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Contra Kultur des Teilens

Meinung: Geteilte Bildung ist halbe Bildung Warum wir von einer "Kultur des Teilens" im Bildungsbereich nicht zu viel erhoffen sollten

David Klett

/ 4 Minuten zu lesen

Nichts passt so gut zu einer "Kultur des Teilens" wie "Open Educational Resources" (kurz: OER, oft übersetzt mit "Freie Bildungsmaterialien"). OER entstehen durch das Teilen von Wissen, Ideen und Inhalten und vereinfachen zugleich das Teilen. Hört sich in der Theorie gut an, funktioniert in der Praxis aber nicht, meint Dr. David Klett, Geschäftsführer von Klett MINT. Denn vor allem fehlt die Basis: die Bereitschaft, zu teilen.

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In Deutschlands allgemeinbildenden Schulen arbeiten ca. 750.000 Lehrende. Wenn jeder von ihnen drei Arbeitsblätter pro Jahr erstellte und mit allen anderen Lehrenden teilte, würde das die Produktion aller Verlage im selben Zeitraum weit hinter sicher lassen. Dazu wären die Inhalte frei verfügbar, adaptierbar und ihrerseits modifiziert teilbar. Es gäbe gleichsam ein ‚Inhalte-Humus‘, auf dem ganz Neues immerfort gedeihen könnte. So manchem mag bei diesem Gedanken das Herz aufgehen, besonders dem einen oder anderen Politiker, der hier die Chance sähe, die heute pro Schüler/-in und Jahr für Bildungsmedien ausgegebenen 48 Euro noch einmal kräftig zu reduzieren. Wir sollten uns allerdings von einer "Kultur des Teilens" im Bildungsbereich nicht zu viel erhoffen. Die meisten groß angelegten Projekte und Initiativen, die auf das Teilen von Bildungsmedien abzielen, sind entweder gescheitert oder siechen dahin.

Beispiele: Wikiwijs, Open Discovery Space und EduTags

Ein gutes Beispiel, weil durch seine Macher schonungslos analysiert, ist die holländische OER-Plattform Wikiwijs. Nach fünf Jahren wurde das Projekt eingestellt, die 635.000 OER im Wikiwijs-Repository sind dennoch weiterhin verfügbar. Eines der zentralen Probleme war die Qualität der Medien, die viele Nutzer und Nutzerinnen frustrierte. Die Erwartung, dass die Nutzerbasis durch fleißiges Bewerten die Spreu vom Weizen trennen würde, bestätigte sich nicht. Noch mehr enttäuschte aber die Bereitschaft der Lehrkräfte, ihre Inhalte mit den anderen Nutzern und Nutzerinnen zu teilen. Eine im Jahr 2013 unter Lehrenden durchgeführte Befragung zeigte, dass überhaupt nur 2,9% dafür offen waren. Die Autorinnen und Autoren der Studie Externer Link: Wikiwijs - An unexpected journey and the lessons learned towards OER nehmen diese Ergebnisse allerdings nicht zum Anlass, an ihrer Idee zu zweifeln, sondern fordern stattdessen, auf Lehrende gesetzlich und politisch mehr Druck auszuüben.

Auch wenn die Evaluationen noch nicht verfügbar sind, hat man dem Vernehmen nach im Projekt Externer Link: Open Discovery Space ähnliche Erfahrungen gemacht. 15 Millionen Euro (davon 7 Millionen EU-Mittel) wurden in eine Plattform investiert, auf der Lehrende, Schüler und Schülerinnen e-Learning-Inhalte einstellen oder finden, modifizieren und wiederum teilen sollten. Das Projekt war europaweit aufgesetzt, 2000 Schulen sollten gezielt im Umgang mit der Plattform geschult werden. Kenner des Projekts berichten, dass eine ganze Reihe an Projektzielen verfehlt wurde, nicht zuletzt, weil man die Nutzer und Nutzerinnen nicht zum Teilen animieren konnte.

Es ließen sich weitere Fälle nennen, in denen sich die "Kultur des Teilens" nicht so recht einzustellen scheint, und das nicht nur im Bereich des Austauschs von Medien, sondern auch beim Versuch, freie Inhalte zu bewerten, zu qualifizieren und besser auffindbar zu machen. Seit einiger Zeit versucht etwa der Deutsche Bildungsserver zusammen mit der Universität Duisburg, das Angebot an freien Bildungsressourcen im Netz zu erschließen. Lehrkräfte sollen auf der Plattform Externer Link: EduTags Links zu OER so verschlagworten, dass sie für alle anderen leichter und gezielter zugänglich sind. Da derlei Initiativen nicht den Beweis ihrer Wirtschaftlichkeit antreten müssen, lassen sich Erfolg und Misserfolg schwer auseinanderhalten. Mit Blick auf die Tiefe und Breite des Angebots – der Suchbegriff "Verbformen" etwa bringt genau ein (1) Suchergebnis – liegt allerdings der Verdacht nahe, dass sich die breite Lehrerschaft noch nicht recht zum "edutaggen" hinreißen lässt.

Die totale Einfalt verhindern

Dass Lehrerinnen und Lehrer bislang zaghaft sind, zu teilen, ist insofern erstaunlich, als dass das Teilen von Unterrichtsideen, Verlaufsplänen und kompletten Unterrichtsmedien so alt sein dürfte wie die Schule selbst. Man hätte also erwarten können, dass mit den Möglichkeiten des Internets alle Dämme brechen. Nun muss man sich dem beliebten Sport, die Zukunft von allem Möglichen in Zeiten des Internets vorherzusagen, nicht anschließen. Das Internet wird die Schule zweifelsohne fundamental verändern. Vielleicht brechen die Dämme dann, vielleicht aber auch nicht. Wenn wir allerdings von der "Kultur des Teilens" in der Bildungswelt nicht allzu viel erwarten können, wäre es fatal, auf sie zu setzen. Tatsächlich geschieht dies heute aber schon in vielen Ländern Europas. In Polen etwa werden seit diesem Jahr im unteren Sekundarbereich die Preise für Schulbücher und Arbeitshefte gesetzlich auf lächerlich niedrigem Niveau festgesetzt und gleichzeitig im staatlichen Auftrag Bildungsmedien unter freier Lizenz hergestellt. Man hofft, das vielfältige Angebot der im Wettbewerb stehenden Verlage durch die Vielfalt geteilter und rekombinierter Inhalte der Lehrkräfte zu ersetzen – und dabei eine Menge Geld zu sparen. Wenn sich hier die "Kultur des Teilens" nicht rasch einstellt, wird – statt Vielfalt – kommen, was immer kommt, wenn der Staat zentral Bildungsmedien erstellen lässt, nachdem er den Wettbewerb ausgeschaltet hat: die totale Einfalt.

Gegenposition - Geteilte Bildung ist doppelte Bildung

Leonhard Dobusch (Flickr) Lizenz: cc by-sa/2.0/de

Der Austausch von Wissen ist für die Bildungsarbeit unverzichtbar und nur wenige Projekte verkörpern diese "Kultur des Teilens" so wie die Wikipedia, meint Professor Leonhard Dobusch, Juniorprofessor für Organisationstheorie an der Freien Universität Berlin. Damit ganze Gesellschaften vom offenen Zugang zu Wissen profitieren können, fordert er ein Umdenken im Umgang mit offenen Lizenzen.

Interner Link: Zum Beitrag "Geteilte Bildung ist doppelte Bildung"

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Dr. David Klett ist Geschäftsführer von KLETT MINT und beschäftigt sich intensiv mit Zukunftsszenarien des Bildungsmarktes.