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Kommentar: Hintergründe des Ukrainekriegs | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Kommentar: Hintergründe des Ukrainekriegs

Dr. Christian Wipperfürth

/ 4 Minuten zu lesen

Die Idee einer Zollunion, welche neben Belarus, Kasachstan und Russland auch die Ukraine umfasst, ist Geschichte. Es ist auch diese Tatsache, die Russland schließlich zu seinem aggressiven Verhalten in der Ostukraine verleitete.

Die weißrussisch-russische Grenze. (© picture-alliance)

Dem Kreml ist spätestens seit dem Kiewer Machtwechsel Ende Februar bewusst, dass die Ukraine der aus Belarus, Kasachstan und Russland bestehenden Zollunion fernbleiben wird. Moskau versucht seither eine ausschließliche Westbindung Kiews zu verhindern:

  • Die Ukraine soll nicht der NATO beitreten, sondern blockfrei bleiben.

  • Die Ukraine soll eine föderale Ordnung erhalten, um einen dauerhaften Einfluss des "russlandfreundlichen" Südens und Ostens auf Kiew zu gewährleisten.

  • Die russische Sprache soll einen gesicherten und dauerhaften Status genießen.

Eine Einverleibung der Ostukraine stand nicht auf der Agenda. Kiew war hinsichtlich der geopolitischen Orientierung des Landes, der staatlichen Gliederung und der Sprachenfrage nicht ernsthaft zu einem Kompromiss bereit. Dies war vielleicht nachvollziehbar, denn Kiew musste fürchten, nach der völkerrechtswidrigen Aktion Russlands auf der Krim weitere Landesteile zu verlieren. Dabei machen Umfragen seit vielen Jahren deutlich, dass eine überwältigende Mehrheit der Menschen in der Ost- und Südukraine eine NATO-Mitgliedschaft ablehnt und eine Statusverbesserung des Russischen fordert. Bereits im März vertrat fast die Hälfte der Befragten im Osten und Süden der Ukraine die Ansicht, die Differenzen zwischen den Landesteilen seien so groß, dass ein Staatszerfall denkbar sei. (http://dif.org.ua/ua/polls/2014_polls/chi-vlastivi-ukraincjam-nastroi-sepa ratizmu.html, in: Ukraine-Analysen 132, S. 19) Auf die Frage "Übt die gegenwärtige Regierung in Kiew einen guten oder schlechten Einfluss auf die Entwicklung in der Ukraine aus?" vertraten Mitte April im Westen der Ukraine 60 Prozent, im Osten nur gut 20 Prozent der Befragten die Ansicht, der Einfluss sei gut. Zwei Drittel waren im Osten hingegen der Auffassung, der Einfluss sei schlecht. (Pew Research Center, May 2014, "Despite Concerns about Governance, Ukrainians Want to Remain One Country", Externer Link: http://www.pewglobal.org/files/2014/05/Pew-Global-Attitudes-Ukraine-Russia-Report-FINAL-May-8-2014.pdf)

Die Kiewer Führung versuchte den Eindruck zu erwecken, dass die Unruhe in der Ostukraine durch Russland initiiert und gesteuert werde. Wie hätte sie auch sonst erklären können, dass Separatisten während des gesamten Frühjahrs Polizeistationen, Kasernen und sogar regionale Hauptquartiere des Geheimdienstes besetzten, ohne auch nur einen Schuss abzugeben? Eine Minderheit der staatlichen Sicherheitsorgane wechselte offen die Seite, ein großer Teil blieb passiv. Die Separatisten wurden nur von einer Minderheit der Bevölkerung der Ostukraine aktiv unterstützt, eine große Mehrheit der Menschen lehnte die Politik Kiews aber nachdrücklich ab. Die ukrainischen Streitkräfte waren nur eingeschränkt bereit zu kämpfen, vermieden den Feindkontakt und versuchten stattdessen, den Gegner durch Artilleriebeschuss zu zermürben.

Kiew versuchte, den Westen durch überzeichnete oder falsche Meldungen über die Rolle Russlands auf seine Seite zu ziehen bzw. zu instrumentalisieren. Am 24. April beispielsweise legte US-Außenminister John Kerry Belege für die Anwesenheit russischer Agenten in Form von Fotos vor. Die von der ukrainischen Regierung zur Verfügung gestellten Fotos waren aber verfälscht worden. Washington hatte sich nicht veranlasst gesehen, die Fotos zu prüfen und übte auch keine öffentliche Kritik an den Fälschungen, sondern verhängte im Gegenteil weitere Sanktionen. Dies verstand Kiew natürlich als Einladung, die Rolle Russlands bei den Unruhen stark über-, diejenige der innerukrainischen Ursachen aber unterzubelichten.

Insbesondere Deutschland versuchte immer wieder, Brücken zu bauen. So legte Außenminister Frank-Walter Steinmeier im April einen mit Frankreich und Polen abgestimmten Plan vor, über den der "Spiegel" schrieb: "Steinmeiers Osteuropa-Plan, Brüssel oder Moskau? Beides!"

Und am 30. Juni vereinbarten die Bundeskanzlerin und die Präsidenten Frankreichs, Russlands und der Ukraine zu kooperieren, um eine anhaltende Waffenruhe in der Ostukraine und eine wirksame Kontrolle der russisch-ukrainischen Grenze zu erreichen. (Externer Link: www.welt.de/politik/ausland/article129629890/Kiew-und-Moskau-einigen-sich-auf-Waffenruhe.html) Russland schlug vor, dass sich ukrainische Beamte auf der russischen Seite an der Grenzkontrolle beteiligen könnten, und zwar dort, wo auf der ukrainischen Seite die Separatisten die Kontrolle ausüben. Die Grenze sollte zudem von OSZE-Beobachtern überwacht werden. (Externer Link: www.ft.com/cms/s/0/27275a8e-0047-11e4-a3f2-00144feab7de.html#ixzz38UKOUcmv) Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine verabschiedeten auf Steinmeiers Initiative am 2. Juli eine gemeinsame Erklärung. Sie forderten u. a. eine umfassende Waffenruhe und begrüßten die bereits genannte Bereitschaft Moskaus zur Verbesserung der Grenzkontrollen. (Externer Link: www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Meldungen/2014/140702_Statement.html) Der ukrainische Präsident verkündete jedoch fast unmittelbar nach der Einigung den Beginn einer Offensive, was die USA begrüßten. Poroschenko erklärte, sein Land müsse von "Parasiten" befreit werden. Die Ukraine habe bislang keine konkreten Schritte der Deeskalation gesehen, z. B. verstärkte Grenzkontrollen, dabei war gerade dies soeben vereinbart worden. (http://uk.reuters.com/article/2014/07/01/us-ukra ine-crisis-idUKKBN0F52OO20140701)

Die Ukraine versuchte einen militärischen Durchmarsch, im Gegenzug verstärkte Moskau die Unterstützung für die Separatisten. – War dies legitim? Zumindest die Ostukrainer beantworteten diese Frage mit ja, indem sie zu Hunderttausenden nach Russland flüchteten.

Die Ukraine hat als geeinter Staat nur eine Zukunft zwischen dem Westen und Russland. Der Versuch, sie auf eine Seite zu ziehen, hat bereits Tausende Menschenleben gekostet und dürfte zum endgültigen Ende der territorialen Einheit sowie einer menschlichen und wirtschaftlichen Katastrophe für das gesamte Land führen.

Fussnoten

Dr. Christian Wipperfürth ist seit 2014 Associate Fellow der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Von 2001 bis 2004 hat er als Assistant Professor Internationale Beziehungen an der Universität in St. Petersburg unterrichtet. Seit 2005 arbeitet er als selbstständiger Publizist. Schwerpunkte seiner Arbeit sind die aktuelle russische Außenpolitik, die deutsch/europäisch-russischen Energiebeziehungen und die russisch-chinesischen Beziehungen.