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Politisches System nach 1989 | Tschechien | bpb.de

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Politisches System nach 1989

Dieter Segert

/ 17 Minuten zu lesen

Der Schriftsteller und Politiker Vaclav Havel im Jahr 1990 - nachdem er die "Charta 77" mit initiiert hatte und wesentlich am Demokratisierungsprozess Tschechiens beteilgt war, wurde er 1989 Staatspräsident der Tschechoslowakei und von 1993 bis 2003 Präsident der Tschechischen Republik. (© AP)

Einleitung

Im Herbst 1989 erlebte die Tschechoslowakei eine "samtene Revolution" (sametová revoluce): Die alte Macht gab schon nach weniger als zehn Tagen friedlicher Demonstrationen und unter Androhung eines Generalstreiks dem Druck der Bevölkerung nach. Am 17. November fand die erste große Demonstration statt, an der ungefähr 15000 Menschen, vor allem Studierende, teilnahmen. Ihre brutale Niederwerfung rief eine Folge von Massendemonstrationen der Prager Bevölkerung hervor, die immer nach Feierabend und mit bis zu 800000 Teilnehmern stattfanden. Am 19. November wurde in Prag das "Bürgerforum" (OF) aus zwölf Oppositionsgruppen gegründet. Daran beteiligten sich außer Aktivisten der "Charta 77" auch kommunistische Dissidenten des Vereins "Obroda" (Wiedergeburt) und Mitglieder der alten Blockparteien.

Bereits am 24. November trat der seit 1987 regierende Parteichef Milopi Jakepi zurück, während der Reformer des "Prager Frühlings", Alexander Dubcek, mit Václav Havel auf dem Balkon des Verlagshauses der Sozialistischen Partei am Wenzelsplatz von den versammelten Demonstranten begeistert gefeiert wurde. Damals erschallte erstmals der Ruf: "Havel auf die Burg!"

Am 27. November fand ein zweistündiger Generalstreik statt. Die Streikenden forderten den Rücktritt von Staatspräsident Gustáv Husák (seit 1975) bis zum 10. Dezember, die Durchführung freier Wahlen, die uneingeschränkte Religionsausübung und die Verurteilung des Einmarschs der Warschauer-Pakt-Truppen von 1968. Überall wurden Streikkomitees gegründet, aus denen später die neuen Gewerkschaften entstanden.

Regierungssystem

Die Verfassung der Tschechischen Republik wurde im Dezember 1992 verabschiedet. Ursprünglich sollte vorher eine Föderale Verfassung ausgearbeitet werden, aber nach den Wahlen 1992, deren Ergebnisse das Auseinanderdriften der beiden Landesteile verstärkt hatten, wurde die Arbeit daran eingestellt. Wie in den meisten Ländern Ostmitteleuropas entschieden sich die tschechischen Verfassungsgeber für ein parlamentarisches System.

Parlament und Regierung

Das Parlament besteht aus zwei Kammern, einem Abgeordnetenhaus (Poslanecká Snemovná) mit 200 Abgeordneten und einem Senat (Senát) mit 81 Senatsmitgliedern. Eine solche zweite Kammer findet sich in vielen Ländern Ostmittel- und Südosteuropas, nur in der Slowakei, Ungarn und Bulgarien nicht. Meist ist die zweite Kammer wie in Tschechien als regionale Vertretung konzipiert. Es gibt 81 Wahlkreise, für die jeweils eine Vertreterin oder ein Vertreter gewählt werden. In Tschechien müssen Senatsangehörige ein Mindestalter von 40 Jahren aufweisen, im Unterschied zu Mitgliedern der Abgeordnetenkammer, die mindestens 21 Jahre alt sein müssen.

Der Senat hat innerhalb des Parlaments eine relativ schwache Position, da Gesetzesentwürfe nur im Abgeordnetenhaus eingebracht werden können, und sein Veto bei einfachen Gesetzen mit der absoluten Mehrheit der Abgeordneten überstimmbar ist. Das gilt nicht für verfassungsändernde Gesetze, internationale Verträge, Wahlgesetze sowie für solche Gesetze, die das Verhältnis der beiden Kammern zueinander betreffen. Hier bedarf es einer Zustimmung beider Kammern mit einer Mehrheit von 60 Prozent (Art. 39 der Verfassung).

Die Prinzipien der Wahl sind für beide Kammern ebenfalls unterschiedlich: Die erste Kammer wird alle vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht in acht (bei der Wahl 2002: dreizehn) Mehrpersonenwahlkreisen gewählt. Je nach Größe wird eine bestimmte Zahl von Mandaten pro Wahlkreis vergeben, die die Parteien entsprechend den in diesem Wahlkreis erlangten Stimmen unter sich aufteilen. Es gibt eine Sperrklausel von fünf Prozent.

Die Mitglieder des Senats werden dagegen in 81 Einpersonenwahlkreisen nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt. In jedem Wahlkreis konkurrieren Kandidierende der verschiedenen Parteien miteinander. Gewonnen hat, wer in der ersten Runde über 50 Prozent der Stimmen erhält. Erreicht niemand diese Stimmenzahl, wetteifern die beiden Kandidierenden, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhielten, in einer weiteren Abstimmung um den Sieg.

Die Amtszeit der Senatsmitglieder beträgt sechs Jahre. Je ein Drittel der Senatsmandate werden alle zwei Jahre neu vergeben. Der Senat genießt in der Bevölkerung kein hohes Ansehen, was sich unter anderem in einer extrem niedrigen Beteiligung an den Senatswahlen äußert. Bisher wurden niemals mehr als höchstens 40 Prozent der Wahlberechtigten mobilisiert, im zweiten Wahlgang im Jahr 2000 waren es sogar nur 20 Prozent.

Nach der Parlamentswahl benennt der Präsident einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Er muss nicht unbedingt den Kandidaten der größten Partei nominieren, allerdings benötigt die Regierung eine Mehrheit in der Abgeordnetenkammer. Das Parlament kann auch im Laufe einer Legislaturperiode ein Misstrauensvotum aussprechen, dabei darf es allerdings nur der gesamten Regierung, nicht aber einzelnen Ministerinnen oder Ministern das Vertrauen entziehen. Auf Vorschlag des Ministerpräsidenten werden diese durch den Präsidenten ernannt oder abberufen. Die Regierung kann ebenfalls, gekoppelt an eine Gesetzesvorlage, die Vertrauensfrage stellen.

Staatspräsidentenamt

Beide Kammern gemeinsam wählen den Präsidenten der Republik. Da sich der Senat im Herbst 1996 erstmals konstituierte, erfolgte die erste Wahl zum tschechischen Präsidenten im Januar 1993 allein durch die Mitglieder der Abgeordnetenkammer. Die Wahl erfolgt durch die absolute Mehrheit der Abgeordneten, im dritten Wahlgang dann durch eine Mehrheit der anwesenden Abgeordneten bzw. – bei der zweiten Wahl im Januar 1998 – der Abgeordneten und Senatsmitglieder. 1998 erhielt Havel eine Mehrheit von nur einer Stimme, bedingt offensichtlich durch die in der gerade überwundenen Regierungskrise ausgebrochenen Konflikte. Im Januar 2003 steht die nächste Präsidentenwahl an, zu der Havel nach bereits zwei Amtsperioden nicht mehr antreten kann.

Der Präsident übt seine Kompetenzen meist zusammen mit anderen Verfassungsorganen aus: Er ernennt den Ministerpräsidenten. Dabei ist er nicht durch den Wahlerfolg der Parteien festgelegt, nur muss sein Kandidat das Vertrauen des Parlaments erlangen, um regieren zu können. Der Präsident ernennt bei Zustimmung des Ministerpräsidenten den Präsidenten und die Mitglieder des Bankrates der Tschechischen Nationalbank. Er kann Gesetze einmal zurückweisen, sein Veto ist aber mit absoluter Mehrheit der Abgeordneten überstimmbar. Zusammen mit dem Senat ernennt er die 15 Richter des Verfassungsgerichtes für je zehn Jahre sowie den Vorsitzenden des Obersten Gerichts, er hat das Recht zur Begnadigung und zwar schon vor Verurteilung innerhalb eines laufenden Strafverfahrens. Der Präsident ernennt nach Art. 93 der Verfassung auch die Richter aller anderen Gerichte.

Obwohl es seit 1997 zu Konflikten zwischen Havel und anderen tschechischen Politikern gekommen ist, genießt der Präsident, wie auch sein Amt, in der Bevölkerung immer noch mehr Ansehen als Regierung, Parlament oder Parteien.

Regionale Selbstverwaltung

Wie in anderen Staaten Osteuropas gibt es in Tschechien inzwischen eine eigenständige regionale Ebene des Staates. Sie wurde allerdings wegen der bis 1997 vorherrschenden Ausrichtung auf einen starken Zentralstaat relativ spät eingeführt.

Seit Anfang 2001 existieren 14 Kreise mit einer eigenen, erstmals im Oktober 2000 gewählten Vertreterversammlung von je 45 bis 65 Abgeordneten (Krajské zastupitelstvo) und einem Kreishauptmann (Krajsky hejtman) als Repräsentanten. Dadurch wurde die regionale Untergliederung aus einer bloßen Verwaltungsebene zu einer politischen Gemeinschaft mit eigenen Rechten.

Die Kompetenzen der regionalen Selbstverwaltungskörperschaften werden in entsprechenden Gesetzen festgelegt: Entscheidung über die Entwicklungsprogramme der Kreise, die Verwaltung von Krankenhäusern und Mittelschulen sowie über das Straßenwesen in den Kreisen und den Denkmalschutz. Darüber hinaus kann die Versammlung über den Haushalt des Kreises entscheiden, mit territorialen Selbstverwaltungseinheiten anderer Staaten zusammenarbeiten und auch Gesetzesentwürfe in die Abgeordnetenkammer des Parlaments einbringen. Andere Bereiche ihrer Tätigkeit, wie die Verteilung der Steuereinnahmen auf die Kreise, müssen noch im Einzelnen entschieden werden.

"Samtener" Regierungswechsel

Am 28. November kündigte der tschechoslowakische Ministerpräsident Ladislav Adamec (seit 1988 im Amt) die Bildung einer föderalen Koalitionsregierung auf breiter Grundlage an. Sein Versuch, dabei die Position der Kommunisten wieder zu festigen, misslang. Am 10. Dezember vereidigte Husák in letzter Amtshandlung die Regierung Marián Calfa. Sie wurde als Regierung der "nationalen Verständigung" bekannt, da in ihr erstmals nicht-kommunistische Politiker die Mehrheit bildeten, auch wenn die Kommunisten noch wichtige Ressorts inne hatten und unter anderem den Ministerpräsidenten stellten. Ihr gehörten bekannte Persönlichkeiten wie der Dissident und frühere Charta-Sprecher Jirí Dienstbier sowie der neoliberale Ökonom Václav Klaus an.

Am 29. Dezember wurde Havel von der noch mehrheitlich kommunistischen Nationalversammlung zum neuen Präsidenten gewählt, nachdem kurz vorher Dubcek durch Akklamation der Abgeordneten als Mitglied ins Parlament kooptiert und danach zu dessen Präsidenten bestimmt worden war.

QuellentextZur Person Václav Havels

Am 5. Oktober 1936 wurde Václav Havel in einer bekannten Prager Unternehmerfamilie geboren. Nach der kommunistischen Machtübernahme im Februar 1948 wurde ihr Eigentum eingezogen, den Kindern wurde die Ausbildung erschwert. Auch der junge Havel konnte sein Abitur nur auf der Abendschule ablegen (1954). Nach zweijährigem Armeedienst und einer Arbeit als Bühnenarbeiter studierte er zwischen 1962 und 1966 im Fernstudium Dramatik.

Mit 19 Jahren begann er in künstlerischen Zeitschriften zu publizieren. 1965 war er Redaktionsmitglied der bekannten Zeitschrift "Tvar;" (Antlitz). In diesen Jahren wurden seine ersten Bühnenstücke "Zahradní slavnost" (Das Gartenfest, 1963) und "Vyrozumení" (Die Benachrichtigung, 1965) aufgeführt.

Während des "Prager Frühlings" 1968 wirkte er im "Klub engagierter Parteiloser" (KAN) und beteiligte sich an der Kampagne zur Erneuerung der Sozialdemokratie. Er nahm am Widerstand gegen den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten und die Politik der "Normalisierung" teil. In den Jahren nach 1968 war er freiberuflich tätig. Er gründete den Selbstverlag "Edice Expedice" und veröffentlichte in ihm sowie im Ausland eine Reihe eigener essayistischer Arbeiten, Briefe und Interviews, unter denen die Arbeit "Moc bezmocnych" (1978, in deutsch erstmals 1980 als "Versuch, in der Wahrheit zu leben") am bekanntesten wurde.

1977 begründete er die "Charta 77" mit und war einer ihrer ersten Sprecher. Für die im April 1979 erfolgte Gründung des "Ausschusses zur Verteidigung der zu Unrecht Verfolgten" wurde er zusammen mit Václav Benda, Jirí Dienstbier und

Petr Uhl im Sommer des Jahres zu Gefängnis verurteilt, aus dem er 1983 aus Gesundheitsgründen vorzeitig entlassen wurde. Bis 1989 musste er noch dreimal aus politischen Gründen ins Gefängnis. In der restlichen Zeit wurde er durch die Geheimpolizei rund um die Uhr überwacht.

Havel und seine Freunde gehörten zu den Gründern des "Bürgerforums" und dominierten anfangs seine Politik. Am 29. Dezember 1989 wurde er zum tschechoslowakischen Staatspräsidenten gewählt und konnte in kurzer Zeit eine große Popularität gewinnen. Im Juli 1990, nach den ersten freien Wahlen, wurde er im Amt bestätigt. Im Juli 1992 trat er vor Ende seiner Amtsperiode zurück. Nach Spaltung des Landes wurde Havel am 26. Januar 1993 und dann erneut am 20. Januar 1998 zum tschechischen Staatspräsidenten gewählt.

Dieter Segert nach Informationen aus "Kdo je kdo wnasich dejinách ve 20 století" (Wer ist wer in unserer Geschichte im 20. Jahrhundert?), Praha 1994.

In den Folgemonaten vollzog sich innenpolitisch der Abbau von Strukturen der alten Ordnung, der Rückzug der Staatspartei aus den staatlichen Entscheidungsprozessen und die Auflösung der Staatssicherheitsorgane. Darüber hinaus stand die Neuordnung der Beziehungen zur Kirche auf der Agenda. Fünf neue Bischöfe der katholischen Kirche wurden mit Einverständnis des Staates durch den Papst ernannt, die religiösen Orden durften ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Die Restitution des Kirchenbesitzes, der vor dem Februar 1948 enteignet worden war, wurde allerdings immer wieder hinausgeschoben.

Bald nach dem Neuanfang ergaben sich erste Konflikte um die föderale Struktur des Staates. Die im März beschlossene Bezeichnung "Tschechoslowakische Föderale Republik" hatte zu Protestdemonstrationen im slowakischen Landesteil geführt und musste wieder zurückgenommen werden. Am 20. April wurde dann der neue Name "Tschechische und Slowakische Föderative Republik", abgekürzt: CSFR, angenommen. Der Staat bestand aus zwei Teilen, der Tschechischen und der Slowakischen Republik.

Zum Neuaufbau des Staates gehörten neue Verfassungen auf gesamtstaatlicher und Republiksebene, die im Verlaufe einer auf zwei Jahre verkürzten Legislaturperiode der entsprechenden Parlamente ausgearbeitet werden sollten. Diese Legislaturperiode begann mit den ersten freien Wahlen im Juni 1990, an denen gesamtstaatlich 22 Gruppierungen, in Tschechien 13 Parteien und Vereinigungen teilnahmen. Insgesamt errangen vier tschechische Parteien Mandate für das Parlament der Tschechischen Republik, dabei erhielt das OF fast 50 Prozent der Stimmen und 63,5 Prozent der Mandate.

In der Slowakei war das Ergebnis etwas weniger günstig für die kooperierende Bürgerbewegung VPN (Öffentlichkeit gegen Gewalt), aber auf Staatsebene erhielten OF und VPN zusammen die Mehrheit. Auf dieser Grundlage konnte eine föderale Regierung der Tschechoslowakei gebildet werden, die von den früheren Dissidenten dominiert wurde. Ministerpräsident wurde der im Januar 1990 aus der kommunistischen Partei zur VPN übergewechselte Marián »alfa. Ji&hibar;í Dienstbier blieb Außenminister. Václav Klaus wurde wieder das Amt des Finanzministers übertragen.

Neuformierung der Bürgerbewegungen

Nach den ersten Wahlen entzündete sich an der Frage, wie schnell und wie radikal der Übergang zur neuen Eigentums- und Wirtschaftsstruktur vollzogen werden sollte, der Streit sowohl zwischen den Parteien als auch zwischen den Teilrepubliken. An dieser Auseinandersetzung zerbrachen die beiden breiten politischen Bewegungen, das tschechische "Bürgerforum" und die slowakische Bewegung "Öffentlichkeit gegen Gewalt", wobei auch das eigene Selbstverständnis als Bewegung oder als Partei eine Rolle spielte.

Die Verfechter des ersten Konzepts vertraten die Vorstellung dezentraler Strukturen und breitester Beteiligung der Mitgliederbasis. Das zweite Konzept setzte auf eine stärker hierarchisch gegliederte Organisation, mehr im Sinne einer herkömmlichen Partei.

Das OF spaltete sich demgemäß im Februar 1991 in eine "Demokratische Bürgerpartei" (ODS) unter Führung von Václav Klaus, in der sich die regionalen Funktionäre des OF mehrheitlich organisierten, in eine "Bürgerbewegung" (OH), in der die meisten bekannten Dissidenten blieben, und in eine "Demokratische Bürgerallianz" (ODA).

Die ODS ist bis heute eine der stärksten tschechischen Parteien und stellte bis 1997 den Ministerpräsidenten. Aus der VPN löste sich im April 1991 die "Bewegung für eine demokratische Slowakei" (HZDS) unter Führung des Politikers Vladimír Meciar (Ministerpräsident in drei Regierungen zwischen 1990–98), der es zwar gelang, die Mehrzahl der Mitglieder der Bürgerbewegung VPN zu übernehmen, die aber im Parlament die Mehrheit und damit auch den Posten des Ministerpräsidenten verlor. Sie wurde bei den nächsten Wahlen 1992 allerdings wieder stärkste Partei und war danach, abgesehen von einer kurzen Unterbrechung im Jahre 1994, bis 1998 Regierungspartei. Ihr Machtverlust in den Wahlen 1998 änderte nichts daran, dass sie bis heute eine der einflussreichsten politischen Parteien des Landes geblieben ist.

Spaltung des Staates

Während die neue slowakische Regierung unter dem Christdemokraten und früheren Dissidenten Jan »arnogursky sich auf die Wirtschaftsreform konzentrierte, dabei aber immer mehr den Rückhalt der slowakischen Bevölkerung verlor, gingen die HZDS und die "Slowakische Nationalpartei" (SNS) auf Konfrontationskurs gegenüber Regierung und Föderation. Sie forderten die striktere Vertretung der slowakischen nationalen Interessen innerhalb der CSFR.

Im Ergebnis der Wahlen vom Juni 1992 wurde die ODS im tschechischen Landesteil zur stärksten Partei, in der Slowakei die HZDS. Während der Tscheche Václav Klaus im Interesse der wirtschaftlichen Umgestaltungen für einen starken gemeinsamen Staat plädierte, wollte der Slowake Vladimír Meciar eine weitergehende Dezentralisierung erreichen. Als sich abzeichnete, dass eine Lösung nach seinem Modell nicht möglich war, votierte Klaus für die völlige Trennung, die in der Slowakei bis dahin nur von der SNS und einem Teil der HZDS gefordert worden war. Im Oktober 1992 beschloss das Parlament der Föderation nach langen Verhandlungen mehrheitlich die Auflösung der CSFR.

Bislang werden verschiedene Erklärungen für die Ursachen der Spaltung vorgebracht. Zum einen wird darauf verwiesen, dass die Tschechoslowakei schon seit 1918 mit einer ungleichgewichtigen Entwicklung beider Landesteile konfrontiert war. Die tschechische Teilrepublik hatte einen großen Teil der industriellen Kapazität Österreich-Ungarns geerbt, während der slowakische Teil bis dahin kaum industrialisiert war. Außerdem hatte die tschechische politische Elite sich im Kampf für Autonomie und staatliche Eigenständigkeit eine größere Handlungsfähigkeit erworben als die viel kleinere slowakische Elite. Trotzdem war die slowakische Nationenbildung seit Mitte des 19. Jahrhunderts schon so weit fortgeschritten, dass eine Anpassung der slowakischen an die tschechische Kultur und eine Unterordnung der slowakischen unter die tschechische Elite schlecht möglich war.

Ein weiteres Argument haben die tschechischen Soziologen Zdenka Mansfeldová und Lubomír Brokl formuliert: Zwischen 1945 und 1948 waren gerade die wenigen Parteien, welche sowohl in der Slowakei als auch in Tschechien aktiv waren, geschwächt oder verboten worden. Als einzige übergreifende Partei verblieb nur die Kommunistische Partei, die sich jedoch 1989 am meisten diskreditiert hatte. Außerdem hätten sich in den sechziger Jahren auch in der KP Konflikte zwischen Tschechen und Slowaken ergeben, die Ende 1967/Anfang 1968 zur Ablösung des Tschechen Novotny durch den Slowaken Dubcek führten. Aus dieser Vorgeschichte hätte logisch gefolgert werden können, dass die dominierenden Akteure der ersten Periode nach 1989, OF und VPN, jeweils nur in einer der beiden Teilrepubliken tätig gewesen seien. Die Spaltung 1992 zog nach dieser Auffassung also nur die Konsequenz aus der historischen Entwicklung. Es habe niemals eine stabile tschechoslowakische Nation gegeben, sondern von Anfang an zwei nationale Entwicklungen, eine tschechische und eine sich in Auseinandersetzung mit ihr immer stärker herausbildende slowakische.

Andere tschechische Fachleute sehen im politischen Handeln nach der "samtenen Revolution" die ausschlaggebende Ursache für die Spaltung des Landes. Die verantwortlichen Akteure, vor allem Klaus und Meciar, hätten sich im Wahlkampf 1992 und im Prozess der Regierungsbildung für die Trennung eingesetzt, statt nach Kompromissen zu suchen.

Allerdings war diese Situation den unterschiedlichen Bedingungen und Resultaten des Systemwechsels in beiden Landesteilen geschuldet. So lassen sich auch Umfrageergebnisse der Jahre 1991 bis 1993 deuten. Die Slowaken sprachen sich Anfang 1991 in deutlich geringerer Zahl für den Übergang zur Marktwirtschaft aus als die Tschechen. Im Frühjahr 1992 wünschten sich anteilig mehr Slowaken als Tschechen eine Veränderung des bisherigen Reformkurses von Finanzminister Klaus. Die Privatisierung war in der Slowakei weniger erfolgreich, außerdem verzeichnete sie eine wesentlich höhere Arbeitslosenquote als die Tschechische Teilrepublik. Und schließlich war die alte Ordnung in der Slowakei weniger diskreditiert gewesen als in Tschechien.

Kurz gesagt, die Tschechen und Slowaken hatten andere Vorstellungen von der Gegenwart und den Zielen der Reform, und die Reform selbst zeitigte in beiden Teilen des Landes unterschiedliche Resultate. Insofern waren die Bevölkerungen der Teilrepubliken – wenn auch Umfragen im Herbst 1992 keine Mehrheit für die Trennung ergaben – nicht ausdrücklich gegen die durch ihre politischen Eliten vorangetriebene Auflösung der bisherigen staatlichen Gemeinschaft.

Parteien und Wahlen nach 1992

Zwischen 1992 und 1997 existierten in Tschechien stabile Regierungen, und es kam zu keinen vorgezogenen Neuwahlen, was angesichts der Belastungen des Transformationsprozesses bemerkenswert war. Auch das Parteiensystem schien frühzeitig stabilisiert: eine ostmitteleuropäische Erfolgsstory.

In der Mehrzahl der ostmitteleuropäischen Transformationsstaaten gibt es drei Typen von Parteien:

  • solche, die lange vor Beginn der Demokratisierung entstanden sind,

  • Parteien und Gruppen, die ihre lange unterbrochene Tätigkeit im Vorfeld der ersten freien Wahlen erneuerten sowie

  • völlig neue Gruppen, die vor 1989 nicht bestanden hatten.

Die erste Gruppe vereinte die Parteien des alten Systems, die sich erfolgreich transformierten. Hier sind vor allem die "Kommunistische Partei Böhmens und Mährens" (KSCM) und die "Tschechoslowakische Volkspartei" (CSL, heute "Christlich-demokratische Union – Tschechoslowakische Volkspartei" [KDU-CSL]) zu nennen.

Zur zweiten Gruppe gehörte vor allem die "Tschechische Sozialdemokratische Partei" (CSSD, im 19. Jahrhundert entstanden, 1948 in der KP aufgegangen).

Zur dritten Gruppe zählten insbesondere das "Bürgerforum" (OF) bzw. in der Slowakei die "Öffentlichkeit gegen Gewalt" (VPN) sowie die anfangs wenig erfolgreichen "Republikaner" (SPR-RSC).

Die Spaltung der Bürgerbewegungen in beiden Landesteilen zu Beginn des Jahres 1991 veränderte die Parteienlandschaft. Dabei blieben zunächst Parteien führend, die unmittelbar aus der Bürgerbewegung hervorgegangen waren, in Tschechien die ODS.

Nach den Wahlen 1992 wurde in Tschechien eine Koalitionsregierung aus ODS, KDU-»SL und ODA gebildet, der Václav Klaus vorstand. Diese Regierung blieb auch nach der Gründung der selbstständigen Tschechischen Republik am 1. Januar 1993 im Amt und war in den nächsten Wahlen im Juni 1996 erneut erfolgreich, bei denen sich ein bis heute in seinen Grundstrukturen stabiles Parteiensystem herausbildete. Allerdings fehlten der Koalitionsregierung zwei Mandate zur Mehrheit, so dass sie bis zum – bald erfolgenden – Parteiaustritt zweier sozialdemokratischer Abgeordneter auf die Tolerierung durch die CSSD angewiesen war.

Die wichtigste Besonderheit der Wahl von 1996 war der unerwartete Aufstieg der Sozialdemokraten zur zweitstärksten Partei. Das lag zum einen an der verbesserten Organisation der Sozialdemokraten, deren neuer Vorsitzender, Milopi Zeman, die Partei zusammenschweißte. Zum anderen aber hatten die 1996 fühlbarer werdenden wirtschaftlichen Härten der Systemtransformation eine große Wählerzahl zur Abkehr von der Regierungskoalition veranlasst.

Aus der Krise in den"Oppositionsvertrag"

Trotz der Stabilisierung des Parteiensystems endete mit den Wahlen 1996 die Erfolgsgeschichte des tschechischen Systemwechsels, 1997 begann dessen Krise. Sie setzte ein mit dem Rücktritt des Außenministers und des Finanzministers, beide ODS, am 23. Oktober und erreichte mit dem Rücktritt von Václav Klaus, dem zu diesem Zeitpunkt dienstältesten Regierungschef Ostmitteleuropas, am 30. November 1997 ihren Höhepunkt.

Den Anstoß für die Turbulenzen in der ODS hatte eine Parteispendenaffäre gegeben: Geld war unter falschen Spendernamen an die Partei geflossen, daneben verwies die Presse auf Schwarzgeldkonten in der Schweiz. Die tiefere Ursache der Entwicklung lag in der Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der wirtschaftlichen Situation und den daraus resultierenden Sparmaßnahmen der Regierung. Jene hatten zu Preiserhöhungen geführt und damit aber das Image des tschechischen Reformwunders angekratzt. Das Vertrauen der Bürger in die Regierung nahm rapide ab.

Václav Havel beauftragte im Dezember den Präsidenten der Nationalbank, Josef Tosovsky, mit der Bildung einer Übergangsregierung, die sich als parteiübergreifende "Expertenregierung" verstand. Sie sollte die Geschäfte bis zu den vorgezogenen Neuwahlen führen. In den ersten Monaten dieser Regierung zerbrach die stärkste bürgerliche Partei, die ODS. Von ihr spaltete sich im Februar die Freiheitsunion (US) ab, die bei den Wahlen im Juni 1998 erfolgreich war. Sie ordnete sich als Mitte-Rechts-Partei in das politische Spektrum ebenso ein wie die ODS, trat aber ausdrücklich für eine Politik "sauberer Hände" ein. Im selben Monat erreichte die ODS ein Umfragetief: Nur noch etwas über zehn Prozent der Befragten erklärten sich in der so genannten Sonntagsfrage für diese Partei. Die andere Partei der rechten Mitte, die ODA, brach im Frühjahr 1998 wegen der Auswirkungen des Spendenskandals sogar völlig auseinander und wurde bedeutungslos.

Das Wahljahr von 1998 führte jedoch zu einem überraschenden Ergebnis: Die ODS (von ihren Gegnern als "ODS II" bezeichnet) erreichte durch einen auf Václav Klaus zugeschnittenen, offensiven, teilweise aggressiven Wahlkampf fast ihr Ergebnis von 1996, nur diesmal als zweitstärkste Partei hinter den Sozialdemokraten. Zwar erhielten die Parteien der im Herbst 1997 auseinandergebrochenen Regierungskoalition (zusammen mit der US) sogar mehr Mandate als 1996, aber wegen der Zerstrittenheit ihrer führenden Politiker war eine Fortführung dieser Koalition unmöglich.

So begannen schwierige Verhandlungen, in deren Ergebnis auf Grundlage eines "Oppositionsvertrages" eine sozialdemokratische Minderheitsregierung unter Zeman, geduldet durch die ODS, gebildet wurde. Klaus übte danach die drittwichtigste Funktion des Staates aus, das Amt des Präsidenten des Abgeordnetenhauses. Denkwürdig ist diese politische Konstellation deshalb, weil die zusammenarbeitenden Seiten kurz vorher noch als Hauptgegner des Wahlkampfes agiert hatten. Sie hielt wesentlich länger als vorausgesagt und sicherte die politische Stabilität bis zur nächstenWahl. Eine wichtige Veränderung in der Parteienlandschaft war das Bündnis von KDU-CSL und US mit zwei weiteren, sehr kleinen Parteien zur Viererkoalition, die bei den Teilwahlen zum Senat, der zweiten Parlamentskammer, im Jahre 2000 erfolgreich war.

Die Parlamentswahl im Juni 2002 brachte mit einem Sitz eine labile Mehrheit für die Sozialdemokraten und die nunmehr auf ein Bündnis von KDU-CSL und US zusammengeschmolzene "Koalition". Alle Parteien, außer den Kommunisten, verloren Stimmen. Vor allem deutete sich ein Ende der Ära Klaus in der ODS, der eigentlichen Wahlverliererin, an. Auffällig war der Rückgang der Wahlbeteiligung. Nur 58 Prozent der Wahlberechtigten gingen zur Wahlurne, während es 1990 noch 96 Prozent, 1998 immerhin noch 74 Prozent gewesen waren.

Politik und Massenmedien

In Tschechien verfügt das staatliche Fernsehen über zwei Sender (Ceská Televize – CT 1 und 2). Aus Umfragen ist bekannt, dass – wie in Ungarn und Polen – das Fernsehen in der Bevölkerung als die wichtigste Informationsquelle über das politische Geschehen angesehen wird. 1995 gaben 61 Prozent der Befragten an, die Hauptnachrichtensendungen im Fernsehen fast täglich zu verfolgen.

Die Berichterstattung in den Tageszeitungen wurde dagegen nur von knapp einem Drittel der Befragten als Informationsquelle genutzt. In den Jahren nach 1995 hat die Leserzahl der Zeitungen abgenommen, die der nationalen Zeitungen allein um ein Drittel (bis 1999). Dagegen stieg im selben Zeitraum die Zahl der Leserinnen und Leser kostenlos verteilter Werbezeitungen mit einem minimalen Anteil politischer Nachrichten um zwei Drittel. Außerdem wächst das Interesse an Internet-Zeitungen.

Die heutige Zeitungslandschaft ist während des Umbruchs entstanden. Am auflagenstärksten – 1999 waren es 350000 Exemplare – ist die frühere Zeitung des kommunistischen Jugendverbandes, "Mlada fronta DNES", besser bekannt unter ihrer Abkürzung "DNES" (Tag). Danach kommt die nach 1990 gegründete Boulevardzeitung "Blesk" (Blitz) mit 280000 Exemplaren Auflage.

Daneben gibt es einige Tageszeitungen, die einzelnen Parteien nahestehen. Die bekannteste und auflagenstärkste (1999: 250000) unter ihnen ist die linksgerichtete Zeitung "Právo" (Recht), die aus dem früheren kommunistischen "Zentralorgan" "Rudé Právo" entstanden ist und heute mit der demokratischen Linken sympathisiert. Die kommunistische Tageszeitung heißt "Haló noviny" (noviny [tsch.]: Zeitung). Den bürgerlichen Parteien dagegen steht die traditionsreiche, aus einem 1988 entstandenen Untergrundblatt hervorgegangene "Lidové noviny" (Volkszeitung) nahe (Auflage 1999: 80000). Unter Gebildeten beliebt ist die Wirtschaftszeitung, die auch so heißt: "Hospodárské noviny". Wichtig für die politische Diskussion sind auch einige Wochenzeitungen, so "Respekt", ein im Umfeld der bürgerlichen Parteien agierendes Blatt, sowie die dem deutschen "Spiegel" nachempfundene "Tyden" (Woche).

Nach dem Herbst 1989 wurden die ehemals staatlichen Medien nicht nur von der politischen Zensur befreit, sondern auch privatisiert. Viele Zeitungen sind durch internationale Medienkonzerne, auch aus Deutschland, übernommen worden. Besonders spektakulär waren die Übernahmen der "Neuen Passauer Presse", die in großem Stil tschechische Regionalzeitungen aufkaufte. Insgesamt hat sie über 40 Titel mit einer Auflage von über 300000 Exemplaren erworben. Damit verfügt sie über 75 Prozent der Gesamtauflage aller tschechischen Regionalzeitungen.

QuellentextBeherrschter Zeitungsmarkt

Mit dem Aufkauf der meisten mährischen Regionalblätter durch Vltava-Labe-Press vollzog sich im Spätsommer des vergangenen Jahres der vorerst letzte Akt der Aufteilung des tschechischen Pressemarktes unter zwei deutschen Zeitungshäusern, die Neue Presse Verlags-GmbH und die Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft aus Düsseldorf. Während die Neue Presse über ihre Tochtergesellschaft heute so gut wie alle Regionalzeitungen in Tschechien besitzt, gehören der Rheinisch-Bergischen Druckerei bzw. ihrer Tochtergesellschaft MaFra zwei wichtige überregionale Tageszeitungen, die auflagenstarke "Mladá fronta Dnes" und das traditionelle Blatt der Intelligenz "Lidové noviny", die sie vor ein paar Jahren von der Schweizer Ringier-Gruppe übernahm. [...] Mit 27 Prozent (Neue Presse) und 32 Prozent (Rheinisch-Bergische Druckerei) haben die beiden Verlage zusammen fast 60 Prozent des tschechischen Pressemarktes in der Hand. An der dritten Stelle steht mit 21 Prozent die Ringier-Gruppe, die schon vor Jahren ein Blatt namens "Blesk" auf den Markt brachte, die tschechische Variante der Schweizer Boulevardzeitung "Blick". [...] Die einzige Tageszeitung, die noch einen tschechischen Besitzer hat und einen Marktanteil von zwölf Prozent hält, ist – ironischerweise – das Nachfolgeblatt des ehemaligen Parteiorgans "Rudé Právo", das heute den Titel "Právo" trägt. [...]

Dass durch diese Entwicklung auch die Qualität der journalistischen Arbeit leidet und die Inhalte sich den Nivellierungstendenzen anpassen [...] ist offensichtlich. Die Recherche- und Dokumentationsabteilungen [...] werden verkleinert oder sogar aufgelöst, die Kommentare beliebig und nicht selten auch inkompetent, die Recherchen oberflächlich, wichtige Nachrichten und Informationen oft nicht in ihrer Bedeutung erkannt. Besonders schmerzt viele Leser der Niveauverlust von "Lidové noviny", die wie keine andere Zeitung den demokratischen Geist der ersten Republik repräsentierte und nach der Einstellung zu Beginn der fünfziger Jahre 1989 mit großen Hoffnungen neubegründet wurde.

[...] Als Lichtblick kann auf dem tschechischen Pressemarkt nur noch das kleine Segment sehr guter kulturpolitischer Zeitschriften und Zeitungen gelten, beispielsweise die Wochenzeitung "Respekt" und die Zeitschriften "Literární noviny", "Prítomnost" oder "Listy", die von den relevanten Minderheiten gelesen werden und unter diesen ein hohes Ansehen genießen, wegen ihrer kleinen Auflagen aber kaum in die Breite wirken können. [...]

Alena Wagnerová, "Tschechiens bedrohte Pressefreiheit", in: Blätter für deutsche und internationale Politik 5/2002, S. 533 ff.

Auf dem Gebiet der elektronischen Massenmedien entstanden auch private Sender. 1999 waren 48 Lizenzen zum Betreiben privater Rundfunksender vergeben. Es gibt zwei private Fernsehsender, "Prima" und "TV Nova". Der 1994 gegründete Privatsender "TV Nova" hat die höchsten Einschaltquoten unter allen Stationen. Wichtig für alle Sender sind die Werbeeinnahmen, die enorm gestiegen sind. Während 1993 Printmedien und Fernsehen zusammen für Werbung über vier Milliarden Tschechische Kronen (CZK) einnahmen, waren es 1998 mit 14,6 Milliarden schon dreieinhalbmal soviel. Allein das Fernsehen erzielte 1998 Erlöse von über neun Milliarden CZK.

Einflussnahme auf das Fernsehen

Das staatliche Fernsehen unterliegt der Parlamentskontrolle. Im Dezember 2000 kam es nach der Abberufung des bisherigen Intendanten von "CT 1" zu öffentlichen Protesten, da ein zu großer Einfluss der Regierung (und der Parlamentsmehrheit) auf die elektronischen Medien befürchtet wurde. Eine Gruppe von Journalisten begann vor Weihnachten einen Besetzungsstreik. In mehreren Massendemonstrationen, von denen die am 3. Januar 2001 zu den größten politischen Versammlungen nach 1989 in Ostmitteleuropa gehörte, wurde gegen die zunehmende Einflussnahme der beiden großen Parteien auf die Medien protestiert, weil man eine Beschneidung der vor zehn Jahren zuvor errungenen Medienfreiheit fürchtete. 210000 Bürgerinnen und Bürger unterzeichneten eine Erklärung für die parteipolitische Unabhängigkeit des Fernsehens und die Mitarbeiter des Senders streikten 51 Tage, bis das Parlament ihren Forderungen nachkam und einen neuen Intendanten berief .

Im Verlaufe dieser Auseinandersetzungen wurde ein neues Mediengesetz verabschiedet. Zwar wird nach wie vor der Intendant ausschließlich vom Abgeordnetenhaus bestimmt, aber die Parteien sind nicht mehr vorschlagsberechtigt. Vorschläge dürfen nur von Bürgerinitiativen, Glaubensgemeinschaften und anderen gesellschaftlichen Gruppen eingereicht werden.