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Geschichte und Einfluß des Kaiserhauses | Japan | bpb.de

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Geschichte und Einfluß des Kaiserhauses

Manfred Pohl

/ 5 Minuten zu lesen

Kaiser Akihito und andere Mitglieder der japanischen Kaiserfamilie grüßen das Volk. (© picture-alliance/AP)

Einleitung

Japan ist die älteste Monarchie der Welt. An der Spitze des Staates steht der Tenno, im Westen üblicherweise kurz als "Kaiser" übersetzt. Der Tenno (himmlischer Herrscher, auch Mikado) war jahrhundertelang - zumindest formal - zugleich weltliches und religiöses Oberhaupt des japanischen Staates. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde um die Institution des Tenno gezielt eine Aura des Mythischen aufgebaut, die den Kaiser schließlich als gottähnliches Wesen erscheinen ließ. In der ersten japanischen Verfassung von 1889 wurde der Tenno als "heilig und unverletzlich" bezeichnet, seine Herrschaft gründete angeblich auf einer "ununterbrochenen Folge von Kaisern, die seit ewigen Zeiten regieren".

Die Führer der Meiji-Restauration (siehe auch "Historische Entwicklung"), denen es gelang, gegen die Militärregenten der Familie Tokugawa dem Kaiser die politische Macht zurückzugewinnen, wollten einen zentralistischen Staat mit einer "Familien-Ideologie". Der Kaiser als göttlich verklärte "Vaterfigur" dieses Staates diente zur Rechtfertigung des absoluten Herrschaftsanspruches eines autoritären Staates. Wie schon in früheren Jahrhunderten übte der Tenno nur formal die Herrschaft aus, de facto legitimierte er lediglich die Machtausübung mächtiger Politiker und Militärs. Erst 1945 verzichtete der damalige Tenno Hirohito (postum Showa-Tenno) unter der amerikanischen Besatzung förmlich auf diesen Herrschaftsanspruch und auf die gottähnliche Stellung des Kaisertums. Heute wird die Rolle des Tenno in der Verfassung so beschrieben: "Der Tenno ist Symbol Japans und der Einheit des japanischen Volkes."

Im Rahmen der Verfassung von 1947 übt der Tenno rein repräsentative Pflichten aus. Seine Reisen, öffentlichen Auftritte und Ansprachen werden von der Regierung festgelegt, das tägliche Leben des Kaisers und seiner Familie wird von dem konservativen Haushofamt bestimmt. Das Haushofamt hat noch heute Einfluß auf das Leben aller Mitglieder der kaiserlichen Familie, die sich am Hofe und bei öffentlichen Auftritten komplizierten Ritualen unterwerfen müssen - das Haushofamt wacht über diese Rituale. Die Beamten des kaiserlichen Hofes trauern ihrer mächtigen politischen Rolle bis 1945 nach, als sie allein bestimmten, wer Zutritt zum Hofe und zum Kaiser hatte. Sie widersetzen sich vehement allen Versuchen jüngerer Mitglieder des Kaiserhauses, das Leben bei Hofe liberaler zu gestalten und in der Öffentlichkeit die kaiserliche Familie in ähnlicher Weise darzustellen, wie es europäische Königshäuser tun. Der Kaiser

  • eröffnet die Sitzungsperioden des Parlaments (im Oberhaus),

  • nimmt die Beglaubigungsschreiben ausländischer Diplomaten entgegen,

  • zeichnet Gesetze gegen (er kann jedoch kein Gesetz blockieren),

  • vertritt Japan auf Staatsbesuchen und

  • ehrt verdiente Bürgerinnen und Bürger Japans oder ausländische Persönlichkeiten zum Beispiel durch Ordensverleihungen.

Anfänge

Der Legende nach wurde das japanische Kaiserhaus von dem mythischen Kaiser Jimmu-Tenno begründet. Die frühgeschichtlichen Annalen bezeichnen ihn als Enkel der Sonnengöttin Amaterasu-Omikami, er soll 600 v. Chr. das japanische Reich von Yamoto gegründet haben. Dieser erste japanische "Staat" umfaßte in etwa die Region um die Städte Kyoto und Nara. Im Kampf um die Macht setzte sich eine Familie durch, die der Legende nach von da an alle Tenno stellte. Die frühen Geschichtswerke waren als Rechtfertigungswerke für den Herrschaftsanspruch dieses ersten Kaiserhauses verfaßt worden: Göttliche Abstammung und eine Herrschaft "seit ewigen Zeiten" sollten den unumschränkten Machtanspruch des Kaiserhauses in einer Epoche begründen, in der auch andere Familien noch Anspruch auf den Thron erhoben. Nicht nur der militärische Sieg über die anderen Familien rechtfertigte den Herrschaftsanspruch, sondern auch eine mythologische Begründung mußte geschaffen werden.

In der Frühphase des japanischen Reiches konnten auch Frauen den Thron besteigen, im 6. und 7. Jahrhundert sind sieben weibliche Tenno belegt. Förmlich wurde erst im 19. Jahrhundert durch das Kaiserliche Hausgesetz die männliche Erbfolge vorgeschrieben. Seit dem 8. Jahrhundert mit der Konsolidierung des japanischen Staates, nahm auch die Institution des Tenno feste Formen an: Er war Oberpriester der japanischen Ur-Religion, des Shinto, und regierte den Staat. Sehr selten aber übte der Kaiser selbst unmittelbar die politische Macht aus, in seinem Namen herrschten mächtige Hof-Familien, Generäle oder Regenten aus dem Kaiserhaus. Eine feste Erbfolge gab es jahrhundertelang nicht, die Tenno wählten ihre Nachfolger selbst aus. Einzige Bedingung war die Zugehörigkeit zur kaiserlichen Familie.

Seit der Tokugawa-Zeit (17.-19. Jahrhundert, siehe auch "Historische Entwicklung") führte der Tenno in der alten Kaiserstadt Kyoto ein politisches Schattendasein, die wahre Macht lag bei den Generalregenten (japanisch Shogunen) der Familie Tokugawa, die in Edo, dem späteren Tokyo, residierten. Erst die Meiji-Restauration von 1868 mit dem Sturz der Tokugawa gab dem Kaiser zumindest formell die politische Zentralmacht zurück, jetzt residierte er in der "östlichen Hauptstadt" Tokyo. Meiji-Tenno (1868-1912) war eine starke Herrscherpersönlichkeit, die zusammen mit ehrgeizigen und machthungrigen Reformern das Land in eine rasante und erfolgreiche Modernisierungsphase trieb, die hohe soziale Opfer forderte.

Im Namen des Tenno begannen die politischen und militärischen Führer Japans Ende des 19. Jahrhunderts mit einer imperialistischen Außenpolitik, die ab 1937 (Beginn des japanisch-chinesischen Krieges) zur Katastrophe des Pazifischen Krieges als Teil des Zweiten Weltkriegs führte. Noch heute ist umstritten, welche Rolle der damalige Tenno Hirohito bei der Planung der japanischen Aggressionen spielte. Mehrere Historiker sehen ihn als einen der Hauptverantwortlichen für den Krieg. Ultranationalisten, aber auch andere Historiker widersprechen dem heftig und sehen den Tenno als Opfer und Marionette verblendeter Militärs. Auf Druck der USA wurde Hirohito nicht als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt, obwohl Japans Kriegsgegner wie Indien und Australien dies forderten. Die amerikanische Besatzungsmacht begnügte sich damit, die Institution des Tenno zwar politisch zu entmachten, zugleich aber als Symbol staatlicher Integration und historischer Kontinuität zu erhalten.

Tenno und japanische Zeitrechnung

Die westliche Jahreszählung ist zwar in Japan allgemein üblich, aber mindestens gleichwertig steht daneben die traditionelle Zeitrechnung nach den Ära- oder Regierungsdevisen der Tenno. Jeder Kaiser wählt auf Vorschlag einer Expertenkommission eine solche "Devise" (Glück bedeutende Regierungslosung eines japanischen Herrschers), die ihm nach seinem Ableben als postumer Name verliehen wird. Der persönliche Name wird dann nicht mehr verwendet. In früheren Jahrhunderten wurde dieser Name dann ein Tabu.

Der verstorbene Vater des jetzigen Tenno hatte den persönlichen Namen Hirohito, seine Ära-Devise (1926-89) war "Showa" (deutsch etwa "erleuchteter Friede"), heute wird er also als Showa-Tenno bezeichnet. Die gegenwärtige Devise lautet Heisei (etwa "den Frieden schaffen"). Zur Ermittlung einer Jahresangabe werden nun vom Jahr der Thronbesteigung an die Ära-Jahre bis zur Gegenwart gezählt und ein Jahr abgezogen (die "Schwangerschaftszeit").

Die Ära-Devisen der Neuzeit lauten nach westlicher Jahreszählung:

  • Meiji (1868-1912),

  • Taisho (1912-1926),

  • Showa (1926-1989),

  • Heisei (von 1989 an).