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Freiheit von Meinung, Kunst und Wissenschaft | Grundrechte | bpb.de

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Freiheit von Meinung, Kunst und Wissenschaft

Mathias Metzner

/ 9 Minuten zu lesen

Artikel 5

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Artikel 5 enthält verschiedene Grundrechte. Absatz 1 regelt die Meinungsfreiheit und die Informationsfreiheit sowie die Medienfreiheiten (Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit). Art. 5 Abs. 3 GG regelt die Freiheit von Kunst und Wissenschaft.

Meinungsfreiheit

Frei seine Meinung sagen zu dürfen, ist in einer Demokratie nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern sogar eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass sie funktioniert.
Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist daher grundsätzlich weit zu verstehen. Es umfasst jede Form der Meinungsäußerung, ohne dass es auf ihren "Wert" ankäme. Auch polemische Äußerungen sind von der Meinungsfreiheit geschützt. Meinungsäußerungen haben eine subjektive Prägung, sie enthalten ein Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens. Allerdings fallen auch Tatsachenbehauptungen unter die Meinungsfreiheit. Dies hat seinen Grund darin, dass tatsächliche Annahmen die Voraussetzung für die Meinungsbildung sind oder sein können.
Jedoch findet die Meinungsfreiheit ihre Grenze dort, wo bewusst eindeutig unwahre Tatsachen behauptet werden, da diese zu der von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsbildung nicht beitragen können.

Beispiel:

Die Stadt München befürchtete, dass bei einer Veranstaltung der NPD, bei der ein einschlägig bekannter Redner auftreten sollte, der Holocaust geleugnet werden könnte.
Es erging daher gegenüber dem Veranstalter NPD die Auflage, solche Äußerungen während der Veranstaltung sofort zu unterbinden und auf die Strafbarkeit solcher Äußerungen hinzuweisen. Diese Auflage verstieß nicht gegen Art. 5 Abs. 1 GG.

Die Verbreitung der Behauptung, es habe in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes keine Judenverfolgung und -vernichtung gegeben, unterliegt als eindeutig unwahre Tatsachenbehauptung nicht der Meinungsfreiheit. Allerdings bedeutet dies nicht, dass jede Äußerung, die sich im Nachhinein als unwahr erweist, automatisch den Schutz der Meinungsfreiheit verliert. Die Anforderungen an die Wahrheitspflicht dürfen nur so bemessen werden, dass die Ausübung der Meinungsfreiheit nicht aus Furcht vor staatlichen Sanktionen unterbleibt.

Die Bürgerinnen und Bürger dürfen also ihre Meinung äußern, und sie dürfen sie verbreiten. Welche Medien sie dafür wählen ("Wort, Schrift und Bild"), bleibt ihnen überlassen, auch Meinungsäußerungen im Internet sind davon erfasst.
Umgekehrt schützt die Meinungsfreiheit aber auch das Recht, seine Meinung nicht äußern zu müssen. Dabei ist es nicht von Bedeutung, aus welchen Gründen die Meinung geäußert oder zurückgehalten wird. Ob aus politischen, rein privaten oder auch wirtschaftlichen Motiven.

QuellentextErich Lüth und die Meinungsfreiheit

1950 sollte der Film "Unsterbliche Geliebte" in der "Woche des deutschen Films" gezeigt werden. Dies veranlasste den Publizisten Erich Lüth zu einer scharfen Kritik, denn der Regisseur des Films, Veit Harlan, war in der Nazizeit mit seinem antisemitischen Hetzfilm "Jud Süß" bekannt geworden.

Harlans Produktionsfirma forderte Lüth daraufhin zu einer Klarstellung auf. Doch Lüth legte nach, er bezeichnete es als "Pflicht aller anständigen Deutschen", den Film zu boykottieren. Im darauf folgenden Streit vor den Zivilgerichten bekamen die Produktions- und die Verleihfirma Recht: Veit Harlan sei im Strafverfahren freigesprochen worden, für seine Berufsausübung gebe es keine Beschränkungen. Den Boykottaufruf qualifizierten die Zivilrichter als "vorsätzliche sittenwidrige Schädigung" nach dem Bürger­lichen Gesetzbuch.

Beim Bundesverfassungsgericht dagegen hatte Erich Lüth Erfolg. Sein Aufruf, so entschieden die Verfassungsrichter, sei vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. In dieser Entscheidung stellten die Richter Weichen für das Grundrecht auf Meinungsfreiheit und für die Grundrechte allgemein:

Was das Recht auf Meinungsfreiheit betrifft, so hat es nach dem Grundgesetz seine Schranken in "allgemeinen Gesetzen" zum Schutz der Jugend und der persönlichen Ehre.
Die Richter entschieden: Solche "allgemeinen Gesetze" können an sich in Ordnung sein – im Einzelfall müssten Behörden und Gerichte die Gesetze aber trotzdem noch einmal im Licht der Grundrechte genau da­raufhin prüfen, ob die Meinungsfreiheit ausreichend zur Geltung komme.
In Lüths Fall entschieden sie: Er habe befürchtet, dass das Wiederauftreten Harlans – vor allem im Ausland – so gedeutet werden könne, als habe sich im deutschen Kulturleben seit der Nazizeit nichts geändert. Gegen ein solches Bild habe Lüth sich auch sonst eingesetzt. Andere Mittel als den Boykottaufruf habe er nicht gehabt, dieser sei deshalb recht­mäßig gewesen.

Weit über das Urteil und auch über die Meinungsfreiheit hinaus gaben die Richter aber auch dem Verhältnis der Grundrechte zwischen Privaten eine neue Basis.
Den Müttern und Vätern des Grundgesetzes war es ja vor allem darum gegangen, Abwehrrechte gegen den Staat zu schaffen. Hier aber ging es darum, wie sich der Privatmann Lüth gegenüber den ebenfalls privaten Verleih- und Produktionsfirmen verhalten durfte; ein, wie es scheint, rein zivilrechtliches Problem also.

Trotzdem sagten die Verfassungsrichter: Auch im Zivilrecht können die Grundrechte wirken. Sie bilden eine objektive Werteordnung, in deren Mittelpunkt sich die menschliche Persönlichkeit befindet, die sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft frei entfaltet. Der Gesetzgeber ist nach dem Grundgesetz ohnehin an diese Werteordnung gebunden. Aber auch Behörden und Gerichte müssen seitdem auch im Zivilrecht die Grundrechte immer dann beachten, wenn sie es mit Begriffen zu tun haben, die mit Werten ausgefüllt werden können oder müssen.
Hier entfalten die Grundrechte nun – mit ihrer Ausstrahlungswirkung – eine sogenannte mittelbare Drittwirkung.

Gudula Geuther

Art. 5 Abs. 2 GG ist zu entnehmen, dass die Meinungsfreiheit (wie auch die Pressefreiheit) ihre Grenzen in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze findet. Das heißt jedoch nicht, dass der Gesetzgeber beliebig Gesetze erlassen dürfte, in denen er die Äußerung bestimmter Meinungen oder die Meinungsäußerung überhaupt untersagt, im Gegenteil.
Denn ein "allgemeines Gesetz" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG ist eine Regelung, die weder gegen eine bestimmte Meinung noch gegen den Prozess der Meinungsbildung als solche gerichtet ist. Vielmehr muss diese Regelung dazu dienen, anderweitige Rechtsgüter (wie beispielsweise das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Einzelnen, wenn es um die Veröffentlichung von Einzelheiten aus der Privatsphäre geht) zu schützen, die schlechthin, also ohne Rücksicht auf bestimmte Meinungen, geschützt werden.

Informationsfreiheit

Es erscheint uns heute als eine Selbstverständlichkeit, uns jederzeit ungehindert aus "allgemein zugänglichen Quellen" informieren zu können. Insbesondere das Internet ist inzwischen ein Medium, durch das sich Informationen in bislang nicht gekannter Fülle abrufen lassen.

In der Zeit des NS-Regimes wurde der Zugang zu Informationsquellen jedoch drastisch eingeschränkt: Inländische Zeitungen unterlagen einer starken Zensur.
Damals kam insbesondere dem Rundfunk eine besondere Bedeutung zu. Denn ausländische Radioprogramme, die mit starken Kurzwellensendern in deutscher Sprache vom Ausland her in das Deutsche Reich gesendet wurden, unterlagen diesen Beschränkungen nicht. Um zu verhindern, dass sich die Bevölkerung aus diesen Quellen informierte, ordnete der Ministerrat für die Reichsverteidigung mit der "Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen" vom 1. September 1939 ein Verbot des "absichtlichen Abhörens ausländischer Sender" an.
Verstöße, sogenannte Rundfunkverbrechen, konnten mit Freiheitsstrafe, schwere Verstöße mit der Todesstrafe geahndet werden.

Die grundgesetzlich abgesicherte Informationsfreiheit geht auf diese Erfahrungen zurück.
Sie schützt die Freiheit, sich ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Gemeint sind damit solche Medien, die der Allgemeinheit und nicht bloß einem beschränkten Personenkreis zugänglich sein sollen, also beispielsweise Zeitungen, Rundfunkprogramme und das Internet. Als Abwehrrecht verbietet die Informationsfreiheit dem Staat, die Informationsaufnahme zu ver- oder behindern. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG beinhaltet allerdings kein Leistungsrecht, dass den Staat verpflichten würde, bestimmte, allgemein zugängliche Informationsquellen einzurichten.

QuellentextDie Rundfunkordnung

"Die [...] Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk [...] (wird) gewährleistet".
Aus diesem einen Satz ist im Lauf der Jahrzehnte durch Verfassungsentwicklung und Verfassungsrechtsprechung ein ganzes Gebäude der Rundfunkordnung entstanden, an das die Väter und Mütter des Grundgesetzes so noch nicht gedacht hatten.

Das Grundrecht macht also besonders deutlich, wie sich die Verfassung entwickelt und wie tief die Grundrechte in einzelne Lebensbereiche hineinwirken. Dabei urteilten die Verfassungsrichter schon 1961 in ihrer Entscheidung über einen Fernsehsender, den Bundeskanzler Konrad Adenauer staatsnah einrichten wollte: Es ist nicht Sache des Staates, den Rundfunk selbst zu betreiben.
Dagegen muss er für Staatsferne und Meinungsvielfalt des öffentlichen Rundfunks sorgen:
Weil Frequenzen und Sendekanäle knapp sind und die Technik teuer ist, geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass der Staat die Rundfunkfreiheit nicht nur dem freien Spiel der Kräfte überlassen kann. Stattdessen muss er selbst für eine Rundfunkordnung sorgen, die die Freiheit gewährleistet.

Damit kommt ihm eine sehr viel umfangreichere Aufgabe zu als zum Beispiel bei der Eheschließungsfreiheit oder der Gewährleistung des Eigentums: Er muss nicht nur dafür sorgen, dass es das "Rechtsinstitut" Rundfunk überhaupt gibt. Er muss diesen Rundfunk vielmehr auch im Einzelnen so regeln, dass dies der Rundfunkfreiheit gerecht wird.

Schon diese Konstellation – der Staat muss für grundrechtskonforme Strukturen sorgen, die er selbst nicht beherrschen darf – erklärt einen Teil der vielfältigen Voraussetzungen für das Verfahren der Zuteilung von Frequenzen, der Zusammensetzung von Gremien, der Aufsicht, die das Gericht entwickelt hat.

Viele grundsätzliche Entscheidungen liegen aber nach wie vor beim Gesetzgeber. Dass es zum Beispiel ursprünglich ein öffentlich-rechtlich geprägtes System gegeben hat, war keine Erfindung des Bundesverfassungsgerichts. Wie es aber im Einzelnen beschaffen ist, geht in starkem Maße auf Vorgaben aus Karlsruhe zurück. Denn schließlich führt ein solches System zu gewissen Monopolstellungen. Seine Struktur muss also sehr sorgsam darauf ausgerichtet sein, dass trotzdem ausreichende Staatsferne herrscht.
2014 hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil zum ZDF-Staatsvertrag deutlich gemacht, dass dem auch die Aufsichtsgremien der Öffentlich-Rechtlichen entsprechen müssen. Deshalb darf zum Beispiel höchstens jedes dritte Mitglied in diesen Gremien staatlichen oder staatsnahen politischen Institutionen angehören.

Vor allem muss die Struktur Meinungsfreiheit und -vielfalt gewährleisten.
Die Lösung liegt in einer sorgsam austarierten sogenannten Binnenpluralität, also einer Struktur, die dafür sorgt, dass innerhalb der jeweiligen öffentlich-rechtlichen Sender Meinungsvielfalt existieren kann, durch die Besetzung der Gremien etwa.

Als in den 1980er-Jahren private Rundfunkanbieter hinzukommen sollten, ermöglichte das Bundesverfassungsgericht mit seinen Rundfunkurteilen die Einrichtung des "dualen Systems".
Das Ergebnis ist eine auch für Fachleute oft anspruchsvolle Konstruktion, in der das Zusammenspiel von Öffentlich-Rechtlichen und Privaten immer wieder beobachtet werden muss und in dem andere verfassungsrechtliche Belange wie der Jugendschutz eine Rolle spielen.

Gudula Geuther

Das Grundrecht hat allerdings nicht nur Bedeutung im Verhältnis Bürger – Staat, sondern es hat auch eine Ausstrahlungswirkung im Verhältnis der Bürger untereinander:
So kann etwa ein Vermieter einem ausländischen Mieter nicht verwehren, dass er eine Parabolantenne installiert, um ausländische Fernsehprogramme sehen zu können; es sei denn, diese Programme wären über einen Kabelanschluss zu empfangen.

Die Kunstfreiheit

Was ist Kunst? Kommt Kunst von Können? Und wer entscheidet das?
Häufig geht es bei Konflikten, die die Kunstfreiheit betreffen, um die Frage, ob bestimmte Darstellungen, etwa von Personen oder Geschehnissen, erlaubt sind. So wird sich eine dargestellte Person möglicherweise dagegen wehren, wenn sie sich durch eine künstlerische Darstellung verun­glimpft fühlt. Oftmals kommt es auch zu Protesten, weil Betrachter durch die Art der Darstellung ihr Schamgefühl oder ihre moralischen Wertevorstellungen verletzt sehen.

Diese Konflikte führen sehr häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Dann sollen Richter entscheiden, ob die Darstellung, das Gemälde, das Theaterstück als Kunstwerk zu bewerten ist und deshalb das Werk des Künstlers von der Kunstfreiheit geschützt ist oder nicht. Hier zeigt sich das Problem der Kunstfreiheit: Bewerten jetzt Richter aufgrund von Gesetzestexten den "Wert" einer gestaltenden Arbeit als Kunstwerk? Sollen sie sich dabei auf Gutachter stützen? Welche Anforderungen muss ein Werk erfüllen?

Es liegt auf der Hand, dass eine vorgegebene Definition die Kunstfreiheit einschränken würde. Wenn etwa in Malerei, Bildhauerei und Dichtung nur noch das Kunst wäre, was bestimmte, vorher festgelegte Kriterien erfüllt, dürften sich die Künstler nur noch in den festgelegten Darstellungsformen bewegen. Neue, eigene Formen der Darstellung wären von der Freiheit der Kunst nicht mehr geschützt.
Daher geht das Grundgesetz von einem sehr weiten Kunstbegriff aus. Es kommt also nicht darauf an, welches künstlerische Niveau oder gar welche "Kunstfertigkeit" in einem Werk zum Ausdruck kommt oder welchen Wert das Kunstwerk hat.

Als Kunst im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG wird daher die "freie schöpferische Gestaltung" bezeichnet, "in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden". Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen. Dieses Schaffen ist unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit des Künstlers und damit Kunst, wobei auch wichtig ist, dass der Urheber selbst das Werk als Kunstwerk ansieht.
Bei Letzterem muss es sich nicht notwendig um etwas Gegenständliches handeln, möglich ist auch, dass sich das Kunstwerk in einer bestimmten Handlung (zum Beispiel einem "Happening") manifestiert.

Der Schutz der Kunstfreiheit umfasst zweierlei:
Zunächst ist die eigentliche schöpferische Tätigkeit, also die Herstellung des Kunstwerks, geschützt. Man bezeichnet diesen Bereich als Werkbereich.
Für Künstler ist es aber ebenso bedeutsam, ihr Werk der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Der Verfasser eines Theaterstücks möchte sein Werk auf einer Bühne aufführen, der Autor eines Romans will, dass sein Buch von möglichst vielen Leserinnen und Lesern gelesen wird. Dieser Teil der Kunstfreiheit wird als Wirkbereich bezeichnet.

Wie wichtig dieser Freiheitsbereich für den Einzelnen ist, wird im Vergleich zur Verfahrensweise des NS-Regimes deutlich: Die nationalsozialistischen Machthaber verboten beispielsweise die Aufführung von Theaterstücken, und die Bücher missliebiger Autoren durften nicht mehr gedruckt und verbreitet werden. Als Künstler waren die durch diese Maßnahmen betroffenen Menschen öffentlich nicht mehr präsent.

Trotzdem muss es Grenzen geben; Möglichkeiten, sich gegen bestimmte, herabwürdigende Darstellungen der eigenen Person zu wehren. So ist in jedem Einzelfall zu prüfen, wo die Grenzen zwischen Kunstfreiheit und Persönlichkeitsschutz jeweils verlaufen. Eine Möglichkeit, die Kunstfreiheit durch einfaches Recht beschränken zu können, sieht Art. 5 Abs. 3 GG nicht vor. Die Kunstfreiheit findet jedoch ihre Grenzen in kollidierendem Verfassungsrecht.

Die Wissenschaftsfreiheit

Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG beinhaltet nicht nur die Freiheit der Kunst, sondern auch die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre.

Diese drei Begriffe werden unter dem Begriff der Wissenschaftsfreiheit zusammengefasst. Sie schützt "die auf wissenschaftli­cher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltenswei­sen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe." Es geht also um die Suche nach Wahrheit, wobei mit der Lehre nicht etwa der Schulunterricht, sondern die wissenschaftliche Lehre gemeint ist.

Die Freiheit des Forschers umfasst die Fragestellung, also die Auswahl des Forschungsobjekts. Auch die Art und Weise der Untersuchung, die Methodik des Forschers wird geschützt, ebenso wie die Bewertung des Forschungsergebnisses. Ähnlich wie bei der Kunstfreiheit ist auch der Bezug zur Öffentlichkeit einbegriffen:
Die Verbreitung des Forschungsergebnisses und das Recht, eine wissenschaftliche Meinung zu äußern, sind ein wesentlicher Teil der Wissenschaftsfreiheit.

Art. 5 Abs. 3 GG schützt dabei nicht eine bestimmte Auffassung von der Wissenschaft oder eine bestimmte Wissenschaftstheorie. Der Wissenschaftsfreiheit liegt die Erkenntnis zugrunde, dass eine Wissenschaft, die frei von gesellschaftlichen und politischen Nützlichkeitserwägungen ist und sich anhand immer wieder neuer Fragestellungen weiterentwickelt, Staat und Gesellschaft im Ergebnis am besten dienen kann.
Diese Auffassung hat sich in der europäischen Gesellschaftsentwicklung relativ spät durchgesetzt; unter welchen Schwierigkeiten und zu welchem Vorteil dies geschah, belegt anschaulich der Fall des Galileo Galilei. Er sprengte die im Mittelalter vorherrschende Verkettung von Physik und vorgegebenen philosophischen und theologischen Grundsätzen, indem er Naturvorgänge nicht mehr theologisch oder philosophisch, sondern aus Naturgesetzen erklärte. Damit geriet er aber in Konflikt mit der kirchlichen Lehre.
In zwei Prozessen vor dem Heiligen Offizium (1616 und 1632) wurde Galilei gezwungen, sich von zwei Aussagen zu distanzieren, die heute selbstverständlich sind: die Auffassungen, dass die Sonne der Mittelpunkt unseres Planetensystems sei und dass sich die Erde um die Sonne bewege. Den wissenschaftlichen Fortschritt konnten die Galilei auferlegten Restriktionen dennoch nicht aufhalten. Auf ihn geht die moderne Naturwissenschaft zurück, die auf Erfahrung und Beobachtung beruht.

Solche massiven Einwirkungen auf Wissenschaft und Forschung sind heute zwar kaum noch vorstellbar. Dennoch entfaltet die Wissenschaftsfreiheit nach wie vor dort ihre Wirkung als Abwehrrecht, wo es um den Schutz der Tätigkeit des Wissenschaftlers vor Beeinflussung geht, etwa durch Weisungen, die die eigene wissenschaftliche Initiative, die Auswahl und die Durchführung von Forschungsprojekten einschränken. Dabei schützt das Grundrecht schon vor sehr geringfügigen Beeinträchtigungen. Bereits inhaltliche Vorgaben über die Gestaltung des Studienplans oder organisatorische Maßnahmen können die Wissenschaftsfreiheit beschneiden:

So regelte beispielsweise das niedersächsische Hochschulgesetz, dass den Kollegialorganen der Hochschulen neben Vertretern der Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter auch Vertreter der Studierenden und der sonstigen Mitarbeiter angehörten. Die Repräsentation der Professoren in den verschiedenen Organen betrug zwischen 30 und 50 Prozent, erreichte aber nie eine absolute Mehrheit. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass bei Entscheidungen, die unmittelbar die Lehre betreffen, den Professoren die Hälfte der Stimmen zustehen muss. Bei Entscheidungen, die unmittelbar Fragen der Forschung beträfen, genüge dies jedoch nicht. Dort müsse den Professoren wegen der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm ein darüber hinausgehender ausschlaggebender Einfluss vorbehalten bleiben (BVerfGE 35, 79, 132 f.).
Wegen ihrer wissenschaftlichen Qualifikation, ihrer Funktion und ihrer Verantwortung müssten sich die Professoren in diesem Bereich allen anderen Gruppen gegenüber durchsetzen können.

Die Wissenschaftsfreiheit schützt aber nicht nur vor dem Staat, sie fordert außerdem, dass er selbst aktiv wird (sogenannter objektiver Gehalt): Der Staat muss für die Idee der freien Wissenschaft einstehen und an ihrer Verwirklichung mitwirken.
Konkret bedeutet dies, dass der Staat die Freiheit der Wissenschaft fördern muss, indem er beispielsweise finanzielle Mittel und Personal bereitstellt und organisatorische Maßnahmen trifft, die die Freiheit der Wissenschaft sicherstellen.

Die Wissenschaftsfreiheit kann (ebenso wie die Kunstfreiheit) nicht durch einfaches Gesetz eingeschränkt werden. Insbesondere gilt auch die in Art. 5 Abs. 2 Satz 1 GG vorgesehene Schranke nicht im Bereich von Art. 5 Abs. 3 GG. Dies bedeutet aber nicht, dass sich die Wissenschaftsfreiheit immer und überall durchsetzen würde. Sie findet insbesondere dort ihre Grenzen, wo andere Grundrechte ihre Wirkung entfalten.
Das zeigt sich zum Beispiel bei der Frage, wie gelehrt wird: Die Bestimmung der Lehrinhalte von Vorlesungen und Übungen gehört zur Lehrfreiheit des Hochschullehrers. Sieht jedoch beispielsweise der Lehrinhalt eines Studienfachs wie Medizin oder Biologie die Durchführung von Tierversuchen oder Übungen an getöteten Tieren vor, kann dies in das Grundrecht der Gewissensfreiheit der Studierenden aus Art. 4 Abs. 1 GG eingreifen. Von einem Studenten, der sich auf seine Gewissensfreiheit beruft, darf daher nur dann die Teilnahme an Tierversuchen oder die Präparation von Tieren verlangt werden, wenn keine alternativen, gleichwertigen Unterrichts­methoden zur Verfügung stehen.

QuellentextSatire darf alles?

"Was darf die Satire? – Alles."
Was der Jurist Kurt Tucholsky unter dem Alias Ignaz Wrobel 1919 schrieb, war ein künstlerisches State­ment, ein Aufruf gegen Duckmäusertum. Als rechtliche Leit­linie taugt der Satz nicht. Aber was darf sie nun, die Satire? Dass die Grenzen manchmal schwer zu ziehen sind, zeigt die Ausein­andersetzung zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem deutschen Satiriker Jan Böhmermann.

Der hatte im März 2016 in seiner Sendung Neo Magazin Royale ein sogenanntes Schmähgedicht gegen Erdogan vorgetragen. Hintergrund waren Menschenrechtsverletzungen in der Türkei, das scharfe Vorgehen Erdogans gegen Journalisten und sein Versuch, andere satirische Kritik an seinem Regierungsstil auch in Deutschland gerichtlich verfolgen zu lassen. Böhmermann erklärte nun, die Grenzen des rechtlich Erlaubten demonstrieren zu wollen, und nannte das Gedicht selbst als Beispiel, was nicht erlaubt sei.

Für öffentliche Diskussionen sorgte der Fall vor allem, weil Erdogan unter anderem nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuches Strafanzeige erstattete, der (damals noch) die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter besonders streng unter Strafe stellte und Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilte. Für die grundrechtliche Bewertung macht das aber keinen Unterschied.

Die Strafanzeigen Erdogans gegen das Gedicht hatten keinen Erfolg. Die Staatsanwaltschaft Mainz ließ offen, ob die Sendung den objektiven Tatbestand der Beleidigung erfüllte – also nach ihrem objektiven Verlauf. Auf jeden Fall sei nicht auszuschließen, dass Böhmermann Erdogan nicht habe beleidigen wollen, dass er angesichts der krassen Übertreibungen nicht auf Erdogans Persönlichkeit gezielt habe. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren deshalb ein.

Das Landgericht Hamburg dagegen verbot im Februar 2017 ganz überwiegend, das Gedicht zu wiederholen. Einige der "Beleidigungen und Beschimpfungen" seien derart schwerwiegend, dass sie zu untersagen seien. Da es dort um ein Zivilverfahren ging, kam es auf den Vorsatz nicht an.

Aus den Begründungen von Staatsanwaltschaft und Landgericht geht aber hervor, dass die Juristen den Sachverhalt hier mindestens in Einzelfragen unterschiedlich bewerteten. Die rechtliche Auseinandersetzung ging danach weiter, Böhmermann hat gleich nach der Entscheidung des Landgerichts Rechtsmittel angekündigt. Hinter dem Streit steht auch die Frage, wie sich die Grundrechte der Beteiligten auswirken.

Fühlt sich ein Angegriffener beleidigt, wird vor Gericht immer wieder schon darüber gestritten, ob überhaupt Satire vorliegt oder ob nicht zum Beispiel der Angegriffene durch bloße Schmähkritik nur noch diffamiert werden soll. Satire ist nicht immer Kunst, kann es aber sein. Dann wird sie gleich durch drei Grundrechte geschützt: die Meinungs-, die Presse- und die Kunstfreiheit.

Anders als man erst einmal denken könnte, hilft der Satz in Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz "eine Zensur findet nicht statt" hier nicht weiter. Denn der verbietet nur die sogenannte Vorzensur, nicht nachträgliche Abwägungen. Den größten Schutz entfaltet hier die Kunstfreiheit, denn für sie nennt das Grundgesetz gar keine Schranke. Das heißt aber nicht, dass alles erlaubt ist.

Wenn durch die Satire andere Grundrechte verletzt werden, muss abgewogen werden. Dabei geht es fast immer um das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Angegriffenen. Bei der Abwägung kann Vieles berücksichtigt werden. Wie satirisch ist das Gedicht und seine Einkleidung, wie tief geht die Bedeutungsebene jenseits der Beleidigung, wie sehr wird Kritik geübt? Welche Rolle spielt es, dass Erdogan selbst hart gegen politische Gegner austeilt? Wie ist es zu bewerten, dass Böhmermann ­stereotype Vorurteile gegen Türken aufnimmt?

Der Schutz der Kunstfreiheit geht weit. Trotzdem sind Künstler vor Gericht auch immer wieder unterlegen. Besonders umstritten war die Entscheidung über Zeichnungen des Karikaturisten Rainer Hachfeld. Er hatte den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß mehrfach als kopulierendes Schwein dargestellt, unter anderem mit einem anderen Schwein, das mit Robe, Fliege und Barett einen Richter darstellen sollte. Gerichte entschieden unterschiedlich. Das Bundesverfassungsgericht wies Hachfelds Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung wegen Beleidigung zurück.

Gudula Geuther

Mathias Metzner war wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverfassungsgericht und im Grundrechtsreferat des Bundesministers der Justiz tätig. Er ist Vizepräsident des Externer Link: Verwaltungsgerichts Kassel.