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Universeller Menschenrechtsschutz

Wolfgang S. Heinz

/ 23 Minuten zu lesen

UNHCR Hilfsgüter werden für Flüchtlinge aus Libyen in Djerba entladen. (© picture-alliance, Photoshot)

Einleitung

Noch bis in die 1980er Jahre hinein wurden Menschenrechtsfragen vorrangig als innerstaatliche Angelegenheit betrachtet - besonders von Staaten, die wegen ihrer Menschenrechtspraxis in der Öffentlichkeit kritisiert wurden. Traditionell ist diese Auffassung durchaus rechtlich legitim, ist doch nationale Souveränität eine Grundlage des Völkerrechts. So heißt es in Artikel 2, Ziffer 7 der VN-Charta, dass "keine Bestimmung der vorliegenden Satzung die Vereinten Nationen [berechtigt], in Angelegenheiten einzugreifen, die ihrem Wesen nach in die innerstaatliche Zuständigkeit jedes Staates gehören, oder die Mitglieder verpflichtet, solche Angelegenheiten der in der vorliegenden Satzung vorgesehenen Regelung zu unterwerfen".

Jedoch veränderte sich diese Auffassung in den 1980er Jahren, auch und nicht zuletzt durch den Bedeutungszuwachs nichtstaatlicher Menschenrechtsorganisationen. So hieß es in der Schlusserklärung der Zweiten Weltmenschenrechtskonferenz in Wien 1993, auf der neben 171 Staaten auch 1400 Nichtstaatliche Organisationen (NGOs) mit rund 4000 Delegierten vertreten waren, Menschenrechte seien ein legitimes Anliegen der internationalen Gemeinschaft. Sie seien universell, unteilbar, einander bedingend und miteinander zusammenhängend. Gleichwohl wird bis heute auch im Umgang mit Menschenrechten immer wieder der Grundsatz nationaler Souveränität bemüht, kritisierte Staaten verbitten sich eine Einmischung von außen.

Ebenso wie die Friedenssicherung entstand auch die VN-Menschenrechtspolitik als Reaktion auf die im Umfang ungekannten Verbrechen des Zweiten Weltkrieges und die Menschheitsverbrechen unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Sie legten der Weltgemeinschaft gemeinsame Anstrengungen zum internationalen Schutz der Menschenrechte nahe, nachdem der nationale Schutz fundamentaler Menschenrechte so offenkundig versagt hatte. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte war hierzu der entscheidende erste Schritt.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Die 1946 gegründete VN-Menschenrechtskommission wurde damit beauftragt, eine Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) auszuarbeiten. War das Mandat zur Ausarbeitung auch unumstritten, so gaben ihre Aktivitäten vom ersten Tag an doch Anlass zu Kontroversen um den Kompetenzspielraum der Kommission - besonders um die Frage, ob dies eine Einschränkung der nationalen Souveränität zur Folge haben würde. Dieses Misstrauen begleitete auch die Arbeit der ersten "Rumpf"-Menschenrechtskommission von neun Mitgliedern unter Leitung von Eleanor Roosevelt. Ihre Vorschläge, die Kommission durch unabhängige Fachleute statt Regierungsvertreter zu besetzen und dem Sicherheitsrat zuzuarbeiten, um Fälle systematischer Menschenrechtsverletzungen als Bedrohung für den internationalen Frieden nach Artikel 39 VN-Satzung zu werten, wurden vom übergeordneten VN-Wirtschafts- und Sozialrat abgelehnt. Er setzte sich aus von der Generalversammlung gewählten Mitgliedern zusammen, die damals vor allem aus westlichen - europäischen und lateinamerikanischen - sowie einigen wenigen kommunistischen und Ländern der Dritten Welt kamen. Unabhängige Experten und die Unterstützung des Sicherheitsrates hätten der Kommission eine starke politische Legitimation und weit reichende Kompetenzen verliehen, gegen die sich die Mitgliedstaaten mehrheitlich verwahrten. So erhielt sie schlussendlich zwar ein breites Aufgabenspektrum, aber ihre Grenzen waren vom ersten Moment an durch die Diskussionen um die Reichweite des Mandats vorgezeichnet. Sie durfte sich beispielsweise nicht mit Einzelbeschwerden befassen und ihr institutioneller Status als eine von mehr als zehn so genannten technischen Kommissionen des Wirtschafts- und Sozialrates war gering. Am 10. Dezember 1948 wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von der VN-Generalversammlung ohne Gegenstimmen und bei acht Enthaltungen seitens sechs kommunistischer Staaten, Südafrikas und Saudi-Arabiens angenommen - eine politische Grundsatzerklärung ohne rechtliche Bindung, aber von außerordentlicher Ausstrahlungskraft.

Universalität der Menschenrechte?

Die Frage nach der Universalität der Menschenrechte wurde schon bei der Erklärung diskutiert und beschäftigt bis heute Politik und Wissenschaft. Das sehr komplexe Thema soll hier nur kurz angedeutet werden. Ob und in welchem Umfang Menschenrechte wirklich universell bekannt, akzeptiert und durchsetzbar sind, wird mit Blick auf eine Vielzahl von Gesellschaftsordnungen und Kulturen zunehmend diskutiert - und vor allem in Bezug auf China und andere asiatische sowie islamische Staaten bedeutsam. Früher wurde die Frage im Kontext des Ost-West-Konflikts gestellt, wobei der Westen die Betonung auf die Freiheitsrechte legte, während die kommunistischen Staaten für die Priorität sozialer Rechte eintraten. Gegenwärtig verlaufen die Meinungsunterschiede bei bestimmten Themen aber zwischen den Ländern des Westens und des Globalen Südens, der die Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas umfasst. (Näheres hierzu weiter unten.)

Der Menschenrechtsexperte Heiner Bielefeldt hat zu Recht gewarnt, die Menschenrechtsdebatte auf westliche gegen andere Werte zu verkürzen: "Ein interkulturelles oder interreligiöses Gespräch über Menschenrechte verlangt Behutsamkeit. Auf der einen Seite gilt es, dem Gegenüber gerecht zu werden, das heißt den Partner im Gespräch in seiner Eigenständigkeit anzuerkennen. Auf der anderen Seite wäre es jedoch problematisch, die Eigenständigkeit des Gegenübers kulturalistisch zu einer unüberbrückbaren _Andersheit_ zu stilisieren, die wenig Freiraum für geistige Entwicklung und kommunikativen Austausch ließe. Wenn es um Menschenrechte geht, ist außerdem zu berücksichtigen, dass deren normativer Universalismus sowohl durch die Gleichsetzung der Menschenrechte mit partikularen _kulturellen Werten_ (zum Beispiel _westlichen Werten_) als auch durch ihre Reduktion auf einen interkulturellen Minimalkonsens gefährdet werden würde."

QuellentextKontroverse um Religionsfreiheit

Seit mehreren Jahren gibt es eine Kontroverse zwischen westlichen Ländern und vor allem islamisch geprägten Ländern um Religionsfreiheit. Vor allem islamische Staaten wie Pakistan und Ägypten setzen sich dafür ein, dass der Staat Kritik an und Verunglimpfung von einer Religion und besonders die Verunglimpfung des Islams (Islamophobie) durch Gesetzgebung bekämpft. In mehreren Resolutionen des Menschenrechtsrats, die auf diese Staaten zurückgehen, wurde daher aus dem individuellen Recht auf Religionsfreiheit eine Empfehlung an die Staaten, Religion zu schützen. Diese Position wird von westlichen Staaten abgelehnt. [W.S.H.]
Zur Kontroverse äußert sich der VN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Prof. Dr. Heiner Bielefeldt. [...] Herr Professor Bielefeldt, welche Bedrohungen sehen Sie für die Religionsfreiheit?
Bielefeldt: Es gibt Länder, in denen Menschen nicht einmal im Privaten ihre Religion praktizieren können. Länder, in denen der Staat die Seele vergewaltigt. Anderswo greifen Staaten in die Manifestationen des religiösen Lebens, also beispielsweise Gottesdienste und Gebete, ein und reglementieren sie. Dahinter steckt dann oft die Furcht, dass das gewünschte Bild einer homogenen Gesellschaft gefährdet wird, wenn Menschen einem anderen Glauben anhängen. Und es gibt oft Probleme mit der Gleichbehandlung der Angehörigen verschiedener Religionen: Als Menschenrecht geht die Religionsfreiheit natürlich von der Gleichbehandlung aller Menschen aus. Die Menschen sollen alle in der Lage sein, ihre Religion zu leben. Tatsächlich werden in einer Reihe von Staaten religiöse Minderheiten massiv verfolgt.
Christliche Kirchen und Hilfswerke gehen davon aus, dass Christen weltweit die am stärksten verfolgte Religion sind. Wie sehen Sie das?
Bielefeldt: Ich bin da etwas vorsichtiger. Rein quantitativ haben die Kirchen natürlich recht: Die Christen sind die weltweit größte Religion, da ist es verständlich, dass es in Ländern, in denen die Religionsfreiheit nicht gewährleistet wird, oft Christen sind, die verfolgt werden. Und man muss ganz klar und deutlich sagen, dass in Ländern wie dem Iran, wie Pakistan, China oder Somalia christliche Gruppen sehr stark von Verfolgung betroffen sind. Allerdings geht es nicht immer nur um die Quantität, sondern auch um die Intensität der Verfolgung: Und da sollten wir nicht vergessen, dass manche kleineren Religionen, etwa die Bahai im Iran, ebenfalls sehr stark betroffen sind und Opfer eines regelrechten Vernichtungsfeldzugs zu werden drohen.
Was können Sie als VN-Sonderbevollmächtigter daran ändern?
Bielefeldt: Mein Amt hat eine Reihe von Möglichkeiten, die in der Praxis aber natürlich auch begrenzt sind. Eine Möglichkeit sind die Demarchen, ein diplomatischer Briefwechsel, mit dem ich bei Regierungen Protest gegen Verletzung der Religionsfreiheit einlegen kann. Geschieht dann nichts, kann der Briefwechsel auch veröffentlicht werden, was den Druck auf die Regierung natürlich erhöht. Daneben kann ich mit Länderbesuchen, deren Ergebnisse veröffentlicht werden, Aufmerksamkeit für die Religionsfreiheit wecken. Aber weil mein Amt ein Ehrenamt ist, geht das natürlich auch nur stichprobenartig. Und dann kann ich mich in die konzeptionelle Weiterentwicklung der Menschenrechte einbringen: Da ist es mir wichtig, dass die Religionsfreiheit als vollwertiges Menschenrecht zur Geltung kommt, und nicht in Richtung einer bloßen Toleranzsemantik ins Diffuse abrutscht.
Welche Möglichkeiten haben denn die VN, um die Religionsfreiheit durchzusetzen?
Bielefeldt: In den Vereinten Nationen ist die Religionsfreiheit als Menschenrecht verankert, und zwar im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den derzeit 165 Mitgliedsstaaten der VN ratifiziert haben. Im Rahmen dieses Paktes sind regelmäßige Überprüfungen vereinbart worden, bei denen es darum geht, wie sehr die Staaten die Menschenrechte einhalten. Das ist eine Möglichkeit, um das Thema Religionsfreiheit auf den Tisch zu bringen, für die die öffentliche Aufmerksamkeit in der Regel auch sehr hoch ist. [...]

Das Interview führte Benjamin Lassiwe, mitteldeutsche-kirchenzeitungen. de vom 15. Juli 2010

Die Universalität der Menschenrechte bestehe, so Bielefeldt, nicht im globalen Geltungsanspruch bestimmter (etwa eigener) "kultureller Werte", sondern hänge wesentlich mit menschheitsweiten Unrechtserfahrungen zusammen. Auch wenn die Idee der Menschenwürde mit ihrem universalen Freiheits- und Gleichheitsanspruch historisch zunächst in Europa und Nordamerika zum Durchbruch gelangt sei, könnten Menschenrechte heute als Erbe der gesamten Menschheit betrachtet werden.

QuellentextUnteilbar oder gar nicht

[...] [Die Menschenrechte sind] zwar im Wesentlichen ein Diskurs der westlichen Demokratien. Sie sind aber auch dort erst nach langen Auseinandersetzungen erkämpft worden und selbst heute alles andere als selbstverständlich - wie beispielsweise die aktuelle Amnesty-Kampagne gegen Polizeigewalt in Deutschland zeigt.
Eine wesentliche Rolle für die Stärkung der Rechte und der Würde des Individuums spielte die Aufklärung und die damit verbundene Befreiung des Einzelnen von der Allmacht der Religion, der Blutsbande - also der ethnischen Zugehörigkeit - und der Übermacht des Staates. [...] In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, einem Gründungsdokument der Vereinten Nationen, wurde [...] in 30 Artikeln festgeschrieben, welche Rechte dem Einzelnen zustehen. Neben den so genannten Freiheitsrechten wie dem Recht auf freie Meinungsäußerung oder dem Schutz vor willkürlichen Eingriffen in das Privatleben umfasst es auch eine Vielzahl von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten.
Das Ziel von Amnesty International wiederum ist satzungsgemäß, "eine Welt zu schaffen, in der alle Menschen die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und anderen internationalen Menschenrechtsinstrumenten festgeschriebenen Rechte genießen". Ihre Grundprinzipien beruhen auf der Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte und der internationalen Solidarität.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu sehen, dass Menschenrechte kulturspezifisch zwar unterschiedlich interpretiert werden können. Der Kerngedanke, dass es Eingriffe in die Privatsphäre und die Menschenwürde gibt, die jeder Mensch unabhängig von seiner religiösen oder kulturellen Zugehörigkeit als inhuman empfindet, bleibt davon aber unberührt.
Wer die universellen Menschenrechte [...] lediglich zu einer kulturellen Erscheinung von regionaler Relevanz und Gültigkeit definiert, erklärt sie zur reinen Ansichtssache - und damit zum Spielball der jeweiligen regionalen Machthaber und ihrer Interessen. Dieser Kulturrelativismus führt zu einer Haltung, in der sich nicht nur Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal anderer Menschen spiegelt, sondern die auch anti-individualistisch, somit letztlich vormodern argumentiert.
Ebenso ist klar, dass die einen Rechte nicht gegen die anderen ausgespielt werden können. Es wäre menschenrechtswidrig, etwa das Recht auf freie Meinungsäußerung nur den Wohlhabenden zu gewähren, wie es umgekehrt verwerflich wäre, zwar allen Arbeit und Wohnung zur Verfügung zu stellen, jegliche Kritik an der Regierung aber zu verbieten. [...]
Menschenrechte sind keine utopistischen Hirngespinste, sie sind nicht abhängig von kulturellen Besonderheiten, und sie taugen nicht als Deckmantel für utilitaristische Interventionen. Sie bieten die einzige Garantie dafür, dass ein halbwegs zivilisiertes Leben auf dieser Welt möglich ist. Die Menschenrechte sind universell, sie sind unteilbar oder sie sind gar nicht.

Die Verfasserin ist Völkerrechtlerin und Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty international. Monika Lüke, "Unteilbar oder gar nicht", in: der Freitag vom 12. August 2010

In der Politik sind Menschenrechte häufig ein kontroverses Thema, speziell in der politischen Diskussion zwischen westlichen Industrie- und südlichen Entwicklungsländern, die in den VN die breite Mehrheit stellt, vor allem westliche Länder kritisieren Menschenrechtsverletzungen. Anlass zu beträchtlichen Meinungsunterschieden in der Bewertung weltpolitischer Entwicklungen geben Themen wie die Globalisierung mit ihrer Entfesselung der Weltwirtschaft, deren Auswirkungen tief in das Wirtschaftsgefüge der Einzelstaaten eingreifen, die militärische und atomare Auf- bzw. Abrüstung, die Rolle von IWF und Weltbank bei der Armutsbekämpfung, die Maßnahmen zum Klimaschutz, der Nahost- Konflikt und nicht zuletzt Militärinterventionen im Süden. All dies befördert häufig Misstrauen - nicht nur zwischen Regierungen, sondern auch bei nationalen Eliten und in der Bevölkerung.

Der Westen befindet sich in der VN-Generalversammlung nach Stimmenzahl in der Minderheit. Ihm stehen in manchen Menschenrechtsfragen über 130 Entwicklungsländer gegenüber, die zwar nicht immer gleiche Positionen vertreten und entsprechend abstimmen, aber doch häufig ähnliche Interessen verfolgen. Noch sichert sein übermächtiges Wirtschafts- und Militärpotenzial dem Westen eine Vorrangrolle, und damit hat er auch die Möglichkeit, seine Auffassung der Menschenrechte aktiv zu propagieren. Gleichwohl ist seine Rolle in Menschenrechtsfragen nicht immer einheitlich und richtet sich situativ nach nationalen politischen und wirtschaftlichen Interessen, wie zuletzt etwa der jahrzehntelange positive Umgang mit autoritären Regierungen im Nahen Osten und in Nordafrika zeigte. Häufig ging es eher um "Stabilität" - gemeint sind verlässliche Partner für westliche Interessen - als um Demokratie und Menschenrechte, die natürlich auch Unsicherheit hervorbringen können, wenn die "falschen" politischen Kräfte gewählt werden.

Zudem gewinnen in den letzten Jahren neue Mächte an Einfluss, vor allem China, aber auch Indien und Brasilien, die die weltpolitische Dominanz des Westens nicht länger akzeptieren. In diesem Kontext betonen Staaten wieder stärker ihre nationale Souveränität, und Menschenrechtskritik, die ihnen unangenehm ist, wird schnell pauschal abgewehrt, statt sich offen realen Menschenrechtsproblemen zu stellen. Bequemer ist es dann oft, sie als Teil des Nord-Süd-Konflikts abzutun.

Das VN-Hochkommissariat für Menschenrechte

Das Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf setzt sich für den weltweiten Schutz der Menschenrechte ein. Das Amt arbeitet mit Regierungen, Gesetzgebungsorganen, Gerichten, nationalen Menschenrechtsinstitutionen, regionalen und internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft zusammen, um den Schutz der Menschenrechte praktisch zu stärken. Gleichzeitig fungiert das Hochkommissariat als Sekretariat für den VN-Menschenrechtsrat, unterstützt die fast 40 Sonderberichterstatter des Rates, die Vertragsorgane sowie die Expertenausschüsse, die im Zusammenhang mit den Menschenrechtsverträgen eingerichtet wurden. Nach dem Reformgipfel von 2005 (UN World Summit) wurden die Menschenrechte als Querschnittsaufgabe im gesamten VNSystem unter Einbeziehung der Generalversammlung und der Friedensmissionen stärker verankert. Dies stärkte das Amt des Hochkommissariats.

Die Website des Hochkommissariats (www.ohchr.org) bietet einen systematischen Zugang zu allen wichtigen Institutionen, Abkommen und Dokumenten des internationalen Menschenrechtsschutzes sowie Informationen zu einzelnen Ländern. Im Hochkommissariat arbeiten knapp 1000 Fachleute, jeweils etwa zur Hälfte in Genf und in mehr als 50 Ländern. Es gibt weltweit zwölf Regionalbüros. Die Experten des Hochkommissariats sind auch in VN-Friedensmissionen tätig. Im Zeitraum 2010/11 werden 2,8 Prozent des regulären VN-Budgets für den Arbeitsbereich Menschenrechte verwandt, was jedoch nur ein Drittel des Haushalts ausmacht. Der Rest wird über freiwillige Beiträge der Staaten, von Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und Einzelpersonen finanziert. Deutschland gehörte 2009 mit circa 6,3 Millionen Euro zu den zehn größten Gebern des Hochkommissariats.

Institutionell besteht das Hochkommissariat aus vier Abteilungen: für Menschenrechtsverträge, für den Menschenrechtsrat und die Sonderberichterstatter, für Feldoperationen und technische Zusammenarbeit sowie für Forschung und das Recht auf Entwicklung.

Seit 2008 ist die Südafrikanerin Navanethem Pillay Hochkommissarin für Menschenrechte und damit auch VN-Untergeneralsekretärin. Sie war vorher Präsidentin des VN-Strafgerichtshofes zum Völkermord in Ruanda, in Arusha, Tansania und Richterin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, Niederlande. Sie äußert sich zu einer Vielzahl von Themen und auch Staaten, zu denen der Menschenrechtsrat seit Jahren weder eine Resolution verabschiedet noch einen Sonderberichterstatter ernannt hat, in den letzten Jahren zum Beispiel zu China, Pakistan, den USA, der Russischen Föderation, Simbabwe und Iran.

Im Zweijahresplan 2010/11 des Hochkommissariats werden sechs thematische Schwerpunkte angegeben:

  • die Bekämpfung von Straflosigkeit und die Stärkung des Rechtsstaats;

  • das Vorgehen gegen rassistische Diskriminierung, gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes und gegen Marginalisierung von Menschengruppen (es gibt zum Beispiel eigene Fachleute für Menschenrechte sowie Expertenausschüsse zu Frauen- und Kinderrechten sowie zwei Foren zu ethnischen Minderheiten und zu indigenen Völkern);

  • der Einsatz für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie gegen Armut;

  • der Schutz der Menschenrechte in bewaffneten Konflikten;

  • der Einsatz für Menschenrechte im Kontext von Migration und

  • die Stärkung internationaler Menschenrechtsmechanismen wie auch die Weiterentwicklung des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes.

Aufgaben und Instrumente des Menschenrechtsrates

Die Menschenrechtskommission

Nach der Gründung der Vereinten Nationen 1945 war zwischen 1946 und 2006 zunächst die VN-Menschenrechtskommission (MRK) mit ihren vom VN-Wirtschafts- und Sozialrat in Genf gewählten Mitgliedstaaten das zuständige Organ zur Diskussion menschenrechtlicher Fragen. Es gibt bei den VN fünf Regionalgruppen - Afrika, Asien, Lateinamerika, westliche und andere Staaten, Osteuropa -, aus denen heraus Mitglieder in die VN-Organe gewählt werden. Die Kommission hatte 53 Mitglieder, 15 für Afrika, zwölf für Asien, elf für Lateinamerika/Karibik, fünf für Osteuropa und zehn für Westeuropa und andere Staaten.

Hauptaufgaben der Kommission wie des Menschenrechtsrates, der sie schließlich 2006 ablöste, sind vor allem die Ausarbeitung von Menschenrechtsinstrumenten, das heißt rechtlich verbindlichen internationalen Verträgen und nicht bindenden politischen Erklärungen der Generalversammlung. Hinzu kommt die Diskussion zu akuten Menschenrechtsproblemen.

In diesem Zusammenhang werden zu einzelnen Ländern Resolutionen verabschiedet sowie Sonderberichterstatter (special rapporteurs, hier: Länderberichterstatter) - meist für ein Jahr - eingesetzt, die auch als Augen und Ohren des Rates bezeichnet werden. Auch Themen wie Frauenrechte oder die Rechte von Behinderten werden erörtert und bearbeitet. Über 30 Themenberichterstatter werden für drei Jahre eingesetzt; insgesamt arbeiteten im Februar 2011 39 Sonderberichterstatter für die Kommission.

Die Behandlung von Ländersituationen war meist schwierig, weil sich die betroffenen Staaten häufig gegen vorgeschlagene kritische Resolutionen und die Einsetzung von Berichterstattern wandten und in der eigenen Regionalgruppe oder darüber hinaus für ihre Position Unterstützung suchten. Lange Zeit waren in der Menschenrechtskommission nur Diskussionen über Apartheid in Südafrika, die Minderheitsregierung in Süd-Rhodesien (heute Simbabwe) und die israelisch besetzten Gebiete allgemein akzeptiert und möglich. Dem Militärputsch in Chile 1973, der ein großes Medienecho fand, kam eine Signalfunktion zu, sich breiter mit Ländern zu befassen und sich nicht nur auf die internationale Normsetzung zu beschränken.

Die Kommission begann in den 1980er Jahren, Berichterstatter zu berufen und Arbeitsgruppen einzurichten, die ihr berichteten: zuerst 1980 die Arbeitsgruppe zu Verschwundenen, dann 1982 die Mandate zu außergerichtlichen, summarischen oder willkürlichen Hinrichtungen, 1985 zu Folter und 1986 zu Religionsfreiheit. Auch zu Ländern wurden solche Verfahren eingerichtet, zunächst vor allem zu den Militärdiktaturen Lateinamerikas, später auch zu Ländern Asiens, Afrikas und zu Jugoslawien. Wichtig für die häufig politisch schwer durchsetzbaren Entscheidungen waren die Medienberichterstattung, der Einsatz engagierter Regierungen und großer NGOs wie amnesty international, aber auch lokale Menschenrechts-NGOs wie die Mütter von der Plaza de Mayo (Argentinien), das Friedenskomitee (Chile) und in Osteuropa die Helsinki-Komitees.

Reformversprechen und Reformprozess

Ende der 1990er Jahre wurden angesichts zunehmender Kritik Reformansätze für die Kommission diskutiert. Beide Seiten, Industrie- und Entwicklungsländer, beanstandeten die mangelnde Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit der MRK und bedauerten auch, wie selektiv Länder kritisiert wurden. Beide sprachen von der Notwendigkeit einer Reform des Schutzsystems, verfolgten aber unterschiedliche Ziele. Die Gruppe der westlichen Länder wollte die Kommission und ihre Sonderverfahren - Sonderberichterstatter, Arbeitsgruppen - stärken, auch wenn sie nicht mit der Einrichtung aller Mandate einverstanden war; so lehnte sie meist Mandate zum Beispiel zu Giftmüll, Auslandsschulden oder Entwicklung ab, weil diese Themen ihrer Ansicht nach nicht in die Kommission gehörten. Auf der anderen Seite beanstandeten viele afrikanische und asiatische Staaten die ihrer Auffassung nach selektive Kritik an Ländern des Südens und forderten einen Politikwechsel: Das hieß möglichst geringe öffentliche Kritik - verbunden mit weniger Länderresolutionen und einer selteneren Einsetzung von Berichterstattern (außer zu Israel/Palästina) -, und eher technische Unterstützung für Länder mit Problemen. Auch erwartete man "konstruktive" Kritik, ein politisch natürlich auslegungsbedürftiger Begriff. Zwischen beiden Gruppen positionierten sich die restlichen Staaten, vor allem aus Lateinamerika, die themenabhängig votierten.

Der neue Menschenrechtsrat

2006 wurde die Kommission durch den Menschenrechtsrat (MRR) abgelöst, die betreffende Resolution der Generalversammlung wurde mit 170 gegen vier Stimmen (USA, Israel, Palau und die Marshall-Inseln) und bei drei Enthaltungen (Belarus, Iran und Venezuela) angenommen.

Der MRR ist ein Nebenorgan der Generalversammlung. Die 47 Mitgliedstaaten werden von ihr in geheimer Wahl für drei Jahre gewählt. (Im Jahr 2011 wird geprüft, ob der MRR in ein VN-Hauptorgan wie Generalversammlung oder Sicherheitsrat umgewandelt wird.) In spiegelbildlicher Relation zur Generalversammlung gibt es 13 Sitze für die afrikanische, 13 für die asiatische, sechs für die osteuropäische, acht für die lateinamerikanische und karibische sowie sieben Sitze für die westeuropäische Regionalgruppe.

Im Vergleich zur MRK verlor die westliche Gruppe drei Sitze, da nicht mehr die Sitzverteilung im Wirtschafts- und Sozialrat, sondern in der Generalversammlung zu Grunde gelegt wurde. Alle Mitgliedstaaten der Menschenrechtskommission werden von der GV mit einfacher Mehrheit, 96 Stimmen, gewählt und sollen - müssen aber nicht - öffentlich Selbstverpflichtungen (pledges) abgeben, welche positiven Maßnahmen sie im Falle ihrer Wahl planen. Die GV kann einen Staat mit Zweidrittelmehrheit aufgrund seiner Menschenrechtslage suspendieren und hat dies im Fall Libyens 2011 auch getan.

Der VN-Menschenrechtsrat

Neben seinen dreimal jährlich stattfindenden bisher 16 regulären Sitzungen zwischen 2006 und März 2011 hielt der MRR eine Reihe von Sondersitzungen zu Themen und Ländersituationen ab: zu Israel/Palästina (fünf Sitzungen), zu Israel/ Libanon, Sudan/Darfur, Myanmar/Birma, zum Recht auf Nahrung, zum Ost-Kongo, zur Globalen Finanzkrise, zu Sri Lanka, Haiti, der Elfenbeinküste, Libyen und Syrien.

Schwierige und meist kontroverse Themen zwischen vielen Ländern des Globalen Südens und dem Westen sind Länderresolutionen, -berichterstatter, Israel/Palästina, Rassismus und Religionsfreiheit/Islamophobie. Zu Themen wie dem Israel- Palästina-Konflikt und der Diffamierung des Islams standen sich bisher häufig die Mehrzahl der afrikanischen und asiatischen Länder mit Kuba und die westliche Gruppe (plus Südkorea und Japan) gegenüber, wobei letztere über rund ein Drittel der Stimmen verfügt.

Der Rat verabschiedet Empfehlungen, die an die GV weitergeleitet werden, ernennt die Mitglieder (Ausschüsse, Sonderberichterstatter) der von ihm eingesetzten Verfahren und diskutiert deren Berichte. Er verfügt über keine Zwangsbefugnisse, weil diese nur dem Sicherheitsrat zustehen.

Instrumente des Rats: Der MRR setzt Sonderberichterstatter, manchmal auch Arbeitsgruppen ein, die gegenwärtig zu sieben Ländern und 32 Themen arbeiten, zum Beispiel zu Birma/Myanmar, Nordkorea und Palästina, zu Folter, außergerichtlichen Hinrichtungen, zum Recht auf Meinungsfreiheit, zu Religionsfreiheit, Bildung und Gesundheit. Deutschland wurde 2006 vom Sonderberichterstatter zum Recht auf Bildung, Vernor Muñoz aus Costa Rica, und 2009 vom Sonderberichterstatter zu zeitgenössischen Formen des Rassismus, Githu Muigai aus Kenia, besucht. Die Berichte erlauben eine kurze, fokussierte Bestandsaufnahme des Istzustandes, an die sich Empfehlungen für die Regierung anschließen. Dadurch fördern sie den Fachdialog zwischen dem VN-Menschenrechtssystem und dem betroffenen Staat. Empfehlungen werden zunehmend über Jahre hinweg daraufhin verfolgt, ob und wie sie umgesetzt werden (follow up nach dem Besuch). Die Staaten entscheiden jedoch eigenständig, ob sie ihnen folgen oder nicht. Einflussreiche große Staaten hören eher wenig auf internationale Menschenrechtsorgane, wenn ihnen die Empfehlungen politisch nicht zusagen.

Ein zweites Instrument ist das Allgemeine Periodische Überprüfungsverfahren (Universal Periodic Review, UPR), durch das seit 2008 die Menschenrechtssituation in allen 192 VN-Mitgliedstaaten in einem Vierjahresrhythmus begutachtet wird. Grundlage für die Überprüfung sind die Charta der Vereinten Nationen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die vom jeweiligen Staat ratifizierten Menschenrechtsabkommen sowie das Humanitäre Völkerrecht, wenn es einen bewaffneten Konflikt gibt.

In einer Sitzung des Menschenrechtsrates in Genf vollzieht sich auf der Grundlage von drei Dokumenten ein "Interaktiver Dialog" zwischen den Ratsmitgliedern und Vertretern des Staates, der sich der Überprüfung unterzieht. Diese drei Dokumente sind der Bericht des Staates, eine vom Hochkommissariat für Menschenrechte erstellte Zusammenfassung der VN-Expertenberichte und eine zweite Zusammenfassung zu Berichten von NGOs und Nationalen Menschenrechtsinstitutionen (NMRIs). Sowohl NGOs als auch NMRIs sind beim Dialog allerdings nicht zugelassen. NMRIs werden vom Staat finanziert und bestehen aus Fachleuten und/oder Experten/Institutionen, die unabhängig Themen und Arbeitsweisen auf der Grundlage der so genannten Pariser Prinzipen der VN bearbeiten. Es gibt sie in mehr als 60 Staaten, für Deutschland sei das Deutsche Institut für Menschenrechte genannt. Nach dem Dialog erstellt eine dreiköpfige Arbeitsgruppe einen Abschlussbericht, der vom Rat verabschiedet wird und Empfehlungen zur Verbesserung der Menschenrechtssituation enthält. An dieser Diskussion können sich NGOs und NMRIs beteiligen. Der Staat hat das Recht, die Empfehlungen zu akzeptieren oder abzulehnen.

Ein drittes Instrument ist der Beratende Expertenausschuss (Human Rights Council Advisory Committee), der vom Rat beauftragt wird, Themen zu erarbeiten, wie zum Beispiel zu einer Erklärung der Generalversammlung zur Menschenrechtsbildung und zu einem Recht der Völker auf Frieden. Die Erklärung zu wichtigen Grundsätzen und Zielen der Menschenrechtsbildung wurde vom MRR im März 2011 angenommen, allerdings in einer abgeschwächten Variante des vom Ausschuss gefertigten Ursprungsentwurfs - eine häufige Erfahrung bei den VN, da Staaten bei der Übernahme von Verpflichtungen meist zurückhaltend verfahren.

Seit 2007 existiert ein vertrauliches Untersuchungsverfahren für Fälle systematischer Menschenrechtsverletzungen, die glaubwürdig bezeugt sind (complaint mechanism). Es wird durch Beschwerden von NGOs eingeleitet und funktioniert in zwei Stufen: In der ersten Stufe arbeitet eine Arbeitsgruppe des Beratenden Ausschusses. Wenn eine Behandlung der Ländersituation empfohlen wird, setzt eine Arbeitsgruppe des MRR, bestehend aus Regierungsvertretern die Arbeit fort. Über bearbeitete Länderfälle ist nichts bekannt. Das Verfahren wird seit langem wegen mangelnder Transparenz und vermuteter Wirkungslosigkeit von NGOs und auch manchen Regierungen kritisiert.

Schließlich gibt es noch das Forum zu Minderheitenfragen, einen Expertenmechanismus zu Menschenrechten indigener Völker und das Sozialforum, das sich mit wirtschaftlichen, sozialen und kulurellen Rechten befasst.

Zuständigkeiten wichtiger Akteure

Rolle der Zivilgesellschaft

Im Vergleich zu anderen VN-Politikfeldern spielen die NGOs im Menschenrechtsbereich eine außerordentlich starke Rolle. Sie können ihre Stellungnahmen über die VN an alle Teilnehmer der Sitzungen verteilen und bereichern wie die NMRIs die Diskussion mit ihren Beiträgen. Aber es sind die Regierungsdelegationen, die die Entscheidungen treffen.

Einbindung der Generalversammlung

Als Nebenorgan der Generalversammlung leitet der MRR seine Resolutionen an dieses übergeordnete Gremium weiter. Es arbeitet in sechs Hauptausschüssen, von denen sich der dritte mit sozialen, humanitären und kulturellen Fragen und der sechste mit Rechtsfragen (wichtig bei neuen internationalen Vertragsentwürfen) befasst. Daher werden auch hier Menschenrechtsfragen diskutiert und manchmal sogar Resolutionen zu Ländern wie dem Iran verabschiedet, die im MRR aufgrund seiner Zusammensetzung nicht möglich gewesen wären. Denn in allen Hauptausschüssen sind alle VN-Mitgliedstaaten vertreten, im MRR nur 47. Durch ihre Resolutionen zeigt die GV als Hauptorgan der VN, dass sie dem Thema Menschenrechte immer wieder Aufmerksamkeit schenkt; auch einige Sonderberichterstatter berichten an die GV, zusätzlich zu ihren Berichten an den Rat.

Befugnisse des Sicherheitsrates

Schwerwiegende und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen finden häufig in Kriegen oder in Situationen erheblicher organisierter Gewaltanwendung statt. Manche Ländersituationen werden sowohl vom Sicherheitsrat als auch vom Menschenrechtsrat behandelt, gegenwärtig etwa in Israel/Palästina und im Sudan. In den letzten Jahren hat der Sicherheitsrat verstärkt in seinen Resolutionen auf den Schutz der Menschenrechte Bezug genommen, gleichwohl arbeiten Sicherheitsrat ("hohe Politik") und Menschenrechtsrat weitgehend getrennt voneinander; es gibt keinen regelmäßigen Informationsaustausch oder gemeinsame Beratungen. Dies ist unbefriedigend, weil der Sicherheitsrat die einzige Instanz ist, die unter Bezugnahme auf Kapitel VII der VN-Charta auch Sanktionen verhängen kann. Erinnert sei nur an den Fall Libyens Anfang 2011.

Besonders bei schweren Menschenrechtsverletzungen wird von vielen Seiten ein stärkeres Engagement des Sicherheitsrates eingefordert. So hat der frühere Bundesinnenminister Gerhart R. Baum - zeitweilig VN-Sonderberichterstatter zu Sudan (2001- 2003) - darauf hingewiesen: "Er [der Sicherheitsrat] hat im Laufe der Jahre bei allem Zögern und bei allen politischen und wirtschaftlichen Egoismen ein System von Interventionen und breite Palette von Sanktionen entwickelt, mit denen er sowohl auf humanitäre wie auf kriegerische Konflikte mit robustem Mandat reagiert - wenn auch oft schwach und zu spät [...]." Mit Verweis auf das Konzept der responsibility to protect (ein in den letzten Jahren diskutiertes Konzept, nach dem die internationale Gemeinschaft bei Angriffen auf die Zivilgesellschaft eingreifen sollte, wenn der betreffende Staat dies nicht kann; es ist natürlich teilweise umstritten zwischen Nord und Süd), so Baum, "haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, diese Verantwortung durch den Sicherheitsrat wahrzunehmen. Sie sind beim Wort zu nehmen. Auch wir selbst - etwa wenn es um die Entsendung von Truppen geht."

QuellentextWas der Sicherheitsrat darf

Darf man das? Einfach so in Libyen militärisch eingreifen? Eben nicht einfach so. Der UN-Sicherheitsrat hat entschieden. Das reicht. [...] [Der] UN-Sicherheitsrat [hat] ein Mandat erteilt, um die Zivilbevölkerung zu schützen und eine Flugverbotszone durchzusetzen. [...] Grund für die Autorisierung des militärischen Eingreifens durch das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen ist die "grobe und systematische Verletzung von Menschenrechten", die der Sicherheitsrat schon in seiner Resolution 1970 vom 26. Februar dieses Jahres missbilligt hat - und deren Nichtbeachtung durch Libyen jetzt ein rechtlicher Grund für den Krieg ist. [...]
Die Schaffung der Flugverbotszone, mit der die westlichen Angriffe auf Libyen autorisiert wurden, wird in Resolution 1973 zuvörderst damit begründet, dass das Land die Forderungen aus der Resolution 1970 nicht erfüllt habe. Und das heißt: Libyen hat seine eigene Bevölkerung nicht ausreichend geschützt - obwohl das Land, wie jedes andere auch, dafür verantwortlich ist, seine eigene Bevölkerung vor Völkermord, Krieg und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Diese "Schutzverantwortung" fand im Jahr 2004 Eingang in einen UN-Bericht und wurde 2005 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen in eine - unverbindliche - Resolution aufgenommen. Damit kam, schließlich ging es auch um die Befugnis zum militärischen Einschreiten im Notfall, ein gewandeltes, im Zuge des immer stärker gewordenen Menschenrechtsschutzes nicht ganz neues Verständnis von Souveränität zum Ausdruck. [...]
Noch einmal: Darf der UN-Sicherheitsrat das? Gewiss handelt auch das mächtigste UN-Gremium nicht im rechtsfreien Raum, sondern im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen. Mit Fug und Recht wird darüber diskutiert, inwieweit es Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen des Sicherheitsrats geben muss. Wenn etwa jemand auf eine Terrorliste gesetzt wird und seine Gelder eingefroren werden, muss er sich dagegen wehren können, wie schon der Europäische Gerichtshof entschied. Auch das höchste UN-Gremium hat nicht das Recht, willkürlich in fundamentale Menschenrechte einzugreifen. Er - und die UN-Charta - sind schließlich kein Selbstzweck, sondern haben den Frieden und die Achtung der Menschenrechte zum Ziel. [...]
Selbstverständlich darf die Staatengemeinschaft mit einem Mandat des Sicherheitsrats in einem Bürgerkrieg eingreifen; sie darf auch Partei ergreifen. Das entspricht einer mittlerweile gefestigten Übung: Die Verletzung von Menschenrechten geht alle etwas an.
Während des Kalten Krieges führte die Bestimmung der UN-Charta ein Schattendasein, nach welcher der Sicherheitsrat militärische Maßnahmen autorisieren kann. Das hat sich nach 1990 geändert. Vor allem hat der Sicherheitsrat schon mehrfach humanitäre Katastrophen als Bedrohung des Weltfriedens bezeichnet, ohne dass diese unmittelbar grenzüberschreitende Auswirkungen gehabt hätten. Oft gingen diesen Katastrophen (bürger-) kriegsähnliche Zustände voraus. Schon deshalb schrecken die Staaten - und letztlich haben nur sie die Mittel - vor Interventionen zurück.
Ein militärisches Eingreifen, ein Krieg, ist auch nach der UN-Charta nur das letzte Mittel. Das heißt aber nicht, dass der Sicherheitsrat alle möglichen milderen Mittel wie Sanktionen oder Embargos ausprobiert und verworfen haben muss. Er hat einen weiten Einschätzungsspielraum. Das gilt auch für die tatsächliche Lage.
Dem Sicherheitsrat ist es nach der Charta nun einmal aufgegeben, Bedrohungen für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit festzustellen - und dagegen Maßnahmen zu ergreifen. Er muss also auch in der Lage sein, schnell zu handeln, und ist nicht dazu verpflichtet, sich letzte Gewissheiten über die Art möglicher Verbrechen zu verschaffen. Das muss allerdings der Internationale Strafgerichtshof, sollte er Libyer zur Verantwortung ziehen wollen. Denn er hat über individuelle völkerstrafrechtliche Schuld zu entscheiden, die im Einzelfall nachgewiesen werden muss.
Diese herausgehobene Stellung des UNSicherheitsrats, insbesondere seine Zusammensetzung, mag aus diesem Anlass wieder einmal kritisiert werden. Doch das ist geltendes Recht. Der Fall Libyen gibt aber gewiss Anlass, weiter über das menschenrechtliche Schutzkonzept nachzudenken. Im Vordergrund muss effektive Hilfe stehen. Aus einer Schutzpflicht kann aber nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, man müsse nun überall mit gleichen Mitteln eingreifen. Doch zweifellos hat der Sicherheitsrat, der ja auch ein politisches Gremium ist, hier ein historisches Zeichen gesetzt.

Reinhard Müller, "Verantwortung für die Menschen", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. März 2011

Internationale Menschenrechtsverträge und ihre Expertenausschüsse

Die Vereinten Nationen haben bisher zahlreiche Menschenrechtsdokumente verabschiedet, die sich mit den Menschenrechten allgemein, mit bestimmten Themen oder besonders gefährdeten Gruppen befassen. Zu unterscheiden ist zwischen rechtlich verbindlichen Instrumenten - Abkommen, Übereinkommen, Verträgen - und rechtlich nicht verbindlichen Instrumenten wie Entschließungen, Resolutionen und Erklärungen.

Die neun VN-Menschenrechtsabkommen

18 Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wurden 1966 die ersten völkerrechtlich verbindlichen Menschenrechtspakte zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen (Sozialpakt) sowie zu den politischen und bürgerlichen Rechten (Zivilpakt) verabschiedet, die wesentlich an die Inhalte der Allgemeinen Erklärung von 1948 angelehnt waren. Es folgten spezielle Übereinkommen gegen rassistische Diskriminierung (CERD), Frauendiskriminierung (CEDAW) und Folter (CAT), zu Kinderrechten (CRC), den Menschenrechten von Wanderarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern und ihren Familien (MWC) sowie zu den Rechten von Personen mit Behinderungen (CRPD) und zu erzwungenem Verschwindenlassen (CED). Mit Letzterem ist gemeint, dass der Staat für rechtswidrige Festnahmen von Menschen verantwortlich ist, dies aber öffentlich bestreitet und Gefangene in Geheimgefängnissen festhält, wie zum Beispiel unter der letzten argentinischen Militärdiktatur. Diese perfide Methode wurde ursprünglich unter Hitler gegen den Widerstand in den westeuropäischen besetzten Gebieten praktiziert ("Nacht-und-Nebel"-Erlass von 7. Dezember 1941 des Feldmarschalls Wilhelm Keitel auf Weisung Hitlers).

Kontrolleinrichtungen

Die Überprüfung der Staatenberichte erfolgt durch die Experten der neun Vertragsorgane (Fachausschüsse), die von den jeweiligen Vertragsstaaten berufen werden und nach Weltregionen besetzt sind. Sie werden fachlich vom VN-Hochkommissariat für Menschenrechte unterstützt.

Die beteiligten Staaten sollen alle vier bis fünf Jahre einen Bericht über die Fortschritte bei der Umsetzung der in dem jeweiligen Abkommen anerkannten Rechte vorlegen, allerdings werden diese Berichte zum Teil spät oder manchmal auch gar nicht eingereicht. Im Oktober 2010 waren 229 Staatenberichte anhängig. Zur Diskussion eines Staatenberichts wird die betreffende Regierung eingeladen, den Bericht vor dem Fachausschuss in öffentlicher Sitzung zu erläutern und Fragen zu beantworten. Dadurch wird eine Diskussion zwischen dem Vertragsorgan - das gewissermaßen die "internationale Gemeinschaft" vertritt - und der Regierung gefördert. Danach berät sich der Ausschuss und verfasst so genannte Abschließende Bemerkungen, die die vollzogenen Fortschritte anerkennen, bestehende Defizite benennen, Vorschläge für eine bessere Umsetzung des Vertrages formulieren und oft auch ergänzende Informationen anfordern. In ihrer Arbeit berücksichtigen die Fachausschüsse neben den Staatenberichten auch so genannte Parallel-Berichte von zivilgesellschaftlichen Gruppen (NGOs, NMRIs) sowie Informationen durch Medien, Wissenschaft und andere internationale Organisationen wie zum Beispiel die ILO, die UNESCO und UNICEF. Sie sind also nicht allein auf die Informationen des Staates angewiesen.

Die Vertragsorgane verfügen über - je nach Vertrag unterschiedliche - Instrumente, die im Zusammenhang mit den jeweiligen Verträgen verabschiedet wurden, um die Einhaltung durch die Vertragsstaaten zu beobachten und zu bewerten: den Staatenbericht, die Staatenbeschwerde (eines Staates gegen einen anderen, das kommt aber in der Realität nicht vor), die Individualbeschwerde und eigene Untersuchungsbefugnisse bei einer allgemein Besorgnis erregenden Situation. Die Vertragsorgane verfügen über keine Sanktionsmaßnahmen, denn diese kann nur der Sicherheitsrat verhängen. Sie können nur Empfehlungen und Bewertungen abgeben, verfügen aber über das Prestige eines international rechtlich verbindlichen Vertrages. In den neun Vertragsorganen sind gegenwärtig deutsche Experten im Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (der Völkerrechtler Eibe Riedel), im Ausschuss für die Rechte von Behinderten (die Juristin Theresia Degner) und im Ausschuss für die Rechte des Kindes (der Soziologe und Pädagoge Lothar Krappmann) aktiv. Früher arbeiteten auch Experten im Frauenrechtsausschuss (die Frauenrechtlerin Hanna Beate Schöpp- Schilling) und im Menschenrechtsausschuss des Zivilpaktes (die Völkerrechtler Christian Tomuschat und Eckart Klein).

Die Vertragsorgane veröffentlichen auch so genannte Allgemeine Bemerkungen (General Comments), die die Abkommen näher auslegen. In diesen Bemerkungen, die sich an alle Vertragsstaaten richten, werden Verpflichtungen und auch von den Staaten erwartete Maßnahmen zur Verbesserung der Menschenrechtssituation detaillierter erläutert.

Neben den Staatenberichten prüfen die meisten Ausschüsse auch Beschwerden von Einzelpersonen gegenüber einem Vertragsstaat, wenn das entsprechende Abkommen beziehungsweise Zusatzprotokoll Individualbeschwerdeverfahren vorsieht. Zurzeit sind dies der Zivilpakt, der Sozialpakt, CERD, CAT, CEDAW und CRPD. Zu Kinderrechten wird die Möglichkeit einer Individualbeschwerde diskutiert. Eine eigene Untersuchungsbefugnis gibt es im Rahmen von CAT, CEDAW, CRPD und CED.

Schwierig wird es für die VN, wenn es sich um Diktaturen oder stark autoritäre Regierungen handelt, die kein Interesse daran haben, die Menschenrechtslage zu verbessern, und Empfehlungen als unfaire Kritik oder gar Einmischung in die inneren Angelegenheiten ihrer Länder deuten. Allgemein sind kritische Anmerkungen aus dem Ausland für viele, auch manche demokratische Regierungen, nicht einfach zu akzeptieren und können instinktiv zu Abwehrreaktionen führen. Erinnert sei zum Beispiel an die Beanstandung von Polizeiübergriffen in Deutschland durch amnesty international und Human Rights Watch, auf die Berlin, nicht wenige Innenpolitiker und Polizeigewerkschaften recht negativ und wenig dialogbereit reagierten.

Autoritäre Regierungen verweisen überdies schnell auf angeblich falsche oder unzureichende Informationen und dunkle Hintergründe - innenpolitische Opposition als Quelle der Information, Verschwörung und Angriff auf die nationale Ehre. Umso wichtiger ist es dann, immer wieder über die völkerrechtliche Verpflichtung des Staates umfassend und objektiv aufzuklären und auf die Perspektive der von Menschenrechtsverletzungen Betroffenen zu verweisen.

Berichte, die Kommentierung durch die Vertragsorgane sowie der Austausch zwischen Regierung und Vertragsorganen sind öffentlich zugänglich und bieten interessantes Material für Politik und Zivilgesellschaft der betreffenden Länder. Denn hier liegt nicht nur ein vielleicht unbestätigter Medienbericht, sondern eine Expertenbewertung der Menschenrechtslage vor, die nicht so einfach zurückgewiesen werden kann. Die Bewertungen eignen sich auch als Ansatzpunkte für die außen- und entwicklungspolitische Förderung der Menschenrechte wie zum Beispiel die Förderung von nichtstaatlichen Organisationen, die Einrichtung von Beschwerdeverfahren über Polizei und Militär, die Durchsetzung des Diskriminierungsverbotes, die Reform der Justiz, aber auch die Verankerung von Menschenrechtskriterien für die Bereiche Gesundheit, Bildung und Zugang zu angemessener Nahrung und zu Wasser, für lokale, regionale und internationale nichtstaatliche Organisationen und für Internationale Organisationen wie UNICEF, UNDP und UNHCR.

Deutschlands Beitrag zur VN-Menschenrechtspolitik

Im Mai 2006 kandidierte Deutschland erfolgreich für den neuen VN-Menschenrechtsrat und war bis 2009 Mitglied des Gremiums. Eine neue Kandidatur wurde für 2012 angekündigt. Die Bundesrepublik Deutschland war maßgeblich an der Verabschiedung der Resolution 5/1 beteiligt, die die Grundlagen und die Form der Arbeit des Rates definierte.

2008 und 2009 setzte sich Deutschland unter anderem für eine Resolution zu einem Todesstrafen-Moratorium sowie für Resolutionen zu Iran, Birma/Myanmar und Nordkorea ein. Im Dritten Hauptausschuss der Generalversammlung brachte es eine Resolution zur Rolle nationaler Menschenrechtsinstitutionen ein. Hauptziel dieser Initiative war die Wiederbelebung der Praxis, dass der VN-Generalsekretär jährlich einen Bericht zur Arbeit von NMRIs vorlegt.

Bemerkenswert sind die zunehmenden Unterschiede zwischen den USA und der EU bezüglich ihres Abstimmungsverhaltens in der Generalversammlung. Die Übereinstimmung der VN-Mitgliedstaaten mit den USA in Menschenrechtsfragen ist von über 80 Prozent 1995 auf 32 Prozent im Jahr 2007 gesunken. Deutschland und die USA stimmten zwischen 1990 und 2008 durchschnittlich in 45 Prozent der Fälle unterschiedlich ab. Zu einem großen Teil ist dies jedoch der unterschiedlichen Beurteilung des Nahost-Konflikts geschuldet. Bleiben diese Entscheidungen unberücksichtigt, beträgt das unterschiedliche Stimmverhalten nur noch rund 15 Prozent (nach der Studie von Heins/Badami/ Markovits 2010).

Wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechten wurde traditionell in der westlichen Politik und auch in der Rechtswissenschaft geringere Bedeutung zugeschrieben als den politischen und bürgerlichen Rechten. Ihr Charakter als justiziable Rechte, deren Rechtsstandard klar gefasst ist, so dass er von einer Behörde oder einem Gericht direkt auf eine Rechtssache angewendet werden kann, wurde bestritten - eine Position, die auch heute noch manche Politiker vertreten. Maßgeblich dafür war die Sorge im konservativen Teil des politischen Spektrums, eine ernsthafte und umfassende Umsetzung sozialer Teilhaberechte würde marktwirtschaftliche Grundprinzipien außer Kraft setzen, den Staatshaushalt überfordern und den Staaten des Südens die Möglichkeit geben, Entwicklungshilfe als völkerrechtliche Verpflichtung der Industrieländer einzufordern. Diese Einseitigkeit hielt sich, obwohl Wissenschaft und Fachleute seit Jahren ein die Staatenverpflichtungen differenzierendes Konzept zu dieser Kategorie von Rechten vorgelegt haben. Menschenrechte sollen respektiert/anerkannt, (bei Übergriffsgefahr durch Dritte) geschützt und gewährleistet werden, was materielle Unterstützung bedeuten kann, wenn sich Menschen selbst nicht mehr helfen können. Seit 2000 nahm Deutschland eine flexiblere Haltung ein und unterstützte zum Beispiel die Einsetzung von Sonderberichterstattern für das Recht auf Bildung, auf angemessenes Wohnen, auf Nahrung und Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung.

Eine andere Arena ist das menschenrechtliche Engagement bei der UNESCO, wo man sich auf Menschenrechtserziehung und -bildung konzentriert. Neben Staatenberichtsverfahren zu menschenrechtlichen Empfehlungen und Übereinkommen der UNESCO werden anhand eines Individualbeschwerdeverfahrens Menschenrechtsverletzungen in den Bereichen Bildung und Kultur untersucht. Deutschland hatte 2007 bis 2009 den Vorsitz des UNESCO-Ausschusses für Übereinkommen und Empfehlungen inne, der sich mit der Überprüfung der Staatenberichte und der Individualbeschwerden befasst. Für den Zeitraum 2009 bis 2011 wurde Deutschland erneut in den Ausschuss gewählt.

Chancen und Hindernisse wirkungsvoller Menschenrechtsarbeit

Die Chancen für wirkungsvolle VN-Beiträge zum Menschenrechtsschutz lassen sich gemäßigt optimistisch beurteilen, wenn man einen politisch realistischen Bewertungsrahmen zu Grunde legt. Von Anfang an wurde der Menschenrechtsschutz von den VN-Mitgliedstaaten auf Kooperation ausgelegt und weder damals noch heute mit Sanktionsinstrumenten ausgestattet. Entscheidungsbefugnisse liegen ausschließlich in den Händen von Regierungsdelegationen - das heißt vielfach: Nicht-Experten - mit einer ergänzenden Rolle für Fachleute, deren Berufung freilich wieder von Regierungen entschieden wird. Beobachtung und Bewertung zum Menschenrechtsschutz betreffen unmittelbar innere Angelegenheiten von Staaten und sind damit ein sensibles Thema.

Keine andere Organisation verfügt über eine vergleichbare Legitimation wie die Vereinten Nationen, sich mit der Menschenrechtslage in allen Ländern zu befassen. In keinem anderen Politikbereich gibt es eine solche Vielzahl von rechtlich bindenden Verträgen und politischen Willensbekundungen (= Resolutionen), denen eine große Zahl von Expertengremien zugeordnet ist (fast 40 (39) Sonderberichterstatter, neun Vertragsorgane - wenn auch die Mechanismen personell schwach ausgestattet sind). Menschenrechtsnormen und selbst Standards des soft law (rechtlich nicht verbindliche Resolutionen der Generalversammlung und des Menschenrechtsrates als Empfehlungen) können in vielen Ländern Impulse geben, zur innenpolitischen Diskussion beitragen und manchmal in Einzelfällen auch Unrecht korrigieren helfen. Sie können aber nicht Innenpolitik "ersetzen". Verschlechtert sich die innenpolitische Lage in einem Land, zeigen sich Regierungen uninteressiert oder sogar feindlich gegenüber einer effektiven Umsetzung der Menschenrechte, so hängen Menschenrechtserfolge von den demokratieorientierten politischen Kräften im Land sowie dem Interesse anderer Staaten bzw. der internationalen Gemeinschaft ab, einer weiteren Verschlechterung wirkungsvoll entgegen zu arbeiten. Bei manchen Diktaturen wie zum Beispiel in Nordkorea und Birma/Myanmar erweisen sich die Einflussmöglichkeiten als sehr gering. Dies bedeutet aber nicht, dass man nicht immer wieder - und auch mit kreativen politischen Ansätzen - versuchen sollte, die Situation zu beeinflussen.

Natürlich kommt den Medien und den nichtstaatlichen Organisationen eine überragende Rolle zu, weil diese meist zuerst über kritische Entwicklungen berichten; gleichzeitig zweifeln Regierungsvertreter aber auch häufig an der Glaubwürdigkeit mancher Medienberichte, so dass Fachleute die Glaubwürdigkeit der Informationen erneut überprüfen müssen. Natürlich gibt es auch politische Gründe, bestimmte Informationen einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen. Richtige, vollständige, belastbare Informationen sind das zentrale Mittel für eine wirkungsvolle Menschenrechtsarbeit, auch wenn man realistischerweise hinzufügen muss, dass bei Konflikten die betroffenen Akteure um jeden Preis versuchen werden, unangenehme Informationen zu bestreiten und/oder als einseitig hinzustellen. Das gilt nicht nur für Regierungen, sondern auch für politische Bewegungen, die Gewalt anwenden.

Völlig neu für die VN ist die seit 2008 mögliche Selbstverpflichtung der Staaten, sich vom MRR "prüfen" zu lassen. Diese Möglichkeit gibt es eingeschränkt bei der OECD im Rahmen der Evaluierung der Entwicklungspolitik der Mitgliedsländer - aber sonst in keinem anderen brisanten politischen Bereich. Natürlich ist abzuwarten, wie diese Prüfung in der Praxis genutzt wird. Aber durch das neue Verfahren ist ein Hauptkritikpunkt an der Kommission - die selektive Behandlung von Ländern - vom Tisch. Überwiegend bewerten es die meisten Fachleute schon jetzt als einen deutlichen Fortschritt.

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Privatdozent für Politische Wissenschaft an der FU Berlin sowie Mitglied des Beratenden Expertenausschusses des VN-Menschenrechtsrates. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Internationale und EU-Sicherheitspolitik, Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, Vereinte Nationen.

Kontakt: E-Mail Link: heinz@institut-fuer-menschenrechte.de