubnis.

Derweil beschlagnahmten die italienischen Behörden das Schiff "Mare Jonio" der italienischen Hilfsorganisation Mediterranea Saving Humans. Die Crew erhielt einen Bußgeldbescheid in Höhe von 300.000 Euro, weil sie gegen das sogenannte Sicherheitsdekret verstoßen habe. Dieses sieht hohe Strafen für Rettungsschiffe vor, die ohne Erlaubnis in italienische Hoheitsgewässer einfahren. Nach Angaben der betreibenden Hilfsorganisation hatte das Schiff allerdings eine Genehmigung erhalten, in italienische Gewässer einzufahren. Auch der Kapitän des Rettungsschiffs "Eleonore" des Dresdener Vereins Mission Lifeline soll 300.000 Euro Strafe zahlen. Er war trotz eines Verbots mit rund 100 Geretteten an Bord in einen sizilianischen Hafen eingelaufen, nachdem er infolge eines schweren Gewitters den Notstand ausgerufen hatte. Das Schiff wurde daraufhin beschlagnahmt.

Rohingya-Flüchtlinge sollen nach Myanmar zurückkehren

Myanmar und Bangladesch haben sich auf einen zweiten Anlauf geeinigt, um nach Bangladesch geflüchtete Rohingya zu einer Rückkehr nach Myanmar zu bewegen. Sie haben dazu eine Liste mit mehr als 3.000 Namen von Personen aufgestellt, die zu einer freiwilligen Rückkehr aufgefordert werden sollen. Im Interner Link: Sommer 2017 waren mehr als 700.000 Rohingya im Rahmen einer "Räumungsoperation" von Myanmars Militär, bei der es zu Massentötungen und Gruppenvergewaltigungen kam, ins benachbarte Bangladesch vertrieben worden. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hatte daraufhin eine Externer Link: unabhängige Mission eingerichtet, um die Vorfälle in Interner Link: Myanmar zu untersuchen. Der Externer Link: Abschlussbericht erhebt den Vorwurf einer "genozidalen Absicht" und wirft Myanmars Armee Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

Seit ihrer Flucht leben die Rohingya unter prekären Umständen in Bangladesch. Ende August 2019 waren laut Externer Link: Weltgesundheitsorganisation dort 911.566 Rohingya als Flüchtlinge registriert. Die meisten davon lebten im Distrikt Cox's Bazar, der damit die größte Flüchtlingsansiedlung der Welt beherbergt. Ob sich Rohingya wirklich überzeugen lassen, freiwillig nach Myanmar zurückzukehren, ist fraglich. Ein ähnlicher Anlauf der Regierungen von Bangladesch und Myanmar zur Rückführung von Flüchtlingen war im November 2018 gescheitert. Die entsprechende Ankündigung hatte in den Flüchtlingslagern zu Massenpaniken geführt und Rohingya waren aus Angst in die Wälder geflohen. Viele Flüchtlinge wollen erst nach Myanmar zurückkehren, wenn ihnen dort die Staatsbürgerschaft gewährt wird. Die muslimischen Rohingya werden von Myanmar seit einer Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts 1982 nicht als Staatsbürger anerkannt und sind Ziel staatlicher Repressionen.

Fussnoten

Vera Hanewinkel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail: E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de