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Polen: „Glaubt an Eure Spenderinnen und Spender!“ Robert Kawałko, polnischer Fundraisingverband

/ 4 Minuten zu lesen

Der polnische Fundraisingverband wurde 2006 gegründet. Ziele sind u.a. die Unterstützung des Dialoges zwischen Geldgebern und gemeinnützigen Organisationen sowie die Entwicklung ethischer Fundraisingstandards in Polen.

Aktuell hat der Polnische Fundraisingverband 222 Mitglieder. Akquisos sprach mit dem Vorsitzenden, Robert Kawałko. Weitere Informationen in polnischer Sprache: Externer Link: www.fundraising.org.pl.

Akquisos: Wie sieht der Finanzierungsmix in Polen aus und wie wird Fundraising in gemeinnützigen Organisationen in Polen umgesetzt?
Robert Kawałko: Fundraising befindet sich in Polen im Anfangsstadium und gemeinnützige Organisationen sind immer noch in hohem Maße von öffentlichen Mitteln abhängig. Das liegt vor allem daran, dass sich in Polen seit Ende des Kommunismus noch keine philanthropische Kultur, keine "Kultur des Gebens" entwickelt hat. Außerdem ist die Ausbildung von Fundraiser/innen noch nicht weit fortgeschritten. Zwar verwenden viele Organisationen verschiedene Fundraising-Techniken, aber eine institutionelle Implementierung als strategische Aufgabe ist nur selten zu finden. So gibt es häufig keine Aufgabenbeschreibung für das Fundraising bei gemeinnützigen Trägern (inkl. einem Haushalt für mögliche Investitionen) und auch Basistechniken – wie beispielsweise die Einführung einer Datenbank – vermissen wir häufig. In den letzten sieben Jahren haben wir ungefähr 4.000 Fundraiser/innen aus- und fortgebildet. Ich schätze, dass davon höchstens 10% ihre Kompetenzen am Arbeitsplatz tatsächlich ausschöpfen können.
Ebenfalls seit sieben Jahren gibt es in Polen die Möglichkeit, ein Prozent der Einkommenssteuer direkt über die Steuererklärung einer gemeinnützigen Organisation zu widmen (hierzu reicht die Angabe der Organisation und die entsprechende Steuernummer auf der eigenen Steuererklärung, d.R.). Diese Möglichkeit nutzen aber nur 40% der polnischen Steuerzahler/innen. Meiner Meinung nach würde die Zahl viel größer sein, wenn Organisationen mehr mit dieser Möglichkeit werben würden.

Akquisos: Welche politischen, rechtlichen oder gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unterstützen das Fundraising besonders und wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?
R.K.: Gegenwärtig können hohe Projektfördermittel über die verschiedenen Europäischen Fonds akquiriert werden – davon hat der gemeinnützige Sektor erheblich profitiert. Auch die nationale Förderung ist ein wesentlicher Geldgeber – nicht zuletzt wegen der schon erwähnten Steuer-Regelung. Wir müssen aber feststellen, dass eine zu hohe Abhängigkeit von EU-Fördermitteln in vielen Organisationen zu einer kurzfristigen Projekt-Akquise geführt hat, weniger zu einer strategischen Entwicklung der Organisationen. Ich sehe diese Abhängigkeit skeptisch; erst recht wenn man davon ausgeht, dass die öffentliche Förderung abnehmen wird, schon alleine wegen der aktuellen ökonomischen Krise. Daher ist es aus meiner Sicht erforderlich, sich auf individuelles Fundraising zu konzentrieren und hier ein tragfähiges Standbein aufzubauen. Im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen denke ich, die „1-Prozent-Regel“ sollte ausgebaut werden, in der Slovakei kann man bis zu 2% der Einkommenssteuern weiterleiten. Potential sehe ich außerdem bei der Zusammenarbeit mit Unternehmen. Momentan engagieren sich da etwa 100 bis 200 Unternehmen in Polen, was – denke ich – ausgebaut werden kann.

Akquisos: Wo sehen Sie das größte Potential im Fundraising Polens in den nächsten 5-10 Jahren?
R.K.: Ich denke, die große Herausforderung der nächsten Zeit liegt darin, die Aufmerksamkeit von der öffentlichen Förderung auf das individuelle Fundraising auszudehnen. Der Aufbau einer philanthropischen Kultur – ich hatte es schon angedeutet –, die von langfristigen Partnerschaften zwischen (individuellen) Gebern und gemeinnützigen Organisationen gezeichnet ist, ist nach meinem Eindruck Voraussetzung für ein erfolgreiches Fundraising in Polen. Als Verband engagieren wir uns dafür, dass die individuellen Geldgeber wesentliche Partner für die Organisationen werden. Das heißt natürlich auch, dass sich die Organisationen entsprechend professionalisieren müssen – auch darüber haben wir schon gesprochen.
In Polen ist die erfolgreichste Organisation immer noch die katholische Kirche. Wie keine andere ist sie im individuellen Fundraising aktiv und sicher auch daher ein Beispiel für ihre Stärke und für erfolgreiches Fundraising.

Akquisos: Was ist aus Ihrer Sicht die erfolgreichste Fundraising-Kampagne der letzten drei Jahre und warum?
R.K.: Das bei weitem erfolgreichste Fundraising-Projekt ist das jährliche Charitable Christmas Orchestra (www.en.wosp.org.pl). Im letzten Jahr wurden ungefähr 12 Mio. Euro akquiriert. Ungefähr 100.000 Freiwillige waren bei sehr unterschiedlichen Fundraising-Aktivitäten beteiligt, von der Straßensammlung bis zu großen Fundraising-Events. Begleitet wird das Projekt von einer intensiven medialen Begleitung über TV, Printmedien und Internet. Diese breite Berichterstattung ist sicher ein wesentlicher Faktor für den Erfolg.
Das Projekt wird jährlich seit 17 Jahren wiederholt und hat damit bereits eine gewisse Tradition entwickelt. Ich denke das zeigt, was durch individuelles Fundraising erreicht werden kann.

Akquisos: Welche Rolle spielen politische Bildungsträger in der polnischen Zivilgesellschaft und wie werden sie – insbesondere mit Gästehäusern – finanziert?
R.K.: In Polen gibt es die Tradition von Seminarhäusern der politischen Bildungsarbeit nicht so wie in Deutschland. Wir haben einige christlich geprägte Bildungshäuser, insgesamt ist der Markt aber deutlich kleiner. Daneben gibt es natürlich Hotels, in denen auch Seminare und Fortbildungsveranstaltungen stattfinden. In der Regel besteht als einzige Finanzierung die Erstattung anfallender Kosten, die über mögliche Projektfinanzierung – beispielsweise aus EU-Fördermitteln – ausgeglichen wird. Ansonsten stehen diese Häuser im klassischen saisonalen Geschäft und im vergleichbaren Risiko.

Akquisos: Wenn Sie das Fundraising in Polen und Deutschland vergleichen – welche Empfehlungen haben Sie für Ihre westlichen Nachbarn?
R.K.: Ich würde vor allem eines empfehlen: Schätzt Eure Situation als Fundraiser ruhig etwas „positiver“ ein und glaubt an Eure Spenderinnen und Spender. Ich habe den Eindruck, wir haben in Polen mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen wie unsere deutschen Kolleginnen und Kollegen – allerdings unter „verschärften Umständen“. Meine Wahrnehmung: Fundraiser sind gut darin, sich zu entschuldigen, was alles nicht gehen könnte. Und wir hier schimpfen auf unsere Situation, die z.B. im Vergleich zu der Ukraine wahrscheinlich sehr komfortabel ist. Ich denke, wir alle können flexibler werden und neue Dinge einfach ausprobieren, bevor wir sagen: es funktioniert nicht.

Akquisos: Herzlichen Dank für das Interview.

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