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Panama baut am Kanal – und an seiner Zukunft

Jürg Roggenbauch

/ 6 Minuten zu lesen

Es ist das größte Bauvorhaben in der Geschichte Panamas. Für vier Milliarden Euro wird die 80-Kilometer-lange Wasserstraße, die den Atlantik mit dem Pazifik verbindet, ausgebaut. Das Projekt ist mit erheblichen Risiken verbunden – vor allem für die Wirtschaft des kleinen Staates.

Charles Lindbergh fliegt im März 1928 entlang des Panamakanals. (© AP)

Das Schicksal des zentralamerikanischen Staates ist unzertrennlich verbunden mit dem Kanal zwischen Atlantik und Pazifik. Die 80-Kilometer-lange Wasserstraße wird seit Sommer 2007 für mehr als vier Milliarden Euro ausgebaut. Panama soll mit dem größten und teuersten Projekt in seiner 104-jährigen Geschichte von einem Entwicklungsland zu einem Staat der Ersten Welt werden. So die Hoffnung der Regierung in Panama-Stadt.

Die Urnengänger unter den drei Millionen Panamaern sagten Ende Oktober 2006 deutlich "Ja" zum umfassenden Ausbau der wirtschaftlichen Lebensader ihres Landes. Bis 2014 wird der Panamakanal nun von zwei auf drei Durchfahrtsstraßen erweitert. Zudem werden künftig auch die größten Schiffe der Welt die berühmte interozeanische Wasserstraße am Nabel zwischen Zentral- und Südamerika durchfahren können. Die bestehenden Schleusen des Panamakanals sind zu klein für sie, die künftigen werden groß genug für Supertanker sein.

Rund um die Uhr geöffnet

Durchschnittlich 14.000 Schiffe oder etwa sechs Prozent des Welthandels durchqueren jedes Jahr den Kanal. Die Durchfahrt durch die schmalste Stelle des amerikanischen Kontinents dauert ungefähr zwölf Stunden. Im Durchschnitt bezahlen die Reedereien etwa 40.000 Euro für die Passage, je nach Art und Größe des Schiffs. Drei Schleusen heben die Frachter und andere Schiffe auf der karibischen Seite auf eine Höhe von 26 Metern über Meer, von wo aus sie den künstlich aufgestauten Gatun-See durchqueren und auf der pazifischen Seite neuerlich über drei Schleusen zurück auf Meereshöhe gelangen. In umgekehrter Richtung funktioniert das natürlich genau gleich. Mehr als 8.000 Angestellte halten den Betrieb des Panamakanals 24 Stunden täglich und 365 Tage im Jahr aufrecht. Derzeit können zwei Schiffe der so genannten Panamax-Klasse den Kanal im Gegenverkehr gleichzeitig durchqueren. Panamax-Klasse, das heißt rund 300 Meter Länge, gut 30 Meter Breite und bis zu zwölf Meter Tiefgang.

Viele der modernsten Schiffe auf den Weltmeeren, die so genannten Post-Panamax-Frachter, sind allerdings bis zu 348 Meter lang, mehr als 35 Meter breit und haben einen Tiefgang von 15 Metern und mehr. Deshalb die kostspieligen und aufwändigen Ausbauarbeiten, die den Kanal den Bedürfnissen des internationalen Transports im 21. Jahrhundert anpassen sollen. Das Projekt umfasst je eine große, dreistufige Schleuse an beiden Enden der Wasserstraße. Auch werden die bestehenden Schleusen verbreitert und verlängert. Zudem müssen die Einfahrten an beiden Enden des Kanals sowie der künstliche See zusätzlich ausgebaggert werden.

Einwände gegen das gigantische Projekt gab es während der mehrjährigen Planungsphase vor allem von Umweltschützern. Diese befürchteten die Überflutung von Land in unmittelbarer Nähe des Kanals, zumal eine zusätzliche Durchfahrtsstraße auf dem Gatun-See verwirklicht wird. Nach ersten Plänen hätte dies zum Verlust von Flora, Fauna und Ackerland sowie zur Umsiedlung von einigen Tausend Bauern geführt. Das definitive Projekt, das nun umgesetzt wird, nimmt aber weitgehend Rücksicht auf die Bedenken. Indem der künstliche Gatun-See, auf dem die Schiffe Panama durchqueren, zusätzlich ausgebaggert wird, kann er künftig auch in Ufernähe befahrbar sein. Eine Ausdehnung des Gewässers ist deshalb kaum nötig.

Der Süßwasserverlust war ebenfalls Anlass hitziger Diskussionen rund um das Projekt zum Ausbau des Kanals. Mit jeder Schleusenöffnung gehen mehrere Millionen Liter Trinkwasser aus dem Gatun-See verloren. Ein drittes Schleusenpaar verschärft dieses Problem zusätzlich. Das definitive Projekt der panamaischen Regierung trägt dem Rechnung, indem künftig immerhin ein Teil des Schleusenwassers aufgefangen und in den Gatun-See zurückgeführt wird.

Panamakanal = sprudelnde Geldquelle?

Für den Staat Panama ist der Kanal die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle. Die Wasserstraße erwirtschaftet rund 70 Prozent des Staatshaushalts. Im Vergleich mit vielen zentral- und südamerikanischen Ländern steht Panama denn auch wirtschaftlich besser da. Auf der Schattenseite des Privilegs, den Kanal zu besitzen, steht die Furcht der Panamaer, dereinst Opfer eines Terroranschlags zu werden. Dies, weil der Kanal für die USA enorme wirtschaftliche und geostrategische Bedeutung hat. 44 Seerouten von der nordamerikanischen Ostküste nach Asien und an die Pazifikseite Südamerikas führen durch den Kanal, der den Seeweg von New York nach Japan um 7.000 Seemeilen (12.000 Kilometer) respektive mehrere Wochen verkürzt. Während des Zweiten Weltkriegs zum Beispiel bewachten 68.000 US-Soldaten die Kanalregion. Und als der panamaische Militärmachthaber Manuel Antonio Noriega Ende der 1980er-Jahre eine extrem nationalistische Politik verfolgte und den damals noch unter US-Hoheit stehenden Kanal verstaatlichen wollte, entsandten die USA kurzerhand 20.000 Marines und setzten Noriega ab.

Spaziergang durch die leeren Kammern der Pedro Miguel Schleusen des Panama-Kanals bei Wartungsarbeiten. (© AP)

Die Wasserstraße soll nach ihrem Ausbau jährlich 2,5 Milliarden Euro umsetzen. Derzeit sind es etwa 1,1 Milliarden Euro pro Jahr, wovon die Betreibergesellschaft des Kanals zuletzt 420 Millionen Euro Reingewinn an den Staat abgeliefert hat. Ab 2025, wenn sich der Großteil der Investition für den Ausbau amortisiert hat, soll der jährliche Gewinn mindestens doppelt so hoch sein. Panamas Regierung hat auch wiederholt von mehreren 10.000 Arbeitsplätzen gesprochen, die der Ausbau schaffen werde. Frei von Risiken ist das Projekt allerdings nicht. Panama wird sich in den nächsten Jahren mit etwa zwei Milliarden Euro zusätzlich im Ausland verschulden. Das sind mehr als 800 Euro pro Kopf. Keine Kleinigkeit in einem Staat, in dem das monatliche Durchschnittseinkommen kaum 200 Euro überschreitet.

Des Weiteren hat das Land ein massives Problem mit der sozialen Gerechtigkeit. Panama entwickelt sich zwar politisch und wirtschaftlich schnell – nebst dem Kanal sind Handel und Finanzen blühende Sektoren. Allerdings profitieren weniger als zwei Drittel der Bevölkerung vom Boom, der seit dem Ja zum Kanalausbau noch größer geworden ist. Noch immer leben 40 Prozent der Menschen in Armut, ohne gute Aussichten auf Besserung. Die öffentlichen Angebote an Bildung und Medizin sind unzureichend. In den Armenvierteln im Schatten der Hochhäuser von Panama-Stadt gehören Schießereien zum Alltag. Arbeitslosigkeit ist weit verbreitet. Panamas politischer und wirtschaftlicher Aufschwung grenzt aus. Die Ungerechtigkeit zu überwinden, ist die schwierigste Aufgabe "auf dem Weg in die Erste Welt", von dem Präsident Martin Torrijos nach der Kanalabstimmung von Ende Oktober 2006 euphorisch gesprochen hatte.

Der Panamakanal gehört zu den erstaunlichsten Bauwerken, welche die Menschheit im 20. Jahrhundert fertigstellte. Die USA bauten ihn zwischen 1904 und 1914. Zuerst hatten es die Franzosen unter Graf Ferdinand de Lesseps versucht. De Lesseps hatte bereits den Bau des Suez-Kanals geleitet, scheiterte aber in Panama Ende des 19. Jahrhunderts. Der Bau des Panamakanals (inklusive des misslungenen Versuchs) kostete bis zur Eröffnung 1914 mehr als 25.000 Menschenleben. Etwa 86.000 Tonnen Dynamit sprengten Gestein weg, das zu mindestens 26 Hügeln der Größe der Cheops-Pyramide hätte aufgeschichtet werden können.

Die Republik Panama hatte erst 1903 die Unabhängigkeit von Kolumbien erreicht. Die USA hatten den Kolumbianern zuvor 26 Millionen Dollar geboten, um die Konzession für die geplante Kanalzone zu erhalten. Die Regierung in Bogota aber lehnte ab, worauf die USA eine Unabhängigkeitsbewegung in Panama unterstützten, welche die Region 1903 prompt von Kolumbien loslöste und sogleich eine 15 Kilometer breite Zone für den Kanalbau an die USA abtrat. Während fast 100 Jahren war Panama durch diese US-Enklave zweigeteilt. 1977 verhandelten der damalige Diktator Omar Torrijos (verstorbener Vater des aktuellen Präsidenten Panamas) und US-Präsident Jimmy Carter die Rückgabe der Kanalzone. Seit dem 1. Januar 2000 ist nun der Staat Panama Besitzer und Betreiber des höchst rentablen Kanals.

Panama könnte allerdings Konkurrenz erhalten. Das einige 100 Kilometer nördlich gelegene Nicaragua will ebenfalls eine Wasserstraße quer durch sein Staatsgebiet bauen, die wie der Panamakanal den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Die Regierung prüft ein 20-Milliarden-Dollar-Projekt. Die Distanz zwischen den beiden Ozeanen ist in Nicaragua wesentlich größer als in Panama. Laut dem nicaraguanischen Projekt sollen zwei Flüsse und der größte See des Landes mit Schleusen und Kanälen zu einer inter-ozeanischen Verbindung erschlossen werden. Die Idee einer Wasserstraße durch nicaraguanisches Gebiet ist nicht neu. Die USA hatten ein solches Vorhaben während des 19. Jahrhunderts intensiv verfolgt. Nachdem sie Anfang des 20. Jahrhunderts das französische Projekt in Panama übernommen und realisiert hatten, zeigten die USA aber lange Zeit wenig Interesse an einer zusätzlichen Kanal-Verbindung quer durch Nicaragua. Dies hat sich mit der Vervielfachung des Welthandels in den vergangenen Jahrzehnten verändert, nicht nur in Nordamerika. Investitionen für einen "Nicaraguakanal" kämen auch aus Japan und China.

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Jürg Roggenbauch ist Redakteur im Ressort Hintergrund bei der Schweizer Tageszeitung "St.Galler Tagblatt". Von Januar 2002 bis März 2007 studierte er internationale Beziehungen und Lateinamerika-Studien in Mexiko-Stadt und Bogota. Er hat als freier Lateinamerika-Korrespondent für mehrere Zeitungen im deutschsprachigen Raum gearbeitet.