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Das Militär der Volksrepublik China | China | bpb.de

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Das Militär der Volksrepublik China

Dr. Kai Filipiak Kai Filipiak

/ 12 Minuten zu lesen

Die Volksbefreiungsarmee befindet sich mitten im Umbruch. Das Politbüro arbeitet eifrig daran, das Militär zu modernisieren. Im Vergleich zu anderen Staaten wie den USA gibt China jedoch viel weniger Geld für seine Soldaten aus. Man fördert lieber den wirtschaftlichen Aufschwung.

Militärparade zum 60ten Jahrestag der Volksrepublik China. (© AP)

Zahlen und Fakten

Die Volksbefreiungsarmee (VBA) verfügt derzeit über eine aktive Gesamtmannschaftsstärke von 2,2 Mio. Mann. Die Militärausgaben beliefen sich im Jahr 2008 auf umgerechnet 58 Mrd. US-Dollar. Das sind 17,6 Prozent mehr als im Jahr 2007. Im internationalen Vergleich gibt China jedoch verhältnismäßig wenig für das Militär aus. Der Anteil der Ausgaben in diesem Bereich am BIP beträgt lediglich 1,38 Prozent, zum Vergleich: USA 4,5 Prozent. China ist Atommacht, am 16. Oktober 1964 wurde die erste chinesische Atombombe gezündet. Der Staat verfügt schätzungsweise über 400 strategische und taktische Nuklearwaffen. Im Jahr 2002 ratifizierte die Volksrepublik als erstes Atomwaffenland das 1997 beschlossene IAEA-Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag, das eine erweiterte Kontrolle und Sonderinspektionen für Staaten mit Kerntechnologie vorsieht.

Organisationsstruktur

Entsprechend einer langen chinesischen Tradition, die bis in das zehnte Jahrhundert zurückreicht, besitzt die zivile gegenüber der militärischen Führung das Primat. Auch heute werden alle grundlegenden militärischen Entscheidungen über Krieg, Streitkräfte und Landesverteidigung im Politbüro getroffen. Das Verteidigungsministerium dient überwiegend protokollarischen Zwecken, um ausländischen Gepflogenheiten personell und strukturell zu entsprechen.

Unter der Ebene des Politbüros verläuft die dominante Befehlshierarchie von der Zentralen Militärkommission zu den vier Hauptquartieren (Generalstab, Polit, Logistik, Ausrüstung). Über den Generalstab verläuft die Kommandolinie weiter zu den sieben großen Militärbezirken, welche die Einheiten und Truppenabteilungen der einzelnen Teilstreitkräfte befehligen. Die chinesischen Streitkräfte lassen sich folgendermaßen unterteilen: in Land-, Luft- und Seestreitkräfte. Ergänzt werden diese durch die Zweite Artillerie, die bewaffnete Polizei und die Reserve.

Die Führung der Streitkräfte obliegt der Zentralen Militärkommission (ZMK) der Volksrepublik China. Sie ist verantwortlich für die nationale Militärpolitik, strategische Entscheidungen, militärische Organisationsstrukturen, Waffenentwicklung, Koordination des Militärbudgets und die Beförderung und Auszeichnung des militärischen Führungspersonals.

Die ZMK ist ein Parteiorgan, das der Kommunistischen Partei Chinas die Kontrolle über das Militär sichert. Die ZMK wurde im Jahr 1925 innerhalb der Partei gegründet. Ihre heutige Form geht auf das Jahr 1975 zurück. Seit 1989 ist der Staatspräsident und Generalsekretär der Partei zugleich Vorsitzender der ZMK. Momentan leitet der amtierende Staatspräsident Hu Jintao die ZMK.

Entsprechend der Verfassung der Volksrepublik China ist der Vorsitzende der ZMK dem Nationalen Volkskongress (NVK) und seinem ständigen Ausschuss verantwortlich. Die 1982 gegründete staatliche ZMK besitzt dagegen keine vergleichbare Machtposition. Sie ist lediglich Ausdruck der Bemühungen zur Trennung von Partei- und Staatsorganen. Partei und Militär sind eng miteinander verbunden. Es handelt sich dabei um ein Subordinationsverhältnis, das sich in der Kontrolle des Militärs durch die Partei einerseits und der loyalen Unterstützung der Partei durch die Armee andererseits ausdrückt. Die Kontrolle des Militärs erfolgt über das Militärbudget und das Personalmanagement innerhalb der Armee.

Die vier Hauptquartiere bestehen aus dem Generalstab und jeweils den Hauptabteilungen für Politik, Logistik und militärische Ausrüstung. Jedes Hauptquartier wird durch ein Mitglied der ZMK geleitet. Dem Generalstab unterstehen die gegenwärtig sieben großen Militärbezirke Shenyang, Beijing, Lanzhou, Jinan, Nanjing, Guangzhou und Chengdu. Die Militärbezirke sind administrative Hauptquartiere. Ihnen unterstehen die Einheiten (vom Regiment bis zur Armee) und Truppenabteilungen (vom Zug bis zum Bataillon) der einzelnen Teilstreitkräfte.

Eine Sonderstellung nimmt die Zweite Artillerie ein, die nach chinesischer Terminologie nicht im Rang einer Teilstreitkraft steht, sondern als Waffengattung geführt wird. Die Bezeichnung "Zweite Artillerie" steht für die Raketenstreitkräfte, die mit konventionellen und Atomraketen ausgerüstet sind. Auf Grund ihrer strategischen Bedeutung untersteht die Zweite Artillerie der direkten Kontrolle durch die ZMK. Staatsrat und ZMK verfügen auch über die paramilitärischen Einheiten der bewaffneten Polizei, die offiziell für die Grenzsicherung, zur Feuerbekämpfung und für Wachdienste eingesetzt werden. Und schließlich verfügt das Militär über eine Reserve, die seit 1986 Teil der VBA ist.

Neben den genannten Bereichen, die ihrerseits in sich gegliedert sind, verfügt das Militär über weitere angeschlossene Einrichtungen und Institutionen. Dazu gehören beispielsweise Schulen für Ausbildung und Qualifikation des Führungspersonals (Universität für Nationale Verteidigung, Akademie für Militärwissenschaften, Universität für Nationale Verteidigungswissenschaft und Technologie).

Militärpolitik, -doktrin und Bündnisse

Bis Mitte der 1980iger-Jahre zielte die chinesische Militärdoktrin auf einen totalen Krieg mit der Sowjetunion auf der Grundlage eines "Volkskrieges". Die Idee hierzu entwickelte Mao Zedong während der 1930er-Jahre. Sie beinhaltete die Mobilisierung des gesamten Volkes gegen den Feind. Vor dem Hintergrund veränderter außenpolitischer Konstellationen ging man 1985 dazu über, die Armee auf zeitlich und regional begrenzte militärische Auseinandersetzungen entlang der chinesischen Grenze vorzubereiten. Dabei rechnete man weiterhin mit der Sowjetunion als potenziellen Gegner. Folglich standen die Nordgrenze und die sie verteidigenden Landstreitkräfte im Fokus chinesischer Verteidigungspolitik. Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre kam es zu tiefgreifenden Veränderungen in der strategischen Ausrichtung infolge außen- und innenpolitischer Ereignisse.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 führte zu einer Umorientierung in der Landesverteidigung. Nunmehr erhielt die Verteidigung der Seegrenze Priorität, die sich in der Förderung von Marine und Luftwaffe niederschlug. Dahinter stand die Überlegung, dass Chinas Wirtschaftszentren vornehmlich im Küstenbereich liegen. Gebietsstreitigkeiten mit Anrainerstaaten wie Vietnam, Kambodscha oder Thailand über strategisch wichtige Inseln im Südchinesischen Meer führten im weiteren zu einer Ausdehnung der Küsten- auf die Hochseeverteidigung.

Die Niederschlagung der Tiananmen-Bewegung im eigenen Land (1989) bewirkte, dass China der Zugang zu westlicher Militärtechnologie verwehrt und die Modernisierung der Streitkräfte erschwert wurde. Folglich suchte China erneut die Annäherung an Russland, um in den Besitz russischer Militärtechnologie zu gelangen.

Der Golfkrieg 1990 als drittes Ereignis erweiterte die Militärdoktrin Chinas dahingehend, dass die chinesischen Streitkräfte künftig in die Lage versetzt werden sollten, zeitlich und regional begrenzte militärische Auseinandersetzungen unter Hightech-Bedingungen führen zu können. Zudem erkannten die chinesischen Militärs die große Bedeutung der Informationkriegführung für künftige Kriege.

Während der Taiwan-Krise 1995/96, als Streitkräfte der USA zur Unterstützung Taiwans infolge chinesischer Raketentests in unmittelbarer Nähe der Insel herbeieilten, reifte auf chinesischer Seite die Erkenntnis, dass das bisherige Modernisierungstempo der Armee zu langsam sei. Seit 2002 richten sich die Bemühungen deshalb darauf, Etappen der militärischen Entwicklung zu überspringen und zu einer angemessenen Ausrüstung der Armee im Informationszeitalter überzugehen.

Die offizielle chinesische Militärdoktrin hat sich seit 1998 hinsichtlich der allgemeinen Ziele nationaler Verteidigungspolitik nicht wesentlich verändert. Im Weißbuch der Landesverteidigung der VR China des Jahres 1998 wird erklärt, dass China eine defensive Verteidigungspolitik betreibt, wobei der Aufbau der Landesverteidigung dem staatlichen Wirtschaftsaufbau untergeordnet ist. Die Hauptziele der Landesverteidigung bestanden damals in der Abwehr militärischer Aggression und bewaffneter Umstürze sowie in der Verteidigung der Souveränität, Einheit und territorialen Integrität Chinas. Eine Politik des Erstschlages lehnte man ab.

Das jüngst erschienene Weißbuch der chinesischen Landesverteidigung des Jahres 2008 formuliert die Grundsätze der gegenwärtigen chinesischen Verteidigungspolitik wie folgt: "China betreibt eine defensive Verteidigungspolitik. China verteidigt seine nationale Souveränität, Sicherheit und territoriale Integrität. Der Schutz seiner nationalen Entwicklungsinteressen und der Interessen des Volkes steht über allem. China errichtet fleißig eine starke Landesverteidigung und eine schlagkräftige Armee, die mit der nationalen Sicherheit und den nationalen Entwicklungsinteressen übereinstimmt. Es verwirklicht im Fortgang der allseitigen Errichtung einer Gesellschaft des bescheidenen Wohlstands die Einheit von einem reichen Vaterland mit einer starken Armee."

Wirtschaftliche Prosperität statt militärischer Expansion ist das erklärte Ziel chinesischer Politik. Zudem möchte man sich aus Gründen des neuen Selbstverständnisses als künftige Großmacht Ostasiens mit eigenen Interessen und Zielvorstellungen nur ungern durch internationale Bündnisse und Sicherheitskooperationen einengen lassen. China gehört keinem Militärblock an. Dennoch unterhält die Volksrepublik nach eigenen Angaben militärische Beziehungen zu mehr als 150 Ländern. In 109 Staaten gibt es chinesische Militär-Attachés. Seit 2007 wurden über 20 Militärübungen und -manöver mit mehr als 20 Ländern durchgeführt. Im August 2007 nahm die chinesische Armee erstmals an einem großen Manöver außerhalb der Landesgrenzen teil – zusammen mit Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan. Ziel des Manövers war der Kampf gegen Terrorismus, Separatismus und Extremismus. Die Militärübungen fanden in Xinjiang und Russland statt. Sie sind ein Beleg dafür, dass man in Zentralasien eine Gefahr für die chinesische Sicherheitsarchitektur sieht.

Neben vielen anderen Staaten nimmt China am Asean Regional Forum (ARF) teil. Ziel des Forums ist es, den Dialog zwischen den Teilnehmerstaaten in Fragen der Politik und der Sicherheitszusammenarbeit zu fördern und einen Beitrag zur Vertrauensbildung und Präventivdiplomatie im asiatisch-pazifischen Raum zu leisten. Zwar betont China seine Bereitschaft, die Zusammenarbeit in Fragen der Sicherheit zu vertiefen, allerdings hat es in der Vergangenheit die multilaterale Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich eher behindert. Ursache dafür waren nicht zuletzt chinesische Interessen im Südchinesischen Meer. Als ständiges Mitglied mit Vetorecht spielt China im UN-Sicherheitsrat eine wichtige Rolle. Diese spiegelt sich in der aktiven Teilnahme an UNO-Friedensmissionen wider. Von Januar bis Juli 2009 nahmen im Schnitt 2.152 chinesische Polizisten, Soldaten und Militärberater an verschiedenen Missionen teil. Deutschland beteiligte sich im Vergleich dazu im Durchschnitt mit 297 Personen.

Infolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion und der ablehnenden Haltung des Westens nach den Tiananmen-Ereignissen haben sich die bilateralen Beziehungen zwischen China und Russland verbessert. Im Jahre 2008 wurde ein "Protokoll zur zusätzlichen Klärung des östlichen Verlaufs der Grenze zwischen China und Russland" unterzeichnet, das den Grenzverlauf zwischen beiden Ländern regelt. Damit wurde ein Hemmnis beseitigt, das in der Vergangenheit mehrfach zu politischen und militärischen Auseinandersetzungen geführt hatte. Darüber hinaus verständigte man sich über eine Vertiefung der strategischen Partnerschaft. Ein wichtiger Bestandteil dieser Partnerschaft ist die Kooperation im militärischen Bereich, wobei das Interesse Chinas vor allem darin besteht, russische Militärtechnologie zur Modernisierung seiner Streitkräfte zu erwerben.

Staat und Militär

Die Gründung der Roten Armee wird von der chinesischen Geschichtsschreibung auf den ersten August 1927 datiert, als Soldaten unter der Führung kommunistischer Generäle einen Aufstand in Nanchang durchführten. 1946 wurde die Rote Armee in Volksbefreiungsarmee (VBA) umbenannt. Sie war das kriegsentscheidende Machtinstrument der KP Chinas im Bürgerkrieg gegen die Streitkräfte der herrschenden Guomindang-Regierung. Nach der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 übernahm die Volksbefreiungsarmee die Aufgabe, die bestehenden Machtverhältnisse nach außen und innen zu sichern.

Die erste Bewährungsprobe erfolgte im Korea-Krieg (1950 bis 1953), als China die nordkoreanischen Streitkräfte im Krieg gegen die verbündeten Truppen Südkoreas und der USA unterstützte. Trotz hoher Verluste leisteten die chinesischen Truppen den US-Streitkräften erfolgreich Widerstand. Einen Sieger gab es jedoch nicht. Korea blieb auch fortan geteilt. In militärischer Hinsicht brachte der Krieg die wichtige Erkenntnis, dass die hoch motivierten chinesischen Streitkräfte den US-Truppen waffentechnologisch unterlegen waren und dringend modernisiert werden mussten. In politischer Hinsicht bewies China in diesem ersten großen Konflikt des kalten Krieges, dass die Restauration der einstigen Großmacht Ostasiens ihren Anfang genommen hatte.

Das zeigte sich auch in der zunehmenden Entfremdung von der Sowjetunion als wichtigsten Bündnispartner Chinas seit der Gründung der Volksrepublik. Der vorausgehenden politisch-ideologischen Konfrontation, die ihren Höhepunkt in der chinesisch-sowjetischen Spaltung 1960 erfuhr, folgte die militärische Eskalation im Grenzkrieg 1969. Die Auseinandersetzung mit der Sowjetunion schlug sich auch in militärischen Konflikten mit den Anrainerstaaten nieder, die enge Beziehungen zur Sowjetunion pflegten. Zu nennen wären hier insbesondere die Auseinandersetzungen mit Indien (1962) und Vietnam (1979).

Auch in innenpolitischer Hinsicht spielte die Volksbefreiungsarmee mehrfach eine wichtige Rolle. Während der Kulturrevolution (1966 bis 1976) wurde die Armee als Werkzeug für den politischen Kampf missbraucht. Bereits 1960 begann man auf Beschluss der von Mao Zedong geleiteten Militärkommission, die ideologische Arbeit in der Armee zu verstärken. Die daraus resultierende Stärkung der Stellung der Politkommissare führte zum Konflikt mit Berufsoffizieren, welche die Modernisierung der Armee in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellten. Dieser Machtkampf ging zu Gunsten des damaligen Verteidigungsministers Lin Biao aus, der von Mao Zedong mit der ideologischen Durchdringung der Armee beauftragt worden war. Folglich bildete das Militär in der Anfangsphase der "Kulturrevolution" vor allem in den Großstädten das wichtigste Machtinstrument der politischen Gruppe um Mao. So half die Armee beispielsweise beim Aufbau der "Roten Garden", welche die gegen Partei und Staatsapparat gerichtete Politik Maos umsetzten. Über die Armeezeitung wurden Angriffe auf politische Gegner medienwirksam publiziert. Und schließlich besetzten Soldaten das Pekinger Stadtkomitee, das als Zentrum des Widerstands gegen Mao agierte. Allerdings ist anzumerken, dass eine Reihe von hochrangigen Berufsoffizieren die Kulturrevolution nicht unterstützte. Auch die Einheiten der großen äußeren Militärregionen der Mongolei, Xinjiangs und Tibets widersetzten sich dem Kurs Maos. Daher war es letztendlich auch die Armee, welche die katastrophalen Zustände beendete und die öffentliche Ordnung wieder herstellte.
Während der Tiananmen-Ereignisse des Jahres 1989 griff die Armee erneut auf Weisung der Partei- und Staatsführung ein und schlug die Demonstration auf dem Platz des Himmlischen Friedens gewaltsam nieder.

Militär und Gesellschaft

In der Anfangszeit der Volksrepublik genoss die Armee auf Grund der Erfolge über Japan, die Guomindang und die US-Streitkräfte im Korea-Krieg ein hohes Ansehen. Zur gesellschaftlichen Akzeptanz trug bei, dass ein Großteil der Soldaten der ländlichen Bevölkerung entstammte.
Dieses Renommee erlitt in der Zeit der Kulturrevolution zum Teil Schaden, vor allem aber im Zusammenhang mit den Tiananmen-Ereignissen. Ziel der Politik ist es deshalb, das verlorengegangene Vertrauen des Volkes in die VBA zurückzugewinnen. Zu diesem Zweck wird die Armee mit zahlreichen Aufgaben betraut, die zur Unterstützung der ökonomischen Reformpolitik dienen. Dazu gehören Infrastruktur-Projekte wie Straßen- und Brückenbau, Häfen und Flughäfen oder die Herstellung von Kommunikationsverbindungen. Es versteht sich von selbst, dass diese Projekte auch von militärischer Bedeutung sind. Dennoch sind sie auch von gesellschaftlichem Nutzen, weil sie wichtige Grundlagen in den strukturschwachen und armen Gebieten schaffen. Diese befinden sich vor allem in Westchina, weshalb die Armee dort besonders aktiv ist. Damit leistet das Militär einen wichtigen Beitrag zur Erschließung der Westgebiete, die seit den 1990iger-Jahren verstärkt propagiert wurde.

Auch im medizinischen Bereich leistet die Armee wirksame Unterstützung. Militärhospitäler unterstützen auf lokaler Ebene die entsprechenden zivilen Einrichtungen mit Personal und Technik. Während der SARS-Krise von 2002 bis 2003 spielten die militärischen Einrichtungen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Epidemie.
Besonders deutlich wird das gesellschaftliche Engagement des Militärs bei den jährlichen Hilfsaktionen, die infolge von Überschwemmungs-, Dürre- oder Erdbebenkatastrophen stattfinden. Durch den umfangreichen Einsatz von Personal und Technik vor Ort kann der Bevölkerung schnell geholfen werden, wodurch das Militär an Ansehen gewinnt. Gleichzeitig bieten diese Operationen eine gute Möglichkeit, um militärische Abläufe zu trainieren und Kapazitäten zu testen.

Reform des Militärs

Bereits 1975 wurde unter dem Schlagwort der "Vier Modernisierungen" der Beschluss gefasst, die Streitkräfte zu modernisieren. Ziel der Militärreform war von Anfang an die Umwandlung einer Massenarmee, die ursprünglich für einen langwierigen Abnutzungskrieg auf eigenem Territorium aufgestellt worden war, in eine schlagkräftige Armee, die zeitlich und regional begrenzte militärische Auseinandersetzungen entlang der Peripherie unter Hightech-Bedingungen führen und gewinnen kann.

Die Reform beinhaltete die Reduzierung der Personalstärken, die Restrukturierung und Professionalisierung der Streitkräfte, die Entwicklung und Aneignung moderner Waffentechnologie, eine bessere Ausbildung des Führungspersonals, die Verbesserung des Lebensstandards der Soldaten und vieles mehr.

Es steht außer Frage, dass China bis heute große Fortschritte in der Modernisierung seiner Streitkräfte erreicht hat. So wurde die Gesamtmannschaftsstärke der VBA von 4,24 Mio. Mann im Jahr 1985 auf derzeit 2,2 Mio. Mann nahezu halbiert. Damit einher ging eine Reduzierung der Feldarmeen von 35 auf 24. Auch die Zahl der Militärbezirke wurde von elf auf sieben gesenkt. Ende der 1980iger-Jahre begann man kleine, gut ausgebildete und ausgerüstete Spezialeinheiten in Bataillon- oder Brigadegröße aufzustellen, die entsprechend der neuen Doktrin unterschiedliche taktische Aufgabenstellungen schnell ausführen konnten. Mit hohen Investitionen in die Marine will China seine militärische Präsenz zur See stärken. Zu diesem Zweck wurde die U-Boot-Flotte ausgebaut. Schätzungen des US-Verteidigungsministeriums gehen davon aus, dass China bis zum Jahr 2010 fünf Atom-U-Boote des Typs 094 besitzen wird, die Raketen mit einer Reichweite von 7.200 km abfeuern können. Auch mit dem Bau von Flugzeugträgern wurde begonnen, wenngleich der Abstand zur US-Marine mit elf aktiven Flugzeugträgern sehr groß erscheint.

Trotz der Fortschritte in der Modernisierung des chinesischen Militärs scheinen Tempo und Reichweite der Reformen noch zu gering, weshalb sich der chinesische Verteidigungsminister Liang Guanglie kürzlich für eine Beschleunigung der Reformen aussprach. Auch der im Vergleich zu den USA geringere Wehretat lässt Zweifel darüber aufkommen, ob China in absehbarer Zeit in der Lage wäre, mit der militärischen Supermacht USA gleichzuziehen. Andererseits ist zu bedenken, dass es keine verlässlichen Informationen über Investitionen, Entwicklungsstand und Absichten des chinesischen Militärs gibt. Tatsache ist lediglich, dass die Reform des chinesischen Militärs die Machtbalance in der Region mittelfristig zu Gunsten Chinas verändern wird.

Weitere Inhalte

PD Dr. Kai Filipiak, geb. 1971. Habilitation 2006. 2006-2009 Lehrstuhlvertretungen in Leipzig und Marburg. Studien zur Geschichte und Kulturgeschichte Chinas. Derzeit Oberassistent am Lehrstuhl für Kultur und Geschichte Chinas des Ostasiatischen Institutes der Universität Leipzig. Aktuelle Publikation: Krieg, Staat und Militär in der Ming-Zeit (1368-1644), Wiesbaden 2008.