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Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen | Widerstand gegen den Nationalsozialismus | bpb.de

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Widerstand als Reaktion auf Krieg und NS-Gewaltverbrechen

Prof. Dr. Johannes Tuchel Julia Albert

/ 52 Minuten zu lesen

Die Versuche, Widerstand zu organisieren, erfolgten unter der ständigen Bedrohung durch ein politisches Regime, das einen Eroberungskrieg in Europa vorbereitete und dafür im Innern entsprechende Vorkehrungen traf. Zu diesen Vorkehrungen gehörten die Aufrüstung, aber auch die Gleichschaltung, Ideologisierung, Militarisierung und ständige Mobilisierung der deutschen Gesellschaft im Rahmen der "Volksgemeinschaft".

Die Versuche, Widerstand zu organisieren, erfolgten unter der ständigen Bedrohung durch ein politisches Regime, das einen Eroberungskrieg in Europa vorbereitete und dafür im Innern entsprechende Vorkehrungen traf. Zu diesen Vorkehrungen gehörten die Aufrüstung, aber auch die Gleichschaltung, Ideologisierung, Militarisierung und ständige Mobilisierung der deutschen Gesellschaft im Rahmen der "Volksgemeinschaft".

Infolge des Krieges wurden viele Männer zur Wehrmacht einberufen. Um ihre Arbeitskraft zu ersetzen und für den "Endsieg" des Deutschen Reiches zu sorgen, wurden Millionen Menschen aus den von den Deutschen eroberten und besetzten Ländern zur Zwangsarbeit in der Industrie und in der Landwirtschaft nach Deutschland gebracht. Unmittelbar hinter der Front begannen schon wenige Tage nach dem deutschen Überfall auf Polen Gewaltverbrechen, die für die nächsten Jahre die besetzten Gebiete zum Zentrum des Massenmords werden ließen. Doch auch in Deutschland selbst wurde im Herbst 1939 mit der Mordaktion an 200.000 kranken und hilflosen Menschen ein Massenverbrechen verübt, das verharmlosend als Euthanasie – "Gnadentod" – bezeichnet wurde. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 folgte dann der Massenmord an sowjetischen Kriegsgefangenen. Die Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten fiel nicht nur dem Kriegsgeschehen zum Opfer. Viele wurden als Partisanen verdächtigt und hingerichtet oder Ziel von Vergeltungsaktionen. Im selben Jahr setzte das NS-Regime den planmäßigen Völkermord an den Juden Europas in Gang, der mehr als sechs Millionen Menschenleben fordern sollte. Auch hunderttausende Sinti und Roma wurden Opfer des nationalsozialistischen Genozids.

Regimegegner stellten sich gegen Krieg und Völkermord. Sie waren oftmals vereinzelt und verzweifelt. Hinzu kam, dass sich ab Kriegsbeginn im Herbst 1939 die Rahmenbedingungen für die Regimegegnerschaft entscheidend verschlechtert hatten. Eine Vielzahl von Sonderbestimmungen, die im "Kriegssonderstrafrecht" zusammengefasst waren, ermöglichten höhere Strafen als bisher gegen alle, deren Verhalten auch nur geringfügig von der Norm abwich. Todesurteile gegen Kriegsdienstverweigerer gehörten jetzt ebenso zur Realität des NS-Staates wie schwere Strafen für diejenigen, die ausländische Rundfunksender gehört hatten und von "Volksgenossen" denunziert worden waren.

Unter diesen Bedingungen wurde die Bildung oppositioneller Netze und Gruppen immer schwieriger, die Gefahr des Verrats immer größer. In einer Gesellschaft, in der Meinungsaustausch mit Argwohn betrachtet wurde, boten nur Freundes- und Diskussionskreise die Möglichkeit für die Weiterentwicklung politischer Konzepte. Jenseits von Meinungsverschiedenheiten in Details waren sich alle Regimegegner jedoch einig in ihren Forderungen nach dem Sturz Hitlers, dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen und des von den Nationalsozialisten entfesselten Vernichtungs- und Weltanschauungskrieges. Angesichts von Krieg und Gewaltherrschaft wollten sie gegenüber den Herausforderungen der Diktatur nicht tatenlos bleiben.

Mordaktion in Serbien, Oktober 1941 (© Baier © ECPAD, Paris)

Widerstand aus der Arbeiterbewegung

Als der Krieg begann, bemühten sich die Regimegegner aus der Arbeiterbewegung um den Aufbau von betrieblichen Widerstandsgruppen. Sie versuchten, Nachrichten über den tatsächlichen Kriegsverlauf zu verbreiten, die Rüstungswirtschaft zu sabotieren und Verfolgte zu unterstützen. Obwohl die Nationalsozialisten in den 1930er-Jahren bereits nahezu alle größeren Widerstandsgruppen von Kommunisten, Sozialdemokraten und Sozialisten zerschlagen hatten, konnten Verfolgung und Entrechtung den Willen der Regimegegner nur selten brechen. Die Erfahrungen der Haft bestärkten viele in ihrem Entschluss, den NS-Staat weiterhin bei jeder sich bietenden Gelegenheit aktiv zu bekämpfen. Neue Widerstandsorganisationen aufzubauen und Kontakte zu anderen Gruppen herzustellen, gelang jedoch nur in wenigen Fällen.

Viele Kommunisten hatte der Abschluss des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes vom 23. August 1939 wie ein Schock getroffen. Ein großer Teil von ihnen wollte nun einen eigenen, von der Moskauer Führung unabhängigen Weg finden und sich neu orientieren. Erst der Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 und die Kenntnis von den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen bewirkten eine neuerliche Verstärkung kommunistischer Widerstandsaktivitäten und eine Wiederannäherung an die Politik der Sowjetunion und der KPD-Führung.

Auch frühere KPD-Funktionäre, die 1939 und 1940 aus Konzentrationslagern und Zuchthäusern zurückkehrt waren, versuchten, neue Widerstandsgruppen aufzubauen. So entstanden um Robert Uhrig in Berlin, um Theodor Neubauer in Mitteldeutschland und um Bernhard Bästlein in Hamburg große Widerstandsorganisationen; eine weitere um Wilhelm Knöchel war im Ruhrgebiet aktiv. Später bildete sich in Berlin eine weit verzweigte kommunistische Widerstandsorganisation um Anton Saefkow und Franz Jacob. Sie verstand sich als Inlandsleitung der KPD und orientierte sich an den Zielen des 1943 von emigrierten Kommunisten und deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion gegründeten Nationalkomitees "Freies Deutschland".

Diese Organisationen, in denen auch Sozialdemokraten und Sozialisten mitwirkten, verbreiteten Flugblätter und selbstgefertigte Flugschriften. Vor allem aber versuchten sie, in den Betrieben ihre Basis auszubauen und sich auf die Zeit nach der Befreiung von der NS-Herrschaft vorzubereiten. Doch immer wieder schleuste die Gestapo Spitzel in die kommunistischen Gruppen ein und konnte sie so zerschlagen.

Einige sozialistische Gruppen wie die Revolutionären Sozialisten und der Internationale Sozialistische Kampfbund konnten ihre Widerstandsaktivitäten bis in die Kriegszeit fortsetzen. Sozialdemokratische Regimegegner festigten vor allem ihre Kontakte untereinander, ohne allerdings fest organisierte Gruppen aufzubauen. Ihr Ziel war es, nach einer deutschen militärischen Niederlage, die die Befreiung vom Nationalsozialismus bedeutete, politisch handlungsfähig zu sein.

Einzelne Sozialdemokraten und Gewerkschaftsführer standen in enger Verbindung mit den Berliner Widerstandskreisen um Carl Friedrich Goerdeler, Helmuth James Graf von Moltke und Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Im Sommer 1944 loteten Julius Leber und Adolf Reichwein, die neben Wilhelm Leuschner als Repräsentanten der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung galten, mit der Berliner Widerstandsorganisation um Anton Saefkow und Franz Jacob grundlegende Fragen der Zusammenarbeit aus.

All diese Gruppen stellten sich den täglichen Herausforderungen der illegalen Arbeit, indem sie sich gemeinsam auf die Grundlagen von Menschlichkeit und politischer Selbstbehauptung besannen. Oft setzten sie damit zugleich Zeichen für die Traditionen der Arbeiterbewegung, die sich in der Weimarer Zeit verhängnisvoll gespalten hatte und nun unter dem Druck der Kriegsverhältnisse verschüttet zu werden drohte.

Franz Jacob

Der 1906 in Hamburg geborene Maschinenschlosser Franz Jacob engagierte sich schon 1920 in der SPD-nahen Sozialistischen Arbeiterjugend, trat aber 1925 dem Kommunistischen Jugendverband und der KPD bei. 1932 war er für die KPD jüngstes Mitglied in der Hamburger Bürgerschaft. Mitte August 1933 wurde Jacob in Berlin festgenommen und nach der Verbüßung einer Zuchthausstrafe von 1936 bis 1940 im KZ Sachsenhausen festgehalten. Unmittelbar nach seiner Entlassung nahm er erneut Verbindung zu seinen politischen Freunden auf und gehörte bald zum Führungskern der Gruppe um Bernhard Bästlein.

Als im Oktober 1942 eine Festnahmeaktion in Hamburg begann, tauchte Franz Jacob in Berlin unter und baute ab 1943 mit Anton Saefkow eine neue Widerstandsorganisation auf, die sich am Nationalkomitee "Freies Deutschland" orientierte. Verbindungsleute gab es in zahlreichen Berliner Betrieben, in denen illegale Arbeitergruppen bestanden. Sie versuchten, Verbindungen zu anderen Widerstandsgruppen im Reich zu halten, Verfolgten mit Lebensmittelkarten oder Ausweisen zu helfen und Kontakt zu Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeitern herzustellen. Kleine und besonders zuverlässige "Kadergruppen" sollten eine angemessene Vorbereitung auf die Zeit nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft gewährleisten.

Gemeinsam mit Saefkow wurde Jacob Anfang Juli 1944 festgenommen, am 5. September 1944 durch den "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und am 18. September 1944 in Brandenburg-Görden enthauptet.

Anton Saefkow

Der 1903 geborene Maschinenbauer Anton Saefkow schloss sich der sozialistischen Jugendbewegung an, trat 1920 dem Metallarbeiterverband bei und wurde bald einer der führenden Funktionäre des Kommunistischen Jugendverbandes in Berlin. 1924 trat er der KPD bei und war von 1928 bis 1933 Mitglied der KPD-Bezirksleitungen in Sachsen, im Ruhrgebiet und in Hamburg. Er wurde im April 1933 erstmals festgenommen und 1934 zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt.

Im Herbst 1941 stieß Saefkow zum Kreis um Robert Uhrig. Gemeinsam mit Franz Jacob baute er 1943 ein neues Netz unterschiedlicher illegaler Gruppen auf. Saefkow und seine Freunde hielten auch aktive Formen des Kampfes gegen das Regime für möglich: Durch Produktionssabotage wollten sie die Rüstungsanstrengungen schwächen. Verbindungen zu ausländischen Arbeitern sollten Voraussetzungen für individuelle Hilfe schaffen und der Bildung einer breiteren Basis im Kampf gegen das NS Regime dienen. Neben die "Kaderschulung" und die Bildung von Betriebsgruppen trat die Aufklärungsarbeit durch Flugblätter. Die Organisation um Saefkow bezeichnete sich dabei unter anderem als Berliner Ausschuss des Nationalkomitees "Freies Deutschland".

Anton Saefkow wurde am 4. Juli 1944 festgenommen und am 5. September 1944 mit Bernhard Bästlein und Franz Jacob zum Tode verurteilt. Wenige Tage später, am 18. September 1944, wurden sie gemeinsam in Brandenburg-Görden enthauptet.

Theodor Neubauer

1890 geboren, wuchs Theodor Neubauer als Sohn eines Gutsinspektors in einem konservativen Elternhaus auf. Er studierte Geschichte und neuere Fremdsprachen in Brüssel, Jena und Berlin. Nach der Promotion in Jena 1913 wurde er Lehrer, meldete sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges freiwillig als Soldat und kehrte 1917 desillusioniert zurück, nachdem er an der Front eine Gasvergiftung erlitten hatte.

Nach der Novemberrevolution war er zunächst Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei, wechselte zur USPD (einer Abspaltung der SPD) und schloss sich mit deren linkem Flügel 1920 der KPD an. Von 1921 bis 1924 war Neubauer thüringischer Landtagsabgeordneter, 1923 auch Staatsrat in der Thüringer Arbeiterregierung. Von 1924 bis 1933 vertrat er die KPD im Reichstag und lebte seit 1930 in Berlin.

Neubauer wurde im August 1933 erstmals festgenommen und im Herbst 1934 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Anschließend hielten ihn die Nationalsozialisten in verschiedenen Konzentrationslagern gefangen. Erst im Sommer 1939 wurde Neubauer entlassen und lebte seitdem bei seiner Familie in Tabarz (Thüringen). Zusammen mit Magnus Poser baute er Anfang 1942 eine weit verzweigte kommunistische Widerstandsgruppe auf. Im Juli 1944 wurde Theodor Neubauer festgenommen, im Januar 1945 zum Tode verurteilt und am 5. Februar 1945 in Brandenburg-Görden enthauptet.

Wilhelm Leuschner

Der 1890 geborene Holzbildhauer Wilhelm Leuschner war ab 1919 zunächst Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) Darmstadt und stieg 1926 zum Bezirkssekretär des ADGB für Waldeck, Hessen-Darmstadt, Hessen-Nassau, Rheinhessen und Saarland auf.

Der Sozialdemokrat war bis 1928 Stadtverordneter in Darmstadt, danach bis 1933 Abgeordneter im hessischen Landtag. Als hessischer Innenminister veröffentlichte er 1931 interne Papiere der Nationalsozialisten, die viele ihrer Gewaltpläne offenbarten. Im Januar 1933 ging er als Mitglied des ADGB-Bundesvorstandes nach Berlin. Nach der Zerschlagung der Gewerkschaften weigerte er sich, bei einem Treffen der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf für die Anerkennung der nationalsozialistischen "Deutschen Arbeitsfront" zu sprechen.

Von 1933 bis 1934 von der Gestapo in Konzentrationslagern festgehalten, gründete Leuschner nach seiner Freilassung in Berlin eine Firma, in der viele Sozialdemokraten arbeiteten. Bei seinen Geschäftsreisen konnte er bis zuletzt mit zahlreichen Gesinnungsgenossen in ganz Deutschland Kontakt aufnehmen, auch mit der bürgerlichen Opposition.

Bei Kriegsausbruch 1939 wieder kurzzeitig inhaftiert, hielt Leuschner in den folgenden Jahren Kontakte zum Kreisauer Kreis und war intensiv an den Vorbereitungen für den Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 beteiligt. Für die Zeit nach dem Sturz Hitlers war er als Vizekanzler vorgesehen und sollte gemeinsam mit zwei anderen die neue Einheitsgewerkschaft führen. Nach dem gescheiterten Umsturzversuch wurde Leuschner festgenommen, vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 29. September 1944 in Berlin-Plötzensee erhängt.

Julius Leber

Julius Leber, 1891 geboren und in der Familie eines elsässischen Kleinbauern aufgewachsen, wurde nach dem Abschluss der Mittelschule Lehrling in einer Tapetenfabrik. Von 1910 bis 1912 konnte er mit einem Stipendium die Oberrealschule besuchen und anschließend Geschichte und Nationalökonomie (Volkswirtschaft) studieren. 1912 trat er der SPD bei. Er meldete sich 1914 freiwillig als Soldat, wurde Offizier und nahm 1920 noch als Leutnant an der Niederschlagung des Kapp-Putsches teil.

Leber war verheiratet mit Annedore Rosenthal, mit der er eine Tochter und einen Sohn hatte. Ab 1921 Chefredakteur des sozialdemokratischen "Lübecker Volksboten" wurde er 1924 für die SPD in den Reichstag gewählt, dem er als wehrpolitischer Fraktionssprecher bis 1933 angehörte.

1933 wurde Leber verhaftet und kam erst im Sommer 1937 aus dem KZ Sachsenhausen frei. Er fristete sein Leben in Berlin als selbstständiger Kohlenhändler, suchte jedoch bald wieder Verbindung zu seinen sozialdemokratischen Freunden und fand später zum Kreisauer Kreis. Im Sommer 1944 nahm er über Verbindungsleute Kontakt zu dem Kommunisten Franz Jacob auf, den er im KZ Sachsenhausen kennengelernt hatte und der zu den führenden Mitstreitern der Widerstandsorganisation um Anton Saefkow zählte.

Julius Leber, der nach den Plänen der Widerstandsgruppe des 20. Juli nach einem gelungenen Umsturz Reichskanzler oder Innenminister werden sollte, wurde am 5. Juli 1944 aufgrund der Denunziation eines Gestapo-Spitzels festgenommen, am 20. Oktober 1944 durch den "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und am 5. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee erhängt.

Johanna Kirchner

Die 1889 geborene Johanna Stunz, verheiratete Kirchner, gehörte seit dem 14. Lebensjahr der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), dann der SPD an und arbeitete für die "Arbeiterwohlfahrt" und als Zeitungskorrespondentin auf Partei- und Gewerkschaftskongressen.

Als 1933 ein Haftbefehl gegen sie erlassen wurde, befand sie sich auf einer Reise in die Schweiz, um für andere Verfolgte des NS-Regimes Fluchthilfe zu organisieren. Sie emigrierte zunächst ins Saargebiet, beteiligte sich an den Vorbereitungen zur Saarabstimmung und musste, nachdem das Gebiet danach dem Deutschen Reich angegliedert worden war, im Januar 1935 weiterflüchten.

Im französischen Forbach, nahe der deutschen Grenze, blieb sie mit dem Kampf der deutschen Hitlergegner eng verbunden und stand mit kommunistischen Gruppen in Kontakt. Sie wurde 1937 Mitglied des in Straßburg gegründeten Hilfskomitees für die Saar-Pfalz, das in Frankreich deutsche Emigranten aus dieser Region betreute.

Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Johanna Kirchner auf Erlass der französischen Regierung interniert. Obwohl es zunächst gelang, sie mit Hilfe französischer Freunde aus dem Lager Gurs zu befreien, wurde sie später von der Vichy-Regierung an Deutschland ausgeliefert. Seit dem 9. Juni 1942 in Deutschland Gestapo-Vernehmungen ausgesetzt, verurteilte sie der "Volksgerichtshof" im Mai 1943 zu zehn Jahren Zuchthaus und in einem Wiederaufnahmeverfahren am 21. April 1944 zum Tode. Johanna Kirchner wurde am 9. Juni 1944 in Berlin-Plötzensee enthauptet.

Die Europäische Union

In den ersten Kriegsjahren fanden sich in Berlin Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft zusammen, die den Verbrechen des NS-Regimes nicht länger tatenlos zusehen wollten. Sie standen in Kontakt mit verschiedenen sozialistischen und kommunistischen Widerstandsgruppen, ohne jedoch enger mit diesen zusammenzuarbeiten. Georg Groscurth, Arzt und Dozent an der Berliner Universität, und sein Freund, der Chemikophysiker Robert Havemann, versuchten gemeinsam mit dem Architekten Herbert Richter und dem Dentisten Paul Rentsch immer wieder, verfolgten Menschen zu helfen. Mit einem Netz von Verbündeten, die Lebensmittelmarken sammelten, Papiere besorgten und Informationen beschafften, unterstützten sie illegal lebende jüdische Freunde.

Groscurth half Soldaten, sich als front- oder dienstuntauglich dem Kriegsdienst zu entziehen. Gemeinsam mit Havemann war er zudem seit Ende der 1930er-Jahre an Forschungen über Kampfgase beteiligt, die sie sabotierten und so ergebnislos in die Länge zogen. 1943 gelang es ihnen, mit Hilfe des Exil-Russen Konstantin Shadkewitsch Kontakt zu verschiedenen Gruppen von Zwangsarbeitern aufzunehmen, die nach Deutschland verschleppt worden waren. Sie unterstützten deren Versuche, Widerstandorganisationen aufzubauen, indem sie Kontakte vermittelten und die Verbindungen zwischen den verschiedenen Gruppen aufrechterhielten. Im Sommer 1943 verfassten Havemann, Groscurth, Richter und Rentsch mehrere programmatische Texte. Sie gaben ihrer Gruppe den Namen "Europäische Union" und wollten damit ausdrücken, dass sie die Widerstandsaktivitäten der aus vielen europäischen Nationen stammenden Zwangsarbeiter unterstützten. Im Kampf gegen das NS-Regime sahen sie die Grundlage für eine gesamteuropäische sozialistische Nachkriegsordnung.

Die meisten Mitglieder der Europäischen Union wurden im Spätsommer 1943 von der Gestapo festgenommen. Die Gruppe galt den Nationalsozialisten als besonders gefährlich, weil sie sich aus angesehenen Intellektuellen und Angehörigen verschiedener Nationen zusammensetzte. 1943/44 wurden gegen 16 Angeklagte Todesurteile verhängt. Andere verloren ihr Leben schon in der Voruntersuchung, wurden in den Gaskammern des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau ermordet, starben nach ihrer Verurteilung zu Haftstrafen im Gefängnis oder unmittelbar nach der Befreiung an den Folgen der Haft.

QuellentextWenn wir das alles einmal bezahlen müssen!

"Wenn ich auf die Welt blicke, die wir verkörpern und auf all die Männer, mit denen ich das Glück habe befreundet oder verbündet zu sein, wenn ich weiter sehe auf meine politischen Führer im Reich, auf meine Reichsleiter, Gauleiter, Reichsstatthalter, Generalgouverneure, die Feldmarschälle und Admirale und Generalobersten, dann sehe ich mit stärkster Zuversicht in die Zukunft."

So sprach Hitler am 26. April vor seinem sogenannten Reichstag. Besser konnte er sein Regime nicht charakterisieren. Die Welt, die er mit seiner Bande verkörpert, das ist der endlose und opferreiche Krieg, ist eine Welt der Massengräber, des Hungers, der absoluten Verelendung des Volkes. Seine Welt, das ist die Welt der 200 Plutokratenfamilien, denen die großen Konzerne und Monopole gehören; seine Welt ist die Welt der Schieber und Großverdiener, die Welt der Gangster, Volksbetrüger und Volksverderber. Seine Welt ist die Welt von Blut, Schweiß und Tränen, ist die Welt der Konzentrationslager, der Galgen, des Henkerbeils und der Geiselerschießungen.

Seine Herrschaft, die er so gern als Volksherrschaft auszugeben versucht, ist nichts anderes, als die brutalste Herrschaft der Plutokraten und der Hierarchie der NSDAP, der Gau- und Reichsleiter, der Reichsstatthalter und Reichskommissare, der Generalität und der ganzen Bande von Nutznießern des Krieges. In dem oben zitierten Ausspruch hat Hitler unserem Volke klar und deutlich den wahren und einzigen Feind Deutschlands gezeigt. Diese Bande von Ausbeutern, Emporkömmlingen und Nutznießern des brutalen imperialistischen Eroberungskrieges missbraucht den Namen Deutschlands und schändet den Ruf unseres Volkes mit unzähligen, grausamen Verbrechen. All ihre Handlungen, die sie in Deutschland und in fremden Ländern begehen, sind Faustschläge in das Gesicht unseres Volkes. […]

Im Namen unseres Volkes wurden und werden tausende russische Kriegsgefangene blindwütig erschossen, weitere tausende werden in einen grässlichen Hungertod getrieben.

Im Namen unseres Volkes werden die Kriegsgefangenen aller unterjochten Nationen völlig rechtswidrig in die Kanonen- und Munitionsfabriken zur Herstellung von Hitlers Mordwaffen gezwungen. 2 Mill. Arbeiter der geknechteten Völker werden mit allen Mitteln in die deutschen Rüstungsfabriken gepresst. Sie, die Zivil- und Kriegsgefangenen müssen in Deutschland Waffen und Munition erzeugen, die in diesem verfluchten Hitlerkrieg gegen ihre eigenen Völker verwendet werden. […]

So gemein und niederträchtig all die Schandtaten in den besetzten Westgebieten, auf dem Balkan und in Polen sind, so ist all das, was in diesen Ländern an tierischer Gemeinheit kursiert, unvergleichbar mit den beispiellosen Greueltaten, die in unserem Namen im zeitweise besetzten Teil der Sowjetunion verübt werden. […]

Auch unser Volk hat schon einiges über die grausamen Verbrechen der hitlerischen Soldateska vernommen. Aber noch sträubte es sich, an eine solche Verkommenheit deutscher Truppenverbände zu glauben. Es wollte nicht wahrhaben, dass seine Männer und Söhne von den Hitlerbestien zu solchen Scheußlichkeiten missbraucht werden. Es ließ sich immer wieder von Göbbels einreden, dass die objektiven Berichte aus dem besetzten Sowjetgebiet lügnerische Feindpropaganda seien. Wir sind heute in der Lage auch diesen Schwindel über die angebliche Feindpropaganda zu entlarven. Wir sind in den Besitz einer Anzahl Originalfotos gekommen, die von anständigen und ehrlichen deutschen Soldaten in der Ukraine aufgenommen wurden. Diese Fotos geben einen Einblick in die verbrecherischen und bestialischen Greueltaten des hitlerischen Militarismus in den besetzten Sowjetgebieten. […]

Und doch drohte uns das Blut in den Adern zu erstarren bei der Durchsicht der uns übergebenen Bilder. Kinder, Frauen und Greise werden ohne Prozess unschuldig auf das bestialischste hingeschlachtet. Dörfer und Städte werden verbrannt und verwüstet. Die Zivilbevölkerung wird all ihrer Lebensmittel und Kleidungsstücke beraubt. Eine tiefe Schamröte stieg uns ins Gesicht und voll banger Sorge fragten wir uns: "Was soll aus Deutschland werden, wenn unser Volk einmal für all die Grausamkeiten und Bestialitäten, die in seinem Namen von den Nazihenkern begangen werden, büßen müsste." […]

Es fällt uns nicht leicht, das alles hier niederzuschreiben, geschieht das alles doch im Namen Deutschlands, wissen wir doch, dass unser Volk noch nicht in ganzem Umfang auch ahnt, welch ungeheuere Blutschuld das Hitlerregime ihm aufgewälzt hat. Aber unsere Pflicht als Deutsche, die wir unser Volk und Heimat aus tiefster Seele lieben, zwingt uns dazu, ungeschminkt die Wahrheit zu sagen, damit unser ganzes Volk erkennen kann, was die Hitlerbande alles in seinem Namen tut, zu welch scheußlichen Verbrechen es missbraucht wird.

Wir wollen nicht, dass am Ende des Krieges, das Todesurteil, das die unterjochten Völker über Hitler und sein Regime gefällt haben, auch an unserm Volk und an unserer deutschen Heimat vollstreckt wird.

Der verbrecherisch von Hitler und seiner Bande vom Zaun gebrochene Zweite Weltkrieg ist für Deutschland bereits verloren. Das muss jeder Deutsche heute begreifen. Hitlers Ende rückt unvermeidlich näher und wir wollen nicht, dass es ihm gelingt, unser Volk mit in den Abgrund zu reißen. Solange noch ein Tropfen Blut in unsern Adern fliesst, werden wir dagegen kämpfen, dass Hitler unser Volk zu seinem Komplizen machen kann.

Deutschland kann nur noch gerettet werden, wenn unser Volk selbst ganz klare Fronten schafft. Hier Hitler mit seiner Räuberbande, dort unser großes deutsches Volk im Bündnis mit den unterjochten Völkern. […]

Sonderausgabe der illegalen Flugschrift "Der Friedenskämpfer" vom Juni 1942, verfasst von der kommunistischen Widerstandsgruppe um Wilhelm Knöchel und im Ruhrgebiet verbreitet, Landesarchiv NRW

Die Widerstandsgruppe um Herbert Baum

Die Widerstandsorganisation um Herbert Baum und seine Frau Marianne bestand aus jungen Menschen, die dem Kommunismus nahe standen und durch ihre gemeinsamen Erfahrungen als verfolgte Juden geprägt waren. Deshalb werden Herbert Baum und seine Mitkämpfer häufig als jüdische Widerstandsgruppe bezeichnet oder als Kreis einer gegen das NS-Regime gerichteten Jugendopposition gedeutet. Sie selbst verstanden sich aber stets als Angehörige der kommunistischen Widerstandsbewegung.

Die Mitglieder der Gruppe kannten sich teilweise bereits seit dem Ende der Weimarer Republik und hatten schon früh erste Erfahrungen im Widerstand gegen das NS-Regime gesammelt. 1938/39 fanden sich einige der jüdischen Freunde von Herbert Baum erneut zusammen. Sie versuchten unabhängig von anderen kommunistischen Berliner Widerstandsgruppen, eigenständige Formen des Protests und des Widerstands zu entwickeln.

Seit dem Überfall deutscher Truppen auf die Sowjetunion im Sommer 1941 verbreiteten sie Flugblätter, um so auf das Unrecht und die gefährlichen Folgen des Krieges aufmerksam zu machen. Ihre spektakulärste Aktion war ein Brandanschlag auf die Propagandaausstellung "Das Sowjetparadies" im Berliner Lustgarten am 17. Mai 1942. Herbert Baum und seine Freunde, die besondere Sympathie für die Bevölkerung der Sowjetunion empfanden, wandten sich mit ihrer Tat vor allem gegen deren Verunglimpfung als "slawische Untermenschen" und gegen die Verbindung von antijüdischer und antikommunistischer Propaganda.

Binnen weniger Tage wurden sie verhaftet, vermutlich nach einer Denunziation. Drei der Festgenommenen, neben Herbert Baum Walter Bernecker und Elfriede Schaumann, begingen in der Untersuchungshaft Selbstmord. Insgesamt fielen mehr als 20 Menschen aus den Kreisen um Herbert Baum der nationalsozialistischen Verfolgung zum Opfer.

Widerstand aus christlichem Glauben

Seit der Mitte der 1930er-Jahre gelang es den Nationalsozialisten zunehmend, den Kreis oppositioneller evangelischer Christen zu schwächen. Martin Niemöller, ein Wortführer des Kirchenkampfes, wurde 1937 festgenommen und 1938 ins Konzentrationslager eingewiesen. Andere Pfarrer aus der Bekennenden Kirche wurden bedroht und mit Predigtverbot belegt. Nach der Ermordung des Pfarrers Paul Schneider im KZ Buchenwald erkannten viele evangelische Regimegegner, mit welcher Brutalität die Nationalsozialisten ihre Drohungen verwirklichten.

Nicht alle Pfarrer und Christen aus den evangelischen Gemeinden resignierten oder ließen sich einschüchtern. Sie beteiligten sich an Hilfsaktionen für Verfolgte, traten den Zumutungen des Staates und der nationalsozialistischen "Deutschen Christen" offen entgegen und verstärkten auf ihre Weise den kleinen Kreis unbeugsamer Protestanten, die Hitlers Herrschaft ablehnten und bekämpften.

Unter den Bedingungen des Krieges erkannten evangelische Christen vermehrt den verbrecherischen Grundzug deutscher Politik. Wurden einzelne Pfarrer und Gemeindemitglieder bedrängt und festgenommen, weil sie sich angeblichen Zwängen des Krieges nicht unterwerfen wollten, so rückten oftmals Gleichgesinnte nach. Sie vertraten christliche Glaubensüberzeugungen und protestierten deshalb gegen Verbrechen hinter der Front, gegen die entwürdigende und menschenverachtende Behandlung von Kriegsgefangenen und schließlich gegen die Deportation von Juden. Sie litten darunter, dass ihr Protest zu schwach und ihre Kirche weitgehend stumm blieb. Einer der wichtigsten Wortführer des Protestantismus wurde während des Krieges der württembergische Landesbischof Theophil Wurm, der gegen die Ermordung von Menschen mit geistiger Behinderung öffentlich Einspruch erhob.

Der überzeugte Pazifist Hermann Stöhr widersetzte sich aus christlicher Überzeugung seiner Einberufung zum Kriegsdienst. Er wurde hingerichtet, weil er sich weigerte, den Fahneneid auf Hitler zu leisten. Dietrich Bonhoeffer beteiligte sich bis zu seiner Festnahme im April 1943 aktiv an der Verschwörung gegen Hitler. Er wusste, dass seine Entscheidung aus eigener Verantwortung erfolgte und seitens der Kirche nicht gedeckt wurde.

Evangelische Christen, die sich politisch gegen das NS-Regime wandten, konnten ihren Selbstbehauptungswillen aus den Grundlagen ihres Glaubens schöpfen, nicht aber auf die Unterstützung durch ihre Kirche hoffen. Sie blieben auf sich gestellt und fühlten sich oft allein gelassen.

Schon bald nach Abschluss des Reichskonkordates von 1933 war unübersehbar, dass Hitler den Einfluss des Katholizismus auf das öffentliche Leben zurückdrängen wollte. Seit Mitte der 1930er-Jahre setzten einzelne Geistliche und Gläubige dem Zeichen ihres Selbstbehauptungswillens und ihrer Glaubenstreue entgegen. Auseinandersetzungen um die Entkonfessionalisierung von Schule und Erziehung sowie die Kämpfe um Glaubenssymbole und kirchliche Wirkungsmöglichkeiten zeigten den Machthabern, wie unbeirrbar sich praktizierende Katholiken der weltanschaulichen "Gleichschaltung" widersetzten.

Während des Krieges wurden Hunderte von katholischen Geistlichen in Konzentrationslagern gefangen gehalten, mit Predigtverboten belegt oder unter Hausarrest gestellt. Einzelne wurden vom nationalsozialistischen "Volksgerichtshof" oder dem Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt, andere starben während der Haft in Konzentrationslagern oder wurden dort getötet. Die Ermordung von Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten seit Herbst 1939 stieß bei vielen Bischöfen, Geistlichen und Gläubigen auf offenen Widerspruch.

QuellentextPredigt von Bischof Clemens August Graf von Galen gegen die Ermordung von Patienten in Heil- und Pflegeanstalten

[…] Andächtige Christen! In dem am 6. Juli in allen Kirchen Deutschlands verlesenen Hirtenbrief heißt es u. a.: "Gewiss gibt es nach der katholischen Sittenlehre positive Gebote, die nicht mehr verpflichten, wenn ihre Erfüllung mit allzu großen Schwierigkeiten verbunden ist. Es gibt aber auch heilige Gewissenspflichten, von denen uns niemand befreien kann und die wir erfüllen müssen, koste es uns selbst das Leben. Nie, unter keinen Umständen, darf der Mensch außerhalb des Krieges und der gerechten Notwehr einen Unschuldigen töten."

Ich hatte schon am 6.7.41 Veranlassung, diesen Worten des gemeinsamen Hirtenbriefes in Telgte folgende Erläuterung hinzuzufügen: "Seit einigen Monaten hören wir Berichte, dass aus Heil- und Pflegeanstalten für Geisteskranke auf Anordnung von Berlin Pfleglinge, die schon länger krank sind und vielleicht unheilbar erscheinen, zwangsweise abgeführt werden. Regelmäßig erhalten dann die Angehörigen nach kurzer Zeit die Mitteilung, der Kranke sei verstorben, die Leiche sei verbrannt, die Asche könne abgeliefert werden! Allgemein herrscht der an Sicherheit grenzende Verdacht, dass diese zahlreichen unerwarteten Todesfälle von Geisteskranken nicht von selber eintreten, sondern absichtlich herbeigeführt werden und dass man dabei jener Lehre folgt, die behauptet, man dürfe sogenanntes lebensunwertes Leben vernichten, also unschuldige Menschen töten, wenn man meint, ihr Leben sei für Volk und Staat nicht mehr wert. Eine Lehre, die furchtbar ist, die die Ermordung Unschuldiger rechtfertigen will – die gewaltsame Tötung der nicht mehr arbeitsfähigen Invaliden, Krüppel, Unheilbarkranken, Altersschwachen grundsätzlich freigibt."

Wie ich zuverlässig erfahren habe, werden jetzt auch in den Heil- und Pflegeanstalten der Provinz Westfalen Listen aufgestellt von solchen Pfleglingen, die als sogenannte "unproduktive Volksgenossen" abtransportiert und in kurzer Zeit ums Leben gebracht werden sollen. Aus der Anstalt Marienthal bei Münster ist in dieser Woche der Transport abgegangen! Deutsche Männer und Frauen! Noch hat Gesetzeskraft § 211 des Strafgesetzbuches, der bestimmt: "Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, wird, wenn er die Tötung mit Überlegung ausführt, wegen Mordes mit dem Tode bestraft." Wohl um diejenigen, die jene armen kranken Menschen, Angehörige unserer Familien, vorsätzlich töten, vor dieser gesetzlichen Bestrafung zu bewahren, werden die zur Tötung bestimmten Kranken aus der Heimat abtransportiert in eine entfernte Anstalt. Als Todesursache wird dann irgendeine Krankheit angegeben. Da die Leiche sogleich verbrannt wird, können die Angehörigen und auch die Kriminalpolizei es hinterher nicht mehr feststellen, ob die Krankheit wirklich vorgelegen hat und welche Todesursache vorlag. Es ist mir aber versichert worden, dass man im Reichsinnenministerium und auf der Dienststelle des Reichsärzteführers Dr. Conti gar kein Hehl daraus machte, dass tatsächlich schon eine große Anzahl Geisteskranker in Deutschland getötet worden ist und getötet werden soll.

[…] Als ich von dem Vorhaben erfuhr, Kranke aus Marienthal abzutransportieren, um sie zu töten, habe ich am 28. Juli 1941 bei der Staatsanwaltschaft, beim Landgericht in Münster und beim Herrn Polizeipräsidenten in Münster Anzeige erstattet […]. Nachricht über ein Einschreiten der Staatsanwaltschaft oder der Polizei ist mir nicht zugegangen. – […]

So müssen wir damit rechnen, dass die armen, wehrlosen Kranken über kurz oder lang umgebracht werden. Warum? Nicht, weil sie ein todeswürdiges Verbrechen begangen haben, nicht etwa, weil sie ihren Wärter oder Pfleger angegriffen haben, sodass diesem nichts anderes übrig blieb, als dass er zur Erhaltung des eigenen Lebens in gerechter Notwehr dem Angreifer mit Gewalt entgegentrat. Das sind Fälle, in denen neben der Tötung des bewaffneten Landesfeindes im gerechten Krieg Gewaltanwendung bis zur Tötung erlaubt und nicht selten geboten ist.

Nein, nicht aus solchen Gründen müssen solche unglücklichen Kranke sterben, sondern darum, weil sie nach dem Urteil irgendeines Arztes, nach dem Gutachten irgendeiner Kommission "lebensunwert" geworden sind, weil sie nach diesem Gutachten zu den "unproduktiven Volksgenossen" gehören. Man urteilt, sie können nicht mehr Güter produzieren, sie sind wie eine alte Maschine, die nicht mehr läuft, sie sind wie ein altes Pferd, das unheilbar lahm geworden ist, sie sind wie eine Kuh, die nicht mehr Milch gibt. Was tut man mit einer alten Maschine? Sie wird verschrottet! Was tut man mit solch einem alten Pferd, mit solch einem unproduktiven Stück Vieh? Nein, ich will den Vergleich nicht bis Ende führen – so furchtbar seine Berechtigung und seine Leuchtkraft ist! Es handelt sich ja hier nicht um Maschinen, es handelt sich nicht um ein Pferd oder um eine Kuh, deren einzige Bestimmung es ist, dem Menschen zu dienen, für den Menschen Güter zu produzieren. Man mag sie zerschlagen, man mag sie schlachten, so bald sie diese Bestimmung nicht mehr erfüllen! Nein, hier handelt es sich um Menschen, unsere Mitmenschen, unsere Brüder und Schwestern! Arme Menschen, unproduktive Menschen – meinetwegen –, aber haben sie dadurch das Recht verwirkt zu leben? Hast Du, habe ich, nur so lange ein Recht zu leben, so lange wir produzieren? So lange wir von anderen als produktiv anerkannt werden?

Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den unproduktiven Menschen töten darf, dann wehe uns allen, wenn wir altersschwach werden! Wenn man den unproduktiven Menschen töten darf, dann wehe den Invaliden, die im Produktionsprozess ihre Kraft, ihre gesunden Knochen eingesetzt, geopfert und eingebüßt haben! Wenn man die unproduktiven Menschen gewaltsam beseitigen darf, dann wehe unseren braven Soldaten, die als schwer Kriegsverletzte, als Krüppel, als Invaliden in die Heimat zurückkehren! […]

Mitschrift einer Predigt des Bischofs von Münster, Clemens August Graf von Galen, vom 3. August 1941, Landeskirchliches Archiv Düsseldorf

Zwar ließen sich einige Bischöfe über die Pläne oppositioneller Kreise informieren und hielten während des Krieges Verbindung zu politischen Widerstandsgruppen wie dem Kreisauer Kreis. Der politische Widerstand katholischer Christen konnte sich jedoch ebenso wenig wie die Gegenwehr evangelischer Christen auf offenen Rückhalt durch kirchliche Amtsträger berufen.

Das Gleiche galt für gläubige Katholiken wie Pater Franz Reinisch, Franz Jägerstätter und Josef Ruf, die den Wehrdienst und den Eid auf Hitler verweigerten, dafür wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden.

Max Josef Metzger

Geboren 1887, studierte Max Josef Metzger Theologie und Philosophie in Freiburg sowie in Fribourg (Schweiz) und wurde 1911 zum Priester geweiht. Als Militärseelsorger nahm er am Ersten Weltkrieg teil. Schon während des Krieges wurde für ihn die Friedensarbeit zur vordringlichen Aufgabe, denn er war überzeugt, dass "Kriege künftig ihren Sinn verloren haben, indem sie niemand mehr Aussicht geben, mehr zu gewinnen als zu verlieren".

1919 gründete er den Friedensbund deutscher Katholiken und suchte Verbindung zur internationalen Friedensbewegung. Mit Nachdruck trat er für die ökumenische Friedensidee ein und galt bald als führender deutscher Pazifist. Mehrfach wurde Metzger von der Gestapo festgenommen.

1943 verfasste er ein Memorandum zur staatlichen Neuordnung Deutschlands und dessen Einbindung in eine zukünftige Weltfriedensordnung. Als er versuchte, diese Denkschrift dem schwedischen Erzbischof Erling Eidem von Uppsala zu übermitteln, wurde er von der Kurierin, einer Gestapoagentin, denunziert und am 29. Juni 1943 erneut festgenommen. Max Josef Metzger wurde in einem 70-minütigen Schauprozess, in dem ihm der Vorsitzende Richter Roland Freisler keinerlei Möglichkeit zur Verteidigung einräumte, wegen "Hochverrat und Feindbegünstigung" vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und am 17. April 1944 in Brandenburg-Görden enthauptet.

Clemens August Graf von Galen

Der 1878 geborene Clemens August Graf von Galen entstammte einer katholischen Adelsfamilie. Nach dem Theologiestudium empfing er 1904 die Priesterweihe und wurde 1933 zum Bischof von Münster ernannt. Galen galt als national und konservativ eingestellt. Er wehrte sich schon 1934 gegen Angriffe der Nationalsozialisten auf die Kirche, katholische Vereine und Schulen. Immer wieder brandmarkte er öffentlich nationalsozialistische Übergriffe und Unrechtstaten. Neben dem Berliner Bischof Konrad Graf von Preysing wurde er zum wichtigen Wortführer der innerkirchlichen Opposition.

Im Sommer 1941 hielt Galen drei berühmt gewordene Predigten, in denen er die Terrormethoden der Gestapo, die Morde an Patienten von Heil- und Pflegeanstalten und die staatliche Beschlagnahme von Klöstern durch die Nationalsozialisten öffentlich anprangerte. Die Predigten Galens fanden im In- und Ausland große Verbreitung. Sie wurden vom Londoner Rundfunk gesendet, als Flugblätter von alliierten Flugzeugen abgeworfen und von vielen Deutschen abgeschrieben und verbreitet. Die Nationalsozialisten wagten jedoch nicht, den beliebten Bischof von Münster zu verhaften.

Clemens August Graf von Galen überlebte das Kriegsende und wurde kurz vor seinem Tod 1946 zum Kardinal ernannt.

Kurt Gerstein

Geboren 1905, engagierte sich Kurt Gestein nach dem Abitur in der christlichen Jugendarbeit. Er studierte Bergbau und legte 1931 die Prüfung zum Diplom-Ingenieur ab. Im Mai 1933 trat Gerstein in die NSDAP ein. Im selben Jahr protestierte er offen gegen die Auflösung der evangelischen Jugendverbände und schloss sich bald darauf der oppositionellen Bekennenden Kirche an. 1936 wurde er aus der NSDAP ausgeschlossen und zweimal inhaftiert.

Nachdem Kurt Gerstein von der Mordaktion an Patienten von Heil- und Pflegeanstalten erfahren hatte, entschloss er sich, in die Waffen-SS einzutreten. Er hoffte, auf diesem Weg nähere Informationen über Verbrechen der Nationalsozialisten zu erhalten. Gerstein wurde dem Sanitätswesen der Waffen-SS zugeteilt und übernahm die Leitung des technischen Desinfektionsdienstes. Im Juni 1942 bekam er erstmals den Auftrag, Blausäure (Zyklon B) zur Ermordung von Menschen zu beschaffen. Im August 1942 wurde er zudem Zeuge des Massenmordes in den Vernichtungslagern Belzec und Treblinka. Gerstein informierte mehrfach ausländische Diplomaten und Geistliche über die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen und versuchte, Lieferungen des Zyklon-B-Gases zu sabotieren.

Am 22. April 1945 stellte er sich den französischen Behörden. Kurt Gerstein kam am 25. Juli 1945 in einem Pariser Gefängnis unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben. Der von ihm noch in der Haft verfasste Bericht ist eines der wichtigsten Dokumente über den Völkermord an den Juden Europas.

Katharina Staritz

Geboren 1903, promovierte Katharina Staritz 1928 als erste Frau an der Marburger Evangelisch-Theologischen Fakultät. Ab 1933 war sie als Stadtvikarin in Breslau tätig. 1938 übernahm Staritz die schlesische Vertrauensstelle der "Kirchlichen Hilfsstelle für evangelische Nichtarier" (Büro Pfarrer Grüber), die Christen jüdischer Herkunft bei der Auswanderung half und ihnen seelsorgerisch sowie mit sozialen Angeboten zur Seite stand. Auch nachdem die Vertrauensstelle Anfang 1941 von der Gestapo geschlossen worden war, setzte Staritz gemeinsam mit ihrer Schwester Charlotte ihre Hilfe für Verfolgte fort.

Als die deutschen Juden im September 1941 zum Tragen des "Judensternes" gezwungen wurden, mahnte Staritz die Breslauer Pfarrämter in einem Rundschreiben, die von der Diskriminierung betroffenen Mitglieder ihrer Gemeinde nicht auszugrenzen. Fünf Wochen später wurde sie durch die evangelische Kirchenleitung in Breslau vom Amt suspendiert und im Dezember 1941 in der SS-Zeitung "Das Schwarze Korps" scharf angegriffen.

Im März 1942 nahm die Gestapo Staritz in Haft und verschleppte sie im August 1942 in das KZ Ravensbrück. Paul Graf Yorck von Wartenburg konnte nach Verhandlungen mit dem Breslauer Gauleiter Hanke im Mai 1943 ihre Freilassung erreichen. Sie blieb jedoch weiter unter Aufsicht der Gestapo und durfte ihren Beruf nicht mehr ausüben. Katharina Staritz überlebte das Kriegsende und wirkte nach 1945 im Pfarrdienst in Thüringen und Hessen.

Emmy Zehden

Die 1900 geborene Emmy Windhorst arbeitete nach der Schule als Hauswirtschaftshelferin. Seit 1918 lebte sie in Berlin und heiratete Mitte der 1920er-Jahre Richard Zehden, der aufgrund seiner jüdischen Herkunft später durch die Nürnberger Rassengesetze diskriminiert wurde. 1930 schloss sie sich den Bibelforschern (Zeugen Jehovas) an. Ihr Mann wurde 1938 wegen der Zugehörigkeit zu dieser Religionsgemeinschaft zu einer Gefängnisstrafe von neun Monaten verurteilt.

Emmy Zehden war wie alle Zeugen Jehovas eine entschiedene Gegnerin des Kriegsdienstes und beeinflusste ihren Neffen Horst Günter Schmidt, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Obwohl ihr Mann verurteilt wurde und Emmy Zehden wusste, dass ihre Haltung lebensgefährlich war, hielt sie an ihrer Überzeugung fest. Sie versteckte ihren Neffen sowie zwei weitere Kriegsgegner zeitweise in ihrer Wohnung in Berlin-Gatow und in der Gärtnerei von Otto und Jasmine Muhs in Berlin-Staaken. Die Gestapo entdeckte jedoch die Verstecke und nahm Emmy Zehden am 24. September 1942 fest.

Am 19. November 1943 wurde sie vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und am 9. Juni 1944 in Berlin-Plötzensee enthauptet. Ihre Abschiedsbriefe wurden der Familie vorenthalten. Ihr Mann Richard Zehden wurde in das KZ Sachsenhausen verschleppt und 1943 ermordet.

Elisabeth Abegg

Die 1882 geborene, linksliberal eingestellte Lehrerin Elisabeth Abegg unterrichtete ab 1924 am Berliner Luisen-Oberlyzeum Mädchen in Geschichte. Zu Beginn der NS-Zeit gehörte sie einem kleinen Kreis von Lehrerinnen und Schülerinnen an, die sich gegen die nationalsozialistische Vereinnahmung der Schule wehrten. Abegg, eine entschiedene Gegnerin des NS-Regimes, wurde 1935 strafversetzt und 1941 zwangspensioniert. Im selben Jahr trat sie der Religionsgemeinschaft der Quäker bei, die unterschiedslos allen Verfolgten half.

Als ihre enge Freundin Dr. Anna Hirschberg, eine Christin jüdischer Herkunft, ihre Hilfsangebote ablehnte und im Juli 1942 deportiert wurde, wollte Abegg fortan möglichst viele Verfolgte retten. Mit ihrer Schwester Julie nahm sie zwölf Geflohene in ihrer Wohnung in Berlin-Tempelhof auf, darunter die jüdische Kindergärtnerin Liselotte Pereles, welche die kinderlose Abegg nach dem Krieg adoptierte. Anderen konnte sie Verstecke bei Freunden vermitteln.

Die Lehrerin versorgte gemeinsam mit Helfern aus ihrer alten Schule die "Illegalen", half mit Geld und beschaffte falsche Papiere. In ihrer Wohnung unterrichtete, ernährte und schützte sie trotz des für sie bestehenden Risikos, entdeckt zu werden, jüdische Kinder und Jugendliche. Für den untergetauchten Jizchak Schwersenz verkaufte Abegg Schmuck, damit er Fluchthelfer bezahlen konnte, die ihn 1944 über die Schweizer Grenze brachten. Für ihre Hilfe für Verfolgte wurde Elisabeth Abegg nach dem Krieg mehrfach geehrt.

Regimekritik und Versuche der Gegenöffentlichkeit

Mit Kriegsbeginn wurden der Empfang ausländischer Rundfunksendungen und die Verbreitung von "Feindmeldungen" als "Rundfunkverbrechen" unter Strafe gestellt. Damit sollte verhindert werden, dass sich die Deutschen über den tatsächlichen Verlauf des Krieges und über die politischen Ziele und militärischen Erfolge der Alliierten informierten.

Ab 1941 wurden immer mehr Menschen, die gegen dieses Verbot verstoßen hatten, wegen "Feindbegünstigung" oder "Wehrkraftzersetzung" verurteilt. Vor allem Regimegegner versuchen dennoch, sich unabhängig von den Nachrichten der NS-Propaganda und den Wehrmachtsberichten zu informieren und anschließend andere über die Kriegslage und die deutschen Gewaltverbrechen aufzuklären.

Auch kritische Äußerungen über die NS-Führung oder Zweifel am deutschen "Endsieg" wurden unerbittlich geahndet. In den letzten Jahren des Krieges wurde dafür immer häufiger die Todesstrafe verhängt. Die Polizei ermittelte nach Hinweisen aus der Bevölkerung und oftmals nach Denunziationen von Bekannten oder Familienmitgliedern.

Elise und Otto Hampel

Die 1903 geborene Elise Lemme wuchs in der Nähe von Stendal mit vier Geschwistern auf. Sie arbeitete als Hausmädchen und Näherin. Im Januar 1937 heiratete sie den 1897 geborenen Arbeiter Otto Hampel. Ihre Ehe blieb kinderlos. Sie wohnten im Berliner Arbeiterviertel Wedding und führten ein angepasstes und unauffälliges Leben. Elise Hampel war seit 1936 Mitglied und Zellenleiterin in der Frauenorganisation der NSDAP.

Der Tod ihres Bruders Kurt, der im Juni 1940 als Soldat in Frankreich fiel, erschütterte Elise Hampel tief und ließ sie an der NS-Propaganda von der Notwendigkeit des Krieges zweifeln. Gemeinsam mit ihrem Mann Otto begann sie kurz darauf, mit handgeschriebenen Postkarten und Flugzetteln zum Widerstand gegen Hitler und den Krieg aufzurufen. Diese Appelle verteilten die beiden in Berliner Treppenhäusern und Briefkästen, insgesamt mehr als zweihundert Stück.

Zwei Jahre nach Beginn ihrer Aktionen, Ende September 1942, wurden sie festgenommen. Die Bewohnerin eines Hauses hatte sie beim Ablegen der Karten beobachtet und bei der Polizei denunziert. Der "Volksgerichtshof" verurteilte Elise und Otto Hampel wegen "Vorbereitung zum Hochverrat", "Feindbegünstigung" und "Zersetzung der Wehrkraft" zum Tode. Sie wurden am 8. April 1943 in Berlin-Plötzensee enthauptet. Das Schicksal des Ehepaars Hampel diente dem Schriftsteller Hans Fallada als Grundlage für seinen Roman "Jeder stirbt für sich allein".

Berta Schäfer

Die 1902 geborene Berta Klose war nach dem Besuch der Mittelschule und einer einjährigen Wirtschaftslehre als Telefonistin tätig. 1932 schloss sie sich in Detmold der KPD an, der auch ihr späterer Ehemann Wilhelm Schäfer angehörte. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Wilhelm Schäfer aus dem lippischen Staatsdienst entlassen. Berta Schäfer hielt ihre politischen Kontakte weiterhin aufrecht, beteiligte sich an der Verbreitung von Flugblättern der illegalen KPD und unterstützte politisch Verfolgte und deren Familien. Nach einer ersten Festnahme 1933 wurde sie im August 1934 wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu einem Jahr und vier Monaten Gefängnis verurteilt.

Nach ihrer Haftentlassung stand Berta Schäfer unter Beobachtung der Gestapo und hatte unter beruflichen Repressionen zu leiden. Sie lebte inzwischen mit ihrem Ehemann und ihren zwei Söhnen im niedersächsischen Verden, hörte nach Kriegsbeginn regelmäßig ausländische Radiosender ab und gab die Informationen beim Einkaufen und auf der Arbeit an andere Frauen im Ort weiter. Sie wollte damit das Nachrichtenmonopol der Nationalsozialisten durchbrechen und über den tatsächlichen Verlauf des Krieges aufklären.

Berta Schäfer wurde am 19. Januar 1943 vom Sondergericht Hannover wegen "Rundfunkverbrechen" zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Ende März 1945 konnte sie aus einem Außenkommando des Zuchthauses Lübeck-Lauerhof fliehen und sich bis zum Kriegsende verstecken.

Kriegsdienstverweigerer, Deserteure, "Bewährungseinheiten" 999

Seit der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht 1935 lehnten Einzelne, die sich auf ihr Gewissen und ihren Glauben beriefen, konsequent den Dienst mit der Waffe und den Fahneneid auf den "Führer und Reichskanzler" Adolf Hitler ab. Vor allem Angehörige der Zeugen Jehovas verweigerten sich aus Glaubensgründen dem Militärdienst und dem Fahneneid.

Kurz vor dem deutschen Überfall auf Polen trat am 26. August 1939 die "Kriegssonderstrafrechtsverordnung" (KSSVO) in Kraft, nach der die Verweigerung des Militärdienstes als "Zersetzung der Wehrkraft" geahndet wurde. Allein das Reichskriegsgericht verhängte auf dieser Grundlage zwischen 1939 und 1945 etwa 250 Todesurteile gegen Kriegsdienstverweigerer; vor allem gegen Zeugen Jehovas. Dagegen blieb die Zahl der Verweigerer aus dem Kreis der evangelischen und katholischen Kirche gering. Diese konnten kaum mit Unterstützung ihrer Kirchen rechnen, die vielmehr an die Opferbereitschaft und den Einsatzwillen der Soldaten appellierten.

Trotz der harten Strafen, auch für "Fahnenflucht", desertierten Soldaten der Wehrmacht. Zu ihren Motiven gehörte der Wunsch, das eigene Leben zu retten, die grundsätzliche Ablehnung des als sinnlos empfundenen Krieges und die Weigerung, an nationalsozialistischen Verbrechen mitzuwirken. Die Wehrmachtjustiz verurteilte insgesamt etwa 20 000 Deserteure zum Tode, von diesen Urteilen wurden etwa 15 000 bis Kriegsende vollstreckt.

Vorgeblich zur "Bewährung im Fronteinsatz" wurden ab Ende 1942 ehemalige Strafgefangene in "Bewährungseinheiten" 999 der Wehrmacht zusammengefasst. Tatsächlich benö- tigte das NS-Regime im dritten Jahr des Krieges immer mehr Soldaten. Unter den "999ern" waren auch Regimegegner, die wegen ihres politischen Widerstands verurteilt worden waren. Viele von ihnen desertierten, weil sie nicht für den Nationalsozialismus kämpfen wollten.

Hermann Abke

Der 1903 geborene Dreher Hermann Abke kam Mitte der 1920er-Jahre mit den Lehren der Bibelforscher (Zeugen Jehovas) in Berührung und bekannte sich auch nach dem reichsweiten Verbot der Religionsgemeinschaft im April 1935 zu seinem Glauben. 1939 heiratete er die Hausgehilfin Mariechen Nissen. Aus der Ehe gingen zwei Töchter und ein Sohn hervor.

Als Hermann Abke im April 1944 zur Wehrmacht einberufen wurde, erklärte er, aus religiösen Gründen keinen Wehrdienst leisten zu können, und verweigerte den Eid auf Hitler. Er wurde im Wehrmachtsgefängnis Fort Zinna in Torgau inhaftiert und am 27. Juni 1944 vom 1. Senat des Reichskriegsgerichts wegen "Wehrkraftzersetzung" zum Tode verurteilt. Grundlage hierfür bildete der § 5 der am 26. August 1939 in Kraft getretenen "Kriegssonderstrafrechtsverordnung" (KSSVO). Hermann Abke wurde am 17. Juli 1944 in Halle an der Saale enthauptet.

"Seit meinem 16. Lebensjahr bin ich, beeinflusst durch die Eindrücke des vorigen Krieges, der Auffassung, dass es unchristlich ist, Menschen zu töten. Diese Auffassung finde ich auch in der Bibel begründet. […] Es verstößt auch gegen meinen Glauben mich in die Wehrmacht einordnen zu lassen, selbst wenn ich nicht mit der Waffe kämpfen brauche, da die Wehrmacht eine Organisation ist, die den christlichen Grundsätzen widerstreitet. […] Die Ablegung eines Eides lehne ich aus biblischen Gründen ab. […]"

Begründung Hermann Abkes für seine Wehrdienstverweigerung, Mai 1944, Militärhistorisches Archiv Prag

Ludwig Gehm

Der 1905 geborene Ludwig Gehm war seit seiner Jugend in sozialistischen Gruppen aktiv und trat Anfang der 1920er-Jahre der SPD bei. Seit 1927 gehörte er dem Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) an. In Frankfurt am Main war er Mitglied eines Widerstandskreises, der zur Tarnung vegetarische Restaurants betrieb. Mehrfach festgenommen und 1938 zu einer Zuchthausstrafe verurteilt, wurde Ludwig Gehm nach der Haft in das KZ Buchenwald überstellt und kam von dort 1943 zu den "Bewährungseinheiten" 999. Beim Einsatz in Griechenland desertierte er 1944 zur dortigen nationalen Befreiungsbewegung ELAS. Hier versuchte er unter anderem mit Flugblättern, die Soldaten der Wehrmacht zur Aufgabe des Kampfes zu bewegen. Ludwig Gehm überlebte den Krieg in britischer Kriegsgefangenschaft.

"Das Nazi-Regime ist ohne Gewalt nicht zu beseitigen. Dies war eigentlich der für mich entscheidende Grund, wegzugehen und dann auch zu den Partisanen zu gehen und aktiv gegen die SS zu kämpfen. Ohne Gewalt geht es nicht. Wir allein sind viel zu schwach, und in Deutschland wird es keine Gewalt gegen Hitler geben. Wir werden also angewiesen sein auf die Gewalt, die die Gegner Deutschlands gegenüber Deutschland und damit eben gegen den Nationalsozialismus anwenden, das heißt: Krieg führen."

Ludwig Gehm über seinen Entschluss, zu den griechischen Partisanen zu desertieren, in: Antje Dertinger, Der treue Partisan. Ein deutscher Lebenslauf: Ludwig Gehm, Verlag J.H.W. Dietz Nachf. Bonn 1989, S. 143 f.

Rote Kapelle

Bereits Mitte der 1930er-Jahre waren in Berlin Freundes-, Diskussions- und Schulungskreise entstanden, die sich 1940/41 durch persönliche Kontakte zu einem losen Netzwerk von sieben Berliner Widerstandskreisen verbanden. Ihnen gehörten mehr als 150 Menschen ganz unterschiedlicher sozialer Herkunft und weltanschaulicher Traditionen an, die aus dem universitären Bereich, aus Kunst, Publizistik und Verwaltung kamen, darunter viele Frauen. Sie alle einte die entschiedene Gegnerschaft zum Nationalsozialismus. Sie diskutierten über politische und künstlerische Fragen, halfen Verfolgten und dokumentierten die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen. Über ihren engeren Kreis hinaus wandten sie sich an die Öffentlichkeit, indem sie Flugblätter und Klebezettel verbreiteten. Schließlich nahmen sie Kontakte zu Gleichgesinnten in anderen Teilen Deutschlands auf.

Schon 1933 hatten Arvid Harnack, ein Oberregierungsrat im Reichswirtschaftsministerium, und seine Frau Mildred private Diskussionsrunden zur politischen Zukunft nach dem Sturz des NS-Regimes veranstaltet. An diesen Treffen nahmen neben den engen Freunden Adam und Greta Kuckhoff auch Schüler des Berliner Abendgymnasiums wie Karl Behrens und Bodo Schlösinger teil. Mitte der 1930er-Jahre knüpfte der Kreis um Harnack Kontakte zu Sozialdemokraten wie Adolf Grimme und zu kommunistischen Kreisen um John Sieg. Im Sommer 1939 vermittelte das Ehepaar Kuckhoff den intensiveren Kontakt zwischen Harnack und Harro Schulze-Boysen, der seit 1934 im Reichsluftfahrtministerium arbeitete, und dessen Frau Libertas. 1940 stieß eine Gruppe von ehemaligen Schülern der Berliner Schulfarm Insel Scharfenberg zum Kreis um Schulze-Boysen hinzu. Dazu gehörten neben anderen Hilde und Hans Coppi, Hans Lautenschläger und Heinrich Scheel. Nun begann zwischen den einzelnen Gruppen eine enge Zusammenarbeit, deren Höhepunkt 1941/42 erreicht war.

Aktionen

Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen gewannen nicht nur stets neue Gesinnungsfreunde, sie hielten auch Kontakt zu amerikanischen und sowjetischen Botschaftsvertretern in Berlin. Im Frühjahr 1941 informierten sie die sowjetische Botschaft über die Vorbereitungen der Wehrmacht zum Überfall auf die Sowjetunion. Doch Stalin ignorierte die Warnungen. Zwei Funkgeräte, die die sowjetische Botschaft Harnack und Schulze-Boysen im Sommer 1941 zur Aufrechterhaltung der Verbindung zur Verfügung stellte, kamen wegen technischer Probleme nicht zum Einsatz. Ab Herbst 1941 begannen die überzeugten Regimegegner damit, die deutsche Bevölkerung mit Flugblättern und Klebezetteln über die NS-Gewaltverbrechen zu informieren und vor den Folgen eines verlorenen Krieges für die Eigenstaatlichkeit Deutschlands zu warnen.

Im Frühjahr 1942 verstärkten sie ihre Flugschriftenaktionen und ihre Hilfen für Verfolgte und Zwangsarbeiter. Auch die Kontakte zu anderen Widerstandsgruppen, besonders nach Hamburg, wurden intensiviert. In der Nacht vom 17. auf den 18. Mai 1942 tauchten in mehreren Berliner Stadtbezirken Klebezettel auf, auf denen gegen die große NS-Propaganda-Ausstellung "Das Sowjetparadies" protestiert wurde. Diese Klebezettel hatte Fritz Thiel organisiert, in dessen Wohnung sich die Beteiligten am Abend des 17. Mai zusammenfanden. Angeklebt werden die Zettel von Otto Gollnow und Liane Berkowitz sowie Werner Krauss und dessen Freundin Ursula Götze.

Trotz intensiver Ermittlungen gelang es der Gestapo zunächst nicht, der Gruppe auf die Spur zu kommen. Dies änderte sich, als Mitte Juli 1942 ein Funkspruch des militärischen Nachrichtendienstes GRU aus Moskau entschlüsselt werden konnte. Der Funkspruch vom August 1941 war an den Brüsseler Agenten "Kent" (Anatoli Gurewitsch) gerichtet und enthielt die Adressen von Kuckhoff und Schulze-Boysen. "Kent" hatte diese im Oktober 1941 besucht und Informationen über Brüssel nach Moskau weitergegeben. Ende August 1942 erfuhr Horst Heilmann, ein Mitglied der Gruppe, von den entschlüsselten sowjetischen Funksprüchen und versuchte, seine Freunde zu warnen. Doch in kürzester Zeit wurden weit über 130 Mitglieder festgenommen. Aufgrund der Verbindung zu "Kent" sah die Gestapo die Berliner Gruppe fälschlicherweise als Teil der sowjetischen Spionageorganisation an und gab ihr den Namen "Rote Kapelle". In den folgenden Monaten wurden 49 Menschen der Gruppen um Harnack und Schulze-Boysen von der NS-Unrechtsjustiz zum Tode verurteilt und ermordet.

Mildred und Arvid Harnack

Der 1901 geborene Arvid Harnack wuchs in einer Gelehrtenfamilie auf und schloss sich nach dem kriegsbedingten Notabitur 1919 einem Freikorps an. Ein Rockefeller-Stipendium ermöglichte dem Juristen von 1926 bis 1928 ein Studium in Madison/Wisconsin. Dort lernte er seine Frau Mildred kennen. 1931 promovierte Harnack in Gießen über die vormarxistische Arbeiterbewegung in den USA. Mit einer Delegation der von ihm mitbegründeten Gesellschaft zum Studium der sowjetrussischen Planwirtschaft (ARPLAN) reiste er im Sommer 1932 in die Sowjetunion.

1933 begann Harnack einen Schulungszirkel aufzubauen. Er wollte die Beteiligten befähigen, sich mit den politischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen, und sie für die Zeit nach dem Sturz des NS-Regimes vorbereiten. Ab 1935 im Amerikareferat des Wirtschaftsministeriums tätig, stieg Harnack bis 1942 zum Oberregierungsrat auf.

Anfang 1942 erarbeitete Harnack die Studie "Das nationalsozialistische Stadium des Monopolkapitals", die in Berliner und Hamburger Widerstandskreisen zirkulierte. Arvid Harnack wurde am 7. September 1942 festgenommen, am 19. Dezember vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und auf Befehl Hitlers am 22. Dezember 1942 in Berlin-Plötzensee erhängt.

Die 1902 in Milwaukee/Wisconsin (USA) geborene Mildred Fish stammte aus einer amerikanischen Kaufmannsfamilie und lehrte Literaturwissenschaft an der Universität Madison, wo sie Arvid Harnack während seines Studiums in den Vereinigten Staaten kennenlernte. Drei Jahre nach ihrer Heirat 1926 folgte Mildred ihrem Mann 1929 nach Deutschland. Sie lehrte am Berliner Städtischen Abendgymnasium und an der Volkshochschule Groß-Berlin. 1941 promovierte sie in Gießen und arbeitete als Dozentin an der Auslandswissenschaftlichen Fakultät der Berliner Universität. Gemeinsam mit ihrem Mann beteiligte sie sich an allen Aktionen der Widerstandsgruppe.

Mildred Harnack wurde gemeinsam mit ihrem Mann festgenommen und am 19. Dezember 1942 vom Reichskriegsgericht zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 21. Dezember 1942 hob Hitler das Urteil auf und beauftragte das Reichskriegsgericht mit einer zweiten Hauptverhandlung, die am 16. Januar 1943 mit der Todesstrafe endete. Mildred Harnack wurde am 16. Februar 1943 in Berlin-Plötzensee enthauptet.

Libertas und Harro Schulze-Boysen

Der 1909 geborene Harro Schulze-Boysen engagierte sich Ende der 1920er-Jahre im national-liberalen Jungdeutschen Orden. Als Herausgeber der Zeitschrift "gegner" hatte er 1932/33 vielfältige Kontakte in politisch unterschiedliche Lager. Nach dem Verbot des "gegner" und einer kurzfristigen Haft in einem Berliner SA-Folterkeller begann Schulze-Boysen im Mai 1933 eine Ausbildung an der Verkehrsfliegerschule in Warnemünde. Seit April 1934 war er im Reichsluftfahrtministerium tätig und bildete um sich Mitte der 1930er-Jahre einen engeren Freundes- und Widerstandskreis.

Gemeinsam mit Arvid Harnack informierte Harro Schulze-Boysen im ersten Halbjahr 1941 einen Vertreter der sowjetischen Botschaft über die Angriffspläne gegen die Sowjetunion. Seine Initiative, den Kontakt nach Moskau während der Kriegszeit über ein Funkgerät aufrechtzuerhalten, wurde durch technische Probleme verhindert.

Schulze-Boysen gewann nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 neue Mitstreiter, beteiligte sich an der Ausarbeitung von Flugschriften, an einer Klebezettel-Aktion und hatte Kontakte zu politisch und weltanschaulich unterschiedlich orientierten Hitler-Gegnern. Am 31. August 1942 festgenommen, wurde Harro Schulze-Boysen am 19. Dezember 1942 vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und drei Tage später auf Befehl Hitlers in Berlin-Plötzensee erhängt.

Die 1913 geborene Libertas Haas-Heye begann 1933 eine Tätigkeit als Pressereferentin bei der Filmproduktionsfirma Metro-Goldwyn-Mayer in Berlin. Im Sommer 1934 lernte sie Harro Schulze-Boysen kennen, den sie im Sommer 1936 heiratete. Die Journalistin und Autorin arbeitete mit dem Autor und Schriftsteller Günther Weisenborn an einem Theaterstück "Die guten Feinde" über den Mediziner und Nobelpreisträger Robert Koch. Im Jahre 1940 schrieb sie vor allem Filmkritiken und sammelte zugleich in der deutschen Kulturfilmzentrale im Reichspropagandaministerium Bildmaterial über NS-Gewaltverbrechen. Sie unterstützte ihren Mann bei der Suche nach neuen Verbindungen im Widerstand. Ende Oktober 1941 empfing sie den aus Brüssel angereisten sowjetischen Offizier des militärischen Nachrichtendienstes und vermittelte ihm ein Gespräch mit ihrem Mann. Nach dessen Festnahme warnte sie Freunde und schaffte illegales Material beiseite. Libertas Schulze-Boysen wurde am 8. September festgenommen, am 19. Dezember 1942 vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und drei Tage später in Berlin-Plötzensee enthauptet.

QuellentextDie Sorge um Deutschlands Zukunft geht durch das Volk

Vergeblich müht sich Minister Goebbels, uns immer neuen Sand in die Augen zu streuen. Die Tatsachen sprechen eine harte, warnende Sprache. Niemand kann mehr leugnen, dass sich unsere Lage von Monat zu Monat verschlechtert. Niemand kann noch länger die Augen verschließen vor der Ungeheuerlichkeit des Geschehens, vor der uns alle bedrohenden Katastrophe der nationalsozialistischen Politik. […]

Bisher hat man uns mit der Hoffnung auf den Endsieg vertröstet. Man hat von der Unfehlbarkeit des Führers und von den Errungenschaften des Dritten Reiches gesprochen. Wo alle Stricke rissen, da machte man uns Angst mit der Gestapo, da holt man immer noch einmal die alte Platte vom Bolschewistenschreck aus der Rumpelkammer, da spricht man von der entsetzlichen Rache, die das ganze deutsche Volk für die Taten der bisherigen Regierenden über sich werde ergehen lassen müssen. Man will uns Angst vor der Zukunft einflößen.

Mögen sich diejenigen weiter belügen lassen, die zu schwach sind, die Wahrheit zu erfahren. Mögen diejenigen weiter untätig bleiben, die zu träge sind, die Wahrheit zu suchen. Alle Verantwortungsbewussten müssen mit den Tatsachen rechnen: Ein Endsieg des nationalsozialistischen Deutschland ist nicht mehr möglich. Jeder kriegverlängernde Tag bringt nur neue unsagbare Leiden und Opfer. Jeder weitere Kriegstag vergrößert nur die Zeche, die am Ende von Allen bezahlt werden muss. […]

Was kann der Einzelne tun, um seinen Willen zur Geltung zu bringen? Jeder muss Sorge tragen, dass er – wo immer er kann – das Gegenteil von dem tut, was der heutige Staat von ihm fordert. […] Die Wahrheit über die wirkliche Lage muss ins Volk dringen. Lasst darum keine Gelegenheit vorübergehen, der Propaganda entgegenzutreten. […] Wendet Euch gegen die Fortsetzung eines Krieges, der im besten Falle nicht das Reich allein, sondern den ganzen Kontinent zum Trümmerfeld macht. […]"

Flugschrift von Harro Schulze-Boysen unter Mitarbeit von John Sieg, im Februar 1942 in mehreren hundert Exemplaren in Berlin versandt, Bundesarchiv

Hans Coppi

Als Kind einer Arbeiterfamilie 1916 im Berliner Bezirk Wedding geboren, besuchte Hans Coppi von 1929 bis 1932 die reformpädagogische Schulfarm auf der Insel Scharfenberg im Tegeler See. 1931/32 schloss er sich den "Roten Pfadfindern" und dem KJVD an. Wegen illegalen Verteilens von Flugblättern gesucht, wurde er Ende Januar 1934 festgenommen, kurze Zeit im KZ Oranienburg inhaftiert und zu einem Jahr Jugendgefängnis verurteilt. Nach seiner Entlassung schloss er sich wieder dem Scharfenberger Freundes- und Widerstandskreis an.

Hans Coppi arbeitete als Dreher in einer kleinen Maschinenbaufabrik. Ab 1939 war er in der Widerstandsgruppe um den Dramaturgen Wilhelm Schürmann-Horster aktiv. Harro Schulze-Boysen gewann Coppi im Juni 1941 für die Aufgabe, eine Funkverbindung der Widerstandsorganisation in die Sowjetunion herzustellen. Dies kam wegen fehlender Vorkenntnisse und technischer Probleme jedoch nicht zustande. Coppi beteiligte sich an Flugblatt- und Klebezettel-Aktionen und kümmerte sich im August 1942 um den aus Moskau eingetroffenen Fallschirmagenten Albert Hößler.

Nach seiner Einberufung zur Wehrmacht am 10. September 1942 wurde Hans Coppi am 12. September 1942 in Schrimm bei Posen festgenommen, am 19. Dezember 1942 vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und am 22. Dezember 1942 in Berlin-Plötzensee erhängt.

Hilde Coppi

Die 1909 geborene Hilde Rake wuchs in Berlin-Mitte auf. Ihre Mutter hatte einen kleinen Laden für Lederwaren. Nach dem Besuch eines Mädchengymnasiums (Lyzeums) und einer höheren Handelsschule arbeitete sie in den 1930er-Jahren als Sprechstundenhilfe und seit 1939 als Sachbearbeiterin bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte. Während des Besuchs der Volkshochschule freundete sie sich 1933 mit kommunistischen Jugendlichen an. Ihr jüdischer Freund Franz Karma musste 1939 nach Skandinavien emigrieren.

Im Juni 1941 heiratete sie Hans Coppi, mit dem sie seit 1939 eng befreundet war. Sie unterstützte dessen Widerstandsaktivitäten und beteiligte sich an der Zettelklebeaktion gegen die antisowjetische Propagandaausstellung "Das Sowjetparadies" im Berliner Lustgarten. Mehrfach informierte sie Angehörige deutscher Kriegsgefangener über deren Lebenszeichen, die der Moskauer Rundfunk ausstrahlte.

Am 12. September nahm die Gestapo Hans und Hilde Coppi sowie ihre Mutter, ihre Schwiegereltern und ihren Schwager fest. Ende November 1942 wurde ihr Sohn Hans im Berliner Frauengefängnis Barnimstraße geboren. Das Reichskriegsgericht verurteilte Hilde Coppi am 20. Januar 1943 zum Tode. Nachdem Hitler im Juli 1943 ein Gnadengesuch ablehnte, wurde sie am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee enthauptet.

Helmut Himpel

Der 1907 geborene Zahnarzt Helmut Himpel eröffnete 1937 eine Praxis in Berlin-Charlottenburg. Schon bald unterstützte er hier Verfolgte des NS-Regimes medizinisch und besuchte abends seine jüdischen Patienten, die ihn nicht mehr aufsuchen durften. Er hatte seit 1939 Kontakt zu Harro Schulze-Boysen und John Graudenz. Mehrfach beteiligte er sich an der Verbreitung von Flugschriften, etwa bei "Die Sorge um Deutschlands Zukunft geht durch das Volk".

Erst nach der Festnahme der Angehörigen der Roten Kapelle im Herbst 1942 wurde aufgedeckt, dass John Graudenz einen Vervielfältigungsapparat besorgt und zusammen mit Helmut Himpel und Maria Terwiel Herstellung und Versand der Flugschriften organisiert hatte. Gemeinsam mit ihr beschaffte Himpel 1941 auch Personalpapiere für in der Stadt untergetauchte Juden, die sich der Deportation entzogen hatten.

Himpel gewann Ende 1941 auch den Pianisten Helmut Roloff für die Widerstandsaktivitäten der Gruppe. Am 17. September 1942 wurden Helmut Himpel und seine Lebensgefährtin Maria Terwiel festgenommen und am 26. Januar 1943 gemeinsam mit der Tänzerin Oda Schottmüller und dem jungen Kommunisten Walter Husemann wegen "Hochverrat" und "Feindbegünstigung" zum Tode verurteilt. Noch in der Haft befasste Himpel sich mit theologischen Fragen und erhoffte sich für die Zeit nach dem Nationalsozialismus eine größere Gemeinsamkeit der evangelischen und katholischen Kirche. Helmut Himpel wurde am 13. Mai 1943 in Berlin-Plötzensee erhängt.

Maria Terwiel

Die 1910 geborene Maria Terwiel besuchte das Gymnasium in Stettin, wo ihr Vater als Vizepräsident beim Oberpräsidium der Provinz Pommern arbeitete. Nach dem Abitur 1931 studierte Maria Terwiel in Freiburg und München Jura. In Freiburg lernte sie ihren späteren Verlobten Helmut Himpel kennen. Da sie wegen ihrer jüdischen Mutter keine Aussicht auf eine Stelle im staatlichen juristischen Vorbereitungsdienst hatte, brach sie ihr Studium ab und kehrte zu ihrer Familie zurück, die inzwischen in Berlin wohnte. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie ab 1935 als Sekretärin in einem französisch-schweizerischen Textilunternehmen.

Maria Terwiel und Helmut Himpel unterstützten jüdische Mitbürger, indem sie ihnen Lebensmittelkarten und Personalpapiere beschafften. Sie lernten Harro Schulze-Boysen und John Graudenz kennen und beteiligten sich an den Aktionen dieser Widerstandsgruppe. Maria Terwiel vervielfältigte auf ihrer Schreibmaschine mehrere Flugschriften, darunter im Januar 1942 die Flugschrift "Die Sorge um Deutschlands Zukunft geht durch das Volk". Zudem beteiligte sie sich an der Zettelklebeaktion vom 17./18. August 1942 gegen die nationalsozialistische Propagandaausstellung "Das Sowjetparadies".

Im Zuge der Verhaltungswelle gegen die Widerstandsgruppe wurde Maria Terwiel am 17. September 1942 festgenommen, am 26. Januar 1943 vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee enthauptet.

Liane Berkowitz

Die 1923 in Berlin als Tochter des aus der Sowjetunion geflohenen russischen Kapellmeisters Viktor Wasiljew geborene Liane wurde nach dem Tode ihres Vaters 1930 von ihrem Stiefvater Henry Berkowitz adoptiert, der nach seiner Scheidung 1939 ins Ausland emigrierte.

Liane Berkowitz sprach fließend Russisch und besuchte die Heilsche Abendschule. Sie lernte dort Fritz Thiel und ihren späteren Verlobten Friedrich Rehmer kennen, mit denen sie an den Schulungszirkeln von John Graudenz teilnahm. Liane Berkowitz beteiligte sich mit Otto Gollnow an der Zettelklebeaktion vom 17./18. August 1942 gegen die antisowjetische Propagandaausstellung "Das Sowjetparadies".

Am 26. September 1942 wurde sie festgenommen und am 18. Januar 1943 vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt. Im Berliner Frauenstrafgefängnis Barnimstraße brachte sie am 12. April 1943 ihre Tochter Irene zur Welt, die ab Juli 1943 von der Großmutter betreut wurde und im Oktober 1943 vermutlich einer NS-Krankenmordaktion im Krankenhaus Eberswalde zum Opfer fiel. Liane Berkowitz wurde am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee ermordet.

Zuvor hatte Adolf Hitler am 21. Juli 1943 persönlich die Gnadengesuche von 17 Mitgliedern der Berliner Roten Kapelle abgelehnt. Selbst das Reichskriegsgericht hatte ihm empfohlen, die 22-jährige Keramikerin Cato Bontjes van Beek und die 19-jährige Schülerin Liane Berkowitz wegen der geringen Schwere ihrer Taten zu begnadigen. Hitler lehnte dies jedoch ebenfalls ausdrücklich ab.

Weiße Rose

An der Münchener Universität fand sich im Frühjahr 1942 um Hans Scholl und Alexander Schmorell eine Gruppe von Studierenden zusammen, die sich der totalen Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus entziehen und ihre geistige Unabhängigkeit bewahren wollten. Zu ihnen gehörten Sophie Scholl, Christoph Probst und Willi Graf. Alle wurden auch durch ihren Hochschullehrer, den Philosophen Kurt Huber, geprägt, mit dem sie Grundfragen einer politischen Neuordnung diskutierten.

Zwischen dem 27. Juni und dem 12. Juli 1942 versandten Hans Scholl und Alexander Schmorell die von ihnen gemeinsam verfassten ersten vier Flugblätter der "Weißen Rose" in einer Auflage von mehr als hundert Exemplaren anonym per Post an ausgewählte Adressaten aus ihrem Bekanntenkreis. Sie forderten darin zum "passiven Widerstand" gegen Hitlers verbrecherische Kriegsführung auf, verlangten ein sofortiges Ende des Krieges, den Sturz des NS-Regimes und prangerten die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen an.

Von Ende Juli bis Ende Oktober 1942 wurden Hans Scholl, Alexander Schmorell und Willi Graf als Sanitäter an der Ostfront eingesetzt. Nach ihrer Rückkehr unterstützte Kurt Huber im Januar 1943 Hans Scholl beim Text des fünften Flugblatts, das von diesem, seiner Schwester Sophie, Alexander Schmorell und Willi Graf vervielfältigt und in einer Auflage von mehr als 6000 Exemplaren in München, Augsburg, Stuttgart und Frankfurt am Main sowie in Salzburg, Linz und Wien verbreitet wurde. Allein in München wurden in der Nacht vom 28. auf den 29. Januar 1943 mehr als 2000 Flugblätter ausgelegt. Die Studierenden versuchten zudem, Kontakte in andere Städte aufzubauen. In Ulm formierte sich eine Gruppe von Schülern, die Verbindung zu Hans und Sophie Scholl hielt.

Hans Scholl, Alexander Schmorell und Willi Graf schrieben unter dem Eindruck der Niederlage von Stalingrad Anfang Februar 1943 nachts Parolen wie "Freiheit", "Nieder mit Hitler" oder "Massenmörder Hitler" an Münchener Hausfassaden. Ebenfalls Anfang Februar 1943 verfasste Kurt Huber das sechste und letzte Flugblatt der Gruppe. Es wandte sich in einer Auflage von 2000 Exemplaren ausdrücklich an die Münchener Studierenden und gegen das "furchtbare Blutbad", das die Nationalsozialisten in Europa angerichtet hatten.

Am frühen Morgen des 18. Februar 1943 legten Hans und Sophie Scholl es in der Münchener Universität aus und warfen in einem spontanen Entschluss mehr als 100 Flugblätter in den Lichthof der Universität. Dabei wurden sie von einem Hausmeister gestellt und der Gestapo übergeben. Führende Mitglieder der Weißen Rose wurden festgenommen und vor Gericht gestellt. Die nationalsozialistischen Machthaber sahen in ihren Taten und in ihrem ethisch begründeten Appell an das Gewissen ein politisches Schwerverbrechen. Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst wurden noch am Tage ihrer Verurteilung am 22. Februar 1943 im Gefängnis München-Stadelheim enthauptet.

In einem zweiten Prozess verurteilte der "Volksgerichtshof" im April 1943 Alexander Schmorell, Willi Graf und Kurt Huber zum Tode. Weitere Helfer und Mitwisser, darunter auch Angehörige der Ulmer Gruppe, erhielten langjährige Freiheitsstrafen.

In Hamburg hatte sich 1942 eine Gruppe gebildet, die über Hans Leipelt und Traute Lafrenz Kontakte nach München hatte. Im Herbst 1943 entdeckte die Gestapo auch diese Gruppe und nahm mehr als 20 Personen in Haft. In den folgenden Jahren wurden weitere zehn Regimegegner aus dem Umfeld des Münchener und des Hamburger Zweiges der Weißen Rose ermordet oder in den Tod getrieben.

Hans Scholl

Der 1918 geborene Hans Scholl wuchs mit vier Geschwistern in einem liberalen protestantischen Elternhaus auf und wurde stark von der bündischen Jugend beeinflusst. Seit 1933 engagierte er sich in der "Hitler-Jugend" und stieg hier zum "Fähnleinführer" auf. Weil ihn dort aber bald die militärische Engstirnigkeit abstieß, wandte er sich vom Nationalsozialismus ab und beteiligte sich an bündischen Gruppen. Ende 1937 inhaftierte ihn die Gestapo für zwei Wochen.

Nach dem Arbeits- und Wehrdienst studierte Hans Scholl ab dem Sommersemester 1939 in München Medizin. Im Mai 1940 wurde er als Sanitäter an der französischen Front eingesetzt. Hans Scholl konnte im April 1941 bei der 2. Studentenkompanie der Heeressanitätsstaffel in München sein Studium fortsetzen, wo er im Juni 1941 Alexander Schmorell kennenlernte. Seit Herbst 1941 hielt Hans Scholl engen Kontakt zu dem katholischen Publizisten Carl Muth.

Im Juni und Juli 1942 verbreiteten Hans Scholl und Alexander Schmorell die ersten vier Flugblätter der Weißen Rose. Gemeinsam mit Schmorell und Willi Graf wurde Hans Scholl von Ende Juli bis Ende Oktober 1942 zu einer "Feldfamulatur" in die Sowjetunion abkommandiert, das heißt, sie mussten ein für das Medizinstudium vorgeschriebenes Praktikum als Kriegsdienst ableisten. Nach der Rückkehr an die Münchener Universität setzte er seine Widerstandsaktionen fort.

Bei der Flugblattaktion am 18. Februar 1943 wurde Hans gemeinsam mit seiner Schwester Sophie festgenommen, vier Tage später vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und am selben Tag im Strafgefängnis München-Stadelheim enthauptet.

Sophie Scholl

Die 1921 geborene Sophie Scholl trat 1934 in den "Bund Deutscher Mädel" in der "Hitler-Jugend" ein, wo sie bis zur Gruppenleiterin aufstieg. Bereits als Schülerin wurde sie 1937 wegen des bündischen Engagements ihres Bruders Hans von der Gestapo vernommen. Seit dieser Zeit distanzierte sie sich radikal vom Nationalsozialismus.

Nach dem Abitur im März 1940 machte sie eine Ausbildung zur Kindergärtnerin und begann nach dem Arbeits- und Kriegshilfsdienst im Mai 1942 in München ein Studium der Biologie und Philosophie. Dabei kam sie durch ihren Bruder Hans auch mit dem katholischen Publizisten Carl Muth zusammen, der beide in ihrem christlichen Glauben bestärkte und sie in der Ablehnung des Nationalsozialismus ebenso beeinflusste wie der Hochschullehrer Kurt Huber.

Im August und September 1942 musste Sophie Scholl wieder vier Wochen Kriegshilfsdienst leisten und in einem Ulmer Rüstungsbetrieb arbeiten. Im Januar 1943 wirkte sie an der Herstellung und Verbreitung des fünften Flugblattes der Weißen Rose mit.

Bei der Flugblattaktion am 18. Februar 1943 wurden Sophie Scholl und ihr Bruder noch in der Universität festgenommen, am 22. Februar 1943 vom "Volksgerichtshof" unter Roland Freisler zum Tode verurteilt und am selben Tag im Strafgefängnis München-Stadelheim enthauptet.

"Es war unsere Überzeugung, dass der Krieg für Deutschland verloren ist, und dass jedes Menschenleben das für diesen verlorenen Krieg geopfert wird, umsonst ist. Besonders die Opfer, die Stalingrad forderte, bewogen uns, etwas gegen dieses unserer Ansicht nach sinnlose Blutvergießen zu unternehmen."

Aus der Vernehmung von Sophie Scholl durch die Gestapo in München vom 20. Februar 1943

Christoph Probst

Der 1919 geborene Christoph Probst studierte nach dem Arbeits- und Wehrdienst 1939 in München Medizin. Seit 1935 kannte er Alexander Schmorell, mit dem er bald eng befreundet war. 1941 heiratete Christoph Probst Herta Dohrn, mit der er drei Kinder hatte. Schmorell führte Probst im Sommer 1942 in den Freundeskreis um Hans Scholl ein. Trotz seiner Versetzung nach Innsbruck im Dezember 1942 beteiligte Probst sich bei seinen Besuchen in München aktiv an der Diskussion des fünften Flugblattes der Weißen Rose und war auch bereit, selbst eine Flugschrift zu verfassen.

Nach der Festnahme der Geschwister Scholl fand die Gestapo einen Flugblattentwurf von Probst in Hans Scholls Jackentasche, in dem es hieß: "Hitler und sein Regime muss fallen, damit Deutschland weiterlebt." Christoph Probst wurde am 20. Februar 1943 in Innsbruck festgenommen und am 22. Februar 1943 gemeinsam mit den Geschwistern Scholl vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt. Am selben Tag empfing er unmittelbar vor seiner Hinrichtung im Strafgefängnis München-Stadelheim die katholische Taufe.

"Auch im schlimmsten Wirrwarr kommt es darauf an, dass der Einzelne zu seinem Lebensziele kommt, zu seinem Heil kommt, welches nicht in einem äußeren ‚Erreichen‘ gegeben sein kann, sondern nur in der inneren Vollendung seiner Person. Denn das Leben fängt ja nicht mit der Geburt an u. endigt im Tod. So ist ja auch das Leben, als die große Aufgabe der Mensch-Werdung, eine Vorbereitung für ein Dasein in anderer neuer Form. Und dieser Aufgabe dienen letzthin alle kleineren u. größeren Aufgaben u. Ereignisse des Lebens."

Aus einem Brief von Christoph Probst vom 27. Juli

Alexander Schmorell

Der 1917 in Orenburg/Russland geborene Alexander Schmorell entstammte einer deutsch-russischen Familie, die seit 1921 in München lebte. Er wuchs mit starken Bindungen an seine russische Herkunft auf. 1933 trat Schmorell der SA bei und wurde 1934 Mitglied der "Hitler-Jugend". Er wandte sich jedoch schon 1937 während seines Arbeitsdienstes radikal gegen die geistige Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus.

Nach dem Wehrdienst begann er 1939 in Hamburg mit dem Medizinstudium, das er in München fortsetzte. Im Juni 1941 lernte er in der 2. Studentenkompanie der Heeressanitätsstaffel in München Hans Scholl kennen. Beide waren seit April 1941 hier kaserniert. Hans Scholl und Alexander Schmorell verfassten die ersten vier Flugblätter der Weißen Rose, ehe sie gemeinsam mit Willi Graf Ende Juli 1942 zu einer "Feldfamulatur" an die Ostfront abkommandiert wurden. Das Land und die Menschen dort beeindruckten Alexander Schmorell tief.

Schmorell nahm auch an der Herstellung des fünften und sechsten Flugblattes der Weißen Rose teil sowie an den nächtlichen Aktionen im Februar 1943, bei denen sie Parolen gegen Hitler an Hausfassaden malten.

Nach der Festnahme von Hans und Sophie Scholl am 18. Februar 1943 versuchte Alexander Schmorell vergeblich, ins Ausland zu fliehen. Nach München zurückgekehrt, wurde er am 24. Februar 1943 erkannt, denunziert und sofort festgenommen, am 19. April 1943 vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und am 13. Juli 1943 im Strafgefängnis München-Stadelheim enthauptet.

Willi Graf

Der 1918 geborene Willi Graf stieß 1929 zum katholischen Schülerbund "Neudeutschland". 1934 schloss er sich dem engeren Kreis des Jungenbundes "Grauer Orden" an und nahm an verbotenen Fahrten und Lagern teil. 1937 begann Willi Graf in Bonn ein Medizinstudium und wurde Anfang 1938 wegen seiner Aktivitäten in der bündischen Jugendbewegung für zwei Wochen inhaftiert. Anfang 1940 absolvierte Graf in der Wehrmacht eine Sanitätsausbildung, um zunächst in Frankreich und Belgien, ab Juni 1941 an der Ostfront eingesetzt zu werden.

Im April 1942 zur Fortsetzung des Medizinstudiums in die 2. Münchener Studentenkompanie abgeordnet, lernte er hier Hans Scholl und Alexander Schmorell kennen, mit denen er von Ende Juli bis Ende Oktober 1942 an der Ostfront eingesetzt war. Ende 1942 und Anfang 1943 warb Willi Graf auf mehreren Reisen in seinem alten Freundeskreis um Mitstreiter. Ab Dezember 1942 nahm er an der Diskussion des fünften Flugblattes der Weißen Rose teil. Im Februar 1943 beteiligte er sich an den Freiheitsparolen der Gruppe in der Münchener Innenstadt und unterstützte die Herstellung und Verbreitung des sechsten Flugblattes der Weißen Rose.

Am 18. Februar 1943 nahm die Gestapo Willi Graf fest. Der "Volksgerichtshof" verurteilte ihn gemeinsam mit Kurt Huber und Alexander Schmorell am 19. April 1943 in München zum Tode. Fast ein halbes Jahr später wurde Willi Graf am 12. Oktober 1943 im Strafgefängnis München-Stadelheim enthauptet.

Kurt Huber

Der 1893 in der Schweiz geborene Kurt Huber studierte ab 1912 Musik, Philosophie und Psychologie, promovierte 1917 in Musikwissenschaft und habilitierte sich 1920 im Fach Psychologie und Philosophie. Ab 1926 lehrte er an der Universität München Philosophie und war ein anerkannter Volksliedforscher und führender Experte für den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz.

1937 übernahm Huber die Abteilung Volksmusik am Berliner Institut für Musikforschung. Ein Jahr später wurde ihm wegen seiner "katholisch-weltanschaulichen Bindung" untersagt, einen Lehrauftrag an der Berliner Universität wahrzunehmen. Er kehrte nach München zurück, wo er nach seinem Eintritt in die NSDAP 1940 außerplanmäßiger Professor wurde. Huber fesselte seine Studenten vor allem durch seine weitgefächerten Interessen und durch anschauliche Vorlesungen.

Im Juni 1942 lernte er Hans Scholl und seine Freunde kennen, seine Vorbehalte gegen die Hitler-Diktatur verstärkten sich durch die Schilderungen von der Front zurückgekehrter Studenten. Gemeinsam mit Hans Scholl formulierte Huber den politischen Teil des fünften Flugblattes der Weißen Rose und verfasste Anfang Februar 1943 auch das sechste und letzte Flugblatt der Gruppe.

Wenige Tage nach der Verteilung dieses Flugblattes durch die Geschwister Scholl in der Münchener Universität wurde Kurt Huber am 27. Februar 1943 festgenommen, am 19. April 1943 in München vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und am 13. Juli 1943 im Strafgefängnis München-Stadelheim enthauptet.

Hans Leipelt

Der 1921 geborene Hans Leipelt absolvierte nach dem Abitur zunächst den Arbeitsdienst, anschließend leistete er den Wehrdienst ab. Im August 1940 wurde er aus der Wehrmacht entlassen, weil seine Mutter nach den nationalsozialistischen "Nürnberger Rassegesetzen" als Jüdin galt. Sein Vater konnte ihm jedoch einen Studienplatz für Chemie an der Hamburger Universität verschaffen. Dort lernte er Gleichgesinnte wie Margaretha Rothe und Heinz Kucharski kennen.

Im Winter 1941/42 wechselte Hans Leipelt nach München an das weithin bekannte Chemische Institut des Professors und Nobelpreisträgers Heinrich Wieland, der mehrfach rassisch Verfolgten half.

Die Nachricht von der Hinrichtung der Geschwister Scholl und Christoph Probsts wurde für Hans Leipelt und seine Freundin Marie-Luise Jahn zur Herausforderung. Weil sie sich der Weißen Rose verpflichtet fühlten, schrieben sie das letzte Flugblatt ab und verbreiteten es mit dem Zusatz "Und ihr Geist lebt trotzdem weiter" in Hamburg. Nach der Ermordung von Professor Kurt Huber unterstützten Leipelt und seine Freunde dessen Familie durch eine Geldsammlung.

Hans Leipelt wurde am 8. Oktober 1943 in München festgenommen, aber erst am 13. Oktober 1944 vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und am 29. Januar 1945 in München Stadelheim enthauptet. Marie-Luise Jahn verurteilte der "Volksgerichtshof" zu zwölf Jahren Zuchthaus. Sie wurde am 29. April 1945 aus dem Zuchthaus Aichach befreit.

Traute Lafrenz

Die 1919 geborene Traute Lafrenz gehörte wie Heinz Kucharski und Margaretha Rothe zur Schulklasse der Studienrätin Erna Stahl, die auch nach 1933 ganz im Sinne der freiheitlichen und musischen Tradition der Hamburger Lichtwarkschule unterrichtete.

Im Sommer 1939 begegnete Traute Lafrenz in Hamburg Alexander Schmorell, der hier ein Semester lang studierte. Im Mai 1941 wechselte sie für ihr Medizinstudium nach München und lernte bald Hans Scholl und Christoph Probst kennen. Sie nahm an vielen Gesprächen und Diskussionen, auch mit Kurt Huber, teil. Im November 1942 brachte Traute Lafrenz das dritte Flugblatt der Weißen Rose mit nach Hamburg. An Weihnachten 1942 versuchte sie, in Wien einen Vervielfältigungsapparat zu besorgen. Gemeinsam mit Sophie Scholl organisierte Traute Lafrenz im Januar 1943 Papier und Briefumschläge für den Versand weiterer Flugblätter.

Am 5. März 1943 wurde sie erstmals von der Gestapo verhört, wenige Tage später, am 15. März 1943, festgenommen, am 19. April 1943 gemeinsam mit Alexander Schmorell und Kurt Huber angeklagt und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt – sie konnte verschleiern, an der Verteilung von Flugblättern beteiligt gewesen zu sein.

Nach ihrer Entlassung verhaftete die Gestapo Traute Lafrenz Ende März 1944 erneut und überführte sie ins Hamburger Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel. Gemeinsam mit anderen weiblichen Gefangenen der Hamburger Weißen Rose wurde Traute Lafrenz über Gefängnisse in Cottbus und Leipzig nach Bayreuth verlegt, wo sie am 15. April 1945 von US-Truppen befreit wurde.

Heinz Kucharski

Der 1919 geborene Heinz Kucharski besuchte die Hamburger Lichtwark-Schule, setzte sich bereits als Schüler intensiv mit sozialistischen Ideen auseinander und studierte Philologie, Völkerkunde und Orientalistik. Er organisierte Leseabende, auf denen politische Schriften diskutiert wurden. Zusammen mit Margaretha Rothe machte er auf Flugzetteln die Sendezeiten des Deutschen Freiheitssenders 29,8 bekannt. Ende 1942 diskutierte er mit Margaretha Rothe, der Buchhändlerin Hannelore Willbrandt, dem Mediziner Albert Suhr und dem Philosophiestudenten Reinhold Meyer das dritte Flugblatt der Weißen Rose.

Am 9. November 1943 nahm die Gestapo Heinz Kucharski, seine Mutter Hildegard Heinrichs und seine Freundin Margaretha Rothe fest. Bis zum 25. Oktober 1944 war Kucharski im Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel, danach im Hamburger Untersuchungsgefängnis inhaftiert. Nach dem Todesurteil des "Volksgerichtshofs" vom 17. April 1945 konnte er während des Transports zur Hinrichtungsstätte Bützow-Dreibergen entkommen.

Der ebenfalls festgenommene Reinhold Meyer erkrankte in der Haft schwer und starb am 12. November 1944 im Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel.

Margaretha Rothe wurde mit den anderen weiblichen Gefangenen der Hamburger Weißen Rose von Fuhlsbüttel zunächst nach Cottbus, später in das Gefängnis Leipzig-Kleinmeusdorf verlegt, wo sie am 18. Februar 1945 in das Gefängnislazarett aufgenommen wurde. Unmittelbar vor der Befreiung der Stadt durch US-Truppen starb Margaretha Rothe am 15. April 1945 in einem Leipziger Krankenhaus.

Widerstand von Jugendlichen

Ab 1933 sollte die "Hitler-Jugend" (HJ) nach dem Willen des NS-Regimes die einzige Jugendorganisation in Deutschland sein. Daher wurden fast alle anderen Jugendverbände innerhalb weniger Monate verboten, zur Selbstauflösung gezwungen oder der HJ angegliedert. Seit Frühjahr 1939 mussten alle Jugendlichen dem "Bund Deutscher Mädel" bzw. der HJ angehören, wo sie vormilitärisch ausgebildet und zu unbedingtem Gehorsam erzogen wurden.

Nicht alle akzeptierten diese totale Vereinnahmung durch das NS-Regime. Politische Jugendgruppen versuchten trotz Verboten und Auflösungen zusammenzuhalten oder sich neu zu formieren. Die Gestapo verfolgte dies rücksichtslos. Die Motive der Jugendlichen für ihren Widerstand waren vielfältig. Es waren junge Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen oder Jugendliche jüdischer Herkunft, die sich zusammenfanden. Sie hörten verbotene ausländische Rundfunksender, verbreiteten Nachrichten oder wollten mit Flugblättern über den Kriegsverlauf und die NS-Gewaltverbrechen aufklären. Wurden ihre Aktivitäten aufgedeckt, drohte ihnen die Todesstrafe.

Während des Krieges verschärften die Nationalsozialisten die Verfolgung von Jugendlichen, die ihr Recht auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung außerhalb der "Hitler-Jugend" verteidigten. Edelweißpiraten in Köln, Leipziger Meuten oder Hamburger Swing-Jugendliche, die sich dem Zwang der Diktatur durch ihren Lebensstil widersetzten, wurden von der Gestapo verfolgt, in Jugend-Konzentrationslager eingewiesen oder zu langen Haftstrafen verurteilt, obwohl sie eher unpolitisch waren und nur wenige von ihnen das Regime aktiv bekämpften.

Sozialistische und kommunistische Jugendliche

Das Verbot der kommunistischen und sozialdemokratischen Aktivitäten richtete sich auch gegen die kommunistischen und sozialistischen Jugendverbände. Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands (KJVD) führten ihre Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten daher im Untergrund fort. Scheinbar unpolitische Aktivitäten wie gemeinsame Wanderungen sollten Schutz vor Entdeckung bieten. Indem sie ihre Treffen tarnten, konnten sie ihren Zusammenhalt bewahren. Die Jugendlichen beteiligten sich auch an Widerstandsaktivitäten und überwanden dabei oftmals innere weltanschauliche Gegensätze der Arbeiterbewegung.

Zahlreiche sozialistische und kommunistische Jugendliche wurden wegen ihrer Überzeugung verfolgt und kriminalisiert. Bis Mitte der 1930er-Jahre fanden zahlreiche Prozesse gegen Mitglieder des KJVD und der SAJ statt. Viele von ihnen wurden in Konzentrationslager verschleppt, misshandelt oder vor Gericht gestellt. Lange Haftstrafen und Todesurteile sollten auf andere Jugendliche abschreckend wirken.

Christliche Jugendliche

1933 waren mehr als 2,5 Millionen Jugendliche in christlichen Verbänden organisiert. Obwohl die Nationalsozialisten versicherten, die Eigenständigkeit der Kirchen zu respektieren, wurden kirchliche Jugendgruppen zunehmend bedrängt und verboten. Der Führungsanspruch der "Hitler-Jugend" und des NS-Regimes sollte durchgesetzt werden.

Viele christliche Jugendliche hatten der Regierung Hitlers zunächst positiv gegenübergestanden. Bei manchen von ihnen verstärkten sich jedoch schon bald Zweifel an der nationalsozialistischen Kirchenpolitik. Einigen Jugendlichen gelang es trotz der Auflösung oder "Gleichschaltung" ihrer Verbände, in Verbindung zu bleiben. Sie festigten ihre Kontakte und trafen sich bei Wallfahrten oder Freizeiten, die die Nationalsozialisten als Provokation empfanden. So gerieten sie zunehmend in Konflikt mit dem NS-Regime.

Jüdische Jugendliche

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden jüdische Jugendliche zunehmend aus der Gesellschaft ausgegrenzt. Sie durften nur jüdischen Jugendorganisationen angehören und ab 1938 ausschließlich jüdische Schulen besuchen. Die Jugendlichen fanden sich in Gruppen zusammen, in denen sie sich respektiert fühlten, gemeinsam ihre Freizeit gestalteten oder sich auf eine Auswanderung vorbereiten konnten.

Verschiedene dieser Gruppen sammelten sich um den Berliner Elektriker Herbert Baum, der sich bereits 1927 der Deutsch-Jüdischen Jugendgemeinschaft angeschlossen hatte und 1931 in den kommunistischen Jugendverband Deutschlands eintrat. Gemeinsam bereiteten die Mitglieder der Gruppen um Baum später Widerstandsaktionen vor, verbreiteten Parolen, verteilten Flugzettel und illegale Schriften (siehe oben, "Die Widerstandsgruppe um Herbert Baum"). Als 1941 die systematische Ermordung der Juden Europas einsetzte, entzogen sich jüdische Jugendliche der Deportation durch die Flucht in den Untergrund.

Bündische Traditionen

Die Anhänger der Bündischen Jugend wollten sich weder politisch noch konfessionell binden, sondern ihr Leben frei und selbstbestimmt gestalten. Sie betonten das Recht der Jugend auf eigene Entfaltung. Die Deutsche Freischar war mit 15.000 Mitgliedern der größte Bund. Sie schloss sich im März 1933 mit anderen Vereinen zum Großdeutschen Bund zusammen, der bereits im Juni 1933 von den Nationalsozialisten aufgelöst wurde.

Zunächst hofften ehemalige Bündische, die "Hitler-Jugend" beeinflussen zu können. Sie traten in die HJ ein, um so ihre Traditionen zu bewahren, bis die HJ-Führung die "bündischen Umtriebe" verbot. Viele Jugendliche widersetzten sich, indem sie weiterhin Ausflüge unternahmen oder, wie sie sagten, auf Fahrt gingen, bündische Lieder sangen, ihre Erkennungszeichen trugen und oftmals sogar die Auseinandersetzung mit der HJ suchten. Immer wieder wurden bündische Jugendliche festgenommen, mit Gefängnis und Zuchthaus bestraft oder in Konzentrationslagern inhaftiert.

Leipziger Meuten

In Leipzig schlossen sich nach 1933 rund 1500 Jugendliche zu sogenannten Meuten zusammen. Die 14- bis 18-jährigen Mädchen und Jungen kamen überwiegend aus sozialdemokratisch oder kommunistisch geprägten Elternhäusern.

Die etwa 20 Leipziger Meuten nannten sich nach ihren Treffpunkten und wollten sich durch Kleidung und Verhalten von der HJ abgrenzen. Die Jungen trugen oft kurze Lederhosen, karierte Hemden und bunte Halstücher. In den 1930er-Jahren häuften sich Auseinandersetzungen mit der HJ. Einige Mitglieder der Meuten forderten mit Streuzetteln, die heimlich ausgelegt wurden, zum Kampf auf. Die meisten Anhänger waren jedoch eher unpolitisch und wollten vor allem ihre Freizeit ohne den Zwang der HJ verbringen. Die NS-Führung ging unnachgiebig gegen die Meuten vor. Viele ihrer Anhänger wurden wegen "bündischer Umtriebe" festgenommen und hart bestraft.

Edelweißpiraten

Um 1938 entstanden im Rhein-Ruhr-Gebiet verschiedene Gruppen von sogenannten Edelweißpiraten, denen sich mehrere tausend junge Arbeiter und Lehrlinge anschlossen. Ihr Erkennungszeichen waren eine Edelweißblume an der Kleidung oder eine weiße Stecknadel. Sie trafen sich regelmäßig auf Plätzen oder in Parks und nannten sich wie die Meuten nach ihren Treffpunkten oder Stadtvierteln.

Die Edelweißpiraten lehnten die "Hitler-Jugend" ab, gingen auf Fahrt, organisierten Zeltlager und sangen bündische Lieder. Manche von ihnen hörten ausländische Rundfunksender und verbreiteten deren Meldungen. Sie stellten Flugblätter her und wandten sich mit Wandparolen gegen den Krieg. Einige Jugendliche waren sogar bereit, das NS-Regime mit Waffengewalt zu bekämpfen. Viele Edelweißpiraten wurden in Fürsorgeanstalten eingewiesen oder in Konzentrationslagern und Gefängnissen inhaftiert.

Swing-Jugendliche

In verschiedenen Großstädten hatten sich Jugendliche getroffen, um gemeinsam Jazzmusik zu hören, zu tanzen und offene Gespräche zu führen. Viele von ihnen wollten ihren eigenen Weg gehen und ihre Persönlichkeit in bewusstem Gegensatz zu den nationalsozialistischen Beeinflussungsversuchen entfalten. Ihre Begeisterung für den Swing verband sie auch, weil die Nationalsozialisten diese Musik als Symbol "kultureller Entartung" als "undeutsch" herabwürdigten.

Viele Swing-Jugendliche wollten sich nicht nur von der HJ abgrenzen. Für sie war Swing Ausdruck einer eigenständigen Lebensweise, die sie mit englisch klingenden Vornamen, langen Haaren und einem eigenen Kleidungs- und Tanzstil demonstrierten. Trotz des Verbots durch die Nationalsozialisten hörten sie englische und amerikanische Schallplatten und veranstalteten private Partys. 1942 gab der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, die Anweisung, Rädelsführer der Swing-Jugend für mindestens zwei bis drei Jahre in Konzentrationslagern zu inhaftieren.

Gertrud Koch

Gertrud "Mucki" Koch wurde als Tochter eines Kesselschmieds und einer Apothekerin 1924 in Köln geboren. Ihr Vater war Kommunist, wurde nach 1933 mehrfach festgenommen und 1942 im Konzentrationslager ermordet.

Die Familie war vielfältigen Repressalien ausgesetzt. Die Mutter verlor ihre Arbeit, Mutter und Tochter wurden gezwungen, ihre Wohnung zu verlassen. Gertrud Koch musste schon als Kind zum Lebensunterhalt beitragen, aus Geldmangel blieb ihr der Besuch einer höheren Schule verwehrt. Ihre Ausbildung zur Montessori-Kindergärtnerin konnte sie nicht beenden, denn ihre Familie galt als "politisch unzuverlässig".

Vor 1933 war Gertrud Koch Mitglied der kommunistischen Roten Jungpioniere und weigerte sich später, dem "Bund Deutscher Mädel" beizutreten. Stattdessen gründete sie mit Freunden aus Köln und Düsseldorf eine Gruppe, die gemeinsam wanderte, musizierte und zunehmend politisch aktiv wurde. Diese Gruppe, die zu den sogenannten Edelweißpiraten gehörte, begann, Flugblätter herzustellen und zu verbreiten. Die spektakulärste Aktion war der Abwurf von Flugblättern aus der Kuppel des Kölner Hauptbahnhofs. Mehrere Festnahmen waren die Folge.

Im Dezember 1942 wurde Gertrud Koch ins Gestapo-Gefängnis Brauweiler gebracht, wo sie geschlagen und misshandelt wurde. Im Mai 1943 wurde sie ohne Angabe von Gründen aus der Haft entlassen und floh mit ihrer Mutter nach Süddeutschland. Dort arbeitete sie bis zum Kriegsende auf einem Bauernhof und kehrte dann nach Köln zurück.

Heinz "Coco" Schumann

1924 geboren, wuchs Coco Schumann im Berliner Scheunenviertel auf, einem Stadtteil, in dem viele aus dem Osten zugewanderte Juden und Jüdinnen lebten. Seine Mutter Hedwig war Jüdin und betrieb einen Friseurladen, sein Vater Alfred war vor der Hochzeit zum jüdischen Glauben übergetreten.

Anfang 1936 freundete sich Coco Schumann mit Berliner Swing-Jugendlichen an. In den folgenden Jahren erlernte er verschiedene Musikinstrumente und erhielt erste Engagements als Schlagzeuger und Gitarrist in mehreren Jazzkapellen. 1938 musste Coco Schumann auf eine jüdische Schule wechseln, wenig später wurde er zum Zwangsarbeitsdienst verpflichtet. Obwohl er wegen seiner jüdischen Herkunft kein Mitglied der "Reichskulturkammer" und damit Berufsmusiker werden konnte, gelang es ihm, weiterhin als Musiker in Berliner Bars und Tanzclubs aufzutreten.

Im März 1943 wurde Coco Schumann festgenommen und in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er als Schlagzeuger in der Ghetto Big Band "The Ghetto-Swingers" spielte. Im September 1944 wurde Schumann nach Auschwitz-Birkenau deportiert und im Januar 1945 von dort auf einen sogenannten Todesmarsch geschickt. Anfang Mai 1945 befreiten ihn alliierte Truppen. Coco Schumanns Eltern und sein Bruder erlebten das Kriegsende in einem Versteck. Nach dem Krieg kehrte Schumann nach Berlin zurück und wurde zu einem der bekanntesten Jazz- und Swingmusiker der Nachkriegszeit.

Walter Klingenbeck

1924 geboren, gehörte Walter Klingenbeck in der Münchener Gemeinde St. Ludwig der katholischen Jungschar an, die sich 1936 – aufgrund des nationalsozialistischen Drucks – auflösen musste. Zusammen mit seinem Vater hörte er Sendungen von Radio Vatikan, in denen beispielsweise von nationalsozialistischen Verstößen gegen das Reichskonkordat berichtet wurde. Seiner Begeisterung für das neue Medium Hörfunk ging Walter Klingenbeck in einer Lehre als Schalttechniker nach.

Ab Frühjahr 1941 fand sich um ihn ein kleiner Freundeskreis zusammen, der schließlich verschiedene Widerstandsaktionen durchführte. Zu diesem Kreis gehörten Daniel von Recklinghausen, Hans Haberl und Erwin Eidel. Die vier Freunde hatten eine große Leidenschaft für Technik, besonders für das Radio. Das gemeinsame Hören deutschsprachiger Sendungen der britischen BBC, des internationalen Radio Vatikan und anderer verbotener Radiostationen verstärkte ihre regimekritische Sichtweise.

Im September 1941 malte Walter Klingenbeck mit schwarzer Ölfarbe große V-Zeichen (für "Victory") an etwa 40 Stellen in München, die BBC hatte dazu aufgerufen.

Nach einer Denunziation wurde Klingenbeck am 26. Januar 1942 festgenommen. Er nahm die gesamte Verantwortung für die Aktionen auf sich. Am 24. September 1942 verurteilte der "Volksgerichtshof" den 19-jährigen und seine Freunde zum Tod. Walter Klingenbeck wurde am 5. August 1943 in München enthauptet, seine Freunde zu Zuchthausstrafen begnadigt.

Die Gruppe um Hanno Günther

Der 1921 geborene Hans Joachim "Hanno" Günther wuchs in Berlin in einem Elternhaus auf, das an Politik interessiert und für die Lebensreformbewegung, eine naturnahe, zivilisationskritische Geisteshaltung, aufgeschlossen war. Seine Mutter war Lehrerin, sein Vater Buchhändler. Die Eltern trennten sich, als Hanno Günther sechs Jahre alt war. Ab 1928 besuchte er eine bekannte Reformvolksschule, die Rütli-Schule in Berlin-Neukölln. Diese Schule galt als fortschrittlich, die Prügelstrafe wurde dort grundsätzlich abgelehnt und den Schülerinnen und Schülern viel Spielraum für die geistige Entfaltung gelassen. Seit 1929 war Hanno Günther Mitglied der kommunistischen Jungpioniere und baute in einem Neuköllner Hinterhof einen Kinderclub auf. Nach der "Gleichschaltung" der Rütli-Schule durch die Nationalsozialisten wechselte er auf die Schulfarm Insel Scharfenberg, um dort das Abitur machen zu können. 1936 musste er jedoch Scharfenberg aus politischen Gründen verlassen und begann eine Bäckerlehre.

Während dieser Zeit lernte er die Kommunistin Elisabeth Pungs kennen. Mit ihr schrieb und verteilte Hanno Günther nach dem deutschen Sieg über Frankreich die Flugblattserie "Das freie Wort". Darin verbreiteten sie Nachrichten über die Kriegslage, verlangten Frieden und Meinungsfreiheit und forderten in Rüstungsbetrieben Beschäftigte zur Sabotage auf. Anfang 1941 schlossen sich Dagmar Petersen und andere ehemalige Schüler der Rütli-Schule dem Widerstandskreis um Günther an. Sie hörten den verbotenen britischen Rundfunksender BBC und diskutierten marxistische Schriften.

Am 2. April 1941 wurde Hanno Günther zur Wehrmacht eingezogen, am 28. Juli jedoch von der Gestapo festgenommen. Am 9. Oktober 1942 verurteilte der "Volksgerichtshof" ihn zusammen mit seinen Freunden Wolfgang Pander, Bernhard Sikorski und Emmerich Schaper zum Tode. Emmerich Schaper starb an den Folgen der Folter im Gefängnis. Die anderen wurden am 3. Dezember 1942 in Berlin-Plötzensee enthauptet. Dagmar Petersen und Elisabeth Pungs überlebten die Haftzeit und den Krieg.

QuellentextFlugblatt von Hanno Günther

[…] Wir wollen einen gerechten und dadurch dauerhaften Frieden! Wir wollen die Freiheit der Meinung und des Glaubens! Wir wollen die Freiheit der Arbeit! Wir wollen die Verhinderung kommender Kriege durch die Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und die Einziehung der Kriegsgewinne! Wir wollen die Schaffung einer wahren Volksvertretung!!! Deutscher! Bekenne Dich zu diesen Forderungen! Sprich mit zuverlässigen Kameraden über sie!

Gebe dieses Flugblatt weiter, und wenn Dir eine Schreib- oder Vervielfältigungsmaschine zur Verfügung steht, so verbreite unsere Forderungen! […]

"Das freie Wort", Folge 3, September 1940, Bundesarchiv

Die Gruppe um Helmuth Hübener

Helmuth Hübener, 1925 in Hamburg als Sohn einer Arbeiterin geboren, wurde entscheidend durch seine mormonische Religionsgemeinschaft geprägt. Er wuchs ohne Vater bei seinen Großeltern auf und begann 1941 eine Lehre bei der Hamburger Sozialbehörde. 1940/41 kam er in Kontakt mit einer illegalen kommunistischen Jugendgruppe aus Altona. Er hörte regelmäßig ausländische Rundfunksender und verbreitete wichtige Meldungen als Streuzettel weiter.

Im Sommer 1941 gewann Hübener mit dem 16-jährigen Schlossergesellen Rudolf Wobbe und dem 17-jährigen Malergesellen Karl-Heinz Schnibbe Gesinnungsfreunde. Wenig später stieß auch der 17-jährige Verwaltungslehrling Gerhard Düwer dazu. Sie diskutierten gemeinsam zahlreiche Flugblätter und verteilten sie in Hamburger Arbeitervierteln. Bereits im Winter 1941 sahen die Freunde die militärische Niederlage Deutschlands voraus. Sie wollten deshalb nicht mehr allein mit kurzen Parolen auf Streuzetteln zum Kampf gegen das NS-Regime auffordern, sondern die Menschen über den Ernst der Lage aufklären. Innerhalb von sechs Monaten entwarf Helmuth Hübener mehr als 20 verschiedene Flugblätter.

Ende Januar 1942 baten Gerhard Düwer und Helmuth Hübener einen Bekannten, die Flugblätter ins Französische zu übersetzen. Dabei wurden sie beobachtet, denunziert und am 5. Februar 1942 von der Gestapo festgenommen. Während der Verhöre wurden die Jugendlichen schwer misshandelt. Am 11. August 1942 verurteilte der "Volksgerichtshof" Helmuth Hübener trotz seines jugendlichen Alters zum Tode und seine Freunde zu hohen Haftstrafen. Am 27. Oktober 1942 wurde Helmuth Hübener in Berlin-Plötzensee enthauptet.

QuellentextFlugblätter von Helmuth Hübener

HITLERJUGEND – Deutsche Jungen, seid ihr euch überhaupt bewusst, was die H. J. ist und welche Ziele sie verfolgt? Ihr könnt es nicht wissen. Eure selbstherrlichen Führer und Unterführer predigen immer von Kameradschaft, während sie sich selbst aus dem Kreise der Kameradschaft ausschließen. Sie fühlen sich hier doch recht in ihrem Element, wenn sie die eingeschüchterten Jungen, wenn sie euch tyrannisieren können. Oder wollt ihr etwa abstreiten, dass man euch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gefügig machen will? Man droht euch mit disziplinarischen Strafen, polizeilichen Maßnahmen und lässt euch, Deutsche, sogar die Freiheit nehmen und in sog. Wochenendkarzer stecken.

Kennt ihr derartige Bauten? Nein? Nun, bei der nächsten Gelegenheit werdet ihr noch von ihnen zu hören bekommen.

Das ist also die weit und breit gepriesene H.J. Eine Zwangsorganisation ersten Ranges zur Heranziehung nazihöriger Volksgenossen. Hitler und seine Komplizen wissen, dass sie euch von Anfang an den freien Willen nehmen müssen, um gefügige, willenlose Elemente aus euch machen zu können. Denn Hitler weiß, dass seine Zeitgenossen ihn langsam zu durchschauen beginnen, ihn, den Unterdrücker freier Nationen, den Mörder von Millionen.

Darum rufen wir euch zu: Lasst euch euren freien Willen, das kostbarste, was ihr besitzt, nicht nehmen. Lasst euch von euren Führern – selbstherrlichen Königen im Kleinen – nicht unterdrücken und tyrannisieren, sondern wendet vielmehr der H.J., dem Werkzeug des Hitlerregimes für euren Untergang, den Rücken.

Wir sind bei euch, und unsere Hilfe ist euch jederzeit gewiss! "Harret aus, Deutschland erwacht!"

"Hitlerjugend", Flugblatt von Helmuth Hübener, 1941, Bundesarchiv

DER NAZI-REICHSMARSCHALL – Ja, der gute, feiste Hermann: Reichsmarschall. […] Wenn die R.A.F. [Royal Air Force] jemals dazu kommt, Berlin zu bombardieren, will ich Meier heißen, sagte er zu Beginn des Krieges. Heute zeigen die Straßen Berlins schon deutliche Spuren der Britischen Luftoffensive, doch Göring ist immer noch Göring – und er freut sich, dass er es ist. – Und dann das allzu beliebte Schlagwort: 1000 für eine! Auch ein blendender Reinfall; denn heute ist die deutsche Luftwaffe zufrieden, wenn sie die Insel überhaupt noch einmal überfliegen kann, ohne dabei durch die Abwehr schwere Verluste und blutige Köpfe erleiden zu müssen. Wohl kann der Luftmarschall der Nazis noch immer eine horrende Dividende […] aus seinen Rüstungswerken ziehen, doch der Traum von der uneingeschränkten, immer zunehmenden Luftüberlegenheit seiner Fliegerarmada geht dem Ende immer mehr entgegen. Es wird ein böses Erwachen geben.

Denn Winston S. Churchill sagte: Wenn es sein muss, bringen unsere tapferen Bombenflieger Tod und Verderben über Nazi-Deutschland!! Wir wünschen es nicht, haben es nie gewollt, doch der Tod vieler tausender hingemordeter Menschen in Rotterdam, Belgrad und nicht zuletzt in Frankreich, Norwegen und Polen, das Blut vieler freiheitsliebender Brüder in dem durch Gestapo-Terror niedergehaltenen Europa darf nicht ungesühnt bleiben.

= Vergeltung wird kommen – so oder so, Herr Göring =

"Der Nazi-Reichsmarschall", Flugblatt von Helmuth Hübener, 1941, Bundesarchiv

Kreisauer Kreis

Im Jahr 1940 bildete sich um Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg eine Gruppe oppositionell gesinnter Männer und Frauen. Sie stammten aus unterschiedlichen sozialen Schichten und vertraten unterschiedliche Grundüberzeugungen. Gemeinsam diskutierten in größeren und kleineren Gesprächsrunden Katholiken, Protestanten, Konservative, Liberale und Sozialisten.

Zu den Gesprächen traf man sich in den Berliner Wohnungen von Moltke und Yorck sowie auf den Gütern Kreisau (heute Krzyz˙owa in Polen), Klein Öls (heute Oles´nica Mała), Kauern (heute Kurznie) und Groß Behnitz. Ziel des Netzwerks, das später von seinen Verfolgern den Namen "Kreisauer Kreis" erhalten sollte, war es, Grundzüge einer geistigen, politischen und sozialen Neuordnung nach dem Ende des Nationalsozialismus zu erarbeiten. Durch Tagungen, Gespräche und Denkschriften wollten sie sich auf "die Zeit danach" vorbereiten.

Kleinere Arbeitsgruppen erarbeiteten zunächst Entwürfe – etwa zu den Themen Staat, Kultur, Wirtschaft, Sozialpolitik, Agrarpolitik, Außenpolitik und Recht. Mitglieder des engeren Kreises standen in Kontakt zu weiteren Fachleuten, die zu den Entwürfen Stellung nahmen. Lediglich Moltke und Yorck kannten alle Beteiligten. Häufig wurden aus Sicherheitsgründen Decknamen verwendet. Von den Diskussionspapieren wurden nur wenige Exemplare sicher aufbewahrt.

Im Mai und Oktober 1942 sowie im Juni 1943 wurden im Kreisauer Berghaus auf drei größeren Zusammenkünften Entwürfe zu den Themen Kirche und Staat, Erziehung, Staats- und Wirtschaftsaufbau, Außenpolitik und Bestrafung der nationalsozialistischen Verbrechen diskutiert. Die mit Zustimmung aller erarbeiteten Ergebnisse wurden in "Grundsätzen für die Neuordnung" zusammengefasst.

Die Kreisauer wollten das Zusammenleben der Menschen ebenso wie den Staat auf eine neue Basis stellen. Besonders zentral war für sie die Einbettung Deutschlands in eine europäische Nachkriegsordnung. Christliche Maßstäbe sollten die Grundlage menschlicher Beziehungen und damit auch des inneren und äußeren Friedens bilden. Rechtssicherheit, Achtung vor der Menschenwürde, Glaubens- und Gewissensfreiheit verlangten nach der Beseitigung der totalitären politischen Ordnung des Nationalsozialismus.

Mit ihren Überlegungen knüpften die Kreisauer an die Überlieferung der klassischen antiken und mittelalterlichen Staatsphilosophie an. Der Staat habe die Voraussetzungen für eine menschenwürdige Entfaltung der Persönlichkeit zu schaffen und auf diese Weise eine gute und gerechte Ordnung zu gewährleisten. Der Staat sollte zudem den Einzelnen Mitwirkung ermöglichen und deshalb überschaubar in vier Ebenen – Gemeinde, Kreis, Land, Reich – gegliedert sein. "Landschaftlich zusammengehörige" Länder mit drei bis fünf Millionen Einwohnern sollten neu gebildet werden. Die Aufgabenverteilung sollte nach dem Subsidiaritätsprinzip erfolgen: Jede Körperschaft – von der jeweils kleinsten Einheit bzw. untersten Ebene angefangen – sollte all diejenigen Aufgaben erledigen, für die sie zuständig ist und die sie "sinnvollerweise selbst durchführen kann".

Auf der unteren politischen Ebene von Gemeinde und Kreis sollten nach dem Prinzip der Persönlichkeitswahl Volksvertreter in geheimer und direkter Wahl ermittelt werden. Die "Familienoberhäupter" sollten für jedes noch nicht wahlberechtigte Kind eine zusätzliche Stimme erhalten. Die Mitglieder des Landtags sollten in mittelbarer Wahl von den Vertretungen der Kreise und Städte gewählt werden. Die Landtagsabgeordneten wiederum sollten die Zusammensetzung des Reichstags bestimmen. Wählbar sollten hier die männlichen Bürger über 27 Jahre sein. Frauen sollten ein aktives, für die Landtage und den Reichstag jedoch kein passives Wahlrecht besitzen, das heißt, sie konnten in beide Parlamente nicht als Abgeordnete gewählt werden. Neben dem Reichstag sollte als Vertretung der Länder ein Reichsrat bestehen mit der Zuständigkeit für Landes- und Standesinteressen. An die Spitze des Staates wollten die Kreisauer einen Reichsverweser stellen, der den militärischen Oberbefehl führen und das Reich nach außen vertreten sollte.

Im Kreisauer Kreis war das Ausmaß nationalsozialistischer Gewaltverbrechen bekannt. Die Kreisauer wollten die verantwortlichen "Rechtsschänder" – so ihre Bezeichnung für die am Massenmord Beteiligten – zur Rechenschaft ziehen. Einigkeit herrschte darüber, dass die Berufung auf Befehl und Gehorsam keine Rechtfertigung für die Beteiligung an Verbrechen sein konnte. Die Täter sollten nicht an fremde Mächte ausgeliefert, sondern vor internationale Gerichtshöfe gestellt werden, denen neben drei Richtern der Siegermächte und zwei Vertretern neutraler Staaten auch ein Richter des besiegten Staates angehören sollte. Die Pflicht zur Wiedergutmachung an den Opfern war für die Kreisauer Voraussetzung für die Rückkehr der Deutschen in die internationale Staatengemeinschaft.

Ab 1943 waren verschiedene Mitglieder des Kreisauer Kreises entschlossen, sich an Staatsstreichplänen zu beteiligen. Sie standen in engem Kontakt zu Ludwig Beck, Carl Friedrich Goerdeler, Ulrich von Hassell und Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Aufgrund dieser Verbindung wurden die meisten Mitglieder des Kreisauer Kreises nach dem 20. Juli 1944 als Mitverschwörer angeklagt und zum Tode verurteilt.

QuellentextAktionsprogramm zur Rettung Deutschlands

Am heutigen Tag, dem Pfingstmontag 1943, haben die Unterzeichneten feierlich beschlossen, ihr gemeinsames Handeln als Sozialistische Aktion durch die Aufstellung des nachstehenden Aktionsprogramms zu bekräftigen.

Die Sozialistische Aktion ist eine überparteiliche Volksbewegung zur Rettung Deutschlands.

Sie kämpft für die Befreiung des deutschen Volkes von der Hitlerdiktatur, für die Wiederherstellung seiner durch die Verbrechen des Nazismus niedergetretenen Ehre und für seine Freiheit in der sozialistischen Ordnung.

Den Aktionsausschuss bilden Vertreter der christlichen Kräfte, der sozialistischen Bewegung, der kommunistischen Bewegung und der liberalen Kräfte als Ausdruck der Geschlossenheit und Einheit.
Der Kampf wird geführt unter dem Banner der Sozialistischen Aktion, der roten Fahne mit dem Symbol der Freiheit: dem mit dem Kreuz vereinten sozialistischen Ring als Zeichen der unverbrüchlichen Einigkeit des arbeitenden Volkes.

Die Sozialistische Aktion ruft in dieser schweren Stunde das arbeitende Volk in Stadt und Land und unsere tapferen Soldaten zum Kampf auf in der Überzeugung, dass die Rettung des gemeinsamen Vaterlandes vor politischem, moralischem und wirtschaftlichem Verfall nur möglich ist durch:

  1. Wiederherstellung von Recht und Gerechtigkeit.

  2. Beseitigung des Gewissenszwanges und unbedingte Toleranz in Glaubens-, Rassen- und Nationalitätenfragen.

  3. Achtung vor den Grundlagen unserer Kultur, die ohne das Christentum nicht denkbar ist.

  4. Sozialistische Ordnung der Wirtschaft, um Menschenwürde und politische Freiheit zu verwirklichen und die Existenzsicherheit der Angestellten und Arbeiter in Industrie und Landwirtschaft sowie des Bauern auf seiner Scholle zu schaffen, die die Voraussetzung von sozialer Gerechtigkeit und Freiheit ist.

  5. Enteignung der Schlüsselbetriebe der Schwerindustrie zu Gunsten des deutschen Volkes als Grundlage der sozialistischen Ordnung der Wirtschaft, um mit dem verderblichen Missbrauch der politischen Macht des Großkapitals Schluss zu machen.

  6. Selbstverwaltung der Wirtschaft unter gleichberechtigter Mitwirkung des arbeitenden Volkes als Grundelement der sozialistischen Ordnung.

  7. Sicherung der Landwirtschaft vor der Gefahr, zum Spielball kapitalistischer Interessen zu werden.

  8. Abbau des bürokratischen Zentralismus und organischer Aufbau des Reiches aus den Ländern.

  9. Aufrichtige Zusammenarbeit mit allen Völkern, insbesondere in Europa mit Großbritannien und Sowjetrussland.

Noch hat das deutsche Volk keine Möglichkeit, seine Stimme zu erheben. Umso lauter rufen die Ruinen und Gräber zur Sammlung, zur Aktion! Es gilt zu handeln, ehe unsere Heimat ganz zerstört und der Zusammenbruch vollständig ist. Nur die Einheitsfront aller Feinde des Nationalsozialismus kann diese Tat vollbringen.

Im Gedenken an die Toten des Krieges und die Märtyrer der Freiheit, die vom Machtwahn des Faschismus hingemordet wurden, und an die Leiden unserer Soldaten geloben wir:

Nie wieder soll das deutsche Volk sich im Parteienstreit verirren!
Nie wieder darf die Arbeiterschaft sich im Bruderkampf zerfleischen!

Nie wieder Diktatur und Sklaverei!

Ein neues Deutschland muss erstehen, worin sich das schaffende Volk sein Leben im Geist wahrer Freiheit selbst ordnet.

Der Nationalsozialismus und seine Lügen müssen mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden, damit wir die Achtung vor uns selbst zurückgewinnen und der deutsche Name wieder ehrlich wird in der Welt. Das Gebot der Stunde lautet: Fort mit Hitler! Kampf für Gerechtigkeit und Frieden!

Schwere Jahre stehen uns bevor. Fast übersteigt es Menschenkraft, das wieder aufzurichten, was Hitlers Machtwahn und der Krieg vernichtet haben.

Dennoch! Die Sozialistische Aktion geht entschlossen an die Aufgabe heran. Sie ruft alle aufrechten Deutschen zu ehrlicher Mitarbeit: Wir werden unsere ganze Kraft einsetzen, unser ganzes Können, unser ganzes Selbstvertrauen; und werden dadurch schließlich vor der Geschichte den Beweis erbringen, dass wir doch stärker sind als unser Schicksal, indem wir es meistern.

Entwurf eines Aktionsprogramms zur Schaffung einer überparteilichen Volksbewegung, vermutlich verfasst von den sozialdemokratischen Mitgliedern des Kreisauer Kreises Carlo Mierendorff, Theodor Haubach und Julius Leber zur Zeit der dritten Kreisauer Tagung am 14. Juni 1943

Der gerechte Staat
Die letzte Bestimmung des Staates ist es daher, der Hüter der Freiheit des Einzelmenschen zu sein. Dann ist es ein gerechter Staat.

Aus einem Brief von Helmuth James Graf von Moltke an seinen Freund Peter Graf Yorck von Wartenburg vom 17. Juni 1940

Die Notwendigkeit der Alternative
Man kann eine Regierung nur beseitigen, wenn man eine andere Regierung anzubieten hat. Demnach kann mit der Zerstörung des Dritten Reiches erst begonnen werden, wenn man zumindest imstande ist, eine Alternative vorzuschlagen.

Helmuth James Graf von Moltke in einem Brief an den britischen Beamten Lionel Curtis vom 25. März 1943

Freya und Helmuth James Graf von Moltke

Der 1907 in Kreisau geborene Helmuth James Graf von Moltke studierte ab 1925 in Berlin Rechts- und Staatswissenschaften. 1927 gehörte er zu den Mitbegründern der Löwenberger Arbeitsgemeinschaft, die freiwillige Arbeitslager für Bauern, Arbeiter und Studenten organisierte, in denen gemeinsam nach Lösungen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse gesucht wurde. Moltke stand den demokratischen Kräften seiner Zeit nahe und verfolgte Hitlers Aufstieg mit offener Kritik. Da ein Richteramt für ihn deshalb nicht infrage kam, ließ er sich 1935 als Anwalt in Berlin nieder.

Zwischen 1935 und 1938 absolvierte er eine Ausbildung zum britischen Rechtsanwalt und plante die Übernahme eines Anwaltsbüros in London, die durch den Kriegsbeginn im September 1939 verhindert wurde. Im selben Monat wurde Moltke als Kriegsverwaltungsrat in das Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht in Berlin verpflichtet. Als Sachverständiger für Kriegs- und Völkerrecht setzte er sich gegen Unrecht und Willkür ein. Besonders engagierte er sich für die humane Behandlung von Kriegsgefangenen und die Einhaltung des Völkerrechts.

Bereits 1939 verfasste Moltke erste Denkschriften zur politischen Neuorientierung Deutschlands. Anfang der 1940er-Jahre wurden Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg zu den führenden Köpfen des entstehenden Kreisauer Kreises. Als Moltke Mitglieder des Widerstandskreises um Hanna Solf vor einer Gestapo-Überwachung warnte und dies entdeckt wurde, nahm man ihn am 19. Januar 1944 fest. Der "Volksgerichtshof" verurteilte ihn am 11. Januar 1945 zum Tode. Helmuth James Graf von Moltke wurde am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee erhängt.

Die 1911 geborene Bankierstochter Freya Deichmann besuchte nach der Mittleren Reife zunächst eine landwirtschaftliche Frauenschule. Später holte sie ihr Abitur nach und promovierte nach einem Studium der Rechtswissenschaft in Berlin. 1929 lernte sie Helmuth James Graf von Moltke kennen, den sie 1931 heiratete. 1937 wurde der Sohn Helmuth Caspar geboren, 1941 der zweite Sohn Konrad. Während der Abwesenheit ihres Mannes führte Freya das Gut in Kreisau. Im täglichen Briefwechsel informierte ihr Mann sie über seine Kontakte und Gespräche.

Freya von Moltke war die engste Vertraute ihres Mannes und nahm regelmäßig an den Zusammenkünften und Diskussionen in Kreisau und Berlin teil. Sie schrieb Grundsatzpapiere des Kreises ab und rettete die Dokumente sowie die Briefe ihres Mannes, die sie in ihren Bienenstöcken auf dem Gut Kreisau versteckte. Ihr Einsatz blieb der Gestapo verborgen. Im Gegensatz zu ihrem Mann, um dessen Freilassung sie sich erfolglos bemühte, konnte sie das Kriegsende überleben.

Marion und Peter Graf Yorck von Wartenburg

Der 1904 in Klein Öls im heutigen Polen geborene Peter Graf Yorck von Wartenburg bestand 1930 in Berlin sein zweites juristisches Staatsexamen. Im selben Jahr heiratete er die promovierte Juristin Marion Winter. Nach Tätigkeiten als Anwalt, als Referent in der "Osthilfe" und am Oberpräsidium in Breslau war Yorck von 1936 bis 1942 als Referent für Grundsatzfragen beim Reichskommissar für die Preisbildung in Berlin tätig. Da er sich weigerte, der NSDAP beizutreten, wurde Yorck ab 1938 nicht mehr befördert.

Nach den Pogromen gegen die deutschen Juden im November 1938 rief Yorck einen Gesprächskreis ins Leben, in dem er mit Freunden wie Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg und Ulrich-Wilhelm Graf von Schwerin von Schwanenfeld die Grundsätze einer neuen Reichsverfassung erarbeitete. Als Reserveoffizier wurde er bei Kriegsbeginn eingezogen und wechselte 1942 in den Wirtschaftsstab Ost beim Oberkommando der Wehrmacht in Berlin. Im Januar 1940 begann seine enge Zusammenarbeit mit Helmuth James Graf von Moltke, mit dem er gemeinsam die Gespräche des Kreisauer Kreises, die sehr häufig in Yorcks Wohnung in Berlin-Lichterfelde stattfanden, initiierte und führte.

Yorck gehörte bis zuletzt zum engen Kreis der Verschwörer des 20. Juli und war nach einem erfolgreichen Staatsstreich als Staatssekretär des Reichskanzlers vorgesehen. Nach dem gescheiterten Umsturzversuch wurde Yorck am späten Abend des 20. Juli 1944 im Berliner Bendlerblock festgenommen, am 8. August 1944 vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und noch am selben Tag in Berlin-Plötzensee ermordet.

Die 1904 geborene Marion Winter wuchs als Tochter eines Oberregierungsrates im preußischen Kultusministerium auf. Sie nahm ein Studium der Medizin auf, wechselte jedoch schnell zum Fach Rechtswissenschaft. 1928 lernte sie auf einem schlesischen Gut Peter Graf Yorck von Wartenburg kennen. Sie heirateten Ende Mai 1930 und wohnten zunächst in Breslau, seit 1936 in der Hortensienstraße in Berlin-Lichterfelde. Marion Gräfin Yorck von Wartenburg nahm an den meisten Besprechungen der Kreisauer teil und ermöglichte viele Treffen in der gemeinsamen Berliner Privatwohnung. 1944 wurde sie festgenommen. Obwohl sie über die Bestrebungen ihres Mannes informiert war, überstand sie die "Sippenhaft" und das Kriegsende.

Adam von Trott zu Solz

Der Jurist Adam von Trott zu Solz, 1909 geboren, bewarb sich nach seiner Promotion 1931 erfolgreich um ein Rhodes-Stipendium in Oxford. 1933 kehrte Trott nach Deutschland zurück und legte 1936 die zweite juristische Staatsprüfung ab. 1937/38 konnte er in den USA, ein Jahr im Rahmen eines Stipendiums in China und Ostasien verbringen. Bei seinen Auslandsaufenthalten traf Trott auch immer wieder mit Gegnern des NS-Regimes zusammen. Anfang 1937 lernte er in Oxford Helmuth James Graf von Moltke, 1940 Peter Graf Yorck von Wartenburg kennen, mit denen er ab 1941 als zentrales Mitglied des Kreisauer Kreises eng zusammenarbeitete.

Im Frühjahr 1940 wurde Trott als Mitarbeiter der Informationsabteilung des Auswärtigen Amtes eingestellt. Trott unternahm noch 1944 Reisen ins Ausland und verstand sich als außenpolitischer Beauftragter des Kreisauer Kreises. Dabei übermittelte er den Westalliierten verschiedene Memoranden. Während der dritten Kreisauer Haupttagung 1943 leitete er die Diskussion über die Grundlagen künftiger deutscher Außenpolitik.

Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 blieb Trott, der für eine leitende Funktion im Auswärtigen Amt vorgesehen war, zunächst unbehelligt. Seine Festnahme erfolgte erst fünf Tage später, als seine Verbindungen zu Claus Schenk Graf von Stauffenberg entdeckt wurden. Adam von Trott zu Solz wurde am 15. August 1944 vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und am 26. August 1944 in Berlin-Plötzensee erhängt.

Theodor Haubach

1896 geboren, wuchs Theodor Haubach in Darmstadt als Halbwaise auf. Ab 1919 studierte er Philosophie und Soziologie und schloss sich bereits in dieser Zeit der SPD an. Er gehörte zu den Mitbegründern des republikanischen Schutzverbandes Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold.

1927 wurde er in die Hamburger Bürgerschaft gewählt, 1929 Pressereferent des Reichsinnenministers Carl Severing, 1930 des Berliner Polizeipräsidenten Albert Grzezinski. Zwischen 1930 und 1933 beteiligte sich Haubach intensiv an den Diskussionen im Kreis der Religiösen Sozialisten.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er kurze Zeit inhaftiert und versuchte nach seiner Haftentlassung, die Verbindungen zwischen Gewerkschaften, Reichsbanner und SPD aufrechtzuerhalten. Am 24. November 1934 wurde er erneut festgenommen und bis Mai 1936 im KZ Esterwegen festgehalten.

Haubach stieß 1941 zum Kreisauer Kreis und nahm im Herbst 1942 an der zweiten Kreisauer Haupttagung teil. In den Planungen der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 war er als Regierungssprecher vorgesehen.

Nach erfolgter Festnahme am 9. August 1944 stand der während der Haft schwer Erkrankte am 9. Januar 1945 gemeinsam mit weiteren Angehörigen des Kreisauer Kreises vor dem "Volksgerichtshof". Das Verfahren gegen ihn wurde jedoch abgetrennt.

Theodor Haubach wurde am 15. Januar 1945 zum Tode verurteilt und am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee erhängt.

Alfred Delp

Alfred Delp wurde 1907 als ältestes von sechs Kindern einer gemischt-konfessionellen Familie geboren. Zunächst evangelisch erzogen, besuchte er zwischen 1922 und 1926 das Bischöfliche Konvikt in Dieburg und arbeitete aktiv in der katholischen Jugendbewegung mit. Nach einem Noviziat im Jesuitenorden studierte Delp Philosophie und war anschließend Jugenderzieher im Internat des Jesuitenkollegs in Feldkirch und Präfekt am Jesuitenkolleg St. Blasien.

1934 begann Delp ein Theologiestudium und empfing 1937 die Priesterweihe. Ab 1939 bis zu ihrem Verbot 1941 war er Redakteur der Kulturzeitschrift des Jesuitenordens, "Stimmen der Zeit", danach Seelsorger in der Filialgemeinde St. Georg in München-Bogenhausen.

Auf die Bitte Helmuth James Graf von Moltkes, den Kontakt zu einem Katholiken zu vermitteln, der intensiv über das Verhältnis von Kirche und Arbeiterschaft nachgedacht habe, führte Pater Augustin Rösch Delp in den Kreisauer Freundeskreis ein. Delp nahm ab dem Sommer 1942 an zahlreichen Besprechungen sowie an der zweiten und dritten Kreisauer Tagung teil, legte Denkschriften über Themen wie die "Arbeiterfrage" und das "Bauerntum" vor und konnte Grundlinien der katholischen Soziallehre in die Neuordnungspläne einfließen lassen. Er stellte auch wichtige Kontakte zu anderen kirchlichen Kreisen her.

Am 28. Juli 1944 wurde Alfred Delp in München festgenommen, am 11. Januar 1945 vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee erhängt.

Der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944

Nach dem Abbruch des Umsturzversuchs im Herbst 1938 bemühten sich die Kreise der nationalkonservativen-militärischen Opposition, neue Strukturen aufzubauen und neue Kontakte zu knüpfen. Vor dem Hintergrund der umfassenden Zustimmung der Bevölkerung zur Politik Hitlers gelang es allerdings weder im Herbst 1939 noch in der Zeit nach dem deutschen Sieg über Frankreich im Sommer 1940, Überlegungen für einen Staatsstreich konkrete Planungen folgen zu lassen.

Gegner Hitlers versuchten auch nach dem deutschen Überfall auf Polen im September 1939 wiederholt, die Regierungen in London und Paris über die Existenz einer Opposition und deren Ziele in Kenntnis zu setzen. Im Februar 1940 übergab der Diplomat Ulrich von Hassell in Arosa/Schweiz James Byrns, der dem britischen Außenminister Lord Halifax nahestand, ein Memorandum über die Friedensbestrebungen der deutschen Opposition. Auch über ihren Verbindungsmann zum Vatikan, den katholischen Rechtsanwalt Josef Müller, suchten sie 1939/40, die Möglichkeiten für einen Verständigungsfrieden mit England auszuloten. Hans von Dohnanyi, der Schwager des Theologen Dietrich Bonhoeffer, nutzte seine Tätigkeit als Mitarbeiter des Amts Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht, um ausländische Kreise über den Widerstand in Deutschland und dessen Ziele zu informieren, genauso wie Adam von Trott zu Solz, der als Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes viele Auslandsreisen unternehmen konnte.

Doch all ihre Bemühungen scheiterten daran, dass sie im Ausland nicht als Vertreter eines "anderen Deutschlands" respektiert und als Verhandlungspartner anerkannt wurden. Die alliierte Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht engte seit 1943 die Verhandlungsmöglichkeiten oppositioneller Kräfte zusätzlich ein.

Zentren des militärischen Widerstands

Die NS-Führung wollte seit Sommer 1941 nicht nur die deutsche Vorherrschaft in Europa sichern, sondern führte einen Vernichtungs- und Weltanschauungskrieg gegen die Sowjetunion. Neben den gnadenlosen Kampf gegen den Kommunismus trat auch der Völkermord an den Juden Europas als wesentliches Kriegsziel. Von Anbeginn des Krieges waren die deutsche Wehrmacht und mit ihr auch Einzelne, die später zu Regimegegnern wurden, an Gewalt- und Kriegsverbrechen beteiligt. Selten wurde Widerspruch erhoben. Erst im Laufe der Jahre überwanden manche Offiziere ihre loyale Haltung bzw. ihre Übereinstimmung mit dem Regime und entschieden sich in diesem Gewissenskonflikt gegen Eid, Befehl und Gehorsam und für den Widerstand.

Nach dem deutschen Überfall auf Polen im September 1939 bildeten sich drei erkennbare Zentren militärischer Widerstandsaktivitäten:

In der von Admiral Wilhelm Canaris geleiteten Abwehr, dem militärischen Nachrichtendienst, sammelten sich um Hans Oster und Hans von Dohnanyi weitere entschlossene Gegner des nationalsozialistischen Regimes, die – wie Dietrich Bonhoeffer, Otto Carl Kiep, Justus Delbrück oder Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg – gezielt für diese Dienststelle angefordert wurden. Offiziell im Dienste des NS-Staates angestellt, ermöglichten Dohnanyi und Oster 1942 mit der Unterstützung von Canaris verfolgten Juden die Flucht in die Schweiz.

In der Heeresgruppe Mitte unterhielt seit Herbst 1941 Oberst im Generalstab (i. G.) Henning von Tresckow Kontakte zu oppositionellen Offizieren. Abgestoßen durch die rücksichtslose Kriegsführung, kritisierte er unfähige Befehlshaber und war sehr gut über die Verbrechen informiert, die bei der "Partisanenbekämpfung" und durch die "Einsatzgruppen des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD" begangen wurden. Tresckow gelang es, einzelne Kontakte zwischen dem Allgemeinen Heeresamt im Berliner Bendlerblock und hohen Offizieren an der Ostfront zu vermitteln. Er war überzeugt, man müsse "Hitler wie einen tollen Hund abschießen". Dies rechtfertigte er als Notwehr und sittliche Verpflichtung.

Tresckow konnte einige seiner Kameraden dafür gewinnen, unter Einsatz ihres Lebens Attentatsversuche auf Hitler auszuführen. So erklärten sich 1943 die Brüder Philipp und Georg Freiherren von Boeselager bereit, Hitler bei einem Frontbesuch zu töten, was aber Generalfeldmarschall von Kluge verbot, weil er bürgerkriegsähnliche Zustände zwischen Heer und SS befürchtete. Rudolf-Christoph Freiherr von Gersdorff plante, sich am 21. März 1943 im Berliner Zeughaus mit Hitler in die Luft zu sprengen. Sein Attentatsversuch scheiterte, weil Hitler sich nur überraschend kurz dort aufhielt. Im Herbst 1943 war Axel Freiherr von dem Bussche bereit, sich bei der Präsentation neuer Uniformen zusammen mit Hitler zu töten. Die Begegnung kam nicht zustande, weil die Uniformen bei einem Luftangriff auf Berlin zerstört wurden.

Ein weiteres Zentrum der militärischen Opposition bildete sich um Friedrich Olbricht, seit 1940 Chef des Allgemeinen Heeresamtes im Oberkommando des Heeres in Berlin. In seinem Stab wurden Pläne für den Fall innerer Unruhen oder von Aufständen von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen ausgearbeitet. Dabei sollten die vollziehende Gewalt im Reich und die militärische Kommandogewalt auf den Befehlshaber des Ersatzheeres, Friedrich Fromm, übergehen. Olbricht stimmte sich mit den Widerstandskreisen um Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler ab und betrieb die Ausarbeitung und Umwandlung dieser Notfallpläne in Instrumente für einen Umsturz. "Walküre" war die Bezeichnung für diese Pläne, zu deren Präzisierung Olbricht systematisch Regimegegner in seinen Stab holte. Im Herbst 1943 forderte er Claus Schenk Graf von Stauffenberg als Stabschef für das Allgemeine Heeresamt an. Gemeinsam mit Tresckow bereitete dieser den Umsturzversuch vor, der die NS-Herrschaft beseitigen sollte.

Motive und Zielvorstellungen

Die Motive der militärischen Opposition gegen Hitler, die in den Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 mündeten, waren vielfältig und durchaus nicht widerspruchsfrei. Die weltanschaulichen Überzeugungen der Verschwörer umfassten ein breites Spektrum von Ideen und Vorstellungen. Ewald von Kleist-Schmenzin sprach sich bereits 1933 scharf gegen die nationalsozialistische Diktatur aus. Für viele Offiziere waren jedoch auch militärfachliche Probleme von großer Bedeutung, etwa die aus ihrer Sicht operativ falsche Kriegführung. Friedrich Karl Klausing betonte in einer Vernehmung im August 1944: "Nach unserer Meinung waren diejenigen Offiziere, die die Lage offen und wahr schilderten, abgesetzt worden. Deshalb haben wir eine Änderung in der Führung der deutschen Wehrmacht für erstrebenswert gehalten."

Axel Freiherr von dem Bussche war zum Attentat auf Hitler bereit, nachdem er eine Massenerschießung von Juden beobachtet hatte. Auch viele andere Widerstandskämpfer waren über die nationalsozialistischen Gewalttaten so entsetzt, dass sie jedes Risiko einzugehen bereit waren, um auf diese Weise den Verbrechen ein Ende zu setzen. Ulrich-Wilhelm Graf von Schwerin von Schwanenfeld konfrontierte Roland Freisler, den Präsidenten des "Volksgerichtshofs", noch im Prozess mit den "vielen Morden" der nationalsozialistischen Besatzungsherrschaft.

Der 20. Juli 1944 war kein "Militärputsch". Die beteiligten Offiziere und Soldaten erkannten immer das Primat der Politik an. Zwar lag ihnen eine Demokratie nach dem Vorbild der Weimarer Republik eher fern, doch wollten sie keine Militärjunta an die Spitze des Staates stellen. Vielmehr sollte Deutschland von der Diktatur befreit, der Krieg beendet und es sollten neue politische Handlungsmöglichkeiten geschaffen werden. Militärische Macht war Mittel, nicht Ziel des Umsturzversuches. Die drohende militärische Niederlage, die politische Isolation des Deutschen Reiches, der Wunsch, die Substanz des deutschen Nationalstaats zu bewahren, vor allem aber auch der Wille, die NS-Gewaltverbrechen zu beenden, stellten unverkennbar wichtige Motive vieler Widerstandskämpfer dar.

Die Gegner Hitlers, die den Umsturzversuch des 20. Juli 1944 vorbereiteten, mussten sich fortlaufend über ihre unterschiedlichen außen- und innenpolitischen Zielvorstellungen verständigen. Dies betraf auch die Umsturzplanungen von militärischer und ziviler Seite, die miteinander verzahnt werden mussten. So hatten schon 1940, als es noch keine reale Chance für einen Umsturzversuch gab, Johannes Popitz und Ulrich von Hassell den Entwurf für ein "Gesetz über die Wiederherstellung geordneter Verhältnisse im Staats- und Rechtsleben (Vorläufiges Staatsgrundgesetz)" vorgelegt, das den Rechtsstaat wiederherstellen und die Verfolgung der Juden beenden sollte.

Zur Diskussion standen der Verwaltungsaufbau, die Gliederung der Wehrmachtsspitze, die Grundlinien sozialer Politik sowie der Kultur-, Wirtschafts- und Außenpolitik ebenso wie die Zusammensetzung einer neuen Regierung nach dem Sturz des NS-Regimes. Die Debatten und Gespräche spiegelten die unterschiedlichen Traditionen politischen Denkens wider. Sozialdemokratische Vorstellungen, wie sie etwa Julius Leber und Wilhelm Leuschner einbrachten, mussten mit konservativeren Ordnungsvorstellungen, wie sie bei Carl Friedrich Goerdeler und Johannes Popitz vorherrschten, in Einklang gebracht werden. Doch allen Beteiligten war klar, dass sie die politische Situation nach einem gelungenen Umsturzversuch nicht vorher bestimmen konnten. Politische Zielsetzungen hatten daher immer provisorischen Charakter und hätten sich der politischen Realität nach einem erfolgreichen Umsturz stellen müssen.

Ihre gemeinsamen Grundüberzeugungen halfen den Widerstandskämpfern, politische Meinungsverschiedenheiten zu überwinden. In der gemeinsamen Gegnerschaft zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat überschritten sie die engen Grenzen des obrigkeitsstaatlichen Denkens und des außenpolitischen Hegemonialstrebens. Aus dem Geist des Widerstands entstand so ein Gegenbild zum totalitären "Dritten Reich", das viele Widerstandskämpfer später auch vor dem "Volksgerichtshof" verteidigten. Sie traten für die Menschenwürde als höchsten politischen Grundwert ein und bestritten dem Staat das Recht, über Leben und Gewissen seiner Bürgerinnen und Bürger zu verfügen.

Grundlegendes Motiv des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 war die "Wiederherstellung der vollkommenen Majestät des Rechts". Dies hieß nach mehr als elf Jahren Diktatur in Deutschland die Wiedererrichtung des Rechtsstaates als Garant der unveräußerlichen Menschenrechte. Recht gegen Gewalt, nicht Gewalt gegen Gewalt war eine zentrale Forderung. In den Plänen der Verschwörer für die vorläufige Besetzung von Regierungsämtern waren Ludwig Beck als Staatsoberhaupt und Carl Friedrich Goerdeler als Reichskanzler vorgesehen. Für den Posten als Vizekanzler war Wilhelm Leuschner im Gespräch. Doch all dies waren vorläufige Planungen.

Die Widerstandskämpfer der Gruppen des 20. Juli 1944 waren darin einig, dass sich die Deutschen nach dem Ende des Krieges der Verantwortung für das Unrecht stellen mussten, das sie den Völkern Europas und vor allem den Juden angetan hatten. Nach dem Völkermord an den europäischen Juden, an den Sinti und Roma und nach den anderen Verbrechen in den besetzten Gebieten war für sie nichts anderes denkbar. In der für den 20. Juli 1944 geplanten Regierungserklärung hieß es deshalb: "Zur Sicherung des Rechts und des Anstandes gehört die anständige Behandlung aller Menschen. Die Judenverfolgung, die sich in den unmenschlichsten und unbarmherzigsten, tief beschämenden und gar nicht wiedergutzumachenden Formen vollzogen hat, ist sofort eingestellt."

Auf dem Feld der Außenpolitik waren viele konservative Gegner der Nationalsozialisten noch durch die Traditionen machtstaatlichen Denkens geprägt. Sie hatten deshalb in der frühen Kriegsphase selbstbewusst die Interessen des deutschen Reiches gegenüber den Staaten Europas durchsetzen wollen. Einige unterstützten frühzeitig den Diplomaten Ulrich von Hassell, der einen Ausgleich mit den Westmächten anstrebte, um so eine Position der Stärke gegenüber der Sowjetunion zu gewinnen. Andere folgten dem Plan des langjährigen deutschen Botschafters in Moskau, Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg, der eine Verständigung mit der Sowjetunion suchte.

Jüngere Diplomaten wie Adam von Trott zu Solz, Hans-Bernd von Haeften und andere Mitglieder des Kreisauer Kreises wollten dagegen den Nationalstaat überwinden und entwickelten den Gedanken einer europäischen Konföderation. Auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts wollten sie eine Friedensordnung schaffen, die auf gegenseitigem Vertrauen aufgebaut sein sollte und so Wettrüsten und Angriffskriege unmöglich machte.

Dabei sollte Deutschland über die eigenen territorialen Interessen hinaus eine besondere Verpflichtung für Frieden und politische Ordnung im Rahmen einer europäischen Konföderation übernehmen. Nach einem sofort anzustrebenden Waffenstillstand sollte der Friedensschluss die Völker Europas miteinander versöhnen und die Grundlage für eine neue Friedensordnung schaffen. Aus dem Wunsch, ein von allen Staaten respektiertes Friedenssystem zu bilden, entwickelte sich ein zukunftsweisendes Bewusstsein von Europa als neuer politischer Einheit auf föderaler Grundlage.

Claus Schenk Graf von Stauffenberg und der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944

Claus Schenk Graf von Stauffenberg wurde am 15. November 1907 in Jettingen geboren und besuchte wie seine zwei Jahre älteren Brüder, die Zwillinge Alexander und Berthold, das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart.

Seit 1923 zählten die drei Brüder zum Kreis des Dichters Stefan George. Sie verstanden sich als Teil einer verantwortungsbewussten Elite und als Vorkämpfer für ein "geheimes Deutschland", das am Denken des Dichters ausgerichtet sein sollte. Georges Tod im Dezember 1933 erschütterte Claus von Stauffenberg, Verse des Lyrikers dienten ihm in späterer Zeit als Maximen seines Handelns und Verhaltens. Doch auch Grundsätze des katholischen Christentums waren tief in Stauffenberg verankert. Eine enge Freundschaft verband ihn mit den Bildhauern Ludwig Thormaehlen und Frank Mehnert, die er aus dem Kreis um Stefan George kannte.

Nachdem er seine militärische Generalstabsausbildung 1926 begonnen hatte und im Mai 1933 zum Leutnant ernannt worden war, heiratete Claus Schenk Graf von Stauffenberg im September 1933 Nina Freiin von Lerchenfeld. Zu seinen Kindern hatte der Vater ein enges und herzliches Verhältnis.

Stauffenberg war ein besonders begabter Offizier. Dem Nationalsozialismus stand er anfänglich positiv gegenüber und begrüßte die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. Nach Fronteinsätzen in Polen und Frankreich wurde er 1941 zum Generalstab des Heeres versetzt. Doch 1942 kritisierte er nicht nur Hitlers Kriegsführung und dessen strategische Entscheidungen, sondern hatte sich grundsätzlich vom NS-System abgewandt. Die völkerrechtswidrige Kriegsführung, der Massenmord an den Juden und die Unterdrückung der Bevölkerung in den besetzten Gebieten ließen ihn im Sommer 1942 zu dem Schluss kommen, dass ein Umsturzversuch und ein Attentat auf Hitler zwingend notwendig waren.

Umsturzvorbereitungen

Im Februar 1943 wurde Stauffenberg nach Nordafrika versetzt und dort am 7. April 1943 schwer verwundet. Er verlor die rechte Hand, den kleinen und den Ringfinger der linken Hand sowie das linke Auge. Kurz vor der Kapitulation der deutschen Afrika-Truppen konnte er über Italien ins Lazarett nach München gebracht werden.

Nach seiner Genesung war Stauffenberg ab Mitte September 1943 Chef des Stabes im Allgemeinen Heeresamt unter General Friedrich Olbricht. Zu diesem Zeitpunkt zählte er bereits zum engsten Kreis der entschlossenen Verschwörer und nutzte seine Position für die weiteren Attentats- und Umsturzvorbereitungen.

Stauffenbergs persönliche Ausstrahlung war groß, seine fachliche Kompetenz anerkannt. So führte er viele Gegner des Regimes zusammen und fand unter ihnen enge Freunde. Peter Graf Yorck von Wartenburg vermittelte ihm den Kontakt zum früheren sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Julius Leber, der ebenso wie Yorck und Adam von Trott zu Solz zum Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke zählte. Auch mit Vertretern der Gewerkschaftsbewegung wie Wilhelm Leuschner, Jakob Kaiser, Hermann Maaß und Max Habermann führte Stauffenberg im Herbst 1943 intensive Gespräche. Mit Stauffenbergs Wissen sprachen Julius Leber und Adolf Reichwein im Juni 1944 mit kommunistischen Widerstandskämpfern in Berlin.

Attentat und Umsturzversuch

Die Lagebesprechungen Hitlers schienen eine Möglichkeit zu bieten, den Diktator auszuschalten. Deshalb konzentrierte sich Stauffenberg nach mehreren misslungenen Attentatsversuchen anderer und Verhaftungen prominenter Mitverschwörer wie Julius Leber und Adolf Reichwein darauf, Hitler durch einen Bombenanschlag im Führerhauptquartier zu töten. Seit Mitte Juni 1944 hatte er als Stabschef des Befehlshabers des Ersatzheeres dort Zugang. Obwohl er persönlich die Tat ausführen wollte, blieb Stauffenberg auf die Unterstützung seiner Freunde angewiesen: Sprengstoff musste beschafft und transportiert werden, die Flucht aus dem Hauptquartier vorbereitet und eine weitgehende Nachrichtensperre verhängt werden. Erst dadurch entstand die Chance, das Attentat in einen Umsturz des Systems münden zu lassen, der unter dem Stichwort "Operation Walküre" vorbereitet wurde.

Die Bombe, die Stauffenberg am 20. Juli in seiner Aktentasche bei sich trug, enthielt zwei Sprengstoffpakete mit chemischen Zeitzündern. Hauptmann Wessel Freiherr Freytag von Loringhoven verfügte als Chef der Abteilung Sabotage im Amt Ausland/Abwehr über Zugang zu Sprengmaterial. Er hatte den Sprengstoff für die Attentäter beschafft und Oberstleutnant Fritz von der Lancken in Potsdam zur Verwahrung gegeben. Von dort war die Aktentasche mit zwei verschnürten Sprengstoffpaketen am Nachmittag des 19. Juli 1944 zur Wohnung Stauffenbergs in Berlin gebracht worden.

Stauffenberg flog am Morgen des 20. Juli gemeinsam mit seinem Adjutanten Werner von Haeften zum "Führerhauptquartier Wolfschanze" in Rastenburg (heute Ke¸trzyn). Dabei behielt er die Tasche mit dem Sprengstoff stets in seiner Nähe. Kurz vor 12.30 Uhr zog er sich unter einem Vorwand zurück und zerdrückte mit einer Zange die Säureampulle eines Zeitzünders. Da er dabei gestört und zur Lagebesprechung gerufen wurde, gelang es ihm nicht mehr, das zweite Sprengstoffpaket scharf zu machen. Es verblieb in der Tasche Werner von Haeftens, der es kurz darauf bei der Flucht aus dem Wagen warf.

Stauffenberg konnte den Sprengkörper unter dem Kartentisch in der Nähe von Hitlers Standort ablegen. Danach verließ er unbemerkt den Raum und beobachtete aus einiger Entfernung die Detonation gegen 12.42 Uhr. Unglückliche Zufälle verhinderten den Erfolg des Anschlags: Hitler blieb am Leben. Der schwere Eichentisch, über den er sich zum Zeitpunkt der Explosion beugte, hatte seinen Körper geschützt. Zudem hatte die Besprechung nicht im Bunker, sondern in einer Baracke in Leichtbauweise stattgefunden, wo die Explosionskraft des einen Sprengstoffpakets nicht ausreichend war und viel von ihr nach außen entwich.

Stauffenberg glaubte jedoch, dass sein Attentat gelungen war. Er konnte das "Hauptquartier" im letzten Moment vor der Abriegelung verlassen und flog nach Berlin, um dort im Oberkommando des Heeres in der Bendlerstraße, der Zentrale der Verschwörung, den Umsturzversuch voranzutreiben.

"Walküre"

Um 15.15 Uhr erreichte die erste Nachricht vom Anschlag das Allgemeine Heeresamt im Bendlerblock, um 15.45 Uhr meldete Werner von Haeften telefonisch, Hitler sei tot. Doch die dortigen Mitverschworenen hatten keine gesicherten Informationen und warteten ab. Erst gegen 16.00 Uhr wurde von Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Friedrich Olbricht die Operation "Walküre" ausgelöst. Die vollziehende Gewalt sollte nun auf Generaloberst Friedrich Fromm, den Befehlshaber des Ersatzheeres, übergehen, der sein Hauptquartier im Bendlerblock hatte. Außerdem mussten wichtige Schaltstellen der Macht und des Nachrichtenwesens besetzt und gesichert werden. Kurz darauf trafen Stauffenberg und Haeften im Bendlerblock ein. In den folgenden Stunden versuchten Stauffenberg, Mertz, Beck und Olbricht verzweifelt, Unterstützung für den Umsturzversuch zu erhalten.

Die "Walküre"-Pläne boten den Verschwörern eine fast perfekte Tarnung: Den in Marsch zu setzenden Einheiten sollte der Eindruck vermittelt werden, nach Hitlers Tod hätten hohe Nationalsozialisten mit einem Putsch die Führung an sich reißen wollen. Deshalb müssten wichtige Schaltstellen der Macht, vor allem in der Reichshauptstadt Berlin, von Wehrmachtsverbänden abgesperrt und notfalls auch gegen SS-Einheiten verteidigt werden. Doch nur wenige Truppenteile wurden zwischen 16.00 und 18.00 Uhr in Marsch gesetzt. Denn als sich Fernmeldungen vom Überleben Hitlers mit Fernschreiben der Verschwörer aus dem Bendlerblock kreuzten und widersprachen, verhielten sich die meisten Offiziere abwartend. Als schließlich die Nachricht von Hitlers Überleben ab 18.28 Uhr mehrfach im Rundfunk gesendet wurde, verunsicherte dies auch die Mitverschworenen in der Stadtkommandantur und im Wehrkreiskommando.

Scheitern des Umsturzes

Da Hitler den Bombenanschlag überlebt hatte, konnten die Vertrauensleute der Verschwörer im "Führerhauptquartier Wolfschanze" die Verbindungen nach außen über Telefon und Funk nicht lange unterbrechen. Deshalb waren Hitler, Reichsinnenminister Heinrich Himmler, Hitlers Sekretär Martin Bormann und der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Wilhelm Keitel ab dem späten Nachmittag in der Lage, Gegenbefehle zu erlassen, die alle Bemühungen der Verschwörer zunichtemachten.

Viele Offiziere in den entscheidenden Positionen im Bendlerblock und in den Wehrkreisen beriefen sich jetzt auf ihren Eid und bekannten sich zu Hitler. Friedrich Fromm, Befehlshaber des Ersatzheeres, hatte den Verschwörern verweigert, den Befehl zur Auslösung der Operation "Walküre" zu unterschreiben, wozu nur er berechtigt war. Daraufhin hatten ihn die Verschwörer festgesetzt. Gegen 22 Uhr wurde er durch regimetreue Offiziere befreit und befahl am späten Abend, Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Werner von Haeften, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Friedrich Olbricht im Innenhof des Bendlerblocks zu erschießen. Ludwig Beck war kurz zuvor nach einem missglückten Selbstmordversuch auf Befehl Fromms erschossen worden.

Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 erreichte der nationalsozialistische Terror in Deutschland einen neuen Höhepunkt. Eine von der Gestapo eingesetzte "Sonderkommission 20. Juli 1944" nahm mehr als 600 Menschen fest. Die Offiziere unter ihnen wurden aus der Wehrmacht ausgestoßen. Der nationalsozialistische "Volksgerichtshof" verurteilte die meisten von ihnen gemeinsam mit den zivilen Beteiligten am Umsturzversuch zum Tode. Allein in der Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee wurden 89 Menschen erhängt oder enthauptet, die den Widerstandskreisen des 20. Juli 1944 zugerechnet werden können oder diese unterstützt hatten. Andere kamen in der Haft ums Leben oder wählten den Freitod. Insgesamt fielen der nationalsozialistischen Verfolgung im Zusammenhang mit dem Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 etwa 150 Menschen zum Opfer.

Am 30. Juli 1944 befahl Adolf Hitler die "Sippenhaft" gegen die Familien der am Umsturzversuch Beteiligten sowie gegen die Familien der Soldaten und Offiziere, die sich in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft dem Nationalkomitee "Freies Deutschland" angeschlossen hatten. Dies betraf mehr als 300 Menschen, darunter viele Kinder, die unter falschen Namen in ein nationalsozialistisches Kinderheim in Bad Sachsa verschleppt wurden. Im September 1944 wurden die ersten "Sippenhäftlinge" wieder aus der Haft entlassen. Für die anderen begann im Januar 1945 eine Odyssee durch verschiedene Konzentrationslager, die erst mit der Befreiung Ende April 1945 in Tirol endete. Viele Kinder aus dem Kinderheim in Bad Sachsa kehrten erst nach Kriegsende zu ihren Müttern zurück. Die meisten Väter waren der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz zum Opfer gefallen.

Quellentext"Regierungserklärung" für den 20. Juli 1944

Erste Aufgabe ist die Wiederherstellung der vollkommenen Majestät des Rechts. Die Regierung selbst muss darauf bedacht sein, jede Willkür zu vermeiden, sie muss sich daher einer geordneten Kontrolle durch das Volk unterstellen. […] Zur Sicherung des Rechts und des Anstandes gehört die anständige Behandlung aller Menschen. […] Das Recht wird jedem gegenüber, der es verletzt hat, durchgesetzt. Alle Rechtsbrecher werden der verdienten Strafe zugeführt. […] Die Judenverfolgung, die sich in den unmenschlichsten und unbarmherzigsten, tief beschämenden und gar nicht wieder gutzumachenden Formen vollzogen hat, ist sofort eingestellt. […]

Es ist ein grober Irrtum, anzunehmen, dass es einer Regierung gestattet sei, das Volk durch Lüge für ihre Ziele zu gewinnen. […] Die Presse soll wieder frei sein. […] Die zerbrochene Freiheit des Geistes, des Gewissens, des Glaubens und der Meinung wird wieder hergestellt. […] Die Konzentrationslager werden aufgelöst, die Unschuldigen entlassen, Schuldige dem ordentlichen gerichtlichen Verfahren zugeführt werden.

Aus der für den 20. Juli 1944 geplanten Regierungserklärung von Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler

Die Konsequenz des eigenen Handelns
Wenn einst Gott Abraham verheißen hat, er werde Sodom nicht verderben, wenn auch nur zehn Gerechte darin seien, so hoffe ich, dass Gott auch Deutschland um unsertwillen nicht vernichten wird. Niemand von uns kann über seinen Tod Klage führen. Wer in unseren Kreis getreten ist, hat damit das Nessushemd angezogen. [In der griechischen Mythologie: Verderben bringendes Geschenk, das seinen Träger vergiftet – Anm. d. Red.]

Henning von Tresckow, überliefert von Fabian von Schlabrendorff

Henning von Tresckow

Der 1901 geborene Berufsoffizier Henning von Tresckow begrüßte zunächst die Machtübernahme der Nationalsozialisten, distanzierte sich dann aber zunehmend von der Politik Hitlers und stellte sich nach den Novemberpogromen 1938 auf die Seite der entschlossenen Regimegegner. 1940 wurde er als Oberstleutnant zur Heeresgruppe B versetzt, die 1941 vor dem Überfall auf die Sowjetunion in Heeresgruppe Mitte umbenannt wurde. Dort versammelte sich eine Gruppe von oppositionellen Offizieren, in der Tresckow eine führende Rolle innehatte.

Ende Juli 1943 wurde Tresckow in die "Führerreserve" versetzt, hatte also vorübergehend keine Aufgabe und war von Fronteinsätzen vorerst entbunden. Er nutzte die Gelegenheit, um zusammen mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg, den er bereits im Juli 1941 an der Ostfront kennen und schätzen gelernt hatte, in Berlin die "Walküre"-Pläne, die für den Fall innerer Unruhen gedacht waren, in einen Staatsstreichplan für die Opposition umzuarbeiten. Im Herbst 1943 wurde er an die Ostfront versetzt und hielt als Generalmajor Kontakt zu den Verschwörern um Stauffenberg, ohne direkt eingreifen zu können. Unmittelbar vor dem Anschlag vom 20. Juli 1944 bestärkte Henning von Tresckow Stauffenberg in seinem Entschluss, das Attentat auszuführen.

Einen Tag nach dessen Scheitern tötete sich Tresckow an der Front bei Ostrów in Polen mit einer Gewehrsprenggranate. Man glaubte zunächst, er sei im Kampf gefallen. Die späteren Prozesse gegen die Urheber und Mitwisser der "Walküre"-Pläne brachten seine Beteiligung an dem Umsturzversuch ans Licht. Seine Familie wurde in "Sippenhaft" genommen.

Axel Freiherr von dem Bussche

Der 1919 geborene Berufssoldat Axel von dem Bussche trat 1937 in das traditionsreiche Potsdamer Infanterieregiment 9 ein. Er nahm am Überfall auf Polen und an der Besetzung Frankreichs teil und wurde schließlich als Regimentsadjutant bei Dubno (Ukraine) am 5. Oktober 1942 Augenzeuge der Ermordung von mehreren tausend Juden. Dieses Verbrechen erschütterte ihn zutiefst.

Bussche, der eng mit Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg befreundet war, wurde von diesem in die Pläne der Verschwörer eingeweiht und traf im Oktober 1943 in Berlin Claus von Stauffenberg. Als sich im November 1943 eine Gelegenheit bot, in die Nähe Hitlers zu gelangen und ihn zu töten, war Bussche unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Verbrechen dazu bereit. Er wollte Hitler bei der Vorführung neuer Uniformen töten, die für den 21. November im "Führerhauptquartier Wolfschanze" vorgesehen war. Bussche gehörte zu der kleinen Gruppe jener Soldaten, die Hitler die Modelle präsentieren sollten. Zwei Tage wartete Bussche in der Gästebaracke der "Wolfschanze", doch die Vorführung kam nicht zustande.

Kurz nach seinem gescheiterten Attentatsversuch wurde Bussche im Januar 1944 an der Ostfront schwer verwundet, ein Bein musste amputiert werden. Wegen seines Lazarettaufenthalts konnte er sich an den unmittelbaren Vorbereitungen für den Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 nicht beteiligen. Seine Attentatsvorbereitungen vom November 1943 blieben von der Gestapo unentdeckt.

Ulrich-Wilhelm Graf von Schwerin von Schwanenfeld

Ulrich-Wilhelm Graf von Schwerin von Schwanenfeld, 1902 geboren, wurde in München 1923 Zeuge des "Hitlerputsches", der den gewaltsamen Sturz der demokratisch gewählten Regierung zum Ziel hatte. Dieses Erlebnis begründete seine Ablehnung des Nationalsozialismus.

Seine aktive Widerstandsarbeit begann 1938 mit seinen Freunden Peter Graf Yorck von Wartenburg und Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg. Bereits 1938 wurde Schwerin dank seiner Kontakte zum Auswärtigen Amt und zum Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht Verbindungsglied zwischen zivilem und militärischem Widerstand. Als Reserveoffizier eingezogen, arbeitete er seit November 1939 im Stab und in der unmittelbaren persönlichen Nähe des späteren Feldmarschalls und Oberbefehlshabers an der Westfront, Erwin von Witzleben. Nach der Verabschiedung Witzlebens 1942 wurde Schwerin als "politisch unzuverlässig" von Paris nach Utrecht versetzt.

Im März 1943 holte ihn Hans Oster nach Berlin, wo er sich intensiv an den Staatsstreichvorbereitungen beteiligte. Dort freundete er sich im September 1943 mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg an. Vorgesehen als Staatssekretär des designierten Staatsoberhauptes Ludwig Beck, gehörte er bis zuletzt zum engsten Kreis der Verschwörer.

Am 20. Juli 1944 wartete Schwerin zusammen mit Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, Yorck und Schulenburg in seinem Büro auf die Nachricht von der Durchführung des Attentats. Schwerin wurde am 21. August 1944 vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt und am 8. September 1944 in Berlin-Plötzensee erhängt.

Friedrich Olbricht

Nach dem Abschluss seiner Ausbildung zum Generalstabsoffizier, die durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen worden war, wurde der 1888 geborene Friedrich Olbricht 1926 in die Abteilung "Fremde Heere" des Reichswehrministeriums berufen und kam 1933 als Stabschef nach Dresden. Im März 1940 wurde er zum Chef des Allgemeinen Heeresamtes beim Oberkommando des Heeres in Berlin ernannt und war in Personalunion seit 1943 auch Chef des Wehrersatzamtes beim Oberkommando der Wehrmacht.

Olbricht betrieb in Abstimmung mit zivilen Oppositionsgruppen um Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler seit 1942 die Ausarbeitung der "Walküre"-Pläne, um den Verschwörern die Übernahme der vollziehenden Gewalt zu ermöglichen.

Nachdem Olbricht 1943 Claus Schenk Graf von Stauffenberg als Stabschef für sein Amt angefordert hatte, weihte er diesen bei einem Gespräch um den 10. August 1943 in die Planungen der Verschwörer und die bisherigen Ausarbeitungen der "Walküre"-Befehle ein. Die vertrauensvolle Kooperation endete auch nicht, als Stauffenberg im Juni 1944 zum Befehlshaber des Ersatzheeres General Fromm wechselte. Als am 20. Juli 1944 das mehrfach verschobene Attentat auf Hitler verübt wurde, löste Friedrich Olbricht am Nachmittag in Berlin den "Walküre"-Alarm aus. Nach dem Scheitern des Umsturzversuches wurde er noch in der Nacht im Hof des Bendlerblocks zusammen mit Stauffenberg, Mertz von Quirnheim und Werner von Haeften erschossen.

Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim

1905 geboren, absolvierte Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim ab 1923 eine Ausbildung zum Berufsoffizier und war seit einem gemeinsamen Lehrgang an der Kriegsakademie in Berlin mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg befreundet. Nach Einsätzen in Polen und Frankreich kam Mertz im Winter 1941 in das "Führerhauptquartier" Winniza an der Ostfront, wo er mit Stauffenberg bis zu dessen Versetzung nach Afrika zusammenarbeitete.

Mertz erlebte im Winter 1942/43 an der Ostfront die Niederlage von Stalingrad. Im Juni 1944 trat er die Nachfolge Stauffenbergs als Chef des Stabes bei General Friedrich Olbricht an. Mertz gehörte inzwischen zum engsten Kreis der Verschwörer um Stauffenberg. Gemeinsam mit Friedrich Olbricht löste er am 20. Juli 1944 im Berliner Bendlerblock gegen 16.00 Uhr die Operation "Walküre" aus. Nach dem Scheitern des Umsturzversuches wurde Mertz, der bis zuletzt versucht hatte, den militärischen Umsturz zum Erfolg zu führen, in der Nacht zum 21. Juli 1944 gemeinsam mit Stauffenberg, Olbricht und Werner von Haeften im Hof des Berliner Bendlerblocks erschossen.

"Hitler ist ein Verbrecher oder Wahnsinniger, wahrscheinlich aber beides. Er muss beseitigt werden, um den aussichtslosen Krieg zu beenden."

Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim am 25. Juni 1944 gegenüber seiner Schwester Gudrun

Widerstand von außen

Während des Krieges kämpften deutsche Emigranten als Soldaten in den alliierten Armeen oder schlossen sich den Partisanengruppen im deutsch besetzten Europa an. Sie waren aus politischen Gründen geflohen oder weil sie als Juden verfolgt worden waren und wollten so Deutschland von der NS-Herrschaft befreien. Ihre deutschen Sprachkenntnisse setzten einige in speziellen Propagandaeinheiten ein: Mit Hilfe von Flugblättern klärten sie Wehrmachtssoldaten über den tatsächlichen Kriegsverlauf auf und wollten sie zur Aufgabe bewegen.

Ab 1941 gerieten immer mehr deutsche Soldaten in Kriegsgefangenschaft. In amerikanischer und britischer Gefangenschaft lernten sie Grundsätze freiheitlicher Demokratie kennen, in sowjetischer Gefangenschaft wurden sie vielfach mit der Frage konfrontiert, ob sie den Vernichtungskrieg in der Sowjetunion rechtfertigen könnten.

Im Sommer 1943 wurde im Kriegsgefangenenlager Krasnogorsk bei Moskau auf Initiative der sowjetischen Führung und unter Beteiligung deutscher kommunistischer Emigranten um Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht das Nationalkomitee "Freies Deutschland" (NKFD) gegründet. Es sollte deutsche Kriegsgefangene beeinflussen, rief zum Sturz des NS-Regimes und zur Desertion aus der Wehrmacht auf. Schnell wurde aber deutlich, dass die Propaganda des Nationalkomitees "Freies Deutschland" ohne Unterstützung gefangener deutscher Generale wirkungslos bleiben würde. Es gelang, einige hohe deutsche Offiziere zur Mitarbeit zu gewinnen. Ihnen war von ihren sowjetischen Gesprächspartnern versprochen worden, den Bestand des Deutschen Reiches zu garantieren, wenn sich die Wehrmachtsführung von Hitler abwende, dadurch sein Regime beseitige und den Befehl zum geordneten Rückzug auf die Reichsgrenzen gebe. Im Spätsommer 1943 wurde der Bund Deutscher Offiziere gegründet und wenig später mit dem NKFD vereinigt. Er sollte möglichst viele der Offiziere ansprechen, die dem Kommunismus ablehnend gegenüberstanden. Als sich zeigte, dass die Rote Armee auch ohne Hilfe des NKFD die deutsche Front unaufhaltsam zurückdrängte, verlor es für die Sowjetunion ab 1944 seine Bedeutung und wurde kurz nach Kriegsende im Herbst 1945 aufgelöst.

In amerikanischer Kriegsgefangenschaft fanden sich ab 1943 Gleichgesinnte zusammen, die sich innerlich vom Nationalsozialismus gelöst hatten. Sie versuchten, ihre Kameraden durch Vorträge und Lagerzeitschriften zu beeinflussen und warben für den Aufbau eines demokratischen Deutschlands. 300 Gegner des NS-Regimes, darunter vorwiegend politische Zwangsrekrutierte, die in Strafdivisionen der "999er" Wehrdienst leisten mussten, befanden sich von Mai 1943 bis zum Sommer 1947 in Kriegsgefangenschaft in Französisch-Nordafrika. In der Tradition der Arbeiterbewegung konnten diese Regimegegner über das Kriegsende hinaus vielen jungen gefangenen Soldaten des Afrika-Korps die Idee eines demokratischen Nachkriegsdeutschlands näher bringen.

Hanna Podymachina

Hanna Bernstein, 1924 in Berlin geboren, wuchs in einem kommunistischen Elternhaus auf. Ihr Vater Rudolf war KPD-Abgeordneter der Bezirksversammlung Berlin-Mitte und leitete verschiedene Betriebe in Parteibesitz. Er wurde im Februar 1933 festgenommen und im KZ Sonnenburg inhaftiert. Nach seiner Entlassung aus der Haft emigrierte die Familie im Juni 1934 in die Sowjetunion.

Nach ihrem Abitur trat Hanna Bernstein 1942 in eine Propagandaeinheit der Roten Armee ein. Hier nutzte sie ihre deutschen Sprachkenntnisse auf vielfältige Weise: Sie dolmetschte bei Verhören deutscher Kriegsgefangener und Überläufer, wertete erbeutete deutsche Feldpostbriefe aus und verfasste Flugblätter und Aufrufe an die Soldaten der Wehrmacht.

In der Nähe der Frontlinien sprach Hanna Bernstein über einen Lautsprecherwagen zu den Wehrmachtssoldaten, um sie zur Aufgabe des Kampfes zu bewegen. Zeitweise war sie auch mit einem Doppeldeckerflugzeug im Einsatz, mit dem sie nachts über den Stellungen der deutschen Soldaten kreiste und ihre Appelle verlas. Mit ihrem Lautsprecherwagen begleitete sie die sowjetische Armee auf ihrem Weg von der Ukraine bis nach Wien, wo sie im April 1945 das Kriegsende erlebte. 1946 heiratete sie den sowjetischen Hauptmann Semjon Podymachin.

Dora Schaul

Die 1913 geborene Dora Davidsohn stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Berlin, besuchte eine Handelsschule und arbeitete danach als Büroangestellte. 1933 verließ sie Deutschland und ging nach Amsterdam. Ein Jahr später übersiedelte sie gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann Alfred Benjamin nach Frankreich. Bei Kriegsbeginn 1939 wurde Dora Davidsohn in Paris festgenommen, weil sie keine gültigen Papiere vorweisen konnte. Nach der Haft in Paris wurde sie im Oktober 1939 in das südfranzösische Internierungslager Rieucros, nach dessen Schließung in das Lager Brens gebracht. Während der Internierung heiratete sie Alfred Benjamin.

Im Juli 1942 floh sie aus dem Lager Brens und schloss sich in Lyon dem französischen Widerstand, der Résistance, an. Unter dem Decknamen "Renée Fabre" arbeitete Dora Benjamin als Französin getarnt bei deutschen Dienststellen, um so wichtige Informationen für die Résistance zu sammeln. Sie nutzte ihre Kontakte zu deutschen Soldaten, um Schriften und Flugblätter gegen den Nationalsozialismus zu verbreiten. Das Kriegsende erlebte Dora Davidsohn in Frankreich.

1946 kehrte sie nach Deutschland zurück. Ihre Eltern und ihre Schwester waren im Vernichtungslager Lublin-Majdanek ermordet worden, ihr Ehemann Alfred Benjamin war während eines Fluchtversuchs in die Schweiz 1942 tödlich verunglückt. Einige Jahre nach dem Krieg heiratete sie Hans Schaul, der 1933 ebenfalls vor den Nationalsozialisten geflohen war, im Spanischen Bürgerkrieg für die Republik gekämpft hatte und später in Frankreich interniert worden war.

Henry Ormond

Hans Oettinger, 1901 in Kassel als Hans Ludwig Jacobsohn geboren und 1920 adoptiert, studierte Rechtswissenschaft, arbeitete ab 1930 als Staatsanwalt und wenig später als Amtsrichter in Mannheim. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde er 1933 aufgrund des "Gesetzes über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" aus dem Staatsdienst entlassen.

Ende 1938 wurde er verhaftet und ins KZ Dachau gebracht, aber unter der Auflage, aus Deutschland auszureisen, im März 1939 entlassen. Über die Schweiz gelang ihm die Flucht nach Großbritannien, wo er kurz darauf, nach Beginn des Krieges, als "feindlicher Ausländer" interniert wurde.

Als ein Geistlicher für ihn bürgte, erhielt Oettinger eine Stelle als Haushaltshilfe, wurde wenig später aber erneut interniert und nach Kanada gebracht. Dort meldete er sich zur britischen Armee und nahm später den Namen Henry Lewis Ormond an. Mit einer Propagandaeinheit der Royal Army kehrte er nach Deutschland zurück. Er verfasste Flugblätter und Aufrufe an die deutsche Bevölkerung, die auch über Lautsprecherwagen verbreitet wurden.

Nach dem Ende des Krieges blieb Henry Ormond in Deutschland und arbeitete wieder als Rechtsanwalt. Dabei engagierte er sich besonders für Opfer des Nationalsozialismus und vertrat ab 1963 die Nebenklage im ersten der Frankfurter "Auschwitz-Prozesse".

Widerstand gegen die nationalsozialistische Judenverfolgung

Unmittelbar nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 begann die Ausgrenzung, Diffamierung und Entrechtung der etwa 500.000 deutschen Juden. Der Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933, mit dem die Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben einsetzte, die Nürnberger "Rassengesetze" vom September 1935 und die Pogrome vom 9. November 1938 markierten die wesentlichen Stationen der Judenverfolgung in Deutschland. Nach den Pogromen 1938 wurden mehr als 30.000 jüdische Männer in Konzentrationslager verschleppt; gesetzliche Vorschriften verschärften die wirtschaftliche und soziale Entrechtung weiter.

Viele Juden erkannten, wie gefährlich das Leben in Deutschland wurde. Sie bereiteten sich seit Mitte der 1930er-Jahre durch Sprachkurse und Umschulungen auf ihre Auswanderung vor. Mehr als 300.000 Juden konnten bis zum Kriegsbeginn im Herbst 1939 aus Deutschland fliehen.

Dem nationalsozialistischen Völkermord an den Juden Europas fielen rund sechs Millionen Menschen zum Opfer, von denen die meisten erschossen oder mit Giftgas ermordet wurden. Darunter waren auch mehr als 160.000 deutsche Juden. Sie wurden seit Oktober 1941 vor allem in die Vernichtungsstätten in den deutsch besetzten Gebieten Polens und der Sowjetunion deportiert und dort ermordet.

Etwa 10.000 bis 12.000 deutsche Juden versuchten sich dieser tödlichen Bedrohung zu entziehen. Da Auswanderung ab 1941 verboten und auch auf illegale Weise nahezu unmöglich war, blieb nur die Flucht in den Untergrund – mit höchst ungewissem Ausgang. Wer "untertauchte", widersetzte sich der Diktatur. Verstecke mussten gefunden und häufig gewechselt werden. Dabei bestand ständig die Gefahr des Verrats und der Entdeckung. Vermutlich mehr als die Hälfte derjenigen, die sich in Deutschland der Deportation entzogen, tat dies in Berlin. Viele tauchten erst 1943 unter, als die verbliebenen Juden, die überwiegend in der Rüstungsindustrie Zwangsarbeit leisteten, deportiert werden sollten. In Deutschland überlebten etwa 5000 "Untergetauchte", davon über 1900 in Berlin.

Gelingen konnte dies meist nur mit Hilfe von Menschen, die bereit waren, Verfolgte zu unterstützen. Unter Gefährdung der eigenen Person besorgten diese "stillen Helden" Lebensmittel, beschafften falsche Papiere, leisteten Fluchthilfe, stellten Quartiere zur Verfügung oder versteckten die Verfolgten bei sich. Viele wurden zu Rettern, weil sie von Verfolgten oder anderen Helfern gezielt um Hilfe gebeten wurden. Andere wiederum ergriffen selbst die Initiative zur rettenden Unterstützung. Sie appellierten etwa an jüdische Freunde, sich nicht deportieren zu lassen, und sagten ihnen Hilfe für ein Leben im Untergrund zu. Weltanschauliche und politische Motive waren für die Hilfe ebenso von Bedeutung wie spontanes Mitgefühl. Dadurch konnten sie die Angst um die eigene Person und die Familie sowie die berechtigte Furcht vor der Gestapo überwinden.

Häufig entwickelten sich im Verlauf von Rettungsversuchen Netzwerke von Helfenden. Für jeden "Untergetauchten" waren bis zu zehn, bisweilen auch erheblich mehr nichtjüdische Unterstützer aktiv. Viele Hilfsaktionen scheiterten jedoch. Schätzungen gehen heute von insgesamt mehreren zehntausend Menschen aus, die in Deutschland jüdischen Verfolgten geholfen haben. Auch in den besetzten Ländern Europas gab es neben vielen Einheimischen einzelne Deutsche, die ihre Stellung als Soldaten oder in der Kriegswirtschaft nutzten, um tödlich bedrohte Juden zu unterstützen.

Die meisten Menschen, die sich dem NS-Völkermord durch Rettungsaktionen entgegenstellten, schwiegen nach 1945 über ihre Hilfeleistungen. Sie begriffen sie als selbstverständlich. Erst später wurde ihr Handeln gewürdigt. Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat bis heute mehr als 26.000 Frauen und Männer für diese Hilfsaktionen als "Gerechte unter den Völkern" geehrt. In Deutschland widmet sich die Berliner Gedenkstätte Stille Helden der Erinnerung an jene Menschen, die sich der tödlichen Bedrohung entzogen, und an jene, die ihnen dabei geholfen haben.

Proteste in der Rosenstraße

Am 27. und 28. Februar 1943 wurden in ganz Deutschland im Rahmen der "Fabrikaktion" mehr als 11.000 Jüdinnen und Juden von der Gestapo festgenommen, die bisher Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie geleistet hatten, davon allein in Berlin mehr als 8000. Fast 7000 von ihnen wurden in den folgenden Tagen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet.

Unter den Festgenommenen in Berlin waren auch mehr als 1700 Juden, die entweder in "Mischehe" lebten oder als "jüdische Mischlinge" galten. Sie wurden in das Sammellager in der Rosenstraße 2–4 in Berlin-Mitte gebracht. Nach NS-Definition waren "Mischehen" Ehen zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Männern und Frauen; als "Mischlinge" wurden Menschen mit jüdischen und nicht-jüdischen Vorfahren definiert. Die Deportation der in der Rosenstraße Festgehaltenen war nicht beabsichtigt; aus ihnen sollten diejenigen ausgewählt werden, die die zur Deportation vorgesehenen Mitarbeiter der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland ersetzen sollten.

Viele nicht-jüdische Verwandte erfuhren von dem Aufenthaltsort ihrer Angehörigen, befürchteten deren Deportation, und versammelten sich in der Rosenstraße. Insgesamt waren Anfang März 1943 mehrere hundert Menschen, zumeist Frauen, an den Demonstrationen beteiligt. Mehrfach wurden sie von der Polizei vertrieben. Da in der ersten Märzwoche die Männer aus den "Mischehen" und die "Mischlinge" aus dem Sammellager in der Rosenstraße entlassen wurden, wurde dies nach 1945 als Erfolg der Frauenproteste in der Rosenstraße gedeutet.

Otto Weidt

Der 1883 geborene Otto Weidt wuchs in Rostock auf und erlernte wie sein Vater den Beruf des Tapezierers. Er engagierte sich in der deutschen anarchistischen Bewegung und schrieb in seiner Freizeit Gedichte. Während des Ersten Weltkriegs gelang es dem überzeugten Pazifisten, sich aufgrund eines Ohrenleidens dem Dienst an der Waffe zu entziehen.

Nach seiner fast vollständigen Erblindung wurde Weidt Bürstenmacher und eröffnete 1939 in Berlin-Kreuzberg eine Bürstenwerkstatt. Otto Weidt war entschiedener Gegner des Nationalsozialismus und beschäftigte ab 1939 hauptsächlich Juden. Er tat alles, um sie vor den judenfeindlichen Maßnahmen des Staates zu schützen.

1940 zog Otto Weidt mit seinem Betrieb nach Berlin-Mitte in die Rosenthaler Straße 39. Dort arbeiteten mehr als 30 blinde und taubstumme Juden für ihn. Mit den in der Werkstatt produzierten Besen und Bürsten belieferte er auch die Wehrmacht, weshalb die Blindenwerkstatt als "wehrwichtig" galt. Durch diesen Status und weil Otto Weidt regelmäßig Gestapo-Beamte bestach, blieben seine Arbeiterinnen und Arbeiter eine Zeit lang von der Deportation verschont. Gemeinsam mit weiteren Helfern besorgte er ihnen Lebensmittel, gefälschte Papiere und Verstecke. Nachdem die meisten von ihnen 1943 deportiert worden waren, versorgte er sie noch im Ghetto Theresienstadt mit mehr als 150 Lebensmittelpaketen und half seiner deportierten Sekretärin Alice Licht bei den Fluchtvorbereitungen aus einem Konzentrationslager.

Wilm Hosenfeld

Der 1895 geborene Wilm Hosenfeld wurde im Ersten Weltkrieg schwer verwundet. Danach widmete er sich als Lehrer der Reformpädagogik. Ende August 1939 wurde Hosenfeld, inzwischen NSDAP-Mitglied, zur Wehrmacht eingezogen. Als Besatzungssoldat richtete er bei Łódz´ ein Gefangenenlager für polnische Soldaten und Offiziere ein. In Tagebüchern notierte er sein Entsetzen über die Ermordung tausender Angehöriger der polnischen Führungsschicht durch Deutsche.

In Warschau wurde er 1941 leitender Sportoffizier und begann, Verfolgten zu helfen. So stellte er 1942 in seiner Sportschule unter anderem Leon Warm unter einem Decknamen als Arbeiter ein, der als Jude zuvor aus einem Deportationstransport geflohen war. Im November 1944 entdeckte Hosenfeld in einem Haus im zerstörten Warschau den jüdischen Pianisten Władysław Szpilman, der sich seit Monaten in den Ruinen versteckte. Er versorgte ihn mit Essen und Kleidung. Mit Hosenfelds Hilfe hielt sich Szpilman zwei Monate auf dem Dachboden des Hauses verborgen, während im Stockwerk unter ihm der deutsche Kommandanturstab einzog.

Als die Rote Armee im Januar 1945 Warschau einnahm, wurde Hosenfeld von sowjetischen Soldaten gefangen genommen und 1950 wegen seiner Zugehörigkeit zur Abteilung "Truppenbetreuung und Spionageabwehr" zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Hosenfeld blieb trotz der Fürsprache Geretteter in Haft und starb 1952 in einem Lazarett in Stalingrad.

Marie Burde

Die 1892 in Berlin geborene Marie Burde lebte vom Verkauf von Zeitungen und als Lumpensammlerin. Sie wohnte in ärmlichsten Verhältnissen in einer unmöblierten Kellerwohnung in Berlin-Wedding. Um 1943 wurde sie von einer Bekannten um Hilfe für einen jungen Juden gebeten. Nach der Deportation ihrer Eltern waren die Brüder Rolf und Alfred Joseph untergetaucht. Spontan war Marie Burde bereit, den 23-jährigen Rolf bei sich aufzunehmen. Als Rolf Joseph bei einer Wehrmachtskontrolle festgenommen wurde, weigerte er sich trotz Misshandlungen standhaft, den Namen seiner Quartiergeberin preiszugeben. Beim Transport nach Auschwitz gelang ihm die Flucht aus dem Deportationszug, doch nach wenigen Tagen wurde er wieder aufgegriffen und an die Berliner Gestapo ausgeliefert. Noch einmal konnte er fliehen und rettete sich zu Marie Burde, die inzwischen auch seinen Bruder Alfred und dessen Freund Arthur Fordanski aufgenommen hatte. Zu viert teilte man sich die kargen Lebensmittelrationen, die Marie Bude erhielt.

Im Frühjahr 1944 – ihre Kellerwohnung wurde Ende 1943 ausgebombt – schickte Marie Burde die Verfolgten in ihre Gartenlaube auf einem Grundstück in Schönow nördlich von Berlin. Dort blieb Rolf Joseph bis zum Einmarsch der Roten Armee Ende April 1945. Sein Bruder wurde im August 1944 in Berlin festgenommen und ins KZ Sachsenhausen verschleppt, doch auch er überlebte. Nach Kriegsende hielten Rolf und Alfred Joseph Kontakt zu ihrer Lebensretterin und unterstützen sie nun ihrerseits.

Widerstand von Juden

Der Antisemitismus war das zentrale Element der nationalsozialistischen Ideologie. Deshalb hatten sich deutsche Juden schon vor 1933 gegen die NSDAP zur Wehr gesetzt. Grundsätzlich lassen sich drei Formen des Widerstandes von Juden in Deutschland unterscheiden: erstens Formen der Selbstbehauptung und der Solidarität, zweitens die Mitwirkung von Jüdinnen und Juden in unterschiedlichen Gruppen des Widerstandes sowie drittens der Aufbau eigener Widerstandsgruppen im Kampf gegen den Nationalsozialismus.

Unter dem Eindruck von Verfolgung und antisemitischer Propaganda entwickelten viele der mehr als 500.000 deutschen Juden ein neues Selbstverständnis. Die Jüdischen Gemeinden, der Jüdische Kulturbund, jüdische Sportverbände und Bildungseinrichtungen wurden zu Orten der Selbstbehauptung und Solidarität. In den Organisationen und Verbänden konnten die deutschen Juden, die zunehmend aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen wurden, das Gemeinschaftsgefühl und ihren Überlebenswillen stärken. So beschäftigte der 1933 gegründete Kulturbund Deutscher Juden entlassene jüdische Künstler und bot jüdischen Menschen die Möglichkeit, kulturelle Veranstaltungen zu besuchen. In Not geratenen Menschen wurden Wirtschaftshilfe und Wohlfahrtsleistungen gewährt. Juden, die Deutschland verlassen wollten, wurden durch Sprachkurse und berufliche Umschulungen und Ausbildungen bewusst auf die Emigration und das Leben im Ausland vorbereitet.

Es gab vielfältige jüdische Bemühungen, sich gegen die NS-Verbrechen aufzulehnen, so in Berlin die Gruppen um Herbert Baum oder die Gruppe Chug Chaluzi (Kreis der Pioniere). Letztere war eine religiös-zionistische Gruppe, die von Jizchak Schwersenz und seiner Freundin Edith Wolff gegründet wurde. Im Februar 1943, als mit der "Fabrikaktion" die letzten noch in Berlin lebenden Juden, die noch in den Rüstungsbetrieben zwangsbeschäftigt waren, deportiert werden sollten, sammelte der bereits untergetauchte Lehrer Jizchak Schwersenz im Chug Chaluzi schließlich 40 Kinder und Jugendliche aus verschiedenen jüdischen Jugendbünden um sich. Ziel der Jugendgruppe war es, "durchzuhalten", Fluchtwege ins Ausland zu suchen und das Leben in der Illegalität bis zur Befreiung durch die alliierten Armeen zu organisieren.

Nach der geglückten Flucht von Schwersenz in die Schweiz wurde die Gruppe von Gad Beck fortgeführt. Noch im Untergrund vermittelte die Gruppe religiöse und zionistische Inhalte an ihre jugendlichen Mitglieder. Tatsächlich konnte die überwiegende Mehrheit dieser Gruppe mit Hilfe von Nichtjuden überleben, einzelne Mitglieder wurden jedoch Opfer der Vernichtung. Der Chug Chaluzi war die einzige Widerstandsgruppe innerhalb Deutschlands, die aus jüdisch-religiösen Motiven heraus handelte.

In Ghettos und Lagern gab es Ausbruchsversuche und Aufstände. Der größte Aufstand fand im April 1943 im Warschauer Ghetto statt. In den Vernichtungslagern Treblinka und Sobibor im Herbst 1943 und in Auschwitz-Birkenau im November 1944 kam es zu Aufständen, die von der SS blutig niedergeschlagen wurden.

Hannah Karminski

Die 1897 geborene Kindergärtnerin und Sozialarbeiterin Hannah Karminski wurde 1924 in Frankfurt am Main von Bertha Pappenheim für den Jüdischen Frauenbund gewonnen. Bald gehörte sie dessen Vorstand an, wurde 1933 Geschäftsführerin des Bundes und übernahm nach dem Tod Bertha Pappenheims deren Funktion als Vorsitzende.

Ab 1933 engagierte sich Hannah Karminski ehrenamtlich bei der Reichsvertretung der deutschen Juden für Auswanderungsfragen und für die Ausbildung und Berufstätigkeit heranwachsender jüdischer Frauen. Sie war Mitinitiatorin des 1934 eröffneten Jüdischen Seminars für Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen, dessen staatliche Abschlüsse sowohl in Deutschland, mehr aber noch im Ausland anerkannt wurden, wohin viele der Absolventinnen emigrierten.

1939 übernahm sie bei der inzwischen unter Aufsicht der Gestapo stehenden Reichsvereinigung der Juden in Deutschland die Abteilung Wohlfahrtspflege und 1942 die Leitung der Abteilung Fürsorge. Sie begleitete einige Kindertransporte nach England, und obwohl ihre Eltern und ihre Schwester bereits in die Schweiz geflüchtet waren, kam sie immer wieder nach Deutschland mit der Begründung zurück, dass sie hier am meisten gebraucht werde.

Am 9. Dezember 1942 wurde Hannah Karminski nach Auschwitz deportiert und dort am 4. Juni 1943 ermordet.

Edith Wolff

Die 1904 in Berlin geborene und evangelisch erzogene Edith Wolff bekannte sich 1933 aus Protest gegen den Nationalsozialismus zum jüdischen Glauben und wurde zur überzeugten Pazifistin und Zionistin. Über die Lehrerin und Dichterin Recha Freier, eine deutsch-jüdische Widerstandskämpferin, kam sie zur jüdischen Jugendhilfe, der Kinder- und Jugendalijah, die die Einwanderung nach Palästina organisierte. Bei dieser Tätigkeit lernte sie den Lehrer Jizchak Schwersenz kennen. Als in Berlin 1941 die ersten Deportationen begannen, organisierte sie Lebensmittel und Ausweise, um Juden die Flucht oder ein Untertauchen zu ermöglichen.

Im Frühjahr 1943 bildete sich um Edith Wolff und Jizchak Schwersenz die zionistische Untergrund-Gruppe Chug Chaluzi (Kreis der Pioniere). Von den 40 Kindern der Alijah-Schule, die durch die Chug Chaluzi versteckt wurden, konnten 33 gerettet werden.

Als Edith Wolff im Sommer 1943 zur Gestapo vorgeladen wurde, konnte sie ihre Verbindungen zu untergetauchten Juden verbergen, wurde aber wegen "Judenbegünstigung" zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Edith Wolff überlebte die Haft in 18 Konzentrationslagern und Zuchthäusern.

Georg Hornstein

Der 1900 in Berlin geborene Kaufmann Georg Hornstein (hier auf einem Foto der Gestapo) emigrierte nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 nach Amsterdam. 1936 meldete er sich freiwillig zu den Internationalen Brigaden im spanischen Bürgerkrieg und diente dort 1937 als Dolmetscher und Kompanieführer. Nach einer schweren Verwundung kehrte Hornstein 1938 nach Amsterdam zurück und wurde dort im Oktober 1940 von der Gestapo festgenommen. Georg Hornstein wurde am 3. September 1942 im KZ Buchenwald ermordet.

"Wenn ich gefragt werde, aus welchem Grunde ich als Offizier bei der Internationalen Brigade an den Kämpfen in Spanien teilgenommen habe, so habe ich hierzu folgendes zu sagen: Ich besitze zwar die deutsche Staatsangehörigkeit und gelte nach den Buchstaben des Gesetzes als deutscher Staatsangehöriger. Als Jude habe ich jedoch praktisch alle Rechte in Deutschland verloren und war darum bemüht, mir eine neue Heimat zu suchen. […] Als Jude habe ich hier für meine Überzeugung und meine Lebensrechte gekämpft. Ich betrachte mich unter den gegebenen Umständen nicht mehr als deutschen Staatsangehörigen und würde jede mir gegebene Gelegenheit benutzen, eine neue Staatsangehörigkeit zu erwerben, wie ich auch als Jude jederzeit bereit wäre, für meine Lebensrechte zu kämpfen."

Aussage von Georg Hornstein vor der Geheimen Staatspolizei 1942, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen/Abteilung Rheinland, RW 58 Nr. 41305

Widerstand von Sinti und Roma

1933 lebten rund 30.000 Sinti und Roma in Deutschland. Die meisten besaßen die deutsche Staatsangehörigkeit. Für sie begann mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten eine Zeit der "rassisch" begründeten Entrechtung und Verfolgung, gegen die sie sich zur Wehr setzten. Die "Rassenhygienische Forschungsstelle" in Berlin sollte ab 1936 die deutschen Sinti und Roma vollständig erfassen. Dies war die Voraussetzung für ihre spätere Deportation in Konzentrations- und Vernichtungslager.

Doch zunächst veränderten die Nürnberger Rassengesetze vom September 1935 auch das Schicksal der Sinti und Roma in Deutschland entscheidend. Sie verloren ihre Bürgerrechte; ebenso wie den Juden wurden ihnen die Heirat mit "Deutschblütigen" und die Ausübung vieler Berufe verboten. In einigen deutschen Städten entstanden KZ-ähnliche Sammellager für Sinti und Roma, so etwa in Berlin-Marzahn oder in der Dieselstraße in Frankfurt am Main. In diesen Lagern wurden pseudowissenschaftliche "Rasseuntersuchungen" vorgenommen, die Inhaftierten waren der Willkür und den Misshandlungen ihrer Bewacher ausgesetzt. Ab 1940 wurden Sinti und Roma in das deutsch besetzte Polen zur Zwangsarbeit verschleppt.

Immer wieder versuchten Sinti und Roma, sich gegenüber der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik zu behaupten. Sie unternahmen Fluchtversuche und leisteten Fluchthilfe. Ihr eigenes Überleben war die Voraussetzung dafür, anderen zu helfen und Widerstand zu leisten. Sinti und Roma gingen in die Illegalität, um der drohenden Haft oder Deportation zu entgehen. Dabei wurden sie nicht selten von Nachbarn oder Freunden unterstützt. Die Fluchthelfer wussten, in welche Gefahr sie sich durch die Hilfe für die Verfolgten begaben. Aus dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau sind 42 Fluchtversuche von Sinti und Roma belegt, nur zwei davon waren erfolgreich.

Es kam auch zu verzweifelten Versuchen, sich in den besetzten Gebieten gegen die Massenerschießungen zu wehren. Im Kampf gegen die deutsche Besatzungsmacht schlossen sich Gruppen von Sinti und Roma vor allem in Osteuropa den Partisanenverbänden an. Zentrum des bewaffneten Kampfes war Jugoslawien. Auch in Frankreich leisteten Sinti und Roma in der Résistance Widerstand gegen den Nationalsozialismus und die Verfolgung ihrer Minderheit. Dennoch fielen dem Völkermord nach Schätzungen bis zu 500.000 Sinti und Roma in Europa zum Opfer.

Der Aufstand im "Zigeunerlager" in Auschwitz-Birkenau

Im Mai 1944 lebten im "Zigeunerlager" B II e von Auschwitz-Birkenau nur noch rund 6000 der insgesamt über 22.000 hierher verschleppten Sinti und Roma. Am 15. Mai 1944 fiel der Entschluss, diese Häftlinge in den Gaskammern zu ermorden. Als die Betroffenen davon erfuhren, bewaffneten sie sich so gut es ging und mit allem, was ihnen zur Verfügung stand – Messer, Knüppel, Spaten, Brecheisen und Steine. Am nächsten Tag verweigerten sie den Befehl, ihre Häftlingsbaracken zu verlassen. Als den SS-Männern klar wurde, dass die Häftlinge zum Widerstand entschlossen waren, gaben sie die ursprünglich geplante Mordaktion auf.

Ende Juli 1944 wurden die früheren Wehrmachtsangehörigen unter den Sinti und Roma, deren Familienangehörige sowie weitere als "arbeitsfähig" eingestufte Sinti und Roma aus dem "Zigeunerlager" in das Stammlager Auschwitz gebracht. Die SS wollte so bei den verbleibenden Häftlingen in Auschwitz-Birkenau den Eindruck erwecken, sie sollten zur Arbeit in andere Lager transportiert werden. Ein Zug mit 490 Frauen und über 1100 Männern und Jungen fuhr am Nachmittag des 31. Juli 1944 von der Rampe in Auschwitz-Birkenau ab. Über den Zaun hinweg konnten sie sich mit Winken und Rufen von den Zurückbleibenden im "Zigeunerlager" verabschieden. Diese wurden am Abend des 2. August 1944 auf Lastkraftwagen zu den Gaskammern gebracht. Viele der insgesamt 2897 Opfer wehrten sich bis zuletzt noch mit bloßen Händen gegen ihre Mörder.

Johann "Rukeli" Trollmann

Der 1907 geborene Sinto Johann Wilhelm Trollmann wuchs mit acht Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen in Hannover auf. Als Boxer gewann er viermal die Regionalmeisterschaft und nahm an der deutschen Meisterschaft im Amateurboxen teil. Als er 1928 nicht für die Olympischen Spiele in Amsterdam nominiert wurde, entschloss er sich, Profiboxer zu werden. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurden die Boxclubs "gleichgeschaltet" und "nicht-arische" Mitglieder ausgeschlossen. Im Juni 1933, acht Tage nachdem er deutscher Meister im Halbschwergewicht geworden war, wurde Rukeli Trollmann der Titel als deutscher Meister im Halbschwergewicht aus "rassischen Gründen" aberkannt. Im Juli 1933 erschien er zu einem Boxkampf mit blond gefärbten Haaren und weiß gepuderter Haut, um so gegen den Rassenwahn des NS-Regimes zu demonstrieren. Der Kampf war der letzte seiner Profikarriere.

1938 war er für mehrere Monate in einem Arbeitslager in Hannover, wurde 1939 zur Wehrmacht eingezogen und 1941 an der Ostfront verwundet. Wie viele andere Sinti und Roma wurde auch er infolge der Anordnungen vom 11. Februar und 10. Juli 1942 aus der Wehrmacht ausgeschlossen.

Im Juni 1942 wurde Trollmann in Hannover festgenommen und schwer misshandelt. Nach seiner Überstellung ins KZ Neuengamme musste er vielfach gegen SS-Männer zum Boxtraining antreten. 1944, nach Trollmanns Sieg über einen kriminellen Funktionshäftling (Kapo) im KZ-Außenlager Wittenberge, ließ ihn dieser während eines Arbeitseinsatzes erschlagen und tarnte den Mord als Unfall.

Walter Stanoski Winter

Der 1919 geborene Walter Stanoski Winter wurde 1938 zum Arbeitsdienst und Anfang 1940 gemeinsam mit seinem Bruder Erich zur Wehrmacht eingezogen. Er diente in Wilhelmshaven als Bootsmann in der Marine. Im März 1943 wurden Stanoski Winter, seine Eltern, sein Bruder und seine Schwester nach Auschwitz deportiert, wo die beiden Brüder im Stammlager Auschwitz I der Zwangssterilisation zum Opfer fielen. Stanoski Winter wurde mit dem Transport vom 31. Juli 1944 zuerst in das KZ Ravensbrück verschleppt, wo die Frauen und Kinder von den Männern getrennt wurden. Kurz vor Kriegsende kamen er und sein Bruder in das KZ Sachsenhausen und von dort als ehemalige Soldaten erneut an die Front. Beide überlebten Krieg und sowjetische Gefangenschaft.

"Im Mai 1944 drang zu uns durch, dass wir alle vergast werden sollen. Wir setzten uns zusammen und beschlossen, uns so gut es ging zu wehren. Wir kannten ja die Methoden der SS bei der Räumung der Blocks: Sie kamen einzeln herein und schrien: ‚raus‘. Wir hatten vor, ihnen die Maschinengewehre, die sie in der Hand hielten, zu entreißen und so viele wie möglich zu überwältigen. Außerdem hatten wir uns mit Knüppeln, Steinen etc. bewaffnet. Doch während der Blocksperre kam der SS-Oberscharführer Palitzsch mit dem Motorrad, und die geplante Vergasungsaktion wurde abgebrochen."

Stanoski Winter in einem Zeitzeugenbericht nach 1945

Anton Reinhardt

Anton Reinhardt wurde 1927 in einem kleinen Dorf am Rande des Schwarzwalds geboren. Nach dem Besuch der Volksschule arbeitete er in einer Maschinenfabrik.

Als Anton Reinhardt im August 1944 im Städtischen Krankenhaus Waldshut zwangsweise sterilisiert werden sollte, floh er mehr als 100 Kilometer zu Fuß zur Schweizer Grenze. Bei Anbruch der Dunkelheit durchquerte Reinhardt nahe Koblenz (Kanton Aargau) schwimmend den Rhein und erreichte so das Gebiet der Schweiz. Dort wurde er von Schweizer Polizisten aufgegriffen und ins Bezirksgefängnis gebracht.

Obwohl Reinhardt geltend machte, dass viele seiner Verwandten nach Auschwitz deportiert worden waren, ihm das gleiche Schicksal drohe und er in Deutschland wegen seiner Flucht eine harte Strafe fürchten müsse, gewährten ihm die Schweizer Behörden kein Asyl und zwangen ihn zur Rückkehrt nach Deutschland. Dort wurde Anton Reinhardt verhaftet und ins Sicherungslager Schirmeck-Vorbruck eingeliefert.

Im Zuge der Auflösung des Lagers kam er mit anderen Häftlingen nach Gaggenau. Kurz vor Kriegsende gelang ihm ein weiteres Mal die Flucht. Doch am Karfreitag 1945 nahm ihn in der Nähe von Bad Rippoldsau im Nordschwarzwald eine Einheit des "Volkssturms” fest. Er wurde durch ein improvisiertes "Standgericht” zum Tode verurteilt und am folgenden Tag in ein abgelegenes Waldstück getrieben. Die Täter zwangen ihn, sein eigenes Grab zu schaufeln, bevor sie Anton Reinhardt mit einem Genickschuss ermordeten.

Widerstand von Häftlingen

Schon wenige Wochen nach Hitlers Regierungsübernahme begannen die Nationalsozialisten in vielen Teilen des Reiches Konzentrationslager zu errichten, in denen sie ihre Gegner inhaftierten und misshandelten. Eines von ihnen entstand im März 1933 bei Dachau. Es wurde zum Modell für andere Lager im Emsland, später für die Konzentrationslager Sachsenhausen, Buchenwald, Flossenbürg, Mauthausen, Ravensbrück und Neuengamme. Sie sollten die Inhaftierten einschüchtern, aber auch die Bevölkerung gefügig machen, der so der Schrecken der nationalsozialistischen Verfolgung vor Augen geführt wurde.

In den Lagern wurden zunächst fast nur politische Gefangene festgehalten, vor allem Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter. Nach kurzer Zeit fanden sich hier jedoch all jene Bevölkerungsgruppen wieder, die gemäß der rassistisch definierten NS-Ideologie aus der NS-"Volksgemeinschaft" ausgestoßen werden sollten: Juden, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Homosexuelle, sogenannte Asoziale und angebliche Berufsverbrecher. 1938 wurden Menschen aus Österreich und dem Sudetenland in die Konzentrationslager verschleppt, ein Jahr darauf Tschechen und Polen, später Gefangene aus allen deutsch besetzten Ländern. Ab 1943 mussten die Häftlinge vor allem Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungsindustrie leisten. Sie waren der Willkür, körperlichen Gewalt und dem psychischen Terror ihrer Peiniger aus der SS ausgeliefert.

Nicht nur unter den politischen Gefangenen gab es Solidarität und geistig-kulturelle Selbstbehauptung in vielfacher Form. Immer wieder versuchten Häftlinge, sich gegen ihre Unterdrücker zur Wehr zu setzen und sich im Lageralltag zu behaupten. Sie nahmen Verbindungen zu anderen Gefangenen auf, halfen Gefährdeten und nutzten vielfach die kleinen Spielräume, die sie sich durch Tätigkeiten für die SS oder die KZ-Verwaltung verschaffen konnten. Unter den unmenschlichen Haftbedingungen des Lageralltags zu überleben und sich innerlich nicht dem Druck der SS zu beugen, waren die Grundvoraussetzungen für alle Bemühungen von Häftlingen, im KZ die eigene Identität und Menschenwürde zu bewahren sowie anderen Häftlingen zu helfen.

Kontakte zu ihren Angehörigen und Freunden in der Freiheit waren für die Häftlinge lebensnotwendig. Erlaubt war ein Brief im Monat, dessen Inhalte allerdings einer strengen Postzensur unterlagen. Oft verbot die KZ-Kommandantur jedoch auch diesen Weg. Entsprechend versuchten Häftlinge, mit Hilfe verschlüsselter Mitteilungen in zensierten Briefen oder durch geheime Nachrichten, sogenannte Kassiber, Verbindungen nach außen aufzunehmen. In einigen Lagern gelang es sogar, einzelne einfache Rundfunkgeräte vor den Bewachern zu verstecken. Sie waren wichtige Informationsquellen über den Kriegsverlauf und die Situation außerhalb der Konzentrationslager.

Mit dem Krieg entstanden ab 1939 neue Konzentrationslager, darunter Auschwitz, Groß-Rosen, Stutthof, Majdanek, Natzweiler und Riga. Hier mussten die Häftlinge unter unmenschlichsten Bedingungen Zwangsarbeit verrichten. Vernichtungsstätten in den besetzten Gebieten hatten ab Herbst 1941 nur einen Zweck: Menschen fabrikmäßig zu ermorden und ihre Leichname zu beseitigen. Bis heute stehen die Namen Chełmno, Belzec, Sobibór, Treblinka und Auschwitz-Birkenau für den nationalsozialistischen Massenmord.

Inhaftierte versuchten auch, sich dem drohenden Tod durch Flucht zu entziehen. In einigen Lagern fanden sogar gemeinsame Ausbruchsversuche und Aufstände statt. Diese deutlichsten Zeichen eines organisierten Häftlingswiderstands gingen zumeist auf Gefangene aus den besetzten bzw. eroberten Ländern zurück, die seit 1942 die überwiegende Mehrheit der Häftlinge in den Konzentrationslagern stellten.

Gerhart Seger

Der 1896 in Leipzig geborene Gerhart Seger war in der Weimarer Republik Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft und Redakteur verschiedener sozialdemokratischer Zeitungen sowie seit 1930 SPD-Reichstagsabgeordneter.

Am 12. März 1933 wurde Seger festgenommen und in das Gerichtsgefängnis Dessau gebracht, am 14. Juni 1933 in das KZ Oranienburg überstellt. Angesichts der unerträglichen Haftbedingungen entschloss er sich im Dezember 1933 zur Flucht.

Es gelang ihm, in die Tschechoslowakei zu entkommen, wo er seine Erfahrungen niederschrieb. 1934 erschien sein Buch "Oranienburg" in hohen Auflagen in vielen europäischen Ländern und Nordamerika. Seger unternahm ausgedehnte Vortragsreisen, um die Weltöffentlichkeit über die deutschen Konzentrationslager aufzuklären.

Nach seiner Flucht nahmen die Nationalsozialisten im Januar 1934 seine Frau Elisabeth und seine zweijährige Tochter Renate in Haft. Erst nach heftigen öffentlichen Protesten kamen sie im Mai 1934 aus dem KZ Roßlau frei und konnten schließlich aus Deutschland ausreisen.

Im Oktober 1934 emigrierte die Familie über Frankreich in die USA, wo sich Seger als Chefredakteur der "Neuen Volkszeitung" und Berater der amerikanischen Regierung weiterhin für ein demokratisches Deutschland einsetzte.

Wilhelm Hammann

Der 1897 bei Groß-Gerau geborene Lehrer Wilhelm Hammann gehörte seit 1927 als KPD-Abgeordneter dem Hessischen Landtag an. 1935 wurde er zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt und nach seiner Haft 1938 in das KZ Buchenwald verschleppt. Er war dort in der illegalen KPD-Gruppe aktiv und entwickelte mit anderen Häftlingen 1944 Pläne für den Neuaufbau eines demokratischen Schulwesens.

Ab Januar 1945 kümmerte er sich als Blockältester im Kinderblock 8 um mehrere hundert Kinder und organisierte deren geheimen Unterricht. Hammann besorgte Verpflegung und Kleidung, schützte die Kinder vor Übergriffen der SS und vermittelte Kontakte zu Angehörigen im Lager.

Als Anfang April 1945 die Evakuierung der jüdischen Häftlinge begann, rettete Hammann gemeinsam mit Häftlingen der Schreibstube alle 159 jüdischen Kinder in seinem Block vor dem Todesmarsch. Er ließ ihre Erkennungszeichen, auf die Häftlingskleidung angebrachte gelbe Winkel, entfernen, organisierte die Änderung ihrer Eintragungen in der Häftlingskartei und versicherte den misstrauischen SS-Männern, die jüdischen Kinder seien bereits abtransportiert. In der allgemeinen Verwirrung der letzten Tage gelang die Täuschung. Alle Kinder in Block 8 erlebten am 11. April 1945 die Befreiung im Lager.

Nach 1945 engagierte Wilhelm Hammann sich erneut für die KPD. 1984 wurde der 1955 Verstorbene von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern" geehrt.

Ilse Unterdörfer

Die 1913 in Plauen geborene Ilse Unterdörfer schloss sich Anfang der 1930er-Jahre der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas an. Nach deren Verbot in Sachsen im April 1933 war sie als Kurierin tätig und verbreitete Schriften ihrer Glaubensgemeinschaft. 1936 reiste sie gemeinsam mit Erich Frost, dem Bezirksdienstleiter für Sachsen, zum Kongress der Zeugen Jehovas nach Luzern. Als Frost den Auftrag bekam, reichsweit die Untergrundtätigkeit der Zeugen Jehovas in Deutschland zu leiten, übernahm Unterdörfer die Betreuung der Bezirksarbeit in Sachsen. Beide wurden im März 1937 festgenommen, Ilse Unterdörfer wurde im Oktober 1937 zu einem Jahr und neun Monaten Haft verurteilt.

Nach Verbüßung ihrer Strafe wurde sie in das KZ Lichtenburg verschleppt und im Mai 1939 in das neu errichtete Frauen-KZ Ravensbrück überstellt. Auch hier lehnte sie wie die Mehrheit ihrer Glaubensschwestern jegliche kriegsunterstützende Arbeiten, etwa das Nähen von Uniformen, ab. Im Dezember 1939 verweigerten mehr als 400 Zeuginnen Jehovas in Ravensbrück die Produktion von Patronentaschen und wurden dafür mit Bunkerhaft bestraft. Täglich mussten sie mehrere Stunden in dünner Kleidung bei extremen Minusgraden auf dem Gefängnishof stehen und erhielten nur minimale Essensrationen. Trotzdem rückten sie nicht von ihrer Verweigerungshaltung ab.

Ilse Unterdörfer überlebte das Kriegsende und war später als Predigerin der Zeugen Jehovas in Österreich und Deutschland tätig.

Hilfen für Verfolgte

Mit Beginn des Krieges wurde es für die Regimegegner und -kritiker stetig schwieriger, denen zu helfen, die von den Nationalsozialisten verfolgt und menschenunwürdig behandelt wurden.

Im Mai 1940 untersagte eine Verordnung jeden Umgang mit Kriegsgefangenen, der sich nicht aus beruflicher Zusammenarbeit oder infolge dienstlicher Belange ergab. Sie zu unterstützen, bedeutete zunehmend, sich der Verfolgung durch Polizei und Justiz auszusetzen.

Doch einzelne Deutsche bewahrten Mitgefühl und Solidarität. Sie versorgten Zwangsarbeiter mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser, steckten ihnen Zigaretten zu, besorgten illegale Papiere für Untergetauchte, versteckten Verfolgte oder ermöglichten ihnen die Flucht vor einer drohenden Haft oder Deportation.

Ilse und Richard Grubitz

Die 1916 geborene Ilse Piepenhagen begann mit 14 Jahren eine Ausbildung als Schneiderin und schloss sich 1931 dem Kommunistischen Jugendverband (KJVD) an. Auch nach dessen Auflösung 1933 setzte sie ihre politische Arbeit fort und war an Flugblattaktionen kommunistischer Jugendlicher beteiligt. 1939 heiratete sie den 1914 geborenen Richard Grubitz, den sie aus der gemeinsamen Tätigkeit im KJVD kannte.

Das Ehepaar hielt auch nach Kriegsbeginn den Kontakt zu politischen Gegnern des NS-Regimes aufrecht. Sie leisteten in vielfältiger Weise Hilfe für Verfolgte. Richard Grubitz wurde 1943 bei der Firma Gaubschat in Berlin-Neukölln dienstverpflichtet, wo er Verbindung zu ukrainischen Zwangsarbeiterinnen aufnahm. Ilse und Richard Grubitz unterstützten die Frauen mit Kleidung und Essen, in ihrer Wohnung hörten sie mit ihnen gemeinsam den Moskauer Rundfunk. Als der Sohn eines befreundeten Genossen desertierte, versteckte ihn Ilse Grubitz im Herbst 1944 zeitweise in ihrer Wohnung. Zusammen mit ihrer Mutter Martha Piepenhagen organisierte sie geheime Quartiere für Juden, die sich der drohenden Deportation durch Flucht in die Illegalität entzogen hatten.

Mehrfach wurden Ilse und Richard Grubitz verhört, ihre Aktivitäten blieben jedoch bis Kriegsende unentdeckt.

Paul Kreber

Der 1910 geborene Paul Kreber arbeitete ab 1941 als Kriminalassistent im Polizeipräsidium Wuppertal. Ende 1942 wurden die noch in Deutschland lebenden Sinti und Roma in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Auch in Wuppertal nahm die Kriminalpolizei im Frühjahr 1943 Sinti und Roma fest.

Als Kreber die Transportliste erhielt, konnte er die Namen der Eheleute Hugo und Antonie Weiss und ihrer fünf Kinder, mit denen er befreundet war, von der Liste entfernen. Die Familie Kreuz warnte er vor der bevorstehenden Deportation und ermöglichte ihr damit die Flucht. Den Sinti-Familien Reinhard und Meinhard verschaffte er gefälschte Ausländerpässe für das besetzte Frankreich und begleitete sie auf der Fahrt nach Paris.

Kreber ließ Anweisungen seiner Dienststelle unbearbeitet oder verschleppte deren Bearbeitung. Unter Kollegen bekam er den Spitznamen "Zigeuner-Paul". Als anderen Kripo-Beamten auffiel, dass die Familie Weiss nicht deportiert worden war, wurde deren Zwangssterilisation angeordnet. Paul Kreber, inzwischen in das von den Deutschen besetzte Metz versetzt, holte Familie Weiss nach und brachte sie zunächst bei sich unter.

Nach der Entdeckung der Familie wurden Hugo und Antonie Weiss in einer Straßburger Klinik zwangssterilisiert. Durch eine erneute Flucht der Familie blieb ihrem Sohn Paul dieses Schicksal erspart. Paul Kreber gelang es schließlich, die Familie in einem Wanderzirkus zu verstecken. Seine Hilfsaktionen blieben unentdeckt.

Widerstand der letzten Stunde

Im Frühjahr 1945 rief die NS-Führung dazu auf, den Krieg bis "zum letzten Blutstropfen" fortzusetzen. Hitler befahl, ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung jeden Ort zu verteidigen, Brücken zu zerstören und Versorgungseinrichtungen sowie Industrieanlagen unbrauchbar zu machen. Jeder, der sich diesen Befehlen widersetzte oder Zweifel am Sinn von Durchhalteparolen äußerte, riskierte sein Leben.

Mehrfach versuchten Deutsche, Kämpfe in ihrer Umgebung zu verhindern. Sie nahmen Kontakt zu den alliierten Truppenverbänden auf, entwaffneten Mitglieder des "Volkssturms", in dem gegen Kriegsende Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren zur Heimatverteidigung zusammengefasst worden waren, oder forderten NS-Führer auf, Dörfer und Städte kampflos zu übergeben. Viele bezahlten ihren Kampf gegen den "Krieg bis zur letzten Patrone" mit dem Tod. Sie wurden standrechtlich verurteilt, öffentlich gehängt oder verschleppt – nicht selten nur Stunden, bevor alliierte Truppen eintrafen.

Robert Limpert hatte bereits als Jugendlicher den Nationalsozialismus entschieden abgelehnt. Anfang März 1945 zum Kriegsdienst eingezogen, wurde der seit seiner Kindheit schwer Herzkranke acht Tage später als wehruntauglich entlassen. Er kehrte in seine Heimatstadt Ansbach in Franken zurück, deren Kampfkommandant Ernst Meyer entschlossen war, die Stadt "bis zum letzten Mann" zu verteidigen. Limpert verfasste und vervielfältigte mehrere Flugblätter, in denen er die Bürger aufrief, als Zeichen der Kapitulation weiße Fahnen zu hissen und die Stadt kampflos zu übergeben. Er plakatierte sie nachts an Hauswände und Türen.

Am 18. April beobachteten Hitlerjungen Limpert, als er ein Telefonkabel zwischen dem kurz zuvor aufgegebenen Gefechtsstand des Kommandanten im Ansbacher Schloss und den vor der Stadt postierten Truppeneinheiten zerschnitt. Limpert wurde denunziert, festgenommen und vor ein Standgericht gestellt, bei dem der Kampfkommandant selbst das Todesurteil sprach und es schließlich eigenhändig vollstreckte. Wenige Stunden vor dem Eintreffen amerikanischer Truppen am 18. April 1945 erhängte er den erst 19-Jährigen am Ansbacher Rathaustor.

Am 22. April 1945 hatte der NSDAP-Gauleiter Ludwig Ruckdeschel in einer fanatischen Rede die Verteidigung der Stadt Regensburg bis zum Letzten gefordert. Doch am Morgen des 23. April 1945 verbreitete sich das Gerücht, dass eine Kundgebung zur kampflosen Übergabe der Stadt an die amerikanischen Truppen geplant war. Am Nachmittag versammelten sich tatsächlich mehrere hundert Menschen vor dem Neuen Rathaus der Stadt, unter ihnen der Domprediger von Regensburg Johann Maier.

Als im Laufe des Abends immer mehr Menschen auf den Platz strömten und die Situation zu eskalieren drohte, rief Maier die Menge zur Besonnenheit auf. Dennoch wurde er festgenommen, noch am selben Abend vor ein Standgericht gestellt und kurz nach Mitternacht mit dem 70-jährigen Rentner Josef Zirkl zum Tode verurteilt. Beide Männer wurden in den frühen Morgenstunden des 24. April öffentlich erhängt. Dabei trug Johann Maier ein Schild um den Hals mit der Aufschrift: "Hier starb ein Saboteur." Am 27. April 1945 wurde Regensburg kampflos an die 3. US-Armee übergeben.

Einige Einwohner des bei Rothenburg gelegenen Dorfes Brettheim entwaffneten im April 1945 eine Gruppe Hitlerjungen und nahmen ihnen ihre Panzerfäuste weg. Sie wollten damit den sinnlosen Kampf mit den heranrückenden amerikanischen Truppen und die Zerstörung Brettheims verhindern. SS-Gruppenführer Max Simon, früher Kommandant des Konzentrationslagers Sachsenburg und jetzt General der Waffen-SS, befahl einem Offizier seines Stabes, diese "Schweinerei" zu ahnden. Das Dorf wurde umstellt, die meisten Einwohner des Ortes wurden verhört. Schließlich meldete sich der Bauer Friedrich Hanselmann freiwillig als einer der "Täter" und nannte unter Schlägen die Namen von zwei weiteren Beteiligten. Als sich der Bürgermeister und der Ortsgruppenführer weigerten, das rasch gefällte Todesurteil des Standgerichts gegen Hanselmann zu unterzeichnen, wurden auch sie am 9. April 1945 angeklagt und zum Tode verurteilt. Einen Tag später wurden sie zusammen mit Friedrich Hanselmann ermordet.

Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, apl. Prof. am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin, z. Zt. Gastprofessor am Touro-College Berlin, Studiengang Master of Arts in Holocaust Communication and Tolerance.

M. A., Historikerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gedenkstätte Deutscher Widerstand.
Die Verfasser danken ihren Kolleginnen und Kollegen der Gedenkstätte Deutscher Widerstand für ihre umfangreiche Unterstützung bei der Erarbeitung des Textes