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Kinder schon früh über ihre Rechte aufklären

Birgit Frost

/ 5 Minuten zu lesen

Kinderschutz und Kinderrechte in der digitalen Welt – wie sehen diese aus, auf welche Weise sind sie verankert, und wie werden sie umgesetzt? Ein Interview mit Jutta Croll von Kinderrechte.digital.

Für Kinder ist die Nutzung digitaler Geräte heute eine Selbstverständlichkeit. ( J. Kelly Brito / bearbeitet / Externer Link: Unsplash / Lizenz: Externer Link: Unsplash Licence )

werkstatt.bpb.de: Welche aktuellen Herausforderungen sehen Sie für den Schutz von Kinderrechten im Netz?

Jutta Croll: Die UN-Kinderrechtskonvention versteht Kinder als Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. In dieser Altersgruppe ist die Nutzung digitaler Geräte und Dienste heute eine Selbstverständlichkeit, aber nicht alle Kinder haben die gleichen Zugangsmöglichkeiten und Voraussetzungen. Diese Chancenungleichheit stellt eine große Herausforderung dar. Eine weitere Herausforderung ist die regelmäßige Abschätzung von Gefährdungen, die sich aus Zugang und Nutzung ergeben können, wie zum Beispiel Inhalte oder Kontakte, die für das Alter unangemessen sind. Bei Kindern entwickelt sich die Fähigkeit zum Umgang mit den Angeboten der digitalen Welt schrittweise. Mit zunehmendem Alter können sie selbst die Chancen besser nutzen, Risiken eher einschätzen und diese bewältigen. Darauf müssen wir angemessen reagieren.

Können Sie konkretisieren, was Sie unter "digitaler Welt" verstehen und welche Lebensbereiche von Kindern betroffen sind?

Die digitale Welt umfasst weit mehr als bloß das Internet. Sie ist das Zusammenspiel der sich stetig entwickelnden Angebote kommerzieller, öffentlicher und anderer Anbieter in digitaler Form. Dazu gehören alle Computer und digital vernetzte Technologien und Dienstleistungen, das Internet, mobile Endgeräte, Netzwerke, Apps, Soziale Medien, Datenbanken und Big Data, das Internet der Dinge, Dienste der Informationsgesellschaft, das Medienumfeld, Online-Spiele und jede (technische) Entwicklung, die Zugang zu oder Angebote für die digitale Lebenswelt ermöglicht. Von der Durchdringung des Alltags mit solchen digitalen Angeboten und Diensten sind alle Lebensbereiche von Kindern und Erwachsenen betroffen.

Jutta Croll ( privat / bearbeitet )

Was sind die rechtlichen Grundlagen für digitale Kinderrechte?

Die wichtigste Grundlage bildet die UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK), die im Jahr 1989 verabschiedet wurde. Interessanterweise wurde im gleichen Jahr der Programmcode entwickelt, der als World Wide Web das Internet für jede und jeden zugänglich macht. Bei der Formulierung der UN-KRK hat das Internet noch keine Rolle gespielt, denn es war damals nicht absehbar, dass und in welchem Ausmaß Kinder das Internet künftig nutzen werden.

Die UN-KRK enthält aber dennoch eine Reihe von Artikeln, die einen direkten Bezug zur digitalen Welt aufweisen. Wir sprechen deshalb nicht von digitalen Kinderrechten, denn wir müssen keine neuen Rechte für Kinder formulieren. Vielmehr müssen die Rechte von Kindern im digitalen Umfeld angemessen umgesetzt werden. Da ist zum Beispiel das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit (UN-KRK Art. 13) zu nennen. Im Zuge der Digitalisierung entstehen vielfältige neue Möglichkeiten, sich Informationen zu beschaffen und die eigene Meinung frei zu äußern. Auch das Recht, sich mit anderen zusammenzuschließen und sich friedlich zu versammeln (UN-KRK Art. 15) erfährt beispielsweise durch soziale Netzwerke und andere digitale Versammlungsräume neue Dimensionen. Und auch das Recht auf Bildung (Art. 28) sowie das Recht auf Freizeit und Spiel (Art. 31) können durch die Möglichkeiten der Digitalisierung in neuer Form von Kindern wahrgenommen werden.

Die UN-Kinderrechtskonvention ist von 196 Staaten weltweit ratifiziert, die sich zur Umsetzung der Regelungen und zur Schaffung der dafür notwendigen Voraussetzungen verpflichtet haben. Im April 2016 hat der Europarat mit der so genannten Externer Link: Sofia-Strategie einen neuen fünfjährigen Prozess angestoßen, um die Verwirklichung der Kinderrechte weiter voranzubringen. Dabei wurde erstmals auch das Aufwachsen von Kindern in einer digitalisierten Umwelt als eine von fünf Säulen der Strategie festgelegt. Am 4. Juli 2018 sind für die Umsetzung dieser Strategie im digitalen Umfeld Externer Link: Empfehlungen des Europarates veröffentlicht worden, an denen das Projekt Kinderrechte.digital mitgearbeitet hat. Die Empfehlungen bieten Akteurinnen und Akteuren auf allen Ebenen – sei es in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oder pädagogischer Praxis – eine Grundlage dafür, das Kind in den Mittelpunkt zustellen und geeignete Maßnahmen für Schutz, Befähigung und Teilhabe von Kindern in der digitalen Welt umzusetzen.

Welche Rolle spielt das Projekt Kinderrechte.digital in diesem Prozess?

Wir setzen direkt an der Sofia-Strategie an, nehmen alle Artikel der UN-KRK in den Blick und fragen: Was bedeuten diese Rechte für Kinder heute? Zum Beispiel sind für den Schutz vor sexueller Gewalt (Art. 34) und vor kommerzieller Ausbeutung (Art. 32) unter dem Aspekt der Digitalisierung geeignete neue Konzepte zum Schutz von Kindern zu entwickeln. Ebenso muss das in Art. 16 definierte Recht auf Privatsphäre, demzufolge kein Kind willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden darf, auch im digitalen Raum gelten. Hierzu haben wir im April eine Externer Link: Online-Umfrage gestartet, an der sich rund 250 Kinder beteiligt haben. In der neuen EU Datenschutz-Grundverordnung wird erstmals der besondere Schutzbedarf von Kindern bei der Verarbeitung ihrer Daten betont. Den Anbietern wird gleichzeitig auferlegt, Kinder so darüber zu informieren, was mit ihren Daten geschieht, dass sie es auch verstehen können. Wir haben deshalb die Kinder selbst gefragt, welche Daten sie im Internet preisgeben, ob ihre Eltern wissen dürfen, was sie mit ihren Freunden schreiben, und wo sie sich mehr Schutz wünschen. Wenn wir die digitale Welt kindgerecht gestalten wollen, müssen wir Kinder daran beteiligen und ihre Meinung anhören.

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und arbeitet eng zusammen mit der Externer Link: Koordinierungsstelle Kinderrechte beim Deutschen Kinderhilfswerk sowie mit einer Expertengruppe des Europarats und dem Internet Governance Forum der Vereinten Nationen.

Wie kann das Thema Kinderschutz und Kinderrechte digital gestärkt werden, auch im Bildungsbereich?

Fast 30 Jahre nach der Verabschiedung der UN-KRK sind die Kinderrechte vielfach noch nicht im Alltag verankert. In Deutschland wird beispielweise schon länger kontrovers diskutiert, ob die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz gerechtfertigt ist.

Die Aufklärung von Kindern über ihre Rechte muss bereits in der frühkindlichen Erziehung beginnen, die pädagogischen Fachkräfte müssen ebenso wie die Eltern die Rechte von Kindern kennen und diese in ihrem Handeln berücksichtigen. Das ist zugegebenermaßen keine leichte Aufgabe, aber die Digitalisierung stellt eben keine zusätzliche Hürde dar, sondern kann durch Informations- oder Partizipationsmöglichkeiten dazu beitragen, dass Kinder ihre Rechte besser kennen und wahrnehmen können.

Welche Herausforderungen sehen Sie hier?

Das Leitprinzip der UN-KRK ist der Vorrang des Kindeswohls. Maßnahmen und Entscheidungen, die Kinder betreffen, sollen von der Überlegung geprägt sein, wie die Interessen des Kindes am besten gewahrt werden können. Kinderrechte sind in allen Lebensbereichen von Kindern gültig, gleichzeitig sind heute alle Lebensbereiche von der Digitalisierung betroffen und das digitale Umfeld ist nicht mehr von der analogen Welt getrennt. Dieses holistische Verständnis stellt die eigentliche Herausforderung dar. Gleichzeitig liegt darin die Chance, das Potenzial der Digitalisierung für die Verwirklichung der Kinderrechte zu nutzen.

Hintergrundinformationen zum Interview

Jutta Croll ist Vorstandsvorsitzende der Externer Link: Stiftung Digitale Chancen, einer gemeinnützigen Organisation unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Aufgabe der Stiftung ist es seit dem Gründungsjahr 2002, die gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung zu erforschen, sich für den chancengleichen Zugang aller Menschen zum Internet einzusetzen und ihre Medienkompetenz zu stärken. Seit Januar 2017 ist Jutta Croll bei der Stiftung verantwortlich für das Projekt Kinderschutz und Kinderrechte in der digitalen Welt.

Das Projekt Kinderschutz und Kinderrechte in der digitalen Welt, im Internet unter Externer Link: Kinderrechte.digital zu finden, analysiert die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Alltag von Kindern und Jugendlichen und befasst sich mit Maßnahmen zum Schutz von Kindern und zur Prävention von Risiken. Ziel ist die Entwicklung und Umsetzung einer Strategie für kinder- und jugendpolitische Maßnahmen, die zur Verwirklichung der Kinderrechte in allen Lebensbereichen und zu ihrem Schutz beiträgt sowie Kinder zur Wahrnehmung ihrer Rechte und zum Selbstschutz befähigt.

Birgit Frost ist seit Oktober 2016 Redakteurin bei der werkstatt.bpb. Sie studierte Kommunikationswissenschaft, Kulturwissenschaft und Spanische Philologie in Berlin und Amsterdam. Von 2010 bis 2016 war sie Projektreferentin am Goethe-Institut für ein weltweites Webportal im Alumni-Bereich, wo sie schwerpunktmäßig für Online-/E-Mail-Marketing und für Redaktion zu sprachlichen und kulturellen Themen zuständig war.