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Elemente unterrichtlicher Konzepte | Schritte gegen Gewalt | bpb.de

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Elemente unterrichtlicher Konzepte

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Im Bereich Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sind vielerlei Lernziele unterrichtsrelevant. Hierzu gehört beispielsweise die Verantwortung von Polizei und Justiz, Wirtschaft und Gesellschaft.

Schüler in Duisburg-Homberg. (© ddp/AP)

Im Bereich Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sind vielerlei Lernziele, Schwerpunktsetzungen und Inhalte unterrichtsrelevant; so auch die Verantwortung von Wirtschaft, Gesellschaft, Sozialpolitik, Polizei und Justiz, Asylrecht, Integrationskonzepten und Einwanderungsrecht, außerdem Täteranalyse oder Opferperspektiven.

Didaktisch-methodische Überlegungen

Es gibt Unterrichtsmodelle, die umfänglich und detailliert Erscheinungsformen von Gewalt in Stadien, Jugendgruppen, Cliquen, in der Schule, im Fernsehen, in Videos und im Internet aufzeigen. Sie werden merklich kürzer, unpräziser, wenn es um die eigene Verantwortung geht. Wie in diesem Beitrag, so liegt auch im Unterricht der Schwerpunkt auf der Bedeutung der persönlichen Verantwortung. Leitlinie und Maßstab für Urteil und Handeln sind insbesondere die Menschenwürde, die körperliche Unversehrtheit und die Gleichheit, wie sie in den Artikeln eins bis drei des Grundgesetzes verankert sind. Daraus resultiert die Einsicht, dass Gewaltanwendung keine Lösung sein darf. Beim Gros der Schülerinnen und Schüler ist diese Einsicht längst vorhanden. Es geht darum, weiterreichende Einsichten zu fördern, etwa der Gewalt nicht zu applaudieren (das gilt schon für die ernste Prügelei auf dem Schulhof), Gewalt nicht zu tolerieren und sich im Rahmen der eigenen Möglichkeiten gegen Gewalt auszusprechen und zu engagieren. Im Zentrum steht die Frage, wie Jugendliche sich in bestimmten Situationen verhalten und was sie selbst tun können.

In jedem Fall bedarf es der didaktischen Reduktion, der Konzentration auf Schwerpunkte, die im überschaubaren zeitlichen Rahmen bearbeitet werden können. Ob man bei Vorurteilen, nationalen Stereotypen, bei Deeskalationstraining, bei Jugendkriminalität, bei Integrationskonzepten (Gegeneinander – Nebeneinander – Miteinander?) ansetzt –, in der Regel stößt man auf die entscheidenden Kernfragen und Zielsetzungen. Es bietet sich an, rechtextremistisch motivierte Gewalttaten zum Thema zu machen, wobei die Materialien aus den Medien entnommen werden können oder aus dem schulischen-regionalen Umfeld recherchiert werden können.

Noch wichtiger als Systematik und Orientierungswissen, ohne dass diese vernachlässigt werden dürfen, sind:

Anschaulichkeit, Identifikationsmöglichkeit, Betroffenheit, Verfremdung (um eingefahrene Denkmuster aufzubrechen).

Das setzt möglichst geeignete Fallbeispiele sowie inhaltlich und gestalterisch überzeugende Materialien voraus, zum Beispiel auch literarische Beiträge, Karikaturen, Jugendbücher zum Thema, Auszüge aus Song-Texten bekannter Sänger oder Gruppen (zum Beispiel BAP, PUR, Die Ärzte), die sich häufig mit dieser Thematik befassen. Es sollten allerdings möglichst aktuelle Texte gewählt werden, deren Sänger und Gruppen den Schülerinnen und Schülern bekannt sind.

Udo Lindenberg: Vom Opfer zum Täter

"Es gibt nichts zu tun in der toten Stadt. Leere Fabriken, wo keiner Arbeit hat. Der Hafen ist verlassen, hoffnungslos. Er dreht hier noch durch: Was mach ich bloß?

Er hängt den ganzen Tag rum, gehört nirgendwo hin. Eins ist ihm klar: Alles läuft ohne ihn. Da will er wenigstens Fan sein vom Fußballverein, wenigstens stolz darauf, ein Deutscher zu sein.

Und gegen Ausländer sein, ist auch schon mal was. Endlich weiß er, wohin, mit all seinem Hass. Zuerst zog er bloß mit der Flagge zum Spiel, bis er irgendwann zuschlug – das war wie'n Ventil. Vom Opfer zum Täter ist'n kleiner Schritt. Noch gestern ein Nichts und heut' marschierst du mit. Bist'n armes Kind – Bist'n dummes Kind. Jetzt stolperst du mit im braunen Wind. Alte Hetzparolen, und jetzt grölst du mit. Vom Opfer zum Täter ist es ein kleiner Schritt."

Vom Opfer zum Täter, Text & Music:Lindenberg, Udo/Scharper, Hendrick/MacCarone, Angelika © Universal/PolyGram Songs Musikverlag GmbH.

Wichtig können auch aussagekräftige Bilder sein. Sicherlich kann ein breites methodisches Spektrum für die Erarbeitung in Frage kommen. Die Adressaten, die Schülerinnen und Schüler, dürfen dabei nicht zu Konsumenten eines fertigen Programms werden. Unterricht nimmt Problemfragen als Ausgangspunkt des Lernprozesses mit dem Ziel der Urteilsbildung. Eine Verinnerlichung – und Überprüfung und Wandlung – von Werten gelingt am ehesten über eine dialogische Auseinandersetzung, über eine Einbeziehung der eigenen Erfahrungen, Emotionen und (Vor-)Urteile, eine kritische Hinterfragung der Materialien, die keineswegs nur vorgefertigte Meinungen präsentieren, sondern echten Arbeitsunterricht und kritische Analyse ermöglichen. Es macht zum Beispiel wenig Sinn, einen Gewaltbegriff vorzugeben; ein solcher sollte mit Schülerinnen und Schülern erarbeitet werden.

Mindestens ebenso wichtig wie "sehen" und "urteilen" ist "handeln" für den Aufbau und die Verinnerlichung von Werten. Dafür gibt es auch in schulischen Rahmen Möglichkeiten. Die Analyse der Situation von Asylbewerbern bleibt gegenüber einer unmittelbaren Begegnung, eines primären Kontaktes in der Reichweite und Nachhaltigkeit immer zurück.

Ein chinesisches Sprichwort besagt: "Ich höre – und ich vergesse. Ich sehe – und merke es mir. Ich tue – und ich verstehe." Zwischen Denken und Handeln sollte man also keine künstliche Barriere schieben. Denken löst in der Regel Handeln aus. Handeln wiederum wirkt auf Denken in fruchtbarer Weise zurück.

Erziehung ist wirksamer, wenn sie nicht gegen etwas, sondern für etwas ausgerichtet ist. Das entspricht in der Regel auch der Offenheit und den durchaus idealistischen Denkweisen der Kinder und Jugendlichen. So sollten im Unterricht erfolgreiche, nachahmenswerte Beispiele für Integration, Toleranz und Friedfertigkeit nicht nur als Marginalien vorkommen.

Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass Erziehungsziele über eigene Begegnungs- oder Hilfsaktionen stärker verinnerlicht werden als über die Analyse schrecklicher politisch motivierter Greueltaten – so unverzichtbar letzteres auch ist. Eine interkulturelle Begegnung, eine Patenschaft mit einer Schule in Ruanda oder eine Kontaktaufnahme mit einer Initiative für Asylbewerber, eine Kooperation mit einer Behinderten-Klasse oder Vergleichbares kann auf Dauer Einstellungen und Grundwerte nachhaltiger festigen als der Versuch, Angst vor Fremden und Fremden nur "unterrichtlich" abzubauen.

Es gibt hochwirksame Unterrichtsreihen und -projekte für Toleranz und Friedfertigkeit, für soziale Gerechtigkeit, für Menschenwürde, die Begriffe wie Gewalt, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit – wenn überhaupt dann nur peripher benennen und doch für diese Thematik von hoher Relevanz sind. Im Folgenden werden aus der Fülle der möglichen Aspekte drei kleine Bausteine in Hinblick auf unterrichtliche Umsetzung etwas näher beleuchtet.

Was ist Gewalt?

Zunächst muss sich die Lehrperson über Schlüsselbegriffe wie Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Extremismus Klarheit verschaffen, indem sie einschlägige Erklärungsversuche sowie einige fachliche Kontroversen kennt und um Problematik allzu weiter Begrifflichkeiten und auch zu enger Definition weiß. Es ist ein Unterschied, ob beim Gewaltbegriff verfassungsrechtliche, theologische, psychologische, pädagogische Betrachtungsweisen im Vordergrund stehen oder ob stärker die Täter- oder Opferseite gesehen wird. So wird etwa der im folgenden nicht im streng juristischen Sinne gemeinte Gewaltbegriff häufig durch Spannungsverhältnisse konkretisiert; inbegriffen sind in solchen Definitionen unter Umständen auch Rechtfertigungsversuche und Abwehrstrategien. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Systematik seien einige dieser "Gegensatzpaare" und "Spannungsverhältnisse" im Umkreis des Gewaltbegriffes angeführt:

physisch - psychisch nach außen gerichtet - nach innen gerichtet politisch motivierf - allgemeine Aggressionsbereitschaft beabsichtigt - unbeabsichtigt von Personen ausgehend - von Strukturen ausgehend gegen Personen gerichtet - gegen Sachen gerichtet Gewalt - Gegengewalt

Eine solche Systematik kann und muss mit Schülerinnen und Schülern in dieser Form nicht erarbeitet werden, wohl aber in einzelnen Elementen. Wichtig ist, dass sie an konkreten Beispielen einen Gewaltbegriff erarbeiten. Dafür kann man Fallbeispiele vorgeben, die dann gemeinsam diskutiert und schließlich auch begrifflich erfasst werden. Ein mögliches Beispiel:

Ist das Gewalt?

Entscheide einmal selbst, ob und in welchem Maß nach deiner Auffassung in den folgenden Beispielen Gewalt im Spiel ist. Mit der Skala (1) bis (3) kannst du abstufen, ob es sich um eine geringe (1), eine mittlere (2) oder eine schwere (3) Form der Gewalt handelt. (0) bedeutet, dass du das nicht unter Gewalt einstuft.

  1. "Ich saß im Bus in der zweitletzten Reihe. Ein großer Junge hatte eine Wasserflasche dabei und nahm davon etwas in den Mund und spuckte es mir auf den Kopf. Meine Haare und mein Pulli waren nass."

  2. "Der Lehrer rief mich grinsend an die Tafel. ,Woll'n mal sehen, ob du für heute mehr gelernt hast als beim letzten Mal.' Ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, und dazu verwirrte er mich noch mit seinen blöden Kommentaren."

  3. "Dem Bio-Lehrer zeigen wir es in der nächsten Stunde. Der ist so trottelig. Den hauen wir nach Strich und Faden in die Pfanne."

  4. Der 11-jährige Clemens, Rollstuhlfahrer, schaut neugierig zu, wenn die anderen Kinder aus der Nachbarschaft auf der Straße spielen. Er leidet darunter, dass ihn keiner beachtet. "Spasti mach Platz", hat ihm neulich ein Mädchen nachgerufen. Die anderen haben gelacht. Er bleibt jetzt lieber in der Wohnung.

  5. Die graue Betonwand der städtischen Turnhalle wurde mit Graffiti-Werken "verziert". Die Stadtverwaltung hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Vielen Jugendlichen gefällt das "Kunstwerk".

  6. Zwei 15-jährige Jungen messen, angefeuert von der Clique, ihre Kräfte beim Ringkampf. Heute behält Ralf die Oberhand. Der Kampf ist beendet, als Dirk die Niederlage eingesteht.

Die Beschreibung des Gewaltbegriffes durch die Klasse könnte so aussehen: "Gewalt liegt vor bei absichtlichen körperlichen und andauernden seelischen Verletzungen von Menschen, bei gewollten Zerstörungen und Beschädigungen von Sachen. Gewalt muss aus der Sicht der Täter und der Opfer gesehen werden." In der Klasse acht einer Hauptschule hat der Autor einmal beobachten können, wie folgende Kurzdefinition erarbeitet wurde: "Gewalt gegen Personen tut weh und verletzt."

Ähnliche Sorgfalt ist beim Begriff des Rassismus angezeigt, was nicht leicht fällt, da der Ausgangsbegriff "Rasse" auf Menschen nicht anwendbar ist. Es geht darum, dass Begriffsvarianten gemeinsam reflektiert und Maßstäbe für abweichende Beurteilungen offengelegt werden.

Vorurteile auf dem Prüfstand

Soziale Vorurteile mit negativen Vorzeichen sind weit verbreitet und zwar in allen Schichtungen und Gruppierungen. Sie sind "stabil gewordene Wahrnehmungstäuschungen" (Alexander Mitscherlich), die im allgemeinen auch dann nicht korrigiert werden, wenn jemand davon abweichende Erfahrungen macht. In der Regel wird die Wirklichkeit durch die Brille der bereits vorhandenen Vorurteile wahrgenommen. "Wenig wissen – schlecht denken" oder: "Von anderen ohne ausreichende Begründung schlecht denken" ist eine durchaus treffende Kurzcharakteristik. In manchen Vorurteilen – nicht in allen – steckt auch ein "Körnchen Wahrheit". Das ist das Schlimme daran: Halbwahrheiten richten mehr Schaden an als Unwahrheiten.

Bei Mobbing, Intoleranz, Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus spielen Vorurteile eine zentrale Rolle. Deshalb ist die unterrichtliche Thematisierung unverzichtbar. Es geht um zwei Schwerpunkte.

  1. Vorurteile wie "Ausländer sind besonders kriminell" bedürfen der rationalen argumentativen Aufarbeitung (vgl. dazu auch Informationen zur politischen Bildung Nr. 248 zum Thema "Kriminalität und Strafrecht" und Nr. 269 zum Thema "Sozialer Wandel in Deutschland"). Das erforderliche aktuelle Fachwissen sollte man sich gegebenenfalls von Experten besorgen, die in der Lage sind, Kriminalstatistiken sorgfältig zu analysieren. Männliche deutsche Jugendliche in Großstädten sind mit Blick auf gleichaltrige Mädchen aus ländlichen Gebieten in statistischer Hinsicht erheblich krimineller. Vergleicht man männliche deutsche und ausländische Jugendliche in Großstädten, relativiert sich einiges. Fast jeder dritte nichtdeutsche Tatverdächtige ist wegen eines Verstoßes gegen das Ausländergesetz oder das Asylverfahrensgesetz ermittelt worden, weil er zum Beispiel nicht über die erforderlichen Papiere verfügt oder den ihm zugewiesenen Aufenthaltsort verlassen hat. Die Ausländer, die länger in Deutschland wohnen, sind nicht weniger rechtstreu wie ihre deutschen Nachbarn gleichen Alters und gleichen Geschlechts. Straffällig werden häufig diejenigen, die erst seit kurzer Zeit hier leben und denen die schulische und berufliche Integration bisher nicht gelungen ist. Wenn ein solches oder ein anderes Vorurteil ("Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg") artikuliert wird, muss man sich damit auseinander setzen. Wenn die sorgfältige, differenzierte Analyse gelingt, wird Jugendlichen – und Erwachsenen – klar, was die Behauptung und leichtfertige Verbreitung solcher Vorurteile für Schaden anrichten, welche hohe Mitverantwortung da im Spiel ist.

  2. Exemplarisch muss mit Schülerinnen und Schülern erarbeitet werden, welche Funktionen Vorurteile erfüllen. Mit der Abwertung von Fremdengruppen (outgroup) geht in der Regel eine Aufwertung der Wir-Gruppe (ingroup) einher. Besonders drastisch drückt sich das aus in der Kennzeichnung rechtsextremen Denkens nach der Devise: "Hasst du was, bist du was". Unterricht muss sozialpsychologische Mechanismen exemplarisch aufdecken.

Geeignete Themen sind:

Außenseiter, Schwarze Schafe; Zusammenleben mit Behinderten; Gruppenrivalitäten (zwischen Klassen, Cliquen, Subkulturen); Nationale Stereotypen (die Polen, die Deutschen, ...); Antisemitismus; Menschenbild aus der Zeit des Imperialismus; Sinti und Roma; Generationenkonflikte; interkulturelles Zusammenleben.

Europäische Kommission: "Rassist?", Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaft, 1998.

Fast bei allen Themen ist es möglich nach einer gründlichen Analyse die sozialpsychologischen Funktionen, insbesondere die Feindbild- und Sündenbockfunktion herauszuarbeiten. Über Vorgaben, soweit die Erkenntnisse nicht schon vorher von Schülerinnen und Schülern selbst formuliert worden sind, ist eine Problematisierung möglich:

Die folgenden sieben Aussagen versuchen, einige Ursachen für Vorurteile aufzudecken. Sie sollen in Gruppenarbeit untersucht und die Ergebnisse der Klasse vorgetragen werden.

  1. Nur wer echtes Selbstbewusstsein hat, kann sich Toleranz leisten. Wem das Selbstbewusstsein fehlt, der benötigt Feindbilder.

  2. Für Fremdenfeindlichkeit trifft zu: "Hasst du was, bist du was!"

  3. Vorurteile zwischen Gruppen kann man mit einer Waage vergleichen: Was der Fremdgruppe negativ angelastet wird, erscheint bei der eigenen Gruppe positiv. Aufwertung durch Abwertung, Weißmalerei durch Schwarzmalerei.

  4. Mit Vorurteilen kann man Verantwortung abschieben: Für das eigene Versagen oder für Frust wird ein anderer verantwortlich gemacht. Die andere Gruppe wird zum "Sündenbock", zum "Feindbild".

  5. Vorurteile zwischen Gruppen werden vor allem dann gefährlich, wenn kein Gleichgewicht der Kräfte besteht. Für Minderheiten kann das sehr bedrohlich werden. Steigt zum Beispiel die Arbeitslosigkeit, heißt es rasch: "Ausländer raus!"

  6. Oft "bekriegen" sich Minderheiten untereinander. Da die "Hauptgruppe" (die Mehrheit der Gesellschaft) zu stark ist, suchen sie sich eine andere Minderheit, eine "Außenseitergruppe", als Gegnerin.

  7. Jugendliche werden in ihren Vorurteilen durch Erwachsene bestärkt, die ähnlich denken, sich aber nicht trauen, es zu sagen.

a) Treffen die Aussagen nach eurer Auffassung zu? b) Belegt eure Meinung mit Beispielen aus dem Unterricht oder mit anderen Fällen. c) Wählt drei Aussagen aus, die ihr für besonders wichtig haltet. Begründet eure Auswahl.

Klärung von Grundbegriffen

Im Zusammenhang mit der Analyse von rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten bleibt es nicht aus, einige Begriffe zu klären und dafür Merkmale zu erarbeiten und zu bestimmen. Das ist auch mit Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I bereits leistbar. Die Kenntnis einiger Grundbegriffe macht die Jugendlichen im übrigen diskussionsfähiger. Mögliche Kernbegriffe sind die folgenden Ismen: Radikalismus, Extremismus, Rechtsextremismus, Neonazismus, Faschismus, Antisemitismus, Nationalismus, Antifa, Linksextremismus. Eine begriffliche Beschäftigung mit Extremismus ist immer mit einer Klärung grundgesetzlicher Postulate verbunden, insbesondere der Artikel eins bis 20. Extremismus benötigt einen Maßstab, um ihn näher zu bestimmen. Methodisch sind mehrere Wege denkbar:

  • Es gibt die Möglichkeit, Merkmale von Rechtsextremismus aus Liedtexten von Skinhead-Bands zu erarbeiten. Die Lehrkraft muss jedoch jeweils konkret entscheiden, ob und in welchem Umfang sie einen ganzen Text oder Textauszüge heranzieht, gegebenenfalls auch in Abstimmung mit den Eltern. Man sollte die potenzielle Faszination solcher Texte nicht unterschätzen und nicht unbedacht zu deren Verbreitung beitragen. Sind den Schülerinnen und Schülern Textbeispiele bekannt oder kursieren sogar solche an der Schule, kann es sogar geboten sein, diese genauer zu analysieren. Kurze Textauszüge erlauben es bereits, die wichtigsten Merkmale von Rechtsextremismus, nämlich Rassismus, Hass und Menschenverachtung, Gewaltbereitschaft herauszuarbeiten.

    Die Leitfragen dazu könnten lauten: – Wie wirken die Liedauszüge auf euch? Worin könnte die Faszination für bestimmte Jugendliche bestehen? – Vergleicht die Texte mit den Grundgesetzartikeln eins bis 20. Gegen welche wird verstoßen?

  • Ein anderer Weg: Die Schülerinnen und Schüler erhalten den Auftrag, in Partnerarbeit mit Hilfe von Schulbüchern, allgemeinen Lexika und Jugendlexika zur Politik, gegebenenfalls auch mit Internet-Informationen, insbesondere auch der Verfassungsschutzorgane von Bund und Ländern, jeweils einzelne Begriffe zu klären.

    Dazu können Leitfragen vorgegeben werden: – Aus welcher Sprache stammt der Begriff? – Wie lautet die "Wortbedeutung"? – Was bedeutet der Begriff heute inhaltlich (Definition, Merkmale)? – Auf welche Personen, Gruppierungen trifft der Begriff zu? – Wird der Begriff eindeutig oder unterschiedlich gebraucht? – Zieht zur Beurteilung des Begriffs die im Grundgesetz (Artikel eins bis 19 und 20) verankerten Grundrechte und demokratischen Grundsätze heran.

  • Eine weitere Möglichkeit: Die Schülerinnen und Schüler sammeln Merkmale, die sie dem Rechtsextremismus zuordnen, an der Tafel. Es wird dann ein Text zum Vergleich herangezogen. Beides wird dann einer kritischen Prüfung unterzogen. Dazu ein Textvorschlag, der für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I formuliert worden ist:

    "Für Rechtsextremismus gelten folgende Merkmale:

    - Die Nation wird in ihrer Bedeutung unangemessen übersteigert = Nationalismus. - Das eigene Volk steht im Mittelpunkt = Rassismus und Antisemitismus. - Damit im Zusammenhang steht im allgemeinen die Forderung nach Ausweisung der Ausländer = Fremdenfeindlichkeit. - Man begnügt sich oft nicht nur "legaler" Überzeugungsarbeit, sondern greift zur Gewalt = Gewalttätigkeit.

    Vereinfacht: Rechtsextremismus = Nationalismus + Rassismus + Fremdenfeindlichkeit + Gewalttätigkeit."

    Nach: Halt - Keine Gewalt! - Ein Heft für die Schule, hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft Jugend & Bildung e.V., Wiesbaden.

    Um die rechtsextremistische Verführung von Jugendlichen nachvollziehbar zu machen, lohnt es sich – trotz großer Unterschiedlichkeit der historischen Situation – das Schicksal der Geschwister Scholl nachzulesen und zu besprechen (vgl. Inge Scholl: Die weiße Rose, Frankfurt a.M. 1993).