Afrikas steiniger Weg in die Unabhängigkeit
17 afrikanische Staaten feiern in diesem Jahre 50 Jahre Unabhängigkeit. Aber die Freiheit brachte auch viele Schwierigkeiten mit sich. Einige Länder kämpfen noch immer mit den Folgen der Kolonialzeit.
"Wir ziehen die Armut in Freiheit dem Reichtum in Sklaverei vor." Guineas Präsident Ahmed Sékou Touré hatte schon 1958 eine klare Meinung zur französischen Kolonialherrschaft. Er wollte die Unabhängigkeit von der so genannten "Communauté Française", der Gemeinschaft Frankreichs mit den überseeischen französischen Kolonialgebieten. In einem Referendum konnten die west- und zentralafrikanischen Kolonien 1958 über ihren weiteren Verbleib in dieser Gemeinschaft abstimmen. In elf Ländern der 12 afrikanischen Mitgliedsstaaten stimmte die Bevölkerung gegen die Unabhängigkeit. Man erhoffte sich von der Nähe zu Frankreich wirtschaftliche Vorteile. Denn die Mitgliedschaft in der "Communauté" umfasste eine ganze Reihe an Hilfs- und Kooperationsverträgen für die Kolonien. Und Frankreichs Ministerpräsident General Charles de Gaulle stellte den Mitgliedsländern in Aussicht, die Unabhängigkeit im Rahmen dieser Gemeinschaft später zu erlangen. Nur in Guinea sprach das Ergebnis des Referendums eindeutig gegen Frankreich und für die sofortige Unabhängigkeit.
Frankreich reagierte hart: alle französischen Hilfen wurden sofort eingestellt. Die Kolonialmacht rief Ärzte und Lehrer umgehend in die Heimat zurück und zog medizinisches Material, Unterrichtsutensilien und andere Hilfsgüter ab. Verwaltungsgebäude und Armeebaracken wurden zerstört.
Auch wenn die neue Unabhängigkeit für Guinea zunächst schmerzhaft verlief - Guineas Präsident Sékou Touré wurde zum Helden der Anti-Kolonialisten. Immer wieder forderte er die Mitglieder der franco-afrikanischen Gemeinschaft auf, auch die Unabhängigkeit von Frankreich zu verlangen. Der Funke sprang über: 1960 folgten die elf verbleibenden Mitglieder der Communauté Guinea in die Freiheit. Im selben Jahr erlangten auch Kamerun und Togo die Unabhängigkeit. Beide Länder gehörten nicht zur Communauté, standen aber als UN-Treuhandgebiet unter französischer Verwaltung.
Von der französischen Kolonie zur Françafrique
Die große Unabhängigkeitswelle 1960 verlief komplett anders als Guineas Lossagung von der Grande Nation zwei Jahre zuvor. Viele der neuen afrikanischen Führer arrangierten sich mit Frankreich und trafen etliche Abkommen mit der ehemaligen Kolonialmacht. Léopold Sédar Senghor im Sénégal, Félix Houphouët-Boigny in der Elfenbeinküste oder Léon M´Ba in Gabun fühlten sich Frankreich traditionell eng verbunden und wollten auch jetzt die Nabelschnur zum kolonialen Mutterland nicht vollständig durchtrennen. Senghor hatte in Frankreich studiert; Houphouët-Boigny hatte 15 Jahre in der kolonialen medizinischen Versorgung gearbeitet und anschließend in verschiedenen Regierungen in Frankreich gedient. M´Ba war in französischen Missionsschulen erzogen worden und hatte dann als Beamter für die Kolonialbehörden im Dienst Frankreichs gestanden. Eine besonders enge Beziehung pflegte Frankreich auch zu M´Bas Nachfolger Omar Bongo. 1967 hatte ihn General de Gaulle bei der Präsidentenwahl protegiert. Im Gegenzug hatte Frankreich während Bongos 40-jähriger Amtszeit Vortritt, wenn es um die Verteilung der reichen Ölressourcen in Gabun ging.
Bis heute bestehen diese oft fragwürdigen Allianzen zwischen Frankreich und seinen ehemaligen Kolonien fort. Oft geraten sie unter dem Schlagwort "Françafrique" in die Kritik. Noch immer hat Frankreich Armeen in Afrika stationiert, noch immer garantiert die Französische Zentralbank die Konvertibilität des Franc CFA, der Währung der meisten französischen Ex-Kolonien. Das heißt, Frankreich muss Reserven als Zahlungsgarantie für die FCFA-Länder bereithalten. Von der Wirtschaft über Verwaltungsstrukturen bis zum Schulsystem - der französische Einfluss ist in den ehemaligen Kolonien überall präsent.
Belgien verlässt die Demokratische Republik Kongo
Während der großen Unabhängigkeitswelle 1960 entließ nicht nur Frankreich seine afrikanischen Kolonien in die Freiheit. Mit der Demokratischen Republik Kongo wurde eines der größten Länder Afrikas von Belgien unabhängig.
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Unabhängigkeit 1960: Die Staaten im Überblick
Der Kongo hat wohl die brutalste Kolonialherrschaft in Afrika hinter sich. Auch der Übergang in die Unabhängigkeit verlief alles andere als sanft: Belgien musste den Kongo in die Freiheit entlassen; der öffentliche Druck war zu groß, die antikolonialen Bewegungen zu stark. Kurz vor dem Unabhängigkeitstag wurde Patrice Lumumba, ein glühender Anhänger des Panafrikanismus, zum Premierminister des Kongo gewählt. Schon bei der Unabhängigkeitsfeier am 30. Juni 1960 trat der Konflikt zwischen dem Kongolesen und dem belgischen König Baudouin offen zutage. Während Baudouin die angeblichen Errungenschaften unter belgischer Herrschaft lobte, kritisierte Lumumba mit scharfen Worten die Unterdrückung und die Ausbeutung durch die Belgier.
Seine klare Haltung gegen die Belgier kostete Lumumba das Leben: Noch im selben Jahr stürzte ihn der spätere Diktator Joseph Mobutu mit Hilfe des CIA. Lumumba wurde erst in der kongolesischen Hauptstadt Léopoldville ins Gefängnis gesperrt und dann im Januar 1961 von belgischen Offizieren in die abtrünnige Provinz Katanga gebracht. Dort wurde Lumumba ermordet. Patrice Lumumba gilt bis heute als eine Symbolfigur für den afrikanischen Unabhängigkeitskampf. Sein Tod konnte nie endgültig aufgeklärt werden. Eine belgische Untersuchungskommission stellte allerdings 2001 eindeutig fest, dass belgische Offiziere, Polizisten und Funktionäre in den Mord an Lumumba verstrickt waren. Belgien entschuldigte sich beim kongolesischen Staat, juristische Konsequenzen hatte die Untersuchung bisher nicht.
Die Ermordung Lumumbas war der Höhepunkt in dem Chaos, das der Unabhängigkeitserklärung im Juni 1960 gefolgt war: die bürgerkriegsartigen "Kongo-Wirren" erschütterten das riesige Land. Zwei Regionen, Katanga und Kasai, versuchten sich abzuspalten, UN-Blauhelme mussten eingreifen und im Osten des Landes kam es zu einer Rebellion. Als die Belgier den Kongo schließlich ganz verließen, blieb das Chaos im Land zurück. Bis heute hat sich der Kongo nicht davon erholt. Trotz reicher Bodenschätze versinkt der zentralafrikanische Staat in blutigen Rebellen-Kriegen, Misswirtschaft und Korruption.