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Analyse: Harte Zeiten? Verteidigungsausgaben und Wirtschaft in Russland | Russland-Analysen | bpb.de

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Analyse: Harte Zeiten? Verteidigungsausgaben und Wirtschaft in Russland

Richard Connolly

/ 12 Minuten zu lesen

Trotz scheinbarer Kürzungen des Verteidungungshaushaltes bleibt die Modernisierung der Streitkräfte ein wichtiger Punkt auf der Agenda der russischen Regierung. Von finanziellen Einschränkungen für die Rüstungsindustrie kann nämlich kaum die Rede sein.

In den kommenden Jahren werden erhebliche Mengen neuer Ausrüstung bei den russischen Streitkräften eintreffen und deren Fähigkeiten insgesamt steigern. (© picture-alliance/dpa)

Angetrieben von dem ehrgeizigen Plan, die Streitkräfte zu modernisieren und die erweiterte rüstungsindustrielle Basis zu verbessern, sind die Verteidigungsausgaben in Russland seit 2010 drastisch angehoben worden. Zwei Jahre Rezession und düstere Wachstumsprognosen haben die Politik jedoch dazu genötigt, einige harte Entscheidungen über die Verteilung der öffentlichen Gelder zu treffen. Der kürzlich verabschiedete Haushaltsplan für 2017 bis 2019 sieht eine Kürzung der Ausgaben für Verteidigungszwecke wie auch insgesamt vor. Während das ein Signal sein könnte, dass die Phase der schnell ansteigenden Verteidigungsausgaben vorbei ist, zeigt jedoch ein genauerer Blick auf die vorgelegten Haushalte, dass die Rüstungsindustrie und das Militär für die russische Führung wichtig bleiben.

Das Auf und Ab der russischen Verteidigungsausgaben …

Angetrieben von dem ehrgeizigen Plan, die Streitkräfte zu modernisieren und die erweiterte rüstungsindustrielle Basis zu verbessern, sind die Verteidigungsausgaben in Russland in den letzten Jahren drastisch angehoben worden. Aus dem am 9. Dezember verabschiedeten Haushaltsplan für die Jahre 2017–2019 geht jedoch hervor, dass die Verteidigungsausgaben – bezogen auf ihren Anteil an den öffentlichen Ausgaben, wie auch am Bruttoinlandsprodukt (BIP) – in den kommenden Jahren durchaus zurückgehen könnten. Vor dem Hintergrund des militärischen Eingreifens Russlands in den Krieg in Syrien und inmitten einer Phase zunehmender Spannungen zwischen Russland und dem Westen mag eine solche Lockerung der Verteidigungslasten überraschen. In diesem Beitrag soll die Dimension der geplanten Kürzung der Verteidigungsausgaben untersucht werden. Darüber hinaus werden die möglichen Auswirkungen der geplanten Ausgaben auf die Zukunft der russischen Pläne zu Umrüstung und Modernisierung der Streitkräfte erörtert. Diskutiert werden sollen auch die Folgen für die kurzfristige wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Von der Neuausrüstung …

Der dringende Bedarf zur Um- und Neuausrüstung der Streitkräfte war nach dem Krieg mit Georgien offensichtlich geworden. Ende 2010 erließ der damalige Präsident Dmitrij Medwedew ein staatliches, über 10 Jahre laufendes Rüstungsprogramm ("gosudarstwennaja programma woorushenija", im Weiteren: GPW-2020), durch das die Streitkräfte Russlands bis 2020 umgerüstet und modernisiert werden sollten. Es sollten hierfür nicht nur beträchtliche Mittel bereitgestellt werden (mehr denn je seit dem Ende der Sowjtunion), es wurde auch angestrebt, dass das GPW-2020 durch Investitionen in die Modernisierung des Anlagevermögens die russische Rüstungsindustrie wiederbeleben würde. Somit war das GPW-2020 ein Versuch, die russischen Streitkräfte zu modernisieren und gleichzeitig die Rüstungsindustrie des Landes zu erneuern. Das brachte Präsident Putin sogar dazu, die Hoffnung zu verkünden, dass die Rüstungsindustrie zum Zugpferd der technologischen Entwicklung für die übrige Wirtschaft werde. Als der Rüstungs- und Modernisierungsprozess in Schwung kam, stiegen die russischen Gesamtausgaben für das Militär von 3,8 % des BIP (2010) auf 5,4 % im Jahr 2015. Innerhalb dieser Ausgaben stiegen die Mittel für die "Staatlichen Aufträge zu Verteidigungszwecken" ("Gosudarstwennyj oboronnyj sakas" – GOS) von einem Prozent des BIP (2010) auf 2,4 % im Jahr 2015 (Die Schätzungen zu den Ausgaben über GOS stammen von Prof. Julian Cooper, Universität Birmingham; R.C.). Dies wurde durch staatlich garantierte Kredite (SGK) ergänzt, die über Banken in Staatsbesitz angeboten wurden, wie auch durch indirekte Finanzierung, die über andere Ministerien erfolgte, etwa das Ministeirum für Handel und Industrie, das die Entwicklung von militärisch nutzbaren Industrieprojekten förderte.

Diese Finanzspritzen für die Rüstungsindustrie verursachten eine Umorientierung bei der Zuschneidung der staatlichen Ausgaben auf föderaler Ebene. 2010 beliefen sich die Militärausgaben auf 15,9 % der föderalen staatlichen Ausgaben; bis 2015 war der Anteil auf 25,8 % angewachsen. 2015 entfielen allein auf die GOS (einschließlich staatlich garantierter Kredite) nahezu 12 Prozent der zentralstaatlichen Ausgaben, 2010 waren es noch weniger als 5 Prozent gewesen. Mit Militärausgaben, die laut SIPRI ("Stockholm International Peace Research Institute") 2015 auf 5,5 % des BIP gestiegen sind, lagen die Verteidigungslasten in Russland erheblich über dem Durchschnitt der NATO-Länder (1,5 % des BIP) und und denen in den USA (3,3 %) und in China (1,9 %). Für einige Beobachter bedeutete diese Umorientierung bei den Verteidigungsausgaben ein beunruhigendes Zeichen, da sie die Wahrnehmung von einem militärisch handlungsfähigen und bedrohlichen Russland verstärkt. Es sollte jedenfalls verstanden werden, dass die im GPW-2020 enthaltenen Rüstungsmaßnahmen zu einem großen Teil für den Anstieg der Militärausgaben gesorgt haben. Dieser wiederum war auch dringend vonnöten, nach dem Einbruch der Militäranschaffungen nach dem Zerfall der Sowjetunion. Verbesserte konventionelle Kapazitäten könnten nämlich beispielsweise dazu führen, dass russische Verteidigungsplaner weniger auf den Einsatz von Nuklearwaffen für den Fall größerer Konflikte setzen. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass die Mittel, die für das russische Militär bereitgestellt werden, absolut bemessen immer noch beträchtlich geringer sind als die der NATO im Westen und die Chinas im Osten. Der Nachtrag zum Haushalt 2016, der im Oktober verabschiedet wurde und im Föderalen Haushalt zusätzliche 780 Milliarden Rubel für die Haushaltslinie "Nationale Verteidigung" vorsieht, hat einige Beobachter dazu bewegt, eine weitere drastische Erhöhung der Verteidigungsausgaben auszumachen. Eine nähere Inspektion ergab jedoch, dass diese zusätzlichen Mittel nicht dazu vorgesehen waren, Ausgaben für aktuelle Operationen oder Anschaffungen zu decken, sondern ausstehende Kreditbeträge staatlich garantierter Kredite (SGK) zu reduzieren, die in früheren Jahren die unmittelbare staatliche Finanzierung über die Staatlichen Aufträge zu Verteidigungszwecken ergänzt hatten (das Gesamtvolumen betrug über 1,2 Billionen Rubel).

Der Staat beschloss einzugreifen, bevor umfangreiche Rückzahlungen im Laufe der Jahre 2017–18 fällig werden, vorwiegend, weil eine Reihe von Unternehmen den Rückzahlungsplan als zu belastend einschätzen und dadurch die Aussichten steigen würden, dass notleidende Kredite an Rüstungsunternehmen staatliche Banken in Mitleidenschaft ziehen könnten. Bald darauf ermöglichte ein vom Finanzministerium ausgearbeiteter Regierungserlass dem Staat, zu 100 % für die Schulden strategisch wichtiger Unternehmen zu bürgen (zuvor hatte er nur zu höchstens 70 % bürgen können).

Beide Entwicklungen, das Eingreifen des Staates mit dem Ziel, den Umfang ausstehender Mittel aus den SGK zu reduzieren, sowie der Schritt, den Anteil der SGK zu erhöhen, legen nahe, dass die finanzielle Situation zumindest einiger Schlüsselunternehmen im Rüstungssektor prekär ist – trotz des großen Anstiegs der Rüstungsausgaben in den letzten Jahren.

… zu einem Prioritätenwechsel?

Nach einer Zeit alljährlich stark ansteigender Verteidigungshaushalte, deutet der Haushaltsplan für 2017–2019 darauf hin, dass der Rüstungsindustrie eine Phase relativer Austerität bevorsteht. Angesichts der allgemeineren, länger währenden Schwierigkeiten, mit denen die Wirtschaft Russlands seit 2013 zu kämpfen hat, sind die Steuereinnahmen zurückgegangen. Die Absicht der russischen Führung, das Haushaltsdefizit zu reduzieren, hatte Pläne zu einer stetigen und erheblichen Reduzierung der Ausgaben in fast allen Bereichen staatlichen Handelns zur Folge.

2015 beliefen sich die zentralstaatlichen Ausgaben auf 21,2 % des BIP. In dem Haushaltsplan ist vorgesehen, dass der Anteil der zentralstaatlichen Ausgaben 2017 auf 18,7 % zurückgehen und 2019 schließlich 16,2 % des BIP ausmachen soll. Diese Reduzierung der allgemeinen Ausgaben soll das Haushaltsdefizit von wahrscheinlichen 4 % 2016 auf lediglich 1,2 % im Jahr 2019 drücken. Seit dem Beginn der Rezession 2015 waren die Verteidigungsausgaben von größeren Kürzungen verschont geblieben, zumindest im Vergleich zu den meisten anderen Haushaltssektoren (mit Ausnahme der Sozialausgaben). Einige buchhalterische Tricks haben geholfen. So sah der Haushalt 2016, so wie er im Haushaltsgesetz niedergelegt wurde, eine nominale Reduzierung der Ausgaben für die Haushaltslinie "nationale Verteidigung" von nur einem Prozent (rund 320 Milliarden Rubel) vor, während es in anderen Sektoren im Schnitt 10 Prozent waren. Das hätte eine Reduzierung der gesamten Verteidigungsausgaben (in der Definition des SIPRI) von 5,4 % des BIP im Jahr 2015 auf 4,8 % bedeutet. Allerdings war die Ausgabe von SGK mit einem Volumen von fast 200 Milliarden Rubel – ein Ausgleich für diese Kürzungen – bei der Umsetzung von staatlichen Rüstungsanschaffungen hilfreich; das erfolgte schon vor der Bewilligung zusätzlicher Mittel zur Verringerung der ausstehenden SGK-Beträge, wie sie später im Nachtragshaushalt vorgenommen wurde.

Der Haushaltsplan für 2017–2019 scheint auf eine größere Reduzierung der Verteidigungslasten hinzudeuten. Die Ausgaben für die "nationale Verteidigung" sollen laut Plan von fast einem Viertel der zentralstaatlichen Ausgaben im Jahr 2016 (19 % ohne die extra bewilligten Mittel zur Rückzahlung der SGK) im Zeitraum 2017 bis 2019 auf rund 17,5 % zurückgehen. Die Ausgabenkürzung sollte, falls plangemäß umgesetzt, die Vertreidigungsausgaben real (also inflationsbereinigt) zumindest auf das Niveau von 2013 zurückführen. Auf den ersten Blick scheint dieses Ende des starken Anstiegs der Verteidigungsausgaben aus den letzten Jahren eine wichtige Entwicklung zu sein.

Falls der Kreml beabsichtigt, seine Militärausgaben zurückzufahren (insbesondere in einer Zeit angespannter Beziehungen zwischen Russland und dem Westen), könnte das sehr wohl auf eine zukünftige Abmilderung der Spannungen hindeuten. Eine eingehendere Betrachtung des Haushalts zeigt jedoch, dass die Reduzierung der Fördermittel für die Rüstungsindustrie vielleicht nicht ganz so heftig ausfallen dürfte, wie es dargestellt wurde.

Zum einen ist die scheinbar drastische jährliche Reduzierung (2016–2017) von nominal 30 %, von der in einigen Kreisen berichtet wurde, irreführend. Ein derart starker Rückgang ist darauf zurückzuführen, dass in den Nachtragshaushalt 2016 die zusätzlichen Mittel zur Reduzierung der Außenstände aufgrund von SGK eingestellt wurden. Wenn diese zusätzlichen Mittel herausgerechnet werden (indem etwa nur artgleiche Ausgaben verglichen werden), liegt die Kürzung der Ausgaben für "nationale Verteidigung" bis zum Folgejahr eher bei nominal 9 Prozent.

Darüber hinaus ergibt eine genauere Untersuchung der geplanten Ausgaben, dass bei den Ausgaben für "nationale Verteidigung" erhebliche Unterschiede bestehen. Beispielsweise scheint ein großer Teil der geplanten Ausgabenkürzungen auf den Titel "angewandte Forschung und Entwicklung im Bereich der Nationalen Verteidigung" zu entfallen, wo die Finanzierung von 432 Milliarden Rubel 2016 auf 346 Milliarden im Jahr 2017 und auf gar 176 Milliarden Rubel im Jahr 2019 sinken soll. Das entspricht einer Gesamtreduzierung um fast 60 Prozent in drei Jahren. Die meisten anderen Haushaltsposten sind vor solchen Kürzungen geschützt, ausgenommen der Titel "andere Posten im Bereich der nationalen Verteidigung", über den vermutlich die Ausgaben für die Einsätze in Syrien finanziert werden.

Drittens sieht es so aus, dass zusätzliche Mittel an anderer Stelle im Haushalt bereitgestellt werden, um die Rüstungsindustrie für Kürzungen bei der Direktfinanzierung zu entschädigen. So sind zum Beispiel unter dem geheimen Ausgabentitel für die nationale Wirtschaft zusätzliche 150 Milliarden Rubel eingestellt worden. Das stellt gegenüber 2016 eine Versiebenfachung der Ausgaben unter diesem Titel dar und beinhaltet eine Verneunfachung der Geheimausgaben für "angewandte Forschung und Entwicklung". Da nun im Mai 2016 ein neues staatliches Programm zur Produktivitätssteigerung im Verteidigungsindustrie-Komplex (OPK) verabschiedet wurde (Nr. 425-8 "Entwicklung des Verteidigungsindustrie-Komplexes"), ist es wahrscheinlich, dass dies durch eine erhöhte Finanzierung über Kanäle des Ministeriums für Industrie und Handel ("Minpromtorg") umgesetzt werden wird. Darüber hinaus sind weitere 43,7 Milliarden Rubel in Form von SGK verfügbar geworden, mit denen die Finanzierung der Entwicklung des OPK gestützt werden soll. Während sich also die Finanzierungsmechanismen geändert haben, ist der Nutznießer, nämlich der OPK, letztendlich der gleiche geblieben.

Viertens wird erwartet, dass die jährlichen Staatlichen Aufträge zu Verteidigungszwecken (GOS) nominal nur langsam schrumpfen werden. Während 2016 noch 1,65 Billionen Rubel für die GOS bewilligt wurden, bedeuten die bescheidenen jährlichen Einschnitte, dass den GOS, die zum großen Teil Beschaffungen finanzieren, 2019 immer noch 1,55 Billionen Rubel zugeteilt werden. Das ist eine recht mäßige Kürzung, selbst wenn man berücksichtigt, dass der reale Wert dieser Ausgaben durch die Inflation auf das Niveau von 2013 schrumpfen dürfte. Tatsächlich wird wohl der Anteil der Ausgaben für die GOS an den Gesamtausgaben für "nationale Verteidigung" von 53,5 % (2016) auf knapp 58 Prozent im Jahr 2018 ansteigen (und anschließend wieder zurückgehen), da letztere wohl insgesamt stärker reduziert werden als die Ausgaben für die GOS.

Fünftens schließlich dürfte es Raum für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben geben, falls sich die allgemeine Wirtschaftslage bessert. Anfang November 2016 verabschiedete die Staatsduma eine Maßnahme, die es der Regierung ermöglicht, bis zu 10 Prozent der zentralstaatlichen Ausgaben für Sicherheits- und Verteidigungszwecke umzuwidmen, ohne dass hierfür eine Zustimmung der Duma nötig ist. Andererseits können anscheinend für die Umsetzung des staatlichen Rüstungsprogramms keine zusätzlichen Mittel beschlossen werden. Da der Haushalt insgesamt auf einem relativ konservativen Ölpreis von 40 US-Dollar pro Barrel (der Sorte "Urals") über drei Jahre beruht, liegt es nahe, dass die Steuereinnahmen höher sein könnten als erwartet, inbesondere, wenn Russland und die OPEC erfolgreich bei der Stützung der Ölpreise zusammenarbeiten. Die Staatsausgaben korrelieren in Russland eng mit den Öleinnahmen. Wenn der Ölpreis höher ist als prognostiziert, lassen sich damit auch erhöhte Staatsausgaben erwarten.

Folgen für die Modernisierung der Streitkräfte und die Entwicklung der Wirtschaft

Es ist klar, dass Russlands langwährende und weiterhin anhaltende wirtschaftliche Schwierigkeiten die Politik in Moskau dazu zwingen, einige harte Entscheidungen über die Verwendung der immer knapper werdenden öffentlichen Mittel zu treffen. Allerdings scheinen die Haushaltspläne für die kommenden drei Jahre – trotz der Sparstimmung, die in den meisten Ministerien herrscht – entsprechende Folgen für das Millitär wie auch die Rüstungsindustrie zu reduzieren oder sogar ganz zu neutralisieren. Es liegt auf der Hand, dass angesichts der Beschränkung der öffentlichen Ausgaben die rapiden Steigerungen, die sowohl bei der Beschaffung (die unter Einbeziehung der SGK zwischen 2010 und 2015 jährlich um über 30 Prozent zugenommen hatte) als auch weitergefasst bei den Militärausgaben zu beobachten waren, ein Ende gefunden haben. Grafik 1 verdeutlicht, dass bei den Ausgaben über die GOS der Höhepunkt 2015 erreicht wurde und für die nächsten drei Jahre ein Rückgang geplant ist.

Dem Präsidenten zufolge sollte in der absehbaren Zukunft die Konzentration auf eine "Optimierung" der Verteidigungsausgaben gerichtet werden (also auf einen effizienteren Einsatz der bestehenden Ressourcen), und einer "Diversifizierung" der Rüstungsproduktion (also einer Entwicklung weg von staatlichen Rüstungsaufträgen als wichtigster Verkaufsquelle in Richtung ziviler Produktion). Dadurch könnte die Rüstungsindustrie ihre Abhängigkeit von den GOS hinsichtlich des überwiegenden Anteils der Einnahmen reduzieren (Putin schätzt diesen Anteil auf 84 Prozent der Einnahmen der Rüstungsindustrie im Jahr 2016).

Dennoch zeigt der Umstand, dass die Regierung trotz der drastischen Kürzung der Staatsausgaben weiterhin zur Nachrüstung entschlossen scheint, dass die Modernisierung der Streitkräfte, neben der sozialen Fürsorge, im Kreml immer noch höchste Priorität hat. Letztendlich scheinen die Ausgaben über die GOS – dem Realwert nach – für die absehbare Zukunft auf dem Niveau von 2013/2014 zu verharren.

Die Neuausrüstung der Streitkräfte scheint somit wohl fortgesetzt zu werden, was der politischen Priorität entspricht, die dieses Ziel in den letzten Jahren hatte. Während einzelne Waffensysteme wie der Kampfjet vom Typ PAK-FA und der Kampfpanzer "Armata" in geringerer Stückzahl als ursprünglich prognostiziert und langsamer produziert werden könnten, ist es wahrscheinlich, dass in den kommenden Jahren erhebliche Mengen neuer Ausrüstung in den Streitkräften eintreffen und deren Fähigkeiten insgesamt steigern werden.

Während die Orientierung auf Verteidigungsausgaben zu Lasten von beispielsweise Bildung oder Gesundheit und angesichts der Ausmaße der sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen, denen die russische Führung gegenübersteht, sehr wohl fehlgeleitet erscheinen mag, gibt es doch eine Reihe von Gründen anzunehmen, dass sie gleichwohl aufrechterhalten werden kann. Zum einen hat Russland sehr reale und spezifische Sicherheitsbedürfnisse, die es mit sich bringen, dass es eine größere Verteidigungslast als die meisten anderen Länder zu tragen hat. Die Unterstützung für relativ hohe Verteidigungsaugaben ist dadurch in der Bevölkerung wie auch in der Elite groß. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Sicherheitsbedürfnisse bald verschwinden werden, weshalb zu erwarten ist, dass diese Entschlossenheit von Elite und Bevölkerung anhält.

Zweitens haben hohe Funktionäre, darunter auch der Präsident, verkündet, dass sobald das Ziel der Modernisierung der Ausrüstung in den Streitkräften erreicht sei, die Ausgaben für Anschaffungen wohl heruntergefahren würden. Tatsächlich deuten die Stellungnahmen zur wahrscheinlichen Zielrichtung des neuen staatlichen Rüstungsprogramms GPW-2025 (das bis Sommer 2017 ausgearbeitet werden soll) darauf hin, dass sich die Konzentration weg von einer weitreichenden Neuausrüstung der Streitkräfte hin zur Entwicklung von Hightech-Kommunikations- und Informationssystemen sowie zu Waffensystemen einer neuen Generation verschieben wird. Und schließlich bleibt bei allen Auslassungen russischer Führungskräfte, die die Präferenz von "Kanonen über Butter" betonen, die Tatsache bestehen, dass die Verteidigungslasten um Längen hinter jenen zurückbleiben, die zu Sowjetzeiten zu schultern waren. Während die Verteidigungsausgaben sich zwar nicht als Lokomotive für Wachstum und technologische Entwicklung erweisen könnten, wie das Putin erhofft hat, sind sie aber auch kein dermaßen deformierender Faktor, wie in der Sowjetunion.

Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder

Lesetipps

  • Connolly, R.; C. Senstad: Russian Rearmament: An Assessment of Defense-Industrial Performance, in: Problems of Post-Communism, 2016.

  • Cooper, J.: The Military Dimension of a More Militant Russia, in: Russian Journal of Economics, 2.2016, Nr. 2, S. 129–145.





Fussnoten

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Richard Connolly ist Direktor des Zentrums für Europa- und Eurasienstudien an der Universität Birmingham. Er ist darüber hinaus Associate Fellow des Russland- und Eurasienprogramms von Chatham House, Gastprofessor an der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Herausgeber von "Post-Communist Economies".