Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

"Heimat ist, wo man akzeptiert wird" | bpb.de

"Heimat ist, wo man akzeptiert wird" Porträt: Ali Samadi Ahadi

Sonja Ernst

/ 4 Minuten zu lesen

Der deutsch-iranische Filmemacher Ali Samadi Ahadi hat mit "Salami Aleikum" eine erfolgreiche Liebeskomödie gedreht: Ein Film über Heimat randvoll mit Klischees. Jetzt will der 37-Jährige einen kritischen Film über die aktuelle Entwicklung in Iran machen und wird deshalb vorerst nicht dorthin reisen können.

Heimat ist der Ort, an dem man gebraucht wird; an dem man akzeptiert wird, mit all seinen Schwächen, Illusionen und Hoffnungen. Ali Samadi Ahadi musste schon früh den Verlust von Heimat erleben: Im Sommer 1985 kam er als 13-Jähriger alleine nach Deutschland. In seiner Heimat Iran herrschte Krieg. Im September 1980 hatte der Irak das Nachbarland Iran angegriffen. Der Krieg dauerte acht Jahre und forderte Hunderttausende von Opfern. Auch Jungen wurden in die Kämpfe geschickt. Samadi Ahadis Eltern wollten ihren Sohn beschützen und schickten ihn weg aus Iran.

Der deutsch-iranische Filmemacher Ali Samadi Ahadi. Foto: Ahadi (© Ahadi)

"Der Anfang hier in Deutschland war nicht einfach. Aber ich musste lernen, mit der Situation umzugehen. Es blieb mir auch gar nichts anderes übrig." Samadi Ahadi schmunzelt. Der 37-Jährige hat schwarze Haare, er trägt Vollbart und Brille. Er wirkt gelassen, ohne abgeklärt zu sein. "Mit der Einsamkeit und dem Fernsein von zu Hause wächst man innerlich aber auch", sagt Ahadi. In Deutschland angekommen lebte er zunächst in einem ehemaligen Schwesternwohnheim in Hannover, wo er die Schule besuchte. Später studierte er Visuelle Kommunikation mit Schwerpunkt TV und Film an der Gesamthochschule Kassel.

Die Suche nach Heimat ist Teil der Liebeskomödie Salami Aleikum, für die Ahadi das Drehbuch schrieb und Regie führte. Salami Aleikum ist sein erster Spielfilm. In der Presse wurde er als originelle Liebeskomödie, Ethno-Comedy und Culture-Clash-Satire bezeichnet. Ahadi sieht seine Debütarbeit so: "Für mich ist dieser Film ein modernes Märchen. Ich habe Geschichten aus 1001 Nacht wie Ali Baba und die vierzig Räuber kombiniert mit Sandmännchen und dem Kleinem Muck."

"Klischees sind gewollt"

Eine der Hauptfiguren in Salami Aleikum ist Mohsen Taheri, ein Deutsch-Iraner, der mit Ende 20 noch bei den Eltern in Köln lebt - tief in Westdeutschland. Vater Taheri ist ein Pascha und besitzt eine Metzgerei. Sein Sohn soll in seine Fußstapfen treten, doch Mohsen ekelt sich vor Blut und Fleischermessern - stattdessen strickt er lieber. Als er versucht, die Metzgerei des Vaters zu retten, lässt er sich billige Schafe aus Polen aufschwatzen. Der schmächtige Mohsen macht sich auf den Weg, um die Tiere abzuholen, und bleibt mit seinem Kleintransporter in Oberniederwalde liegen - tief in der ostdeutschen Provinz. Dort verliebt er sich in die starke, große, blonde KFZ-Mechanikerin Ana Bergheim.

Salami Aleikum ist ein Film voller Klischees und Vorurteile: In Oberniederwalde ist es grau und finster, hier finden sich Ausländerfeindlichkeit und Ostalgie. Anas Eltern haben den Untergang der Oberhemden-Industrie nach der Wende nicht verkraftet. Sie waren leitende Angestellte, heute leiten sie die Dorfkneipe. Ihre Tochter war zu DDR-Zeiten Kugelstoßerin mit der Aussicht auf eine internationale Karriere. Doch nach 1989 wird Ana des Dopings überführt und ihr Trainer, ihre große Liebe verlässt den Osten für eine "Wessi"-Frau. Als Mohsens Eltern in Köln aufbrechen, um ihren Sohn zu suchen, packen sie Essen und einen Baseballschläger ins Auto - schließlich fahren sie "in die DDR".

"Die Klischees und Vorurteile sind gewollt. Und diese Vorurteile will ich gar nicht alle abbauen", sagt Ahadi. Die zweite Generation von Iranern in Deutschland, die seinen Film gesehen haben, hätten in Mohsens Eltern ihre eigenen Eltern zum Teil wiedererkannt. Dem Filmemacher würde es reichen, wenn die Gesellschaft lernen würde, mit Vorurteilen umzugehen. "Man muss die Schwächen und Stärken sehen wollen", sagt Ahadi. Noch dazu entlarven die Klischees die eigenen Vorurteile; die Vorurteile von "Ossis" über "Wessis" und umgekehrt, Vorurteile von Deutschen über Ausländer und umgekehrt.

Ahadis Antwort ist ein Dokumentarfilm

Heimat ist da, wo man akzeptiert wird, wo man gebraucht wird. So begreift auch Ahadi persönlich Heimat. Familie gehört für ihn zu dieser Vorstellung dazu. Ahadi lebt mit seiner Frau und Tochter in Köln, und er hat seine Familie in Iran. Der Filmemacher kehrte zum ersten Mal mit 26 Jahren zurück nach Iran - 13 Jahre nach seinem Abschied. Seitdem ist er jedes Jahr ein bis zwei Mal nach Iran gereist. "Je älter man wird, desto mehr habe ich Sehnsucht nach meiner Familie. Ich will sie hören, ich will sie spüren und riechen", sagt Ahadi.

Im April 2009 war er zum letzten Mal in Iran und hat für sich beschlossen, vorerst nicht mehr dorthin zu reisen. Nach den Präsidentschaftswahlen in Iran im Juni 2009 waren Proteste blutig niedergeschlagen worden, die Menschen demonstrierten gegen die Wiederwahl von Mahmoud Ahmadinedschad und erhoben den Vorwurf der Wahlfälschung. "Menschen gingen auf die Straße und forderten friedlich 'Where is my vote?', 'Wo ist meine Stimme' und die Antwort war ein Kugelhagel", sagt Ahadi. "Aber die Menschen in Iran blieben friedlich, sie gingen immer wieder auf die Straße."

Ahadi beschloss einen Dokumentarfilm über die Ereignisse in Iran zu drehen. "Das war meine Reaktion auf die Geschehnisse. Ich bin Filmemacher, ich kann nichts außer einen Film zu machen", so Ahadi. Solch einen Film zu machen bedeutet jedoch, nicht mehr sicher nach Iran ein- und auszureisen oder vor Ort Filmmaterial drehen zu können. "Ich muss jetzt eine eigene Bildsprache finden. Wie und welches Material ich nutze, um diesen Dokumentarfilm zu machen, ohne nach Iran zu reisen." Und Ahadi muss erneut Wege finden, um die vielen Kilometer zu seiner Familie in Iran zu überbrücken, ohne sie zu besuchen. Im Herbst war der erste Todestag seines Vaters. Für Ahadi ein wichtiger Tag, den er nicht bei seiner Familie in Iran verbringen konnte.

Fussnoten