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Die internationale Finanzordnung

Heribert Dieter

/ 21 Minuten zu lesen

Finanzmärkte beeinflussen die Entwicklung einzelner Volkswirtschaften. Ihre Organisation, die Finanzordnung, ist das Ergebnis von politischen Entscheidungen, die im Laufe der Jahre starken Veränderungen unterworfen sind. Der unbeschränkte Kapitalverkehr birgt Chancen und Risiken.

Der US-Dollar löst Mitte der 1940er-Jahre den Goldstandard als internationale Leitwährung ab. Er bleibt als einzige Währung im festen Kurs an Gold gebunden. (© picture-alliance, CHROMORANGE / Bilderbox)

Neben dem Warenhandel und den grenzüberschreitenden Investitionen werden die internationalen Wirtschaftsbeziehungen geprägt durch den übrigen Kapitalverkehr und die Währungsordnung. Die Finanzmärkte beeinflussen im hohen Maße die Entwicklung einzelner Volkswirtschaften, speziell der Entwicklungs- und Schwellenländer. Verändert sich beispielsweise der Wechselkurs einer Landeswährung, hat dies gravierende Auswirkungen auf den Handel und Investitionsentscheidungen. Die internationalen Wirtschaftsbeziehungen sind daher ohne die Betrachtung der Finanzordnung nicht zu verstehen.

Die heutige Organisation der Finanzmärkte ist sehr stark von liberalen Vorstellungen geprägt. Zwar gibt es in China, Indien und anderen Schwellenländern noch Kapitalverkehrskontrollen (managed floating, also keine vollkommen freien Wechselkurse). Doch in den meisten Ländern ist der grenzüberschreitende Kapitalverkehr nicht beschränkt, und die Wechselkurse von Währungen bilden sich auf Märkten, werden also nicht von staatlichen Stellen festgelegt. In früheren Phasen der Weltwirtschaft war dies anders: Staaten kontrollierten Kapitalströme, und Zentralbanken legten Wechselkurse fest.

Die heutige Organisation der Finanzmärkte ist die Folge von politischen Entscheidungen zur Deregulierung und reflektiert dabei das Interesse einzelner Akteursgruppen. Die liberale Finanzpolitik nutzt vor allem denjenigen Unternehmen der Finanzindustrie, die auf einem globalen Markt grenzenlose Investitionsmöglichkeiten haben, aber auch Staaten, die sich heute leichter Zugang zu internationalem Kapital verschaffen können als früher und damit nun auch eigene Ersparnisengpässe leichter entschärfen können.

Allerdings war dies nicht immer so. In den letzten 150 Jahren haben sich die Bedingungen für die internationalen Finanzmärkte mehrfach und zum Teil drastisch verändert. Ausschlaggebend dafür waren politische Entscheidungen wichtiger Länder, vor allem Großbritanniens und der Vereinigten Staaten von Amerika.

Eine kurze Geschichte der internationalen Finanzpolitik

Der Goldstandard

Im 19. Jahrhundert war Großbritannien auf dem Höhepunkt seiner Macht und ordnete die internationalen Finanzbeziehungen nach seinen Interessen. Das Instrument hierzu war der Goldstandard. Dabei legte zunächst ein Land das Umtauschverhältnis von Papiergeld zu Gold fest. Großbritannien tat dies im Jahr 1844. Andere Länder folgten dem britischen Beispiel und stiegen auf eine Goldbindung ihrer Währungen um.

Von etwa 1870 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 ermöglichte der Goldstandard eine deutliche Ausweitung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Da alle am Goldstandard teilnehmenden Länder ihre Währungen in einem festen Wechselkurs an Gold gebunden hatten, blieben auch die Wechselkurse zwischen den Währungen, also etwa zwischen dem britischen Pfund und dem amerikanischen Dollar, stabil. Zugleich herrschte ein unbeschränkter internationaler Kapitalverkehr. Kapital aus Großbritannien finanzierte so große Investitionen in der Neuen Welt, etwa den Eisenbahnbau in den USA oder in Argentinien.

Der Goldstandard hatte vor allem zwei Auswirkungen: Indem die Notenbanken das Austauschverhältnis zu einem knappen Edelmetall festlegten, förderten sie das Vertrauen in ihre Währungen. Denn die inländische Geldmenge war gebunden an die Goldreserven der landeseigenen Notenbank.

Gleichzeitig schuf der Goldstandard ein frühes System internationaler finanzpolitischer Zusammenarbeit. Die Notenbanken der teilnehmenden Länder trafen sich regelmäßig, um über Fragen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu sprechen und mögliche Anpassungsmaßnahmen zu vereinbaren. Federführend war die Bank von England, die als "Dirigent eines internationalen Orchesters" fungierte, so der US-Ökonom Barry Eichengreen.

Der Erste Weltkrieg brachte diese internationale Zusammenarbeit zum Erliegen. Danach gab es mehrfach Bestrebungen, den Goldstandard wiederherzustellen. Doch sämtliche Initiativen scheiterten, die Staaten waren in den 1920er-Jahren, vor allem aber in der Interner Link: Großen Depression zu Beginn der 1930er-Jahre, nicht zu internationaler Zusammenarbeit bereit. Im Sommer 1933, bei der Londoner Weltwirtschaftskonferenz, versuchten 66 Länder letztmalig, den Goldstandard wieder einzuführen. Doch der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt, ab März 1933 im Amt, lehnte diesen Vorstoß ab, und so konnten sich die internationalen Wirtschaftsbeziehungen in den 1930er-Jahren nicht mehr erholen.

Das System von Bretton Woods

Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen die alliierten Siegermächte Lehren aus dem Scheitern der Vorkriegsbemühungen. Die neue Währungsordnung wurde maßgeblich von den USA und Großbritannien gestaltet und ist benannt nach dem Konferenzort, an dem sie beschlossen wurde. 1944 tagten 44 Länder in Bretton Woods, einem Dorf im US-Bundesstaat New Hampshire, und vereinbarten drei Institutionen zur Gestaltung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen: den Internationalen Währungsfonds IWF, die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die zumeist als Weltbank bezeichnet wird, und das General Agreement on Tariffs and Trades (GATT), den Vorläufer der WTO, das sich um die Organisation des Warenhandels kümmern sollte.

Das System von Bretton Woods veränderte vor allem die Finanzpolitik. Die Wechselkurse waren, wie im Goldstandard, gegenüber anderen Währungen festgelegt. Im Mittelpunkt stand nun aber der US-Dollar, der als einzige Währung in einem festen Kurs an Gold gebunden war. Andere Währungen, auch das britische Pfund, waren wiederum in einem festen Kurs an den Dollar gebunden.

Das neue System erlaubte es allerdings, die Wechselkurse anzupassen. So wurde die D-Mark gegenüber dem US-Dollar zunächst im Jahr 1961 von 4,20 DM auf 4,00 DM pro Dollar und dann 1969 auf 3,65 DM pro Dollar aufgewertet. Vor allem aber unterlag der internationale Kapitalverkehr starken Beschränkungen. Unternehmen und Privatleute benötigten für die Ein- und Ausfuhr von Kapital Genehmigungen staatlicher Stellen.
Das System von Bretton Woods funktionierte gut zwei Jahrzehnte lang. Die internationalen Wirtschaftsbeziehungen erlebten in diesen Jahren einen enormen Aufschwung, Finanz- und Wirtschaftskrisen blieben weitgehend aus. Besonders bemerkenswert ist, dass es in den wichtigsten Industrieländern in jener Phase keine einzige Bankenkrise gab. Die Bankenaufsichtsbehörden regulierten streng und verhinderten Übertreibungen, wie sie seit dem Zusammenbruch des Systems von Bretton Woods immer wieder zu beobachten sind.

Die Finanzindustrie konnte allerdings nur auf den nationalen Märkten operieren und war dementsprechend an einer Überwindung dieses für sie unbefriedigenden Zustandes interessiert, um zu expandieren. Auch die Entwicklungs- und Schwellenländer waren im Bretton-Woods-System in ihren Investitionsmöglichkeiten im Wesentlichen auf die zumeist niedrigen eigenen Ersparnisse angewiesen und konnten nicht auf private externe Ersparnisse zurückgreifen. Dies behinderte sie in ihren Wachstumsperspektiven.

Unter Druck geriet das System von Bretton Woods jedoch durch die wachsende Staatsverschuldung der USA. Sie war die Folge einer expansiven Fiskalpolitik, welche Washington von 1965 an betrieb, um den Krieg in Vietnam und die von Präsident Lyndon B. Johnson aufgelegten kostspieligen sozialpolitischen Maßnahmen zu finanzieren.

Diese Politik führte zu einer steigenden Inflation und untergrub schließlich das Vertrauen in die Fähigkeit der USA, US-Dollar jederzeit in Gold umtauschen zu können. Die Partner der USA wollten den Dollar nun bei festen Wechselkursen nicht mehr zur Bezahlung ihrer Forderungen akzeptieren. Damit kam eine zentrale Säule des Systems von Bretton Woods ins Wanken.

Übergang zur heutigen Finanzordnung

Das System von Bretton Woods wurde in mehreren Stufen zwischen 1971 und 1973 abgeschafft. Im August 1971 beendete der amerikanische Präsident Richard Nixon die Bindung des US-Dollars an Gold. Im Laufe der 1970er-Jahre gaben dann Deutschland und andere Länder die festen Wechselkurse zwischen ihren Währungen und dem Dollar auf und liberalisierten ihren Kapitalverkehr. Die Schlusslichter dieser Entwicklung bildeten zu Beginn der 1990er-Jahre Japan, Spanien und Portugal. Banken konnten mit dem Ende von Bretton Woods wieder in allen Regionen der Welt – mit Ausnahme des sogenannten Ostblocks unter Führung der Sowjetunion – Geschäfte tätigen.

Die vergangenen 150 Jahre lassen also drei Phasen mit sehr unterschiedlichen finanzpolitischen Prägungen erkennen:

  • Der Goldstandard mit festen Wechselkursen und unbeschränktem Kapitalverkehr;

  • das System von Bretton Woods, ebenfalls mit festen, wiewohl anpassbaren Wechselkursen, aber mit Beschränkungen des Kapitalverkehrs;

  • und die heutige, noch namenlose Ordnung, die gekennzeichnet ist durch schwankende Wechselkurse und freien Kapitalverkehr.

Charakteristika und Folgewirkungen des freien Kapitalverkehrs

Die heutige Währungs- und Finanzordnung nutzt insbesondere denjenigen Banken und Finanzinstituten, die in vielen Ländern der Welt tätig sind. Für diese Gruppe eröffnete der Zusammenbruch der früheren Ordnung neue Geschäftsmöglichkeiten. Der Wandel von Bretton Woods zum heutigen System ist begleitet vom Wiedererstarken des Finanzsektors und seiner gestiegenen politischen Durchsetzungsmacht.

Unternehmen und Privatpersonen sind dagegen seit den frühen 1970er-Jahren mit zum Teil stark schwankenden Wechselkursen konfrontiert. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie sich gegen Wechselkursschwankungen absichern müssen. Diese Absicherungen werden vom Finanzsektor angeboten, kosten die Unternehmen jedoch beachtliche Summen. Die Freigabe der Wechselkurse in den 1970er-Jahren verlagerte also das Wechselkursrisiko vom Staat auf den Privatsektor und wird deshalb vielfach als eine der größten Privatisierungsaktionen der Wirtschaftsgeschichte angesehen.

Die Befürworter der Liberalisierung des Kapitalverkehrs erwarteten, dass sie Entwicklungs- und Schwellenländern günstigere Finanzierungsmöglichkeiten eröffnen werde. Kapital werde dorthin fließen, wo höhere Renditen winkten. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass vor allem die USA seit 1991 erhebliche Kapitaleinfuhren verzeichnen.

Entwicklungs- und Schwellenländer dagegen haben seit den Finanzkrisen der späten 1990er-Jahre hohe Währungsreserven aufgebaut, die zumeist in US-Dollar gehalten werden. Von 1998 bis 2015 stiegen diese Währungsreserven der Entwicklungsländer (ohne Gold) nach Angaben des Externer Link: IWF von 602 Milliarden US-Dollar auf 6.900 Milliarden US-Dollar. Währungsreserven gehören zwar der jeweiligen Regierung bzw. der Notenbank, stehen aber für produktive Investitionen nicht zur Verfügung.

Seit der Liberalisierung des Kapitalverkehrs haben sich immer wieder schwere Finanzkrisen ereignet. Unmittelbar nach der Freigabe der Wechselkurse und der Liberalisierung des Kapitalverkehrs löste der Zusammenbruch einer deutschen Privatbank, des Bankhauses Herstatt, im Jahr 1974 eine internationale Krise aus. In den frühen 1980er-Jahren wurden gleich drei lateinamerikanische Länder – Argentinien, Brasilien und Mexiko – von schweren Finanzkrisen erfasst. In den 1990er-Jahren suchte eine erneute Krise Mexiko heim (1994/95), es folgten die Interner Link: Asienkrise (1997/98) und eine Finanzkrise in Russland. In den letzten zehn Jahren wurde die Weltwirtschaft durch die Krise, die 2007 in den USA begann, und die Folgekrisen in Europa überschattet.

QuellentextKonsequenzen aus der Finanzkrise 2007

An den Juli 2007 können sich die meisten Banker weltweit und auch in Deutschland noch gut erinnern. Schon seit dem Frühjahr hatte man aus den USA immer häufiger von geplatzten Immobilienkrediten gehört. Immer mehr Hausbesitzer konnten diese nicht zahlen, weil sie zu wenig verdienten. Diese schlecht besicherten Hypothekenkredite – im Fachjargon "Subprime" genannt – wurden gebündelt in Paketen mit besser besicherten Krediten. So fand man Käufer – und das weltweit.

Darunter auch die Düsseldorfer IKB Deutsche Industriebank. Sie geriet Ende Juli 2007 in eine existenzbedrohende Krise, weil sie seit Jahren genau in Pakete mit solch schlecht besicherten Immobilienkrediten in den USA investiert hatte. Damit war sie das erste Opfer der Finanzkrise in Deutschland. Sie wurde gerettet mit Geldern der staatlichen Förderbank KfW, vom Bund und anderen Banken. […]

Das aber war erst der Beginn. In der Folge fiel die Düsseldorfer WestLB, andere Landesbanken mussten von ihren Bundesländern gestützt werden, die SachsenLB wurde von der Landesbank Baden-Württemberg übernommen. Alle hatten sie in "Subprime"-Kredite investiert. […] Die Banken waren zu wenig reguliert. Das aber erkannten die Politiker: Spätestens, als dann im September 2008 die Krise sich ausweitete und die US-Investmentbank Lehman Brothers zusammenbrach, begannen sie zu handeln. Sie verabschiedeten in Deutschland in kürzester Zeit ein Gesetz zur Stabilisierung der Finanzmärkte mit üppigen staatlichen Garantien und Kapitalzufuhren für die Banken. […]

Inzwischen haben die Politiker und Aufseher die Regeln angezogen. Diese Regeln würden verhindern, dass eine solche Krise wie die von 2007/2008 wieder entstehen könne, glaubt etwa der frühere Bundesbankpräsident [Axel] Weber heute. Dass die Banken sicherer seien, sieht auch Elke König so, die Chefin des europäischen Bankenabwicklungsfonds: "Banken haben heute deutlich mehr und deutlich besseres Kapital." Doch ihre Ertragskraft hat gelitten. Denn weil sie nicht mehr in so riskante Geschäfte investieren dürfen, sprudeln die Gewinne daraus nicht mehr so kräftig. Und die Regulierung verursacht Arbeit und Kosten.

[…] Damals hatten die Zentralbanken begonnen, den Märkten Liquidität zur Bewältigung der Krise bereitzustellen. Das tun sie immer noch. Doch Weber warnt, dass der Boom, den viele Kapitalmärkte in Folge der expansiven Geldpolitik erfahren haben, nicht nachhaltig sein werde. Er erwartet eine Korrektur der Aktienkursbewertungen und eine Normalisierung bei den festverzinslichen Erträgen […]

Deshalb müssten die verantwortlichen Notenbanken dieses System langsam wieder Richtung Normalität zurückführen. Wie schwer das ist, kann man aktuell an den Bemühungen der Europäischen Zentralbank beobachten. […]

Brigitte Scholtes "Eine Pleite, die die Welt veränderte", in: General-Anzeiger Bonn vom 29/30.Juli 2017

Zwar sind dieses Krisen nicht in allen Aspekten den Akteuren des Kapitalmarkts anzulasten. Auch strukturelle Faktoren und politische Entscheidungen von staatlicher Seite haben dazu beigetragen. Doch sie haben die Volkswirtschaften insgesamt belastet, und daher stellt sich die Frage, welchen Nutzen das heutige System des unbeschränkten Kapitalverkehrs hat.

Chancen und Risiken unbeschränkten Kapitalverkehrs

Der Idealfall: langfristige Kredite und ausländische Direktinvestitionen

Die Befürworter eines unbeschränkten, liberalen Kapitalverkehrs betonen vor allem den hohen Nutzen von Kapitalimporten. Länder mit niedriger Ersparnis könnten durch Kreditaufnahme im Ausland Ausgaben finanzieren, die ansonsten unterbleiben würden. Ein Entwicklungsland kann also durch die Kreditaufnahme im Ausland etwa den Bau einer Eisenbahnlinie finanzieren, die aus einheimischer Ersparnis nicht aufzubringen wäre.

Bei näherer Betrachtung offenbart der Kapitalverkehr jedoch auch problematische Aspekte. So finanziert eine Kreditaufnahme im Ausland oft nicht Investitionen, sondern Konsum. Gekauft werden keine Investitionsgüter wie Maschinen, sondern Konsumgüter wie Autos oder Kleidung. Wird im Ausland aufgenommenes Geld nicht oder nicht gewinnbringend investiert, sondern konsumiert, kann die Bedienung solcher Kredite Probleme aufwerfen.

Bei der Bewertung von Kapitalströmen ist also zunächst zu fragen, welche Form die Kapitalzuflüsse haben. Als weniger problematisch gelten ausländische Direktinvestitionen, etwa der Bau einer Fabrik durch ein ausländisches Unternehmen. Dabei fließt ausländisches Kapital ins Land, das dort langfristig gebunden und nicht kurzfristig abgezogen wird.

Im Idealfall produziert die Fabrik mit Gewinn, und aus diesen Gewinnen werden Jahr für Jahr Dividenden an den ausländischen Investor gezahlt, die bei guter Ertragslage im Zielland reinvestiert werden. Nennenswerte Risiken für das Zielland der Investition gibt es dann in der Regel nicht. Ähnlich unproblematisch sind Kredite, die mit langer Laufzeit vergeben werden.

Der Problemfall: kurzfristige Kapitalströme und Wechselkursrisiken

Sehr viel größere Schwierigkeiten bereiten kurzfristige Kapitalströme, im Englischen gerne als "hot money" bezeichnet. Sie sind zudem starken Schwankungen unterworfen und besonders in Entwicklungsländern anzutreffen. Auf Phasen starken Zuflusses folgen oft Perioden deutlichen Abflusses von Kapital, und beide Entwicklungen bereiten den betroffenen Volkswirtschaften Schwierigkeiten.

Ein Beispiel verdeutlicht dies. Thailand galt zu Beginn der 1990er-Jahre als mustergültige, dynamische Ökonomie. Die Weltbank sprach 1993 vom "ostasiatischen Wunder" und pries die kluge Wirtschaftspolitik Thailands und anderer asiatischer Länder. Ausländische Investoren sahen gute Gelegenheiten für hohe Gewinne und investierten in Thailand. Inländische Firmen nahmen auf Dollar lautende Kredite auf, weil die billiger als Kredite in einheimischer Währung waren und weil sie der Wechselkursbindung vertrauten. Dies beflügelte eine ohnehin überhitzte Wirtschaft weiter und sorgte für Übertreibungen. Die Immobilienpreise stiegen rasant, und die thailändische Politik wollte und konnte die Euphorie nicht bremsen. Sie hielt am festen Wechselkurs der thailändischen Währung zum Dollar fest.

1997 aber drehte der Wind. Das selbe Land, das zuvor noch märchenhafte Gewinne versprach, galt plötzlich als Risikokandidat. Die Kapitalströme drehten sich plötzlich und ohne Vorwarnung. Die genauen Ursachen für diesen Stimmungswandel auf den Finanzmärkten sind bis heute unklar. Auch deshalb sind Finanzkrisen so schwer zu prognostizieren.

Einmal in Schwung geraten, ließ sich die Abwärtsspirale kaum mehr bremsen. Unternehmen konnten im Ausland aufgenommene, auf Dollar lautende Kredite kaum noch bedienen, weil der Wechselkurs der thailändischen Währung gegenüber dem Dollar deutlich gesunken war.

Dieses Muster ist immer wieder zu beobachten und führt im Ergebnis zu einer großen Skepsis gegenüber Kreditaufnahmen im Ausland. Staaten genauso wie Unternehmen müssen vor allem das Wechselkursrisiko bedenken. Ein indonesisches Unternehmen etwa, das sich im Ausland in US-Dollar verschuldet, seine Gewinne aber in indonesischer Währung erwirtschaftet, geht damit ein Währungsrisiko ein: Wenn der Wechselkurs der indonesischen Währung Rupiah gegenüber dem Dollar fällt, steigen die Kosten des Schuldendienstes in der Landeswährung deutlich an.

In der Asienkrise 1997/98 fiel die Rupiah gegenüber dem Dollar um fast 70 Prozent, von 2500 Rupiah pro Dollar auf 17.000 Rupiah. Aus einem Schuldendienst von 10 Millionen Rupiah wurde über Nacht ein Schuldendienst von 68 Millionen Rupiah. Abwertungen dieser Größenordnungen sind die Ausnahme, aber auch weniger dramatische Veränderungen des Wechselkurses können Unternehmen schwer belasten und zur Zahlungsunfähigkeit führen.

Vermieden werden kann dieses Wechselkursrisiko zum einen dadurch, dass das Unternehmen im Dollarraum Gewinne erwirtschaftet. Zum anderen durch den Kauf einer Versicherung gegen Schwankungen des Wechselkurses. Doch solche Geschäfte, die von Banken angeboten werden, kosten natürlich Geld. Je größer das von den Finanzmärkten unterstellte Wechselkursrisiko, desto höher ist die Prämie für die Absicherung gegen Kursschwankungen.

Notwendigkeit von Krediten

Damit stellt sich die Frage, warum Unternehmen und Staaten sich überhaupt im Ausland verschulden. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen sind Kredite auf dem nationalen Finanzmarkt oft schlicht nicht verfügbar. Gerade in Entwicklungsländern fehlt in der Regel ein ausgereiftes Finanzsystem. Bürgerinnen und Bürger sind oft zu arm, um überhaupt Ersparnisse zu bilden. Die wohlhabenden Oberschichten könnten dies zwar, ihre Mitglieder bevorzugen es aber sehr häufig, Ersparnisse ins Ausland zu transferieren. Die Vermeidung von Steuerzahlungen spielt dabei eine wichtige Rolle.

Kapitalströme in den Entwicklungsländern

Zum anderen ist das Zinsniveau in Entwicklungs- und Schwellenländern in aller Regel höher als in Industrieländern, denn Kapital ist in Entwicklungsländern knapp und damit teuer. Kreditgeber haben bei der Vergabe von Krediten ans Ausland außerdem zusätzliche Kosten, für die sie einen Zinsaufschlag erwarten. Ein Kredit, sofern er denn verfügbar ist, kostet im Inland also mehr als im Ausland. Insbesondere Unternehmen, aber auch staatliche Akteure sehen darin einen Anreiz, den günstigeren Kredit im Ausland in Anspruch zu nehmen.

Allerdings begeben sie sich damit in Abhängigkeit zur Einschätzung, die der ausländische Geldgeber von der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung der Kreditnehmer hegt. Schlägt dessen Optimismus in Pessimismus um, werden Kreditverträge häufig nicht verlängert und Kreditnehmer zu abrupten Anpassungsmaßnahmen gezwungen.

Von 2000 bis 2014 haben sich private Kredite und Wertpapierkäufe in Entwicklungsländer fast vervierzehnfacht.

Heimatüberweisungen

Zu den Kapitalströmen, die in Entwicklungsländer fließen, zählen allerdings nicht nur Kredite. So machten Heimatüberweisungen im Ausland lebender Staatsbürger seit 2000 einen stetig wachsenden Anteil aus. Zugleich stiegen die Direktinvestitionen in Entwicklungsländern von 2000 bis 2014 auf das Fünffache des Ausgangswertes. Auf sie entfiel 2014 der höchste Anteil unter den Kapitalzuströmen in Entwicklungsländer.

QuellentextAfrikas Finanzquellen

Zwischen 2012 und 2015 ist Afrikas Bevölkerung um 14 Prozent gewachsen. Im gleichen Zeitraum sind die finanziellen Ressourcen für den Kontinent um 22 Prozent gesunken. Diese Entwicklung lässt zwei Szenarien zu: eines, in dem Afrika in nur 17 Jahren über mehr Arbeitskräfte als China oder Indien verfügt und die treibende Kraft der Weltwirtschaft sein wird.

Und eines, wo Millionen junger Menschen auf dem afrikanischen Kontinent keine Beschäftigung haben oder ihnen die Fähigkeiten fehlen, um eine zu finden – wo sie frustriert sind und wegwollen oder, schlimmer, anfällig werden für extremistische Ideologien. Wer dies als afrikanisches Problem versteht, hat nichts verstanden.

Wie kann es gelingen, das positive Szenario zu realisieren? Dazu muss man sich vor Augen führen, aus welchen Finanzquellen sich die Entwicklung Afrikas speist: Eigenmittel, Auslandsinvestitionen und Entwicklungshilfe. Die Eigeneinnahmen der afrikanischen Länder sind die bei weitem größte und wichtigste Finanzquelle. Vor einigen Jahren lag das Volumen der Eigenmittel auf einem Hoch bei 568 Milliarden US-Dollar, ermöglicht unter anderem durch den Boom der Rohstoffpreise. Doch seitdem sind die Einnahmen um fast ein Viertel eingebrochen.

Nach wie vor schaffen es die afrikanischen Staaten zwar, rund zehnmal mehr inländische Mittel zu mobilisieren, als sie an Entwicklungshilfe erhalten – aber die Eigeneinnahmen sind auf einem viel zu niedrigen Niveau und können Entwicklung nur bedingt fördern. […]

Gute Regierungsführung ist auch entscheidend, um Auslandsinvestitionen anzukurbeln. Mit der Bevölkerungsentwicklung Afrikas bis 2050 auf 2,5 Milliarden Menschen gehen 22,5 Millionen zusätzliche Arbeitskräfte pro Jahr einher, die auf den afrikanischen Arbeitsmarkt strömen. Diesen jungen Menschen müssen Perspektiven geboten werden, und dazu sind verstärkte heimische und ausländische Investitionen nötig.

Der Trend der vergangenen Jahre ist allerdings besorgniserregend: 2016 erreichten von jedem global investierten Dollar nur drei Cent den afrikanischen Kontinent. Manche Staaten wie Äthiopien haben ihre Ökonomien diversifiziert und können Erfolge vorweisen: 2015 haben sich dort die Auslandsinvestitionen im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Die Regierung hatte unter anderem aktiv in die Energie- und Straßeninfrastruktur investiert, um das wirtschaftliche Umfeld zu verbessern, und große Industrieparks geschaffen.

Die letzte Finanzquelle Afrikas ist die klassische Entwicklungshilfe: Auf den ersten Blick sieht es hier aktuell gut aus. 2016 wurde mit 140,1 Milliarden US-Dollar ein Hoch an globaler Entwicklungshilfe erreicht.

Auf den zweiten Blick wird jedoch klar, dass gerade die ärmsten Länder von diesem Geld immer weniger profitieren – obwohl gerade hier angesetzt werden müsste. […]

Stephan Exo-Kreischer ist Deutschland-Direktor der entwicklungspolitischen Kampagnenorganisation One.

Stephan Exo-Kreischer, "Mehr in Afrika investieren", in: Frankfurter Rundschau vom 12. September 2017

Hauptempfängerländer von Heimatüberweisungen (© Weltbank, Migration and Remittances Externer Link: Factbook 2016)

Zwar geht die Masse der Kapitalströme, insbesondere der Ausländischen Direktinvestitionen (ADI), bislang in andere OECD-Länder, und ADI konzentrieren sich tendenziell stark auf wenige Entwicklungsländer. Doch immer mehr Unternehmen investieren in Entwicklungsländern, schaffen dort Wirtschaftswachstum sowie Beschäftigung und tragen damit zum Abbau der globalen Armut bei.

Die staatliche Entwicklungshilfe mag demgegenüber aus Sicht einiger Experten an Bedeutung verloren haben, hat aber für sehr arme Entwicklungsländer dennoch deutliche Berechtigung, weil sie gezielter für ärmere und schwächere Länder bzw. Bevölkerungsgruppen tätig werden kann.

Auffällig ist, dass auch Deutschland relativ hohe Heimatüberweisungen erhält. Offenbar wirken sich hier die Tätigkeiten von Hochqualifizierten, etwa von deutschen Ärzten in der Schweiz oder Norwegen, aus. Ganz anders ist das Bild, wenn man die Heimatüberweisungen im Verhältnis zum Interner Link: Bruttoinlandsprodukt betrachtet.

Anteil der Heimatüberweisungen am Bruttoinlandsprodukt (© Weltbank, Migration and Remittances Externer Link: Factbook 2016)

Bei den betrachteten Staaten handelt es sich ausnahmslos um kleine, arme Länder, bei denen die Heimatüberweisungen zwischen einem Fünftel und einem Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung ausmachen. Ohne diese Heimatüberweisungen, die die Exporteinnahmen der Herkunftsländer teilweise deutlich übersteigen, wären die Länder noch deutlich ärmer, als sie es ohnehin sind.

Die Kosten für eine Überweisung aus einem G20-Land – der Gruppe der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie der EU – betrugen im dritten Quartal 2016 laut Externer Link: Weltbank durchschnittlich 7,6 Prozent der zu überweisenden Summe. Bei einer Überweisung von 500 Euro kommen demnach nur 462 Euro beim Empfänger an.

Dabei variieren die Kosten erheblich. Nach Angaben der Weltbank kostete 2016 eine Überweisung aus Russland durchschnittlich 1,7 Prozent, aus Deutschland 8,6 Prozent, aus Japan 11,3 Prozent und aus Südafrika, wo relativ viele Arbeitsmigranten aus anderen afrikanischen Ländern leben, volle 17,0 Prozent.

Geldsendungen / Herkunft der Migranten

Die Gruppe der 20 wichtigsten Volkswirtschaften, aus denen 80 Prozent aller Heimatüberweisungen getätigt werden, will diese Kosten senken und hat sich das Ziel gesetzt, sie auf fünf Prozent der Überweisungssumme zu Externer Link: reduzieren.

Bei jährlichen Überweisungen von rund 450 Milliarden US-Dollar würden dann immerhin gut 11 Milliarden zusätzlich in Entwicklungsländern ankommen.

Gibt es Alternativen zu unbeschränktem Kapitalverkehr

Die Theorie vom Trilemma des Wechselkurses (© Economist.com)

Die herrschende Lehre vor allem in den OECD-Ländern hat den unbeschränkten internationalen Kapitalverkehr lange als unverzichtbar bezeichnet. Es gibt aber alternative Ansätze, die darauf abzielen, die Regeln für den internationalen Kapitalverkehr zu verändern und ihn zu beschränken. Dies kann durch staatliche Genehmigungspflichten, aber auch durch Besteuerung erfolgen.

Eine Dämpfung des Kapitalverkehrs würde wahrscheinlich die Stabilität des internationalen Finanzsystems steigern, aber für Kapitaleigner eine deutliche Reduzierung ihrer Gewinnmöglichkeiten bedeuten.

Unbeschränkter Kapitalverkehr wiederum kann im schlimmsten Fall zur Folge haben, dass viele Bürgerinnen und Bürger die Kosten von staatlichen Maßnahmen zur Rettung einzelner Banken oder gar gesamter Finanzsysteme tragen müssen.

QuellentextDie Theorie vom Trilemma des Wechselkurses

Der kanadische Ökonom Robert Mundell hat Anfang der 1960er-Jahre herausgefunden, dass drei geldpolitische Ziele, die Notenbanken gemeinhin anstreben, grundsätzlich miteinander unvereinbar sind: Stabile Wechselkurse, unbeschränkter Kapitalverkehr und geldpolitische Autonomie (also im Falle einer Krise die Zinsen senken und im Falle einer Überhitzung die Zinsen anheben zu können) lassen sich nicht gleichzeitig verwirklichen.

Mundell stellte fest, dass nur maximal zwei der drei Ziele zu erreichen sind. Entweder die Kombination aus unbeschränktem Kapitalverkehr und festen Wechselkursen, so wie sie der Goldstandard vor 1914 bot. Die Notenbanken verfügten damals nicht über geldpolitische Unabhängigkeit, sondern passten bei unbeschränktem Kapitalverkehr ihre Zinspolitik so an, dass der Wechselkurs stabil blieb.

Die zweite Variante verkörperte das System von Bretton Woods. Hier waren die Wechselkurse stabil und die Geldpolitik konnte bei konjunkturellen Schwankungen eingreifen. Dies ging aber zu Lasten des unbeschränkten Kapitalverkehrs.

Die dritte Variante bildet das heutige System ab: Die meisten Notenbanken sind geldpolitisch handlungsfähig und heben und senken Zinsen je nach konjunktureller Entwicklung. Der Kapitalverkehr ist unbeschränkt. Nicht erreicht wird das Ziel stabiler Wechselkurse.

Aus der Theorie Mundells, die in der Volkswirtschaftslehre breite Akzeptanz gefunden hat, resultiert eine einfache politische Schlussfolgerung. Wenn man die geldpolitische Autonomie der Notenbanken, also ihre Fähigkeit, auf Schwankungen der Wirtschaftslage mit der eigenen Geldpolitik zu reagieren, als unverzichtbar betrachtet, muss man entweder den Kapitalverkehr beschränken oder (mitunter stark) schwankende Wechselkurse in Kauf nehmen.

Doch mit welchen Maßnahmen lässt sich der internationale Kapitalverkehr dämpfen, um solche unliebsamen Folgewirkungen zu vermeiden? Ein Instrument könnte eine Steuer auf grenzüberschreitenden Kapitalverkehr sein. Der amerikanische Ökonom Interner Link: James Tobin hat in den 1970er-Jahren, nach dem Zusammenbruch von Bretton Woods, eine solche Steuer vorgeschlagen, um die Wechselkurse zu stabilisieren und die Spekulation auf Wechselkursveränderungen einzudämmen.

Gegenwärtig hätte eine Steuer auf grenzüberschreitenden Kapitalverkehr wohl eher das Ziel, die geldpolitische Autonomie von Volkswirtschaften im Hinblick auf die Finanzmarktregulierung zu stärken, die Wirksamkeit geld- und finanzpolitischer Maßnahmen zu erhöhen und Banken daran zu hindern, diese Maßnahmen durch Verlagerung ihrer Geschäftstätigkeit auf weniger regulierte Finanzplätze zu umgehen.

Kritiker der Steuer auf grenzüberschreitenden Kapitalverkehr wenden zutreffenderweise ein, dass diese die Kreditaufnahme im Ausland verteuert. Befürworter der Steuer sehen wiederum genau diesen Effekt als nützlich an. Aus ihrer Sicht ist die Steuer ein geeignetes Instrument, um den gar nicht oder zu spät erkannten Kreditblasen (stark ansteigenden Kreditvolumina) entgegenzuwirken, die sich seit der Liberalisierung des internationalen Kapitalverkehrs immer wieder gebildet haben und nach Erkenntnissen einiger Wirtschaftshistoriker recht zuverlässig eine bevorstehende Finanzkrise Externer Link: signalisieren. Eine Besteuerung des Kapitalverkehrs könnte also der Vorbeugung vor Finanzkrisen dienen, indem sie den Kapitalverkehr lenkt und dämpft, und zusätzlich Steuereinnahmen für den erhebenden Staat generiert.

Europas Weg in die Währungsunion

In Europa spielten sowohl die Regulierung der Finanzmärkte als auch die Stabilität der Wechselkurse schon lange eine wichtige Rolle. Verantwortlich dafür waren die bitteren Erfahrungen aus den Finanzkrisen der 1920er- und 1930er-Jahre. Die Hyperinflation in Deutschland im Jahr 1923 und die Turbulenzen nach den Börsenzusammenbruch 1929 hatten nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung geschwächt, sondern auch für politische Instabilität gesorgt. Und um intensiv Handel miteinander betreiben zu können, brauchten die Länder Europas stabile Wechselkurse. Deshalb haben sie schon in den 1960er-Jahren, kurz nach Beginn der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit, über eine Ergänzung dieser Maßnahmen durch stabilere Währungsbeziehungen nachgedacht.

Erste Initiativen

Bereits fünf Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge schlug der erste Präsident der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Interner Link: EWG), Walter Hallstein, einen dreistufigen Plan zur Schaffung einer Währungsunion vor, der jedoch nicht verwirklicht werden konnte. Das Ende des Systems von Bretton Woods Anfang der 1970er-Jahre verschärfte derweil den Druck auf die Länder Europas: Die stark schwankenden Wechselkurse der 1970er-Jahre verursachten den im Warenhandel engagierten Unternehmen erhebliche Kosten, weil sie Geschäfte zur Sicherung der Wechselkurse abschließen mussten. Außerdem wurde deutlich, dass stark schwankende Wechselkurse der wirtschaftlichen Integration schadeten. Denn wenn Unternehmen nicht wissen, welchen Preis sie für den Export einer Ware am Liefertermin bekommen werden, mindert dies ihr Interesse an der internationalen Arbeitsteilung. Gleichzeitig war der Politik aber auch bewusst, dass unterschiedliche nationale Wirtschaftspolitiken in Europa mit ein Grund für Wechselkursinstabilität waren.

Der Delors-Plan von 1989: Gemeinschaftswährung und Europäische Zentralbank

Doch auch ein zweiter, unter Federführung des luxemburgischen Premierministers Pierre Werner ausgearbeiteter Plan zur Einführung einer Wirtschafts- und Währungsunion kam nicht zur Ausführung. Schließlich wurden die Vorarbeiten aus dem Werner-Plan unter maßgeblicher Leitung von Jacques Delors (Präsident der EU-Kommission 1985 – 1995) weiterentwickelt. Vor dem Fall der Berliner Mauer, im Juni 1989, wurde der Delors-Bericht verabschiedet. Er sah zwei Eckpfeiler vor: die dauerhafte Fixierung der Wechselkurse, garantiert durch eine Gemeinschaftswährung, und die Schaffung einer europäischen Zentralbank.

Die Europäischen Währungshüter. (© picture alliance / dpa-infografik, Globus 11737; Quelle: EZB, Stand 2017)

Aus ökonomischer Perspektive ist der Unterschied zwischen einer Gemeinschaftswährung und dauerhaft fixierten Wechselkursen, bei denen die teilnehmenden Länder ihre Währung behalten, gering. In beiden Fällen verschwindet das Wechselkursrisiko, der wichtigste Punkt für Unternehmen. In Europa wurde mit der Schaffung der Währungsunion versucht, dem von Robert Mundell skizzierten Zielkonflikt (sieheTrilemma) zu entkommen. Die Europäische Währungsunion sollte für Unternehmen kalkulierbare Verhältnisse – genauer den Entfall des Wechselkursrisikos – schaffen. Dieses Ziel wurde erreicht.

Allerdings traten auch unerwartete, unerwünschte Wirkungen der Gemeinschaftswährung zutage: Seit der Schaffung des Euro kann die Europäische Zentralbank zwar auf die Wirtschaftslage im Euroraum reagieren, aber eine Differenzierung zwischen den Bedürfnissen starker und schwächelnder Volkswirtschaften ist für die Europäische Zentralbank wegen der erforderlichen Einheitlichkeit der Geldpolitik nicht mehr möglich.

Diskussion um Vor- und Nachteile der Währungsunion

In Deutschland warb die Bundesregierung in den frühen 1990er-Jahren mit den wirtschaftlichen Vorteilen der Währungsunion: Der Reiseverkehr werde vom Entfall der unterschiedlichen Währungen ebenso profitieren wie der grenzüberschreitende Handel mit Waren und Dienstleistungen und der Kapitalverkehr. Hingewiesen wurde auch auf den Wegfall landesspezifischer Währungsrisiken aufgrund niedrigerer Inflation und niedrigerer Zinsen.

Ein weiteres Argument war, dass bei einer Währungsunion die Spekulation gegen einzelne Währungen eingedämmt werden könne. Dies war nach dem drastischen Wertverfall des britischen Pfundes, das 1992 nach einer spekulativen Attacke innerhalb weniger Tage aus dem Europäischen Währungssystem ausscheiden musste, eine plausible Begründung.

Die Annahme, nur eine Gemeinschaftswährung könne die Spekulation auf Wechselkursveränderung dauerhaft ausschalten, hat sich mit Blick auf die vergangenen Jahre jedoch nicht bewahrheitet. Vielmehr hat sich gezeigt, dass die Märkte auch bei einer Gemeinschaftswährung sehr wohl auf den Austritt einzelner Länder aus der Währungsunion wetten, wenn stark divergierende Wirtschaftspolitiken der Länder und das Fehlen eines innereuropäischen Finanzausgleichs diese Wetten befeuern und damit erhebliche Turbulenzen verursachen.

In der Debatte zur Europäischen Währungsunion standen sich ein stärker politisch und ein stärker ökonomisch argumentierendes Lager gegenüber. Die Politik vor allem in südlichen EU-Ländern setzte auf die "Lokomotivtheorie": Die Währungsunion sollte die stagnierende realwirtschaftliche Integration beleben und die Länder Europas zur politischen Einigung führen.

Viele Ökonomen, einschließlich der Bundesbank, vertraten dagegen die "Krönungstheorie": Am Ende des politischen Integrationsprozesses sollte die Währungsunion die politische Union vollenden. Aus Sicht ihrer Kritiker hat sich die "Lokomotivtheorie" bislang nicht bestätigt. Sie sehen Europas Gesellschaften durch die Währungsunion eher gespalten als geeint. So wird etwa die Nullzinspolitik, die die Europäische Zentralbank mit Rücksicht auf Südeuropa seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 verfolgt, besonders in Nordeuropa mit Skepsis betrachtet.

Die Steuerungswirkung der EZB

Die Eurozone (© Bergmoser + Höller Verlag AG, Zahlenbild 715 532)

Seit der Krise 2008/09 hat sich die EZB mit ihrer Politik des extrem billigen Geldes tendenziell von der Einschätzung leiten lassen, die Konjunktur in Europa sei schwach und zu sehr von der guten Entwicklung in Deutschland abhängig – eine Wahrnehmung, die von vielen Bürgerinnen und Bürgern geteilt wird.

Die aggregierten statistischen Daten bestätigen diesen Eindruck allerdings nicht: Im Jahr 2016 wuchs die Wirtschaft der Interner Link: Eurozone um real 1,7 Prozent, die der USA real um 1,5 Prozent. Es ergibt sich der Eindruck, dass letzteres in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, das Wachstum Europas eher nicht. Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone lag im Jahr 2016 ziemlich genau auf dem Niveau des Jahres 2005 (1,8 Prozent). Demgegenüber betrugen die langfristigen Zinsen in der Eurozone im Jahr 2005 3,4 Prozent, im Jahr 2016 nur noch 0,8 Prozent. (Die langfristigen Zinsen werden von der OECD durch Betrachtung der Marktzinsen für Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit ermittelt. Es handelt sich also nicht um die Zinssätze bei Emission der Staatsanleihe, sondern um die Preise auf dem Markt für "gebrauchte" Staatsanleihen. (Alle Daten von der OECD, Economic Outlook, Externer Link: Annex Tables 1 und 40.)

Die EZB sieht Europa nach der Krise von 2008 immer noch unterhalb des langfristigen Wachstumspfades. Doch orientiert sich ihre Geldpolitik nicht allein am Wirtschaftswachstum. Vielmehr hat sie die Unterschiede zwischen den Ländern des Südens und des Nordens der Eurozone im Blick.

Die Fragen, wer von der Politik der EZB profitiert und wen diese Niedrigzinspolitik benachteiligt, lassen sich relativ einfach beantworten. Wer Kapital besitzt, etwa in Form von Sparguthaben, muss Nachteile in Kauf nehmen. Dagegen profitieren von den niedrigen Zinsen diejenigen, die verschuldet sind oder Kredite aufnehmen wollen und für geliehenes Geld weniger zahlen müssen als bei einer Geldpolitik, die die Erholung nach der Krise nicht ausblenden würde.

In der Eurozone sind die Nutznießer insbesondere hoch verschuldete Staaten im Süden, etwa Italien, sowie verschuldete Privathaushalte und Unternehmen. Bei den Privathaushalten profitieren vor allem die hoch verschuldeten Niederländer, deren Schuldenlast pro Haushalt sich 2014 auf 283 Prozent der Wirtschaftsleistung belief, von den niedrigen Zinsen. Bei der Verschuldung der Privathaushalte landet Irland auf Platz 2 (208 Prozent des BIP), auf Platz 3 Portugal (143 Prozent des BIP). Deutschland liegt hier mit 94 Prozent Verschuldung der privaten Haushalte noch vor Italien (Externer Link: 90 Prozent).  Auch Staaten als Schuldner profitieren. Ohne die EZB-Politik hätten der deutsche Bundeshaushalt und die Haushalte der Bundesländer keine Überschüsse erzielen können.

QuellentextWem nutzt billiges Geld

Es ist keineswegs so, dass sich Nutznießer und Benachteiligte billigen Geldes entlang nationaler Grenzen identifizieren lassen. Grundsätzlich profitieren aber alle Bürgerinnen und Bürger hoch verschuldeter Staaten. Ob der Nutzen höher ausfällt als die Kosten lässt sich einfach berechnen: Gesparte Kosten infolge niedrigerer Zinskosten des Staates abzüglich niedrigerer Erträge etwa auf Sparguthaben.

Einige Modellrechnungen: Beate Mustermann ist deutsche Staatsbürgerin und verfügt über ein Sparguthaben von 34.000 Euro. Durch die niedrigen Zinsen spart der Bundesfinanzminister pro Jahr 20 Milliarden Euro an Zinsen. Beate Mustermann ist eine von 80 Millionen Deutschen und hat einen Nutzen von 250 Euro, die der Bundesfinanzminister etwa durch Reduzierung der vorhandenen Schulden oder durch Steuersenkungen an die Deutschen weitergeben kann. Zugleich bekommt Frau Mustermann nicht mehr vier Prozent Zinsen pro Jahr auf ihr Erspartes, sondern nur noch ein Prozent. Pro Jahr fehlen ihr Einnahmen aus Zinsen in Höhe von 1.020 Euro. Per Saldo verliert Frau Mustermann jährlich 770 Euro durch die Niedrigzinspolitik der EZB. Ein Mitbürger, der überhaupt keine Ersparnis hat, profitiert und hat einen Nutzen von 250 Euro pro Jahr. Ein wohlhabender Deutscher, der auf seinem Sparbuch 100.000 Euro hat, verliert dagegen pro Jahr 2.750 Euro. Erfreulich sind die niedrigen Zinsen für einen Immobilienbesitzer, der 300.000 Euro aufgenommen hat. Die um drei Prozent niedrigeren Zinsen reduzieren die jährliche Zinslast um 9.000 Euro, zuzüglich der 250 Euro an eingesparten staatlichen Zinskosten.

Die Europäische Währungsunion kennt somit Verlierer und Gewinner, und es erscheint wenig sinnvoll, diese Frage auf die einzelnen Nationalstaaten zu beschränken. Der Nutzen in Form dauerhaft fixierter Wechselkurse ist erheblich, aber die Folgekosten der gemeinsam beschlossenen europäischen Währung werden in einigen Mitgliedsländern als unangemessen hoch angesehen und als "monetäre Zwangsjacke" wahrgenommen.

Auch nach der Abstimmung der Briten über den Austritt aus der Europäischen Union 2016 hat es bislang keine breite Debatte über die künftige Form der EU gegeben. In Deutschland haben führende Politiker, unter anderem die Bundeskanzlerin, eine "Rosinenpickerei" abgelehnt.

Andere Beobachter setzen jedoch genau auf dieses Modell und befürworten ein Europa einer "variablen Geometrie". Dies würde jedoch eine Änderung der Europäischen Verträge erfordern. Dort wird bislang am "Prozess der Schaffung einer immer engeren Union der Völker Europas" festgehalten.

Umgang mit Finanzkrisen in den USA und in Europa

Befürworter einer Vertiefung der europäischen Integration verweisen oft auf die USA, die sich ihrer Ansicht nach nicht nur durch eine gemeinsame Währung, sondern auch durch fiskalpolitische Kooperation auszeichneten. Dieses Argument trifft jedoch nicht ganz zu. Geraten in den USA einzelne Bundesstaaten in fiskalpolitische Schwierigkeiten, gibt es keine Hilfen der amerikanischen Bundesregierung in Washington. Denn nicht diese ist verantwortlich für die bundesstaatlichen Haushaltsrisiken, sondern die einzelnen Bundesstaaten. Es gibt auch die Möglichkeit der Insolvenz von Gebietskörperschaften, siehe den Fall Orange County in Kalifornien von 1994.

2017 zeigt sich am Beispiel Puerto Ricos, wie die USA Staatsbankrotte handhaben. Puerto Ricos 3,5 Millionen Einwohner haben Staatsschulden von 73 Milliarden Dollar angehäuft. Die Karibikinsel ist mit den USA assoziiert, aber kein US-Bundesstaat. Dennoch wird nun ein vom US-Kongress eigens für Puerto Rico verabschiedetes Gesetz angewendet, dass es der Regierung Puerto Ricos erlaubt, den Bankrott zu erklären und die vorhandenen Schulden nur teilweise zurückzuzahlen. Über die Höhe der Schuldenstreichung wird ein amerikanisches Gericht befinden. Vergleichbares gab es in den USA schon zuvor, etwa die Pleite der Stadt Detroit, bei der Gläubiger ebenfalls auf Forderungen verzichten mussten.

Anders als in Europa nehmen weder die Finanzmärkte noch die Politik an, dass der Bankrott eines staatlichen Schuldners Auswirkungen auf die Stabilität des amerikanischen Dollar hat. Auch auf Krisen einzelner Bankinstitute wurde in den USA anders reagiert als bislang in Europa. Seit 2008 wurden zahlreiche US-Banken geschlossen, darunter die große Investmentbank Lehman Brothers, aber auch 500 weitere Institute.

QuellentextVerstaatlichung und Verkauf von Nothern Rock

Großbritannien wurde früher als die meisten anderen europäischen Volkswirtschaften von der weltweiten Finanzkrise erfasst. Eine der ersten Banken, die um Liquiditätshilfen bitten mussten, war Northern Rock, eine in der Immobilienfinanzierung tätige Bank. Nachdem sich die Krise verschärfte und zum ersten Mal seit 150 Jahren ein Sturm auf eine britische Bank zu beobachten war, wurde Northern Rock am 22. Februar 2008 verstaatlicht. Die Aktionäre verloren ihr Kapital. Schon nach kurzer Zeit wurde die Bank in zwei Teile aufgespalten: Ein Teil übernahm die Altlasten und verblieb in Staatsbesitz, der andere Teil, das Neugeschäft, wurde ausgeschrieben und Anfang 2012 an die Bank Virgin Money verkauft. Der Staat muss für diese Stützungsaktion bis zu zwei Milliarden Pfund zuschießen, was im Vergleich zu den Kosten von Bankenrettungen auf dem europäischen Festland ein überschaubarer Beitrag ist.

"Northern Rock rescue could cost taxpayer £2bn", BBC Online, 18. Mai 2012, im Internet unter Externer Link: http://www.bbc.com/news/business-18106848

Inwieweit eine Rettung speziell von Lehman Brothers die anschließende internationale Finanz- und Wirtschaftskrise hätte verhindern können, ist bis heute in Expertenkreisen strittig. Ein Teil der Beobachter meint, die Schließung von Lehman Brothers am 15. September 2008 sei ein "Jahrhundertfehler" (so Der Spiegel am 9. März 2009) gewesen, erst diese Entscheidung habe die internationalen Finanzmärkte in den Grundfesten erschüttert.

Die Gegenposition verweist darauf, dass das Finanzsystem durch jahrelange Übertreibungen instabil geworden war. Denn die US-Hypothekenmärkte hatten zuvor massenweise Kredite an Menschen ohne Einkommen vergeben und damit eine Kreditblase erzeugt, die der Zusammenbruch von Lehman lediglich zum Platzen brachte. Nach dieser Sichtweise hätte eine Rettung von Lehmann die Krise nicht verhindert, sondern lediglich den Zeitpunkt des Zusammenbruchs verschoben.

QuellentextSystemisch relevante Banken und deren Rettung

In den Finanzkrisen der letzten Jahre wurde häufig von Banken gesprochen, die systemrelevant seien. Damit ist gemeint, dass solche Banken so groß und so mit anderen Finanzinstituten vernetzt sind, dass ein Zusammenbruch dieser Bank eine Krise des gesamten Finanzsystems nach sich ziehen würde. Die Politik sei deshalb gut beraten, systemrelevante Banken stets zu retten und damit eine größere Krise zu verhindern.

Das Bewusstsein, im Krisenfall vom Staat gerettet zu werden, kann Banken allerdings dazu verleiten, sehr risikoreiche Geschäfte einzugehen. Zudem gibt es bislang keine Kriterien für die Systemrelevanz einer Bank. Daher können sich selbst mittelgroße Banken als systemrelevant erklären, um im Krisenfall gerettet zu werden. In der Schweiz, wo es mit der UBS und der Credit Suisse zwei sehr große, vermutlich wirklich systemrelevante Banken gibt, hat die Schweizer Politik diesen Banken besondere Auflagen gemacht. Ende des Jahres 2018 müssen beide Banken sehr viel mehr Eigenkapital für den Krisenfall vorhalten als kleinere Institute (19 statt 13 Prozent der risikogewichteten Kreditsumme). In den USA hat ein Mitglied des dortigen Zentralbankrates, Neel Kashkari, ein noch höheres Maß an Eigenkapital für Banken gefordert, die zu groß für staatliche Rettungsmaßnahmen (too big to fail) seien. Er nannte eine anzustrebende Eigenkapitalausstattung von 38,5 Prozent der Kreditsumme.

Aus den Krisen der vergangenen Jahre haben die EU-Mitgliedsstaaten grundsätzlich gelernt, dass es eine stufenweise Haftung geben sollte: Zuerst haften die Eigentümer (die Aktionäre) einer Bank, dann weniger gut besicherte Gläubiger, anschließend besser besicherte Gläubiger und Großsparer (Einlagen oberhalb von 100.000 Euro). Erst in allerletzter Instanz haften im Idealfall die Steuerzahler. Allerdings wurde dieser marktwirtschaftlich angemessene Pfad – die Schließung von Banken bei Schutz der Spareinlagen (bis zu einem Maximalbetrag) – bei den in Not geratenen italienischen Banken im Jahr 2017 wieder nicht eingehalten.

Professor Dr. Heribert Dieter studierte Politikwissenschaft und Ökonomie an der Freien Universität Berlin und wurde dort mit einer Arbeit zur australischen Außenwirtschaftspolitik promoviert. 2005 erschien seine Habilitationsschrift zum Thema "Die Zukunft der Globalisierung".
Dieter arbeitet als Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen der Stiftung Wissenschaft und Politik (Berlin) und ist außerplanmäßiger Professor an der Universität Potsdam sowie Gastprofessor für internationale politische Ökonomie an der Zeppelin Universität Friedrichshafen.