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M 03.03 Fallbeispiel Kevin | Rechtsextremistische Einstellungen im Alltag | bpb.de

Rechtsextremistische Einstellungen im Alltag Didaktischer Kommentar Sachanalyse Baustein 1: Umfrage M 01.01 Musterfragebogen M 01.02 Auswertungshilfen M 01.03 Arbeitsblatt- Datenauswertung Vergleichsdaten M 01.04-08 M 01.04 Parteipräferenz M 01.05 Ausländerfeindlichkeit M 01.06 Sozialdarwinismus M 01.07 Antisemitismus M 01.08 Islamfeindlichkeit M 01.09 Karikaturen M 01.10 Vom Stereotyp zum Vorurteil Baustein 2: Phänomenologie M 02.01 Kartenabfrage M 02.02 Definition Stöss M 02.03 Revisionismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus M 02.04 Ausländerfeindlichkeit und Fremdenfeindlichkeit M 02.05 Chauvinismus und Nationalismus M 02.06 Autoritarismus M 02.07 Antisemitismus M 02.08 Rassismus und Sozialdarwinismus M 02.09 Rechtsextremes Verhalten: Kleidung M 02.10 Rechtsextremes Verhalten: Symbole und Codes M 02.11 Rechtsextremes Verhalten: Gewalt M 02.12 Rechtsextremes Verhalten: Mitgliedschaft/ Milieus M 02.13 Definition Jaschke M 02.14 Fallbeispiel Micha M 02.15 Fallbeispiel Jürgen M 02.16 Warum ist Rechtsextremismus gefährlich? M 02.17 Wie schützt sich der Staat gegen Rechtsextremismus? M 02.18 Schutz durch Strafgesetze M 02.19 Zusammenfassung I „Gefahren des Rechtsextremismus“ M 02.20 Zusammenfassung II „Gefahren des Rechtsextremismus“ Info 02.01 zu M 02.02 Info 02.02 zu M 02.03 - M 02.08 Info 02.03 zu M 02.09 - M 02.12 Info 02.04 zu M 02.14 - M 02.15 Info 02.05 zu M 02.16 - M 02.18 Info 02.06 zu M 02.19 - M 02.20 Baustein 3: Erklärungsansätze M 03.01 Wie kommt der Kleine auf so’n Stuss? M 03.02 Fallbeispiel Felix M 03.03 Fallbeispiel Kevin M 03.04 Fallbeispiel Melissa M 03.05 Einflussfaktoren für rechtsextreme Einstellungen M 03.06 Erklärungsansatz auf der Individualebene M 03.07 Einflüsse gesellschaftlicher Entwicklungen M 03.08 Einflüsse der politischen Kultur als Erklärungsansatz M 03.09 Arbeitsblatt "Wenn-Dann-Sätze" bilden M 03.10 Fußball und Rechtsextremismus M 03.11 Rollenspiel Tatort Stadion M 03.12 Rollenspiel Flüchtlingsunterkunft Info 03.01 Tafelbild zu M 03.05 Info 03.02 Lösungsvorschlag zu M 03.09 Info 03.03 Hinweise zum Rollenspiel „Tatort Stadion“ Info 03.04 Hinweise zum Rollenspiel Flüchtlingsunterkunft Baustein 4: Projekte & Maßnahmen Best Practise 1: "Helden" Best Practice 2: Film Best Practice 3: Kunst Best Practice 4: SoR Info 04.01 Zielfindung Info 04.02 Stakeholder Info 04.03 Projektphasen Info 04.04 Ideen für Projekte Info 04.05 Gesetzl. Rahmen M 04.01 Themenfindung M 04.02 Zeitplan M 04.03 Placemat M 04.04 Projektdetails M 04.05 Aufgabenverteilung M 04.06 Gruppenplanung M 04.07 Projektwochenplan M 04.08 Reflexionsbogen M 04.09 Zielscheibe Glossar Literaturtipps Redaktion

M 03.03 Fallbeispiel Kevin

/ 4 Minuten zu lesen

I: In Deutschland gibt es nach Angaben des Verfassungsschutzes rund 22400 Nazis. Rund 10000 davon sind sogar gewaltbereit. Doch wie rutscht man eigentlich in die rechte Szene? Kaum jemand kann das so gut beantworten, wie Kevin Müller 24 Jahre. Rund 7 Jahre war er in der Szene aktiv. Kevin, es ist gar nicht so leicht dich zu treffen, du gehst auf Nummer sicher, bevorzugst öffentliche Orte, wovor hast du Angst?

K: Seit meinem Ausstieg habe ich etliche Morddrohungen aus der rechten Szene erhalten und es gab auch schon körperliche Übergriffe. Darum musste ich mich absichern, da auch Nazis versuchen mich zu treffen unter dem Pseudonym, sie wären von der Presse oder Interessenten der rechten Szene oder was auch immer.

I: Du warst 7 Jahre bei der NPD dabei, sogar Schatzmeister in Spandau, wie bist du in die Szene reingerutscht?

K: Ich war einer von sehr vielen frustrierten Jugendlichen. Ich bin aus Grunewald in die Uckermark gezogen, da ist die Arbeitslosigkeit sehr hoch. Ich hatte vorher keine Berührung mit Nazis gehabt, erst zu dem Zeitpunkt meines Umzugs nach Brandenburg. Mit 14 war ich noch in der Hip-Hop-Szene, trug weite Hosen, Markenklamotten, Baggies und das passte der damaligen Dorfjugend gar nicht in den Kram. Damals war es sehr modern Alpha Bomberjacken zu tragen und enge Jeans. Ich passte einfach nicht in ihr Weltbild. Anfangs bin ich noch als Opfer in die rechte Szene reingerutscht. Durch Frustrationen, die mich geplagt haben, weil u.a. in Kreuzberg und Neukölln Ausländer Übergriffe auf mich ausgeübt haben, weil ich ein Deutscher bin; so haben sich einige Sachen, die ich von den Rechten gehört hatte, bestätigt. Die Rechten meinten, dass man in der Zwischenzeit ein Fremder in seinem eigenen Land wäre und sich hier nicht mehr frei bewegen kann. Das war der Grund, warum ich eingestiegen bin.

I: Du hast mal gesagt, Musik sei die Eintrittskarte ins vierte Reich, was genau meinst du damit?

K: Die Musik ist sehr wichtig, um sich in die rechte Gesellschaft zu integrieren. Sie lockt und ich möchte jetzt nicht sagen, dass sind unterschwellige Botschaften vermittelt, aber es setzt sich halt ziemlich ins Hirn fest. Jede Subkultur und jeder Jugendkultur braucht ihre Musik und kann sich damit identifizieren und so auch eben die rechte Kultur. Die Nazis machen auch den Holocaust lächerlich mit Liedern wie „Haste Hunger ist dir kalt, willst zurück nach Buchenwald. Deine Mutter hatte Glück und kam nach Ravensbrück.“ Und das sind Texte, die den Holocaust verharmlosen und man kann sich dann damit ganz anders auseinandersetzen. Ein weiterer Schritt auf dem Weg eines verfestigten Nationalsozialisten ist dann die Leugnung des Holocaust. Man kann sich selber einfach viel wohler fühlen, wenn man denkt oder glaubt zu wissen, dass es sowas nicht gegeben hat und das Ganze eine riesen Lüge der Juden selbst ist.

I: Nach den 7 Jahren bist du aber ausgestiegen, was war da der Punkt, der dich ins Grübeln gebracht hat? Wo kamen die Zweifel her?

K: Es waren mehrere Aspekte gewesen u.a. eine ziemlich extreme Gewalterfahrung, die wir an einem Antifaschisten in seiner eigenen Wohnung ausgeübt haben. Dabei sind sämtliche Gedanken von mir abgefallen. Der Einstieg in die rechte Szene hat mir eigentlich bedeutet, dass wir Humanisten sind und Gewalt ablehnen und dass wir die Kultur ja nur bewahren wollen. Zudem ist der Antifaschist auch ein Deutscher gewesen.

I: Und ihr seid dann in seine Wohnung und habt ihn dort verprügelt?

K: Ja so wars. Und das war halt ein Punkt. Der andere Punkt war dass, als ich ausstiegwillig war, ideologisch aber noch gefestigt war, ich einen Dialog selbst mit Antifaschisten u.a. mit einem sehr engen Familienfreund gesucht habe und der mit mir zu Gedenkstätten wie Ravensbrück gefahren ist. Wir haben drüber geredet. Ich hatte ein Buch, was den Holocaust verleugnet, dabei und wir haben diskutiert.

I: Hast du denn an einem Aussteigerprogramm teilgenommen?

K: Nein, also ich bin an kein Aussteigerprogramm ran getreten, halte es aber dennoch für sehr wichtig. Meiner Meinung nach ist es ziemlich kompliziert an ein bestimmtes Aussteigerprogramm ran zutreten, wenn man erst eine kostenpflichtige Nummer anrufen muss. Für jemanden der noch nicht sehr gefestigt ist oder eben sehr gefestigt war in der rechten Szene, ist so ein Aussteigerprogramm natürlich sehr wichtig. Ich denke aber schon, dass vereinzelte Nazis ausstiegswillig wären, wenn man ihnen eine Perspektive bieten würde, d.h. eine Ausbildung, eine neue Heimat, eine ordentliche Wohnung, einen neuen Freundeskreis. Wenn das alles nicht geboten wird, was die rechte Szene aber bietet, sie bieten Ausbildungen in der rechten Szene, sie machen Konzerte, du hast dort deinen Freundeskreis, dein soziales Umfeld, das macht es halt nicht einfach auszusteigen. Ich gehe jetzt seit über zwei Jahren an Schulen und diskutiere dort mit Schülern von der 7. Klasse bis zu Abiturienten, um aufzuklären, wie man überhaupt reinrutschen kann, was eine Schulhofoffensive ist und warum die NPD CDs auf dem Schulhof verteilt. Ich denke, dass es wichtig ist, so früh wie möglich anzufangen aufzuklären, was Rechtsextremismus ist, warum die Rechten den Holocaust leugnen, was da die Hintergründe sind, wie die Leute aussehen, wer sie sind. Einfach komplett ohne Kompromisse aufzuklären.

I: Kevin vielen Dank für das Gespräch. Viel Glück und viel Erfolg für deine Arbeit. Danke.

Aus: Du hast die Macht (Hrsg.) Der Naziaussteiger, 30.11.2012, Externer Link: http://www.duhastdiemacht.de/beitr%C3%A4ge/621-der-nazi-aussteiger (13.01.2014).

Arbeitsaufträge

  1. Einzelarbeit: Welche Ursachen werden im Interview dafür genannt, dass Kevin in die rechte Szene eingestiegen ist?


  2. Partnerarbeit : Vergleiche deine Ergebnisse mit einem Partner, der das gleiche Fallbeispiel bear-beitet hat. Ergänze ggf. deine Notizen mit neuen Aspekten.


  3. Gruppenarbeit : Bildet 3er-Gruppen und beachtet, dass jeder ein anderes Fallbeispiel bearbeitet hat, sodass ihr euch über die drei verschiedenen Fallbeispiele austauschen könnt.

    • Vergleicht eure Notizen über die Fallbeispiele im Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede und haltet diese stichwortartig fest.

Das Arbeitsmaterial ist Interner Link: hier als PDF-Dokument abrufbar.

Fussnoten