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Aus russischen Blogs: Zur Festnahme eines Offiziers der Antikorruptionsbehörde | Russland-Analysen | bpb.de

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Aus russischen Blogs: Zur Festnahme eines Offiziers der Antikorruptionsbehörde 120 Millionen Dollar in bar, mehrere Luxuswohnungen und 300 Millionen auf Schweizer Konten.

Sergey Medvedev

/ 8 Minuten zu lesen

Ein handfester Skandal: Anfang September wurde Dmitrij Sachartschenko, Vize-Chef der Antikorruptionsbehörde, in Moskau mit knapp anderthalb Tonnen Bargeld festgenommen. Nun wird spekuliert, wer noch in den Fall verwickelt sein könnte.

Anfang September wurde Dmitrij Sachartschenko, Vize-Chef der Antikorruptionsbehörde des russischen Innenministeriums, mit 120 Millionen Dollar in bar in der Tasche festgenommen. (© picture-alliance/dpa)

Korruption hat einen festen Platz in der Berichterstattung russischer Blogger. Doch der jüngste Fall hat ganz Russland erschüttert. Am 9. September wurde der Vize-Chef der Antikorruptionsbehörde des russischen Innenministeriums Dmitrij Sachartschenko mit einer Rekordsumme von 120 Millionen Dollar in Moskau festgenommen. Die Luxuswohnung, in der der hochrangige Offizier mit den fast anderthalb Tonnen Bargeld angetroffen wurde, gehört offiziell seiner Schwester. Genauso wie fünf weitere Luxusapartments im Zentrum Moskaus, die Oberst Sachartschenko nach Ermittlungsangaben über seine Verwandten registrieren ließ. Als ob es noch nicht genug wäre, veröffentlichte die Nachrichtenagentur Rosbalt wenige Tage später eine Fortsetzung der Geschichte: Sachartschenko besitze noch 300 Millionen US-Dollar auf mehreren Konten bei Schweizer Banken. Wo kommen nun diese Riesensummen her, mit denen man den Jahreshaushalt einer Millionenstadt wie Jekaterinburg bestreiten könnte?

Dass Sachartschenko Hunderte Millionen durch Schmiergelder erwirtschaftete, glauben nur wenige. Einer ersten Version zufolge stammt ein Teil des Geldes aus dem Anlagevermögen der Nota-Bank, der im November 2015 die Lizenz entzogen wurde und deren Gelder mit dem Geschäftsführer verschwunden sind. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Interfax steht die Festnahme von Sachartschenko im Zusammenhang mit einem anderen aufsehenerregenden Fall um das Großunternehmen "Wympelkom", gegen dessen Führungspersonal vor wenigen Wochen Strafverfahren wegen Korruptionsverdacht eingeleitet wurden. Auch mit der ehemaligen Führung der Russischen Eisenbahn unterhalte Sachartschenko informelle Beziehungen und biete möglicherweise dem ehemaligen Chef Wladimir Jakunin Protektion, so Rosbalt. Die meisten Experten sind sich aber einig: Das Geld gehöre nicht Oberst Sachartschenko, er verstecke es nur in seiner Wohnung für andere Personen. In der Blogosphäre wird außerdem spekuliert, es könnte sich um einen "Obschtschak" – eine informelle Reservekasse von höheren Silowiki oder sogar von "Dieben im Gesetz" handeln. Die abenteuerlichste Version äußerte der Journalist Dmitrij Steschin von der größten russischen Boulevard-Zeitung "KP": es handele sich um amerikanische Gelder für die Finanzierung eines russischen Maidan. Der prominente Bankier Alexander Lebedew schreibt in einem Gastbeitrag in derselben Ausgabe der "KP", es handele sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um gestohlene Gelder aus einem Kreditinstitut. Lebedew zufolge seien auf diese Weise in den letzten zehn Jahren ca. 100 Milliarden US-Dollar aus russischen Banken ins Ausland geschleust worden. Der Leiter der "Stiftung für die Bekämpfung der Korruption" Alexej Nawalnyj und seine rechte Hand Leonid Wolkow waren von dem Fall Sachartschenko wenig überrascht. Ähnlich wie Lebedew weist Wolkow darauf hin, dass der Westen von dem korrupten russischen Regime profitiere und man von dieser Seite kaum Hilfe erwarten könne.

Steschin: Das Geld von Sachartschenko ist die "schwarze Kasse" eines russischen Maidan

"[…] Einer der scharfsichtigen Blogger ist bei den Aufnahmen aus der Wohnung des Obersten auf ein bemerkenswertes Detail gestoßen – die baren US-Dollar waren mit gelben Geldbanderolen gebündelt. Das ist die Geldpackung einer von 12 amerikanischen Druckereien der Federal Reserve. Das Geld ist direkt aus den USA in die Wohnung des Obersten gelangt – es war zumindest nicht nachgezählt und wohl nicht registriert, als es ins Land geschmuggelt wurde. Es stellt sich nun die Frage, wie in den USA bei dem bekannten Totalitarismus der Fiskalbehörden dort eine derart horrende Summe Bargeld abgehoben werden konnte? […]

Dieses Detail – die gelbe Banderole – könnte bedeutungslos sein, es könnte aber auch sehr viel bedeuten, wenn man sich den jüngsten Staatsstreich in der Ukraine und die vorhergehende Welle "farbiger Revolutionen" im postsowjetischen Raum in Erinnerung ruft. Überall bei "Rosen-" oder "Nelken-Revolutionen" hatte ein gewisses Land von Übersee seine dreckigen Finger im Spiel; die Logistik und Strukturen dieser angeblichen "Volksaufstände" verlangten eine gigantische Finanzierung von allen, die man irgendwie brauchen konnte. Angefangen von der Bezahlung der Dixi-Toiletten auf dem Maidan, den Honoraren für einfache "Protestler" bis zum Schmiergeld für Staatsbeamte und Silowiki. […]"

Dmitrij Steschin am 13. September auf "kp.ru"; Externer Link: http://www.kazan.kp.ru/daily/26581/3596470/

Lebedew: Diese Obersten sind nur Dienstpersonal

"In den letzten zehn Jahren fand ein riesiger Banken-Betrug statt – der größte in der Wirtschaft des Landes. Am meisten profitiert davon haben die Banker und Top-Manager selbst. Und Oberst Sachartschenko und seinesgleichen sind nur deren Dienstpersonal. Er hat höchstwahrscheinlich eine schwarze Kasse gehütet, weil er, selbst wenn er noch so genial wäre, so viel nicht hätte erarbeiten können. Das ist einfach nicht seine Kragenweite […].

In unserem Banksystem sind in den letzten Jahren ca. 100 Milliarden Dollar gestohlen worden. Davon entfallen ca. 20 Milliarden Dollar auf ein Dutzend Banker: Sergej Pugatschow von der "Meschprombank", Anderej Borodin von der "Bank Moskwy", Anatolij Motyljow, der mit "Globex" und "Russkij Kredit" verbunden ist, und andere […]. Denen geht es jetzt gut im Ausland. Darüber hinaus gibt es kleinere Fälle, wo nicht 2–3 Milliarden Dollar aus einer Bank, sondern jeweils rund 100 Millionen gestohlen wurden. Das waren zweifellos organisierte Gruppierungen, von denen viele mehr als nur eine Bank geplündert haben. […]

Die Methoden sind bekannt: es werden krumme Wertpapiere gekauft und "technische" Kredite vergeben. Ganz einfach. Es gab sogar ein bestimmtes Geschäftsmodell. Sie haben aus der Bank nur etwa 100 Millionen Dollar abgezweigt. Sie wollen ja, dass diese Bank noch ein paar Jahre am Leben bleibt. Gegen 5 % der gestohlenen Summe steigt ein neuer Aktionär ein. Danach erklärte er Konkurs.

Nein, diese Gelder werden nicht in London versteckt. Die Hauptstadt Großbritanniens ist lediglich der Ort, wo man gute Rechtsanwälte und politisches Asyl finden kann, indem man sich für einen Kämpfer gegen das russische Regime erklärt. Das ganze Geld wird Offshore-Gebiete – von den Marshall-Inseln bis auf die Seychellen und in die US-Staaten Nevada und Delaware gebracht und dann schließlich in einem "sicheren Häfen" geparkt. In den Trusts in Neuseeland, in Liechtensteiner Fonds. Gesichert wird es von angelsächsischen Juristen – den Besten der Welt.

Erzählen Sie mir bitte nicht, dass die Russen die korrupter als alle anderen sind. Nichts da! All unsere Gauner-Banker wurden von westlichen Fachleuten geschult – von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern. Die alle haben auch ihren Anteil bekommen. Glauben Sie mir, die Provisionen, die die westliche Geldwäsche- und Aufnahme-Infrastruktur bekommen hat, die Kanzleien und Kreditinstitute, waren nicht geringer als die des Obersten, sondern um etliches höher. […]

Alexander Lebedew am 15. September auf "kp.ru"; Externer Link: http://www.kp.ru/daily/26582.4/3597271/

Wolkow: Das Ausland wird uns nicht helfen

Schon lange wollte ich darüber schreiben; die heutigen epischen Ereignisse bieten einen guten und wichtigen Anlass dazu. […]

Ich hatte einen realen Fall in meiner Praxis […], als ich vor einigen Jahren eine kleine Summe für einen Beratungsvertrag vom Konto des Auftraggebers bei einer britischen Bank auf mein Konto bei der luxemburgischen Filiale einer holländischen Bank nicht erhalten konnte. Nach der Überprüfung der Transaktion stellten die Banken fest, dass ich und der Auftraggeber politisch Gleichgesinnte seien, sie hatten im Internet (!) ein gemeinsames Foto von uns gefunden, aufgenommen auf einer politischen Veranstaltung, und mit dieser Begründung wurde die Transaktion blockiert. Wir zeigten ihnen eine Menge Papiere, dass es sich um eine Zahlung für die IT-Beratung für ein bestimmtes gut dokumentiertes IT-Projekt ist, das mit der Politik nichts zu tun hat – vergeblich; "es könnte mit der Finanzierung politischer Tätigkeit verbunden sein".

Nochmal zur Erinnerung: bei Oberst Sachartschenko wurden bisher sechs Konten bei diversen Banken in der Schweiz mit jeweils Dutzenden Millionen Euro entdeckt. Keine Beschränkungen, kein KYC ["know your customer", eine Legitimationsprüfung von bestimmten Neukunden zur Verhinderung von Geldwäsche], keine FATF [Financial Action Task Force (gegen Geldwäsche)] und wer sonst noch konnten es verhindern. Genauso, wie niemand unsere Minister und Abgeordneten daran hindert, Wohnungen in London und Schlösser im Tal der Loire, Chalets in der Schweiz und Villen in Österreich zu kaufen und erfolgreich Hunderte Millionen, ja Milliarden völlig korrupter, absolut schmutziger Gelder zu legalisieren.

Denn es finden sich bei diesem Volumen und Umsatz (nicht von ein paar Tausend Euro, sondern von Dutzenden Millionen) Leute, die "Sachen regeln" können, und die Briefkastenfirmen, und bestimmte Juristen und Banker verschließen ihre Augen… Und so weiter. Schade, keine rosa Brille: Großes Geld bleibt großes Geld – und es öffnet auch im 21. Jahrhundert weiterhin große Türen. […]

Der Westen profitierte (und profitiert heute) von einem reichen und stabilen Russland, einem Russland als zuverlässiger und berechenbarer Handels- und politischer Partner, weil man mit solch einem Partner langfristige Beziehung aufbauen kann, durch die man gut verdienet – alles Weitere ist ja egal.

Deswegen passte ihnen Putin bis 2014 ehrlich gesagt auch ganz gut (Gäbe es nicht die Krim und die Boeing, würde er ihnen auch jetzt noch gut passen). Deswegen passt Oberst Sachartschenko den Schweizer Banken jetzt ganz gut; und auch Vize-Ministerpräsident Schuwalow passt den britischen und österreichischen landlords; die griechischen und französischen Geschäftsleute arbeiten gern mit dem Investor Tschaika. Just business, weiter nichts.

Kein Ausland wird uns also helfen: weder bei Putin, noch bei Oberst Sachartschenko, noch bei Schuwalow oder Tschaika. Nur wir selbst.

Ich glaube, es ist eine sehr gute Nachricht: rosa Brillen würden uns nur schaden. Heute ist ja nicht 1991 und es ist sehr wichtig, jene Fehler nicht zu wiederholen."

Leonid Wolkow am 14. September 2016 auf Facebook; https://www.facebook.com/leonid.m.volkov/posts/118227207 5128757

Nawalnyj: Russland braucht eine Revolution

"Ich weiß ja nicht, was ich über diesen Oberst der Polizei Sachartschenko schreiben soll, bei dem nun auch noch auf einem Schweizer Konto 300 Millionen Euro gefunden wurden.

Der Typ war einer der führenden "Silowiki", die für den Kampf gegen die Korruption verantwortlich waren und besaß zugleich eines der größten Vermögen in Russland. Und dazu noch in ganz liquider Form – keine Aktien oder Unternehmen, sondern einfach Bargeld. 30 Milliarden Rubel. […]

Wenn manchmal einer sagt, die gesamte Polizei muss buchstäblich auseinandergejagt und neu besetzt werden und es wird dann trotzdem viel besser, dann streitet man in der Regel mit ihm und sagt dazu, "die sind doch aber Profis dort", oder etwas in der Art.

Wenn man dann aber die 300 Millionen [Dollar] auf den Konten des Bullen aus einer Abteilung zur Korruptionsbekämpfung sieht, wird immer klarer: lieber auseinanderjagen. Schlimmer kann es nicht mehr werden.

Es sei denn, man findet bei einem Obersten, der für die Fahndung nach Triebtätern verantwortlich ist, abgeschnittene Menschenköpfe.

Würde es euch wundern? Mich nicht.

Natürlich muss die ganze Leitung des Innenministeriums entlassen werden. Es sollte ein riesiges Verfahren gegen sie stattfinden, und es sollten Dutzende Generale entlassen werden und hinter Gitter wandern. Man braucht eine umfassende, echte Reform des Innenministeriums, eine, die die Grundfesten einer Behörde erschüttert, die seit den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts unangetastet geblieben ist.

Wird das passieren? Peskow hat in Putins Namen gesagt: Nein. […]

Sie wissen ja selbst, warum. In den gleichen Wohnungen, auf den gleichen Konten liegen Peskows Milliarden, liegen Putins Milliarden. […]

Russland braucht eine Revolution. Weil es in einem schönen Russland der Zukunft in den Ministerien keinen obschtschak geben wird – und das wären natürlich revolutionäre Veränderungen."

Alexej Nawalnyj am 14. September 2016 auf navalny.com; https://navalny.com/p/5055/

Ausgewählt und eingeleitet von Sergey Medvedev, Berlin (Die Blogs, auf die verwiesen wird, sind in russischer Sprache verfasst)

Fussnoten

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Sergey Medvedev ist Autor der Kolumne "Aus russischen Blogs" bei den Russland-Analysen. Er absolvierte von 2010 bis 2014 ein Masterstudium der Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin.