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Informationsgesellschaft und Europa | bpb.de

Informationsgesellschaft und Europa

G. Weinmann

Mit dem Begriff I. verbindet man im europ. Zusammenhang einen Weg zu stärkerem Wirtschaftswachstum (»Lissabon-Strategie«) sowie eine breit angelegte Modernisierung (sozial, politisch, wissenschaftlich-technisch, administrativ und kulturell). Grundlage dafür ist die Entwicklung bzw. Anwendung moderner Informations- und Kommunikationsmedien wie Mobilfernsehen, Handys oder Internet. Ausgehend von Japan fand der Begriff I. über die USA v. a. seit Beginn der 1990er-Jahre Eingang in die Debatte über die Leitbilder zur europ. Einigung. Einen ersten Schritt markiert der sog. »Bangemann-Bericht«, der 1994 Chancen und Risiken der I. für Europa gegenüberstellte. Unter dem Aspekt der globalen Wettbewerbsfähigkeit mahnte er dringenden Handlungsbedarf an. Auf dem EU-Gipfel von Korfu (24./25.6.1994) beauftragten die Staats- und Regierungschefs die EU-Kommission mit der Erstellung des ersten Aktionsplans. Seine Weiterentwicklung spiegelt sich in den Initiativen »eEurope 2005« und »i2010« sowie im Aktionsplan zur Beschleunigung der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung (2016–2020) wider. Letztere konzentriert sich auf die Rolle der I. für Wachstum bzw. Beschäftigung und betont besonders das Erfordernis eines »einheitlichen Europäischen Informationsraumes«. Damit einhergehen soll die Entstehung einer »Wissenswirtschaft«, in deren Ausrichtung der freie Verkehr von Wissen als »5. Grundfreiheit« des Binnenmarktes verankert ist. Die »Rigaer Erklärung« vom 13.6.2006 stellt sowohl die Alltagstauglichkeit der neuen Medien in den Vordergrund als auch die Überwindung der »digitalen Kluft«. Darunter versteht man das Gefälle zwischen Hochburgen der I. in der EU und Regionen mit (hohem) Entwicklungsbedarf. 2019 hat das Europäische Parlament der Errichtung einer EU-Telekommunikationsbehörde für die Sicherheit von Kommunikationsnetzen zugestimmt. Aktuelle Ziele sind darüber hinaus eine größere Effizienz beim Einsatz der finanziellen Mittel, eine bessere Vernetzung verschiedener Politikbereiche (»Europa 2020«) sowie Aufschlüsse über die Notwendigkeiten bei der künftigen Gestaltung der I. Eine zentrale Bedeutung kommt dabei der »Digitalen Agenda für Europa« zu, die die EU-Kommission am 26.8.2010 veröffentlicht hat. Damit verbunden ist die Frage nach der Zugangssicherheit, den Auswirkungen neuer Medien auf die Demokratie und den Anforderungen der I. an das Qualifikationsprofil ihrer Bürgerinnen und Bürger. In der Diskussion hat sich dafür der Begriff »EDemocracy« eingebürgert. Er umfasst auch den Wandel vom reinen Konsum elektronischer Angebote zur Gestaltung von Inhalten durch die Nutzer selbst (Web 2.0). Von wachsender Bedeutung ist darüber hinaus der Zusammenhang zwischen I., Medien und Ökologie. Dabei gerät der Energiebedarf für die Infrastruktur zusehends in die Diskussion (»Green I[information] T[echnology]«). Weitere Herausforderungen ergeben sich durch neue Zeitmuster, die mit der Beschleunigung von Abläufen einhergehen, sowie durch die Tatsache, dass sich der Einzelne in immer komplexeren Lebens- bzw. Arbeitswelten zurechtfinden muss. Auf dem Weg in die I. sieht sich die EU also mit einer zweifachen Herausforderung konfrontiert: Der Erschließung von Potenzialen steht die Auseinandersetzung mit den Risiken bzw. nicht beabsichtigten Nebenwirkungen gegenüber. Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen hat deshalb die Digitalisierung neben der Klimapolitik zu einem Schwerpunkt ihrer Aktivitäten erklärt.

Literatur

  • M. Castells: Das Informationszeitalter I-III, Opladen 2001–2003.

  • Europäische Kommission: The Digital Economy and Society Index, Brüssel 2019.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: G. Weinmann

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