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Integrationspolitik und Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit

Maria Nozhenko

/ 3 Minuten zu lesen

Trotz seiner signifikanten Einwanderungsbevölkerung mangelt es Russland an einer kohärenten Integrationspolitik. Unter anderem liegt das daran, dass die Immigranten mehrheitlich aus den ehemaligen Sowjetrepubliken kommen. Gewöhnlich sprechen sie Russisch und sind mit der Geschichte und Kultur Russlands vertraut. Folglich sahen die Politiker keinerlei Notwendigkeit, die Migranten bei ihrer Eingliederung zu unterstützen.

In begrenztem Maße wird ethnischen Russen bei der Rücksiedlung staatliche Hilfe im Rahmen des Föderalen Migrationsprogramms gewährt. Der Betrag ist allerdings so gering, dass viele Immigranten darauf verzichten, ihn zu beantragen. Die größten Schwierigkeiten bereiten den Neuankömmlingen die Wohnraum- und Arbeitsplatzbeschaffung.

In den letzten 10 Jahren hat die Fremdenfeindlichkeit in der russischen Gesellschaft kontinuierlich zugenommen. Dies liegt vornehmlich am Tschetschenienkrieg und an den terroristischen Anschlägen in Moskau, Volgodonsk, Buinaksk und Beslan in der Zeit zwischen 1999 und 2004. Viele Russen fürchten, dass unter den Migranten aus dem Kaukasus und den islamischen Ländern potentielle Terroristen sein könnten. Eine weitere Ursache für die wachsende Fremdenfeindlichkeit sind die Umtriebe radikaler Nationalisten. Der Zerfall der UdSSR und der Verlust der Großmachtstellung leistete dem Gefühl der kollektiven Ohnmacht Vorschub. Die Idee eines "Großen Russlands" ist ein Fundament für Fremdenhass in der ultranationalistischen Ideologie und findet seinen Ausdruck im Slogan "Russland den Russen". Die Aktionen rechtsradikaler und Neo-Nazi-Organisationen sind offiziell illegal; aber Behörden ignorieren öffentliche Auftritte und Übergriffe gegen Nicht-Russen, die auch "gebürtige Russen" nicht-slawischen Aussehens mit einschließen. Übergriffe – bisweilen mit tödlichem Ausgang – sind relativ normal. Menschenrechtsgruppen zeigen sich besorgt darüber, und das Thema wurde in der Öffentlichkeit und in politischen Kreisen diskutiert. Im Jahr 2000 beschloss die Regierung ein Programm mit dem Titel Ziele für Toleranz und vorbeugende Maßnahmen gegen Extremismus in der russischen Gesellschaft (Toleranzprogramm). Ungeachtet der Überschrift enthält das Programm keine wirksamen Präventivmittel gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit. Es beschränkt sich auf die Feststellung der Notwendigkeit einer Erziehung zur Toleranz für die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen. Heute sind eine Reihe föderaler und regionaler Toleranzerziehungsprogramme verwirklicht, aber dies reicht nicht aus, das Problem der Fremdenfeindlichkeit im heutigen Russland zu lösen. Das Programm zur Toleranzerziehung in St. Petersburg hat beispielsweise zum Ziel, die kulturelle Vielfalt der Stadtbevölkerung durch zahlreiche kulturelle Veranstaltungen darzustellen, ist jedoch ungeeignet, Angriffe auf Ausländer zu verhindern.

Aktuell stehen in Russland immer noch wirksame Maßnahmen aus, die einen von Toleranz geprägten Umgang mit Migranten ermöglichen. Laut einer nationalen Umfrage hatten nur 12% der Befragten den Einwanderern gegenüber eine positive Einstellung, während ihnen 22% negativ oder sehr negativ gegenüber standen. Diese Haltung lässt sich nicht nur mit den Aktivitäten radikalnationalistischer oder neonazistischer Gruppierungen erklären. Auch viele russische Politiker haben sich in ihren Programmen einer Anti-Migrationsrhetorik bedient. Die Feindseligkeit gegenüber Migranten ist auch auf die Überzeugung zurückzuführen, dass Migranten schuld an diversen sozialen Problemen seien: So glaubt beispielsweise fast die Hälfte der Einwohner großer Städte in Russland, dass Migranten Krankheiten verbreiten und in kriminelle Handlungen verwickelt sind.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Flynn M. (2003).

  2. De Tinguy, A. (2003).

  3. Beispielsweise wurde der russische, aus Jakutien stammende Schachspieler Sergey Nikolaev 2007 in Moskau von Neonazis ermordet. Die Mörder wurden nur deshalb eines rassistischen Verbrechens für schuldig befunden und zu Gefängnisstrafen zwischen 3 und 10 Jahren verurteilt, weil sich russische und internationale Menschenrechtsorganisationen dafür eingesetzt hatten.

  4. Vgl.: The National Human Development Report (2008), S. 102.

  5. Ibid. S. 104.

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