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Bildung für nachhaltige Entwicklung – eine Einführung

Theresa Kühnert

/ 7 Minuten zu lesen

Chancengerechtigkeit, Umweltschutz, globale Perspektiven, Weltbürgerschaft – all das umfasst der Ansatz Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Woher kommt BNE? Und wie steht es um die Umsetzung in der Praxis?

Bildung für nachhaltige Entwicklung ist ein Thema für alle Bildungsstufen. (© Elijah M. Henderson / Externer Link: Unsplash/ bearbeitet / Externer Link: Lizenz)

Was ist BNE?

"Eine chancengerechte Entwicklung, die ein Leben in Frieden und ein dauerhaft tragfähiges Ökosystem ermöglicht" – das ist das selbsterklärte Ziel der internationalen UNESCO-Bildungskampagne "Bildung für nachhaltige Entwicklung" (BNE). Bildung für nachhaltige Entwicklung bedeutet also ganz allgemein gesprochen die Orientierung von Bildungszielen, Lehrplänen etc. an Prämissen der Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit bezieht sich dabei – entgegen des umgangssprachlichen Verständnisses – nicht nur auf Fragen von Ressourcen, Umwelt- und Naturschutz, sondern beinhaltet sowohl globale Perspektiven auf das Zusammenspiel von Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft als auch einen Blick auf nachfolgende Generationen (Stichwort Generationengerechtigkeit).

Nachhaltige Bildung soll über die Vermittlung von Faktenwissen hinausgehen. Werte und Kompetenzen werden vermittelt und Menschen so dazu befähigt, vorausschauend zu denken, autonom zu handeln, an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen teilzuhaben und sich interdisziplinäres Wissen anzueignen. Ein thematischer Fokus liegt auf Konsum, Energie und Fortbewegung. Doch auch Geschlechtergerechtigkeit, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, sowie Weltbürgerschaft und Wertschätzung kultureller Vielfalt finden bei Bildung für nachhaltige Bildung Beachtung. Ein äußert umfassender Ansatz also. Wie hat er sich entwickelt?

Die Anfänge und Ansätze von BNE

1992 beschlossen die Vereinten Nationen bei der UN-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro die Agenda 21. Darin wurden Leitlinien zur nachhaltigen Entwicklung im 21. Jahrhundert festgehalten und der Bereich Bildung als eines der zentralen Handlungsfelder benannt. Zehn Jahre später auf dem Weltgipfel Rio +10 in Johannesburg wurde diese zentrale Bedeutung von Bildung noch einmal bekräftigt. Für die Jahre 2005 bis 2014 verabschiedete die UN die Weltdekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung". Die nationalen Regierungen sollten während dieser Zeit den Ansatz der Nachhaltigkeit mit Unterstützung der UNESCO in ihre jeweiligen Bildungssysteme und -strategien einführen. Im Anschluss startete 2015 das UNESCO-Weltaktionsprogramm (WAP) "Bildung für nachhaltige Entwicklung". Es soll die Veränderung des Bildungssystems hin zu mehr Nachhaltigkeit weiter vorantreiben und BNE noch stärker von der Idee in die Praxis zu bringen. Das WAP wurde für einen Zeitraum von fünf Jahren angesetzt. Ziel ist es, "Aktivitäten auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Bildung anzustoßen und zu intensivieren, um den Prozess hin zu einer nachhaltigen Entwicklung zu beschleunigen" .

In diesem Zusammenhang spielen auch die 2015 verabschiedeten Ziele für Nachhaltige Entwicklung (engl. Interner Link: Sustainable Development Goals (SDGs)) eine große Rolle: Bildung wird darin als zentrale Voraussetzung betrachtet, um die dort formulierten Ziele zu erreichen. Der Ansatz von BNE umfasst somit einen ganzheitlichen, transformativen, politischen Ansatz von Bildung. Bis 2030 sollen für alle Menschen eine inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen sichergestellt werden" .

BNE in der Praxis und Umsetzung der Ziele

In den vergangenen vier Jahren sind in Deutschland bereits verschiedene beispielhafte Projekte im Rahmen der SDGs gestartet, von der Grundschule, über die weiterführenden Schulen bis hin zum außerschulischen Bildungsbereich und zur Interner Link: politischen Bildung. Die SDGs sollen auf allen Bildungsebenen angewendet und umgesetzt werden. 2017 verabschiedete die Externer Link: Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung einen Aktionsplan für Deutschland, der zahlreiche Ziele und konkrete Handlungsfelder umfasst. BNE wird dabei nicht nur als ein weiteres Themenfeld verstanden, das in die Lehrpläne eingebaut werden soll. Es ist stattdessen "ein übergreifender Ansatz, der sich auch auf Lehr- und Lernmethoden auswirkt" .

In der Form der Umsetzung ähnelt dieser Ansatz der von der Kultusministerkonferenz (KMK) 2016 verabschiedeten Strategie "Externer Link: Bildung in der digitalen Welt": Auch Digitale Bildung soll nicht in einzelnen Schulfächern, sondern im Fachunterricht, in fächerübergreifenden Projekten oder in außerunterrichtlichen Aktivitäten vermittelt werden. Sie soll außerdem aus technologischer, gesellschaftlich-kultureller und anwendungsbezogener Perspektive in den Blick genommen werden. Das heißt: es gibt Schnittmengen der Zielsetzungen von BNE und Digitaler Bildung. Und letztlich wird es für den jeweiligen Erfolg sogar notwendig sein, beide Konzepte zusammenzudenken.

Im Folgenden stellen wir die praktische Umsetzung von BNE in den verschiedenen Bildungsbereichen vor:

Externer Link: Frühkindliche Bildung
Im Bereich der Frühkindlichen Bildung sollen den Kindern zukunftsrelevante Fragestellungen auf spielerische, altersgerechte Art vermittelt werden. Die Vermittlung geht von konkreten Alltagserfahrungen und Lebensbereichen der Kinder aus, anhand derer Themen nachhaltiger Entwicklung niedrigschwellig bearbeitet werden (z. B. Wasser, Ernährung, Energie). Ein Beispiel sind die Naturpark-Kitas am Niederrhein, z. B. die Externer Link: Naturpark-Kita Schwalm-Nette. Hier wird jedes Jahr ein neues Jahresthema behandelt. Das können Themen wie Natur und Landschaft, aber auch regionale Kultur und Gewerke sein, mit denen sich die Kinder in Projekttagen und Exkursionen beschäftigen. So werden die Kinder für BNE-Themen sensibilisiert.

Externer Link: Schule
Ziel der Umsetzung von BNE an der Schule ist die strukturelle Verankerung des Konzeptes in die Lehr- und Bildungspläne und am Lernort Schule. So zeigt der aktuelle sächsische Lehrplan für Mathematik am Gymnasium verschiedene Anwendungsbereiche von BNE auf: etwa in Klasse 5 beim Themenblock Rechtecke und Quader. Im Rahmen eines Projekttages "Verpackungen" wird hier die Vermittlung von Fachwissen mit Nachhaltigkeitsthemen möglich. In Klasse 10 ist eine solche Verknüpfung etwa bei der Beschäftigung mit verschiedenen Wachstumsprozessen (exponentiell, linear etc.) möglich. Die Errechnung von Kurven kann mit Betrachtungen von globalen Entwicklungsmodellen, Sparmodellen o. ä. im Sinne von BNE kombiniert werden. Diese Verankerung ist in den Bundesländern verschieden stark fortgeschritten. In Hessen etwa sind zahlreiche BNE-Themen schon Kernbestandteil der gymnasialen Oberstufe (Demokratie und Teilhabe/ zivilgesellschaftliches Engagement, Nachhaltigkeit/ Lernen in globalen Zusammenhängen, Selbstbestimmtes Leben in der mediatisierten Welt) .

Externer Link: Berufliche Bildung
Die Einbindung von BNE in die berufliche Bildung ist von großer Relevanz, um auch die Zukunftsfähigkeit der Betriebe und Firmen selbst zu sichern. Ein exemplarisches Modellprojekt in diesem Bereich ist "Externer Link: Ausbildung fordert nachhaltige Lernorte in der Industrie" (ANLIN). Dieser Ansatz umfasst die Ausbildung der Ausbilderinnen und Ausbilder selbst (train-the-trainer, Awareness-Schulung, Methodentraining), die nachhaltigkeitssensible Ausbildung der Auszubildenden (modular aufgebaute Workshops zum Thema Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeitserkundungen im Unternehmen, begleitet durch E-Learning Angebote) und die langfristige Schaffung nachhaltiger Lernorte durch eine strukturelle Verankerung von Nachhaltigkeit in der Berufsausbildung .

Externer Link: Hochschule
An Hochschulen werden zum einen Wissen und Werte erarbeitet und vermittelt, zum anderen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie künftige Führungskräfte und Pädagoginnen und Pädagogen ausgebildet. Für die Etablierung von BNE ist die Verankerung des Konzeptes im Aufbau der Hochschule, sowie in Umsetzung und Vermittlung somit essentiell. Umgesetzt werden die BNE-Ansätze beispielsweise an der Leuphana Universität Lüneburg. Dort existiert eine eigene Fakultät Nachhaltigkeit, über die zahlreiche Seminare mit Nachhaltigkeitsbezug angeboten werden, die auch von den Studierenden anderer Studiengänge belegt werden können. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) verfügt seit Jahren über ein Nachhaltigkeitsreferat. In Lüneburg entwickelte Angebote wie das Wissenschaftsportal für nachhaltige Entwicklung "Externer Link: Grünes Wissen" tragen über Möglichkeiten der Vernetzung zur Verbreitung von BNE bei.

Externer Link: Non-formales Lernen/Jugend
Dieser Bildungsbereich ist insbesondere für lebenslanges Lernen von großer Relevanz. Ein Großteil der während der UN-Dekade initiierten Projekte wird im non-formalen Bildungsbereich umgesetzt. Dies spiegelt sich u.a. an den diversen Lernorten und -methoden wieder: Es reicht von Projektangeboten für Schulen wie "Externer Link: Werde WELTfairÄNDERER" bis hin zu Angeboten wie Externer Link: Sukuma arts, die sich an Unternehmen, Banken oder Vereine richten.

Externer Link: Kommunen
Auch ein Konzept, das globale Perspektiven spinnt, muss lokal verankert sein. Daher wurde von der UNESCO die Roadmap für die Förderung von Projekten auf lokaler Ebene etabliert. Städte und Länder wie Hamburg (Initiative "Externer Link: Hamburg lernt Nachhaltigkeit") oder Thüringen (Externer Link: Nachhaltigkeitszentrum Thüringen) stärken BNE Projekte aktiv auf kommunaler Ebene.

Ausblick

BNE ist ein Bildungsansatz, der fast alle aktuellen gesellschaftlichen Fragen in den Blick nimmt und eine nachhaltige, globale Entwicklung stärken will: eine nachhaltige Entwicklung, "die die Lebensqualität der gegenwärtigen Generation sichert und gleichzeitig zukünftigen Generationen die Wahlmöglichkeit zur Gestaltung ihres Lebens erhält" .

In Deutschland wird das Konzept bisher vor allem in Modellprojekten umgesetzt. Die Umsetzung eines solch umfassenden Ansatzes erweist sich in der Praxis als denkbar schwierig. Die Kooperation verschiedener Bildungsbereiche ist wichtig für das Gelingen, aber bei Weitem nicht selbstverständlich. Auch müssen in der Ausbildung von Bildnerinnen und Bildnern die weitreichenden Ansprüche von BNE implementiert werden. Dass Lehrerinnen und Lehrern weiterhin entsprechend einer Fachdisziplin ausgebildet werden, Konzepte wie BNE oder Digitale Bildung jedoch vermehrt fächerübergreifend oder fächerverbindend umgesetzt werden sollen, steht bisweilen im Widerspruch zueinander. Insgesamt benötigt die Auseinandersetzung mit Fragen der Nachhaltigkeit einen Perspektivwechsel und die Bereitschaft, eigene Gewohnheiten und Privilegien in Frage zu stellen. Das ist mitunter unbequem. 2018 verständigte sich die UNESCO auf eine Weiterführung und -entwicklung von BNE nach dem Ende des aktuellen Weltaktionsprogrammes. Fest steht also: die Umsetzung und Entwicklung von BNE geht weiter.

Theresa Kühnert ist seit Juli 2019 als Redakteurin für Externer Link: werkstatt.bpb.de tätig. Davor studierte sie Sozial- und Politikwissenschaften in Leipzig sowie Geschichte und Politik des 20. Jahrhunderts an der FSU Jena. Seit 2020 betreut sie außerdem verschiedene Projekte im Bereich der historisch-politischen Bildungsarbeit.